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Wasserkraft & Energie 1/2021 Dominic Wode, Michael Hähnel, Peter Ecklebe ENERGIEGEWINNUNG DURCH DRUCKREDUZIERUNG VON TRINKWASSER Anlage: Hochbehälter der Stadt Wernigerode Ausschnitt aus dem Mosaik „Kreislauf des Wassers“ im Wasserwerk Wienrode Dr. Ecklebe Engineering GmbH, Brockenblick 29; 38855 Wernigerode, OT Reddeber
1. Einleitung 1.1. Vorbemerkungen Der Wunsch, „normale“ Kreiselpumpen als Turbinen einzusetzen, taucht mit großer zeitlicher Regelmäßigkeit vor allem im Zusammenhang mit alternativer Energiegewinnung auf. Die deutlich günstigeren Anschaffungskosten gegenüber „richtigen“ Wasserturbinen legen diesen Gedanken nahe. Pumpen sind deutlich einfacher in Wartung und Handhabung als „echte“ Turbinen. Es gibt Anwendungen z.B. im Trinkwasserbereich, bei denen bewusst Pumpen als Turbinen eingesetzt werden. Oft ist hierbei die zu erwartende „Ausbeute“ des vorhandenen Trinkwasservolumenstroms relativ gering und zu schwankend, um die Anschaffungskosten einer teuren, „echten“ Wasserturbine zu amortisieren, die darüber hinaus für Trinkwasser zugelassen sein muss. Hier bieten sich rückwärtslaufende Kreiselpumpen an. Diese stehen dank großer Fertigungsstückzahlen kostengünstig zur Verfügung. Einen etwas ungünstigeren Wirkungsgrad nimmt man für den niedrigen Anschaffungspreis in Kauf. Das an der drehenden Welle verfügbare Moment wird durch Kopplung von Kreiselpumpe und Generator zur Netzeinspeisung genutzt . Bei Einsatz einer Invertereinspeisung wird die Drehzahl nicht von der elektrischen Netzfrequenz vorgegeben. Ein wesentlicher Nachteil von Pumpen als Turbinen (PaT) ist – anders als bei Francis-und Kaplan-Wasserturbinen – das Nichtvorhandensein einer regelbaren Leiteinrichtung zur Anpassung an ein schwankendes Wasserangebot. Dieses Problem ist im nachfolgend beschriebenen Beispiel durch einen drehzahlvariablen Betrieb optimiert worden. Die Invertereinspeisung erlaubt einen 4105-konformen Netzbetrieb, aber auch Inselbetrieb. Als Generator wurde ein Synchronreluktanzmotor der Effizienzklasse IE5 eingesetzt. 1.2. Ausgangsituation Das Trinkwasser-Netz der Stadt Wernigerode (Harz) wird aus verschiedenen Hochbehältern (HB) eingespeist. An einem HB wurde eine Eigenerzeugungsanlage mit Pumpe als Turbine (PaT) errichtet. Die Speisung des HB wird über zwei getrennte Versorgungsleitungen realisiert. Die Schwankungsbreite von Durchflüssen und Drücken sind nachstehend spezifiziert: Volumenstrom 1: - Rohrleitung DN300 - min. Druck 6 bar - max. Druck 13 bar - min Durchfluss 0 m³/h - max. Durchfluss 250 m³/h Dr. Ecklebe Engineering GmbH, Brockenblick 29; 38855 Wernigerode, OT Reddeber Seite 2 von 12
Volumenstrom 2: - Rohrleitung DN300 - min. Druck 3 bar - max. Druck 6,5 bar - min Durchfluss 0 m³/h - max. Durchfluss 700 m³/h Dem HB ist ein Schwallbehälter als Beruhigungsstrecke vorgeschaltet. Der Schwallbehälter hat zwei Anschlussstutzen. Auf den Anschluss Nr.1 speisen die Versorgungsleitungen über entsprechende Regelventile mit Auma-Verstellung. Damit steht eine Noteinspeisung für den Fall einer Störung der PaT-Einspeisung zur Verfügung. Der Anschluss Nr. 2 wurde zum Einbau einer PaT genutzt. Geregelt wird auf den Füllstandes des HB (klassische Füllstandsregelung) und übergeordnet auf den Druck im Wernigeröder Ortsteil Mühlental. Diese Kaskaden- Regelungsstruktur wurde Mitte 2015 in Betrieb genommen und funktioniert robust. 1.3. Q- und P- Messwertkurven Die folgenden Bilder 1 und 2 zeigen den Monats-Verlauf des Druckes (blau, Achse 0-8 bar) vor der PaT und den Volumenstrom (schwarz, in m³/h) für die beiden TW- Zuspeisungen, gemessen in 15min- Intervallen für einen Monat. Man erkennt deutliche tages- und wochenweise Schwankungen. TW-Zuspeisung Nr. 1, Volumen (schwarz) und 250 8 Druck (blau) 7 200 6 150 5 4 100 3 2 50 1 0 15min-Meßpunkte 0 1 96 191 286 381 476 571 666 761 856 951 1 046 1 141 1 236 1 331 1 426 1 521 1 616 1 711 1 806 1 901 1 996 2 091 2 186 2 281 2 376 2 471 2 566 2 661 2 756 2 851 2 946 Dr. Ecklebe Engineering GmbH, Brockenblick 29; 38855 Wernigerode, OT Reddeber Seite 3 von 12
TW-Zuspeisung Nr.2, Volumen (schwarz) und 600.0 Druck (blau) 8.0 7.0 500.0 6.0 400.0 5.0 300.0 4.0 3.0 200.0 2.0 100.0 1.0 0.0 0.0 1 96 191 286 381 476 571 666 761 856 951 1046 1141 1236 1331 1426 1521 1616 1711 1806 1901 1996 2091 2186 2281 2376 2471 2566 2661 2756 2851 2946 Bild 3 zeigt den Gesamtvolumenstrom (blau) mit einer Mittelwertlinie (schwarz). Im praktischen Betrieb schwankt die Fallhöhe zwischen 1,9 und 5,4 bar - abhängig vom Durchfluss von 550 und 200 m3/h. Das entspricht einer hydraulischen Leistung von 23 kW bei einem Arbeitspunkt von z.B. 3,3 bar und 410 m³/h. Summenvolumen TW-Zuspeisung 1+2 (blau) 600 und Mittelwert (schwarz) 500 400 300 200 100 0 10… 11… 12… 13… 14… 15… 16… 17… 18… 19… 19… 20… 21… 22… 23… 24… 25… 26… 27… 28… 29… 1 96 191 286 381 476 571 666 761 856 951 Dr. Ecklebe Engineering GmbH, Brockenblick 29; 38855 Wernigerode, OT Reddeber Seite 4 von 12
2.0 Technische Basisdaten Nachfolgend sind die technischen Daten der PaT, des Generators und der Umrichtereinheit zusammengestellt. • Typ der PaT: KSB, Etanorm ETB 125-100-315 GBXAV11D303704 B, mit den folgenden technischen Daten: Volumenstrom 262,00 m³/h Fallhöhe 55,00 m Wirkungsgrad 80,1 % Wellenleistung 31,46 kW Bemessungs-Drehzahl 1520 1/min zulässiger Betriebsdruck 16,00 bar Max. zul. Drehmoment 256 Nm • 4 pol. KSB SuPremE-45kW- Synchron-Reluktanzmaschine als Generator. Das spart erheblich Energie im Vergleich zu einem Asynchronmotor. Der KSB SuPremE® erfüllt die Effizienz-Anforderungen nach IE5. • Die Baugruppen Sinamics-Invertereinspeisung: - Active-Line-Module und active Interface Module Eingang: 3AC 380-480V, 50/60Hz Ausgang: DC 600V, 92A, 55kW - Voltage SENSING Module VSM10 - Control Unit CU320-2 PN - Single Motor-Module Eingang: DC 600V Ausgang: 3AC 400V, 200A - Braking Module compact Eingang: DC 600V Bremsleistung: Pdauer/Pmax 5/100kW - Bremswiderstand DC 510-620V, 20kW, 20 Ohm Dr. Ecklebe Engineering GmbH, Brockenblick 29; 38855 Wernigerode, OT Reddeber Seite 5 von 12
3.0 Kreiselpumpe als Generator Strömt ein Medium gegen die Pumprichtung vom Druck- zum Saugstutzen, kehrt sich die Drehrichtung des Laufrades um. Ist die am Druckstutzen anliegende Druckenergie (Fallhöhe) groß genug, um das Losbrechmoment von Laufrad und Welle zu überwinden, kann man mit diesem Drehmoment einen Generator antreiben. Die Pumpe gibt an der Welle ein Drehmoment ab. In dem „3. Quadranten“ ihres Kennfeldes unterscheidet sich die „Pumpe als Turbine“ (pump as turbine, PaT) dann von der „echten“ Wasserturbine nur noch dadurch, dass sie gewöhnlich nicht ganz die Wirkungsgrade erreicht, die mit klassischen Francis- oder Kaplanturbinen möglich sind. In Bild 2 sind die prinzipiellen Kennlinien für Pumpen- und Turbinenbetrieb gegenübergestellt. Die Kurve „M = 0“ bezeichnet die so genannte Leerlaufkennlinie“. Es wird kein Moment an der Welle abgenommen. Die Pumpe (Turbine) dreht ungebremst frei durch. Mit „n = 0“ bezeichnet man die Widerstands- oder Festbremskennlinie. Hier wird die Maschine zwangsdurchströmt, ohne dass sich die Welle dreht. Zwischen diesen beiden Grenzkurven findet der „normale“ Turbinenbetrieb statt Bild 4: Kennlinien für Pumpen u. Turbinenbetrieb Quelle: Technik kompakt Nr. 11, Juli 2005 © KSB Aktiengesellschaft Dr. Ecklebe Engineering GmbH, Brockenblick 29; 38855 Wernigerode, OT Reddeber Seite 6 von 12
Das PaT-Kennlinienfeld zeigt das nachfolgende Bild 5: • Die Netzspannung beträgt 3x400V/50 Hz, die DC- Zwischenkreisspannung beträgt 600 V-DC, die Reluktanzmaschine wird ohne Impuls-Geber betrieben. KSB lieferte eine einsatzfertige Baueinheit aus PaT und Motor. Die Bilder 6 und 7 zeigen die örtlichen Einbauverhältnisse.: Dr. Ecklebe Engineering GmbH, Brockenblick 29; 38855 Wernigerode, OT Reddeber Seite 7 von 12
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• Die Invertereinspeisung speist bei unterschiedlichen Generatordrehzahlen immer mit 50Hz auf das Netz. Die Vorgabe der optimalen Generatordrehzahl an den generatorseitigen Wechselrichter der Invertereinspeisung zeigt Bild 8. Der drehzahlvariable Betrieb wird auf der Grundlage einer praktisch als optimal ermittelten p/n-Kennlinie gesteuert. 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 0.0 bar 1.0 bar 2.0 bar 3.0 bar 4.0 bar 5.0 bar 6.0 bar 7.0 bar Bild 9 zeigt die Gesamtstruktur der Invertereinspeisung. Konform zur VDE AR-N 4105: Konzept der kompletten Inverterspeisung Generator-Wechselrichter Einspeise-Wechselrichter Netzkupplung TNCS Zertifiziertes CU 320-2 PN Netzschutz- Relais KSB-PaT und KSB- Reluktanzmotor im Generatorbetrieb Drehzahlbereich 1200 bis 1850 umd/min 600V-DC Netz Redundante VSM 10 Koppelschalter AIM, ALM, Filter NA-Schutz Bremschopper und Widerstand 20kW Dr. Ecklebe Engineering GmbH, Brockenblick 29; 38855 Wernigerode, OT Reddeber Seite 9 von 12
• Bei einem Netzfehler steigt die PaT-Drehzahl schlagartig an und der Durchfluss sinkt innerhalb kürzester Zeit. Die Folge wäre ein Druckschlag. Zur Beherrschung der Situation wurde ein redundantes System verwirklicht. Bei Netzausfall kann die Energie über Widerstände vernichtet werden, bis das vorgelagerte AUMA-Motorventil geschlossen ist. Dadurch werden eine plötzliche Drehzahländerung und ein Wasserschlag vermieden. Als zweite Maßnahme wurde eine gewichtsbetätigte Schnellschluß-Klappe vor der PaT und eine Schnellöffnungsklappe in den Bypass eingebaut. Das folgende Bild 10 zeigt eine Klappe. • Der NA-Schutz wurde konform zu den Einspeisevorschriften (VDE AR- 4105) realisiert • Es erfolgt eine sichere Kommunikation mit der Fernwirkzentrale der Stadtwerke über Fernwirk-Protokoll IEC 60870-5-104 über sichere VPN- Verbindung. Dr. Ecklebe Engineering GmbH, Brockenblick 29; 38855 Wernigerode, OT Reddeber Seite 10 von 12
Fazit 1) Die SuPremE-45kW- Synchron-Reluktanzmaschine ist gehäuseseitig baugleich zu einer Standart-Asynchronmaschine mit Kurzschlussläufer. Das erleichtert den Einsatz. Der Preis für eine Reluktanzmaschine dieser Leistung liegt ca. 9% höher als ein vergleichbarer IE3-Asynchronmotor und 3% niedriger als ein vergleichbarer IE4-Asynchronmotor. Die IBS des Sinamics-S120 mit KSB-Reluktanzmaschine gestaltete sich recht problemlos. Wegen des besseren Wirkungsgrades stellt der Reluktanzmotor auch in Erzeugeranlagen eine innovative Alternative dar. 2) Die in das Netz eingespeiste elektrische Leistung schwankt zwischen 2,5 kW (Bypassbetrieb mit 600 umd/min und 1,9 bar) bis 29,2 kW (Normalbetrieb mit 1500 umd/min und 6 bar). 3) Die Erzeuger- Anlage ist seit über zwei Jahren störungsfrei in Betrieb. 4) Die Trinkwasserversorgung wurde zu keiner Zeit durch die Errichtung der PaT- Anlage beeinträchtigt. 5) Die Steuerung der PaT- Anlage wurde mit einem WAGO-IPC realisiert. Zur Leitwarte der Stadtwerke besteht eine sichere Datenanbindung über VPN, konform zu 104. Die Akteure Die Stadtwerke Wernigerode engagieren sich bereits seit vielen Jahren für die umweltschonende Eigenproduktion von Strom und den Ausbau erneuerbarer- Energien-Projekte vor Ort. Auf Anfrage öffnen sie gern für Interessierte, Fachleute und Schülergruppen das Wasserkraftwerk Steinerne Renne und ihre weiteren Stromerzeugungsanlagen. Die Dr. Ecklebe GmbH plant und realisiert seit 1990 Anlagen der Automatisierungs- und Antriebstechnik. Gerade wenn es „kniffelig“ wird, zeigt sich die Stärke der Firma aus Wernigerode, die mehr als 60 Mitarbeiter beschäftigt. Die Dr. Ecklebe GmbH und die Dr. Ecklebe Engineering GmbH sind mittelständische Familienunternehmen, die auch für Edge-Computing und cloud-Lösungen für Anwendungen in der Industrie und der Energietechnik stehen. Dr. Ecklebe Engineering GmbH, Brockenblick 29; 38855 Wernigerode, OT Reddeber Seite 11 von 12
Wir danken KSB in Halle für die Unterstützung bei der Realisierung des Projektes und den Stadtwerken Wernigerode für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung. Bildquellen: Bild 1: Fernwasserversorgung Elbaue-Ostharz GmbH Bild 2 bis 9: Dr. Ecklebe Engineering GmbH Dr. Ecklebe Engineering GmbH, Brockenblick 29; 38855 Wernigerode, OT Reddeber Seite 12 von 12
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