Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg - Kurzanalyse der Technologieoptionen und Potenziale

Die Seite wird erstellt Pernilla Hempel
 
WEITER LESEN
Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg - Kurzanalyse der Technologieoptionen und Potenziale
Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse
in Baden-Württemberg
Kurzanalyse der Technologieoptionen und Potenziale
Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg - Kurzanalyse der Technologieoptionen und Potenziale
H2BWissen: Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg

Inhaltsverzeichnis

1.       Einleitung ............................................................................................................................................................................ 4

2.       Wasserstoff aus Biomasse – eine Einordnung ............................................................................................................... 6

3.       Überblick über Technologieoptionen, Kosten und Treibhausgasemissionen ........................................................... 8
         3.1       Technologien zur Herstellung von Wasserstoff .......................................................................................................... 8
                   3.1.1 Thermochemische Verfahren für die Verarbeitung fossiler Ressourcen ......................................................... 10
                   3.1.2 Reformierung von Biomethan und Biogas ....................................................................................................... 11
                   3.1.3 Methanpyrolyse und -plasmalyse .................................................................................................................... 12
                   3.1.4 Thermochemische Vergasung holzartiger Biomassen .................................................................................... 14
                   3.1.5 Hydrothermale Vergasung ................................................................................................................................ 16
                   3.1.6 Verfahrensvergleich .......................................................................................................................................... 17
         3.2       Kosten von Wasserstoff aus Biomasse ...................................................................................................................... 18
         3.3       Verfahrensspezifische THG-Emissionen von Wasserstoff aus Biomasse ................................................................. 19

4.       Biomasse in Baden-Württemberg ................................................................................................................................... 22
         4.1       Biomassepotenzial in Baden-Württemberg ............................................................................................................... 22
         4.2       Nutzungskonkurrenzen ............................................................................................................................................... 25
         4.3       Kostenbetrachtung Biomasse ................................................................................................................................... 26

5.       Wasserstofferzeugung aus Biomasse in Baden-Württemberg ................................................................................... 28
         5.1       Anlagenbestand .......................................................................................................................................................... 28
         5.2       Erzeugungspotenzial und -kapazitäten für Wasserstoff aus Biomasse ..................................................................... 30
         5.3       Abnahme- und Nutzungskonzepte ............................................................................................................................. 32

6.       Fazit ...................................................................................................................................................................................... 34

Abbildungsverzeichnis................................................................................................................................................................. 36

Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................................................................................... 37

Referenzen ..................................................................................................................................................................................... 38

Impressum ..................................................................................................................................................................................... 46

                                                                                                                                                                                                       3
Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg - Kurzanalyse der Technologieoptionen und Potenziale
H2BWissen: Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg

1.
Einleitung

Mit dem Ambitionsniveau der Klimaschutzziele steigt die               Die Kurzstudie ordnet zunächst Wasserstoff aus biogenen
Bedeutung von Wasserstoff in und für Baden-Württemberg                Rest- und Abfallstoffen hinsichtlich der Vorteile und möglicher
rasant. Neben der Wasserstofferzeugung mittels Elektrolyse            Einschränkungen sowie der Position in der gängigen Wasser-
bietet in diesem Zusammenhang auch die Erzeugung von                  stofffarbenlehre ein. Anschließend werden unterschiedliche
Wasserstoff aus biogenen Rest- und Abfallstoffen das Poten-           Technologieoptionen hinsichtlich ihrer Wirkungsweise
zial, kurz- und mittelfristig den Hochlauf der Wasserstoffpro-        dargelegt sowie die jeweils verbundenen Reifegrade und
duktion zu unterstützen und einen Beitrag für die Wasserstoff-        Verfahrenseffizienzen aufgezeigt. Zudem erfolgt eine Gegen-
wirtschaft in Baden-Württemberg zu leisten. Die vorliegende           überstellung der in der aktuellen Literatur beschriebenen Be-
Kurzstudie hat deshalb das Ziel, wesentliche Technologiepfade         reitstellungskosten und Treibhausgasbilanzen. Mit Blick auf
zur Erzeugung von Wasserstoff aus biogenen Rest- und Abfall-          Baden-Württemberg werden nachfolgend die sich aus der
stoffen kompakt darzustellen. Zudem werden die technischen            Literatur ergebenden Bandbreiten nachhaltiger Biomasse-
und mobilisierbaren Potenziale von Rest- und Abfallstoffen in         potenziale aufgezeigt sowie die jeweiligen Bereitstellungskos-
Baden-Württemberg dargelegt, um die Potenziale für die Pro-           ten bzw. Preise dargelegt. Im Anschluss erfolgen ein Überblick
duktion von Wasserstoff aus Biomasse abzuschätzen und zu              über den aktuellen Anlagenbestand in Baden-Württemberg
bewerten. Die Darstellungen basieren auf einer Auswertung             sowie Abschätzungen des Wasserstoffpotenzials aus Biomas-
aktuell verfügbarer Veröffentlichungen.                               se und möglicher Erzeugungskapazitäten. Abschließend
                                                                      werden zukünftig mögliche Abnahme- und Nutzungskonzepte
                                                                      dargelegt.

                                                                                                                                   4
Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg - Kurzanalyse der Technologieoptionen und Potenziale
H2BWissen: Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg

                                                                  © Paul Trainer, DBFZ, 2014

                                                                                               5
Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg - Kurzanalyse der Technologieoptionen und Potenziale
H2BWissen: Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg

2.
Wasserstoff aus Biomasse – eine Einordnung

Der Rolle von Wasserstoff aus Biomasse wurde im Zuge der
geplanten und diskutierten Transformationsprozesse der Ener-             Biomasse bezeichnet nach der Erneuerbare-
giewende bisher wenig Beachtung geschenkt. Dies liegt unter              Energien-Richtlinie der Europäischen Union den
anderem an aktuellen Diskussionen über die zielführendste                „biologisch abbaubaren Teil von Erzeugnissen,
Allokation der Biomasse im Energiesystem sowie die Beach-                Abfällen und Reststoffen der Landwirtschaft mit
tung von Klimaschutz und bestehenden Nutzungskonkurren-                  biologischem Ursprung (einschließlich pflanzli-
zen. Im Hinblick auf die hiermit verbundenen Anforderungen               cher und tierischer Stoffe), der Forstwirtschaft
stellen im Rahmen der Wasserstofferzeugung insbesondere                  und damit verbundener Wirtschaftszweige
biogene Rest- und Abfallstoffe eine mögliche Nutzungsoption              einschließlich der Fischerei und der Aquakultur
dar. Sie können für die Wasserstofferzeugung mittels verschie-           sowie den biologisch abbaubaren Teil von
dener Verfahren genutzt werden und hierdurch insbesondere                Abfällen aus Industrie und Haushalten“ [3].
im regionalen Kontext attraktive H 2 -Bereitstellungswege                Biomasse kann mittels verschiedener Verfahren
erschließen. Dies resultiert einerseits in einer erhöhten                zur Wasserstofferzeugung genutzt werden.
Versorgungssicherheit durch kontinuierlich verfügbare, gut
planbare und verlässliche biogene Ressourcen und fördert
andererseits durch die Realisierung geschlossener regionaler          Während die Endnutzung von biomassebasierten Produkten
Stoffkreisläufe Nachhaltigkeit und Klimaschutz [1]. Durch             (i. d. R. Verbrennung) per Definition mit null CO 2 -Emissionen
ergänzende Technologien wie die CO 2 -Abtrennung, -Speiche-           verbunden ist, fallen entlang der Wertschöpfungskette bis zu
rung oder -Nutzung (engl.: Carbon Capture and Storage/Utili-          dieser Endnutzung Treibhausgasemissionen an. Diese sind im
zation, CCS/CCU) können zusätzliche Emissionsminderungen              Regelfall für Anbaubiomasse höher als für biogene Rest- und
bis hin zu „negativen“ Emissionen realisiert werden. Für die          Abfallstoffe. So werden in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie
Kommerzialisierung der Wasserstofferzeugung aus Biomasse              (engl.: Renewable Energy Directive, RED II) biogene Abfall- und
werden aktuell jedoch weitere Entwicklungsfortschritte der            Reststoffe als Rohstoff für die Produktion von fortschrittlichen
industriellen Anlagentechnik mit effizienter Aufbereitung des         Biokraftstoffen ausgewiesen [4].
Wasserstoffs benötigt [2].

                                                                         Die Renewable Energy Directive II (RED II) ist die
                                                                         europäische „Erneuerbare-Energien-Richtlinie“
                                                                         des Europäischen Parlaments und des Rates vom
                                                                         11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung
                                                                         von Energie aus erneuerbaren Quellen. In jedem
                                                                         EU-Mitgliedstaat ist diese in nationales Recht
                                                                         umzusetzen. Ziel der RED II ist es, den Anteil an
                                                                         Erneuerbaren Energien (EE) innerhalb der EU bis
                                                                         zum Jahr 2030 auf 32 % zu erhöhen.

                                                                                                                                    6
Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg - Kurzanalyse der Technologieoptionen und Potenziale
H2BWissen: Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg

Wasserstoff aus Biomasse wird in der gängigen Farbenlehre              quelle wird bei einer Zertifizierung nach CertifHy auch das Ver-
unterschiedlich eingeordnet. Die Nationale Wasserstoffstrate-          fahren der Wasserstoffherstellung betrachtet. Für die beiden
gie (NWS) deklariert nur denjenigen Wasserstoff als „grün“,            Wasserstofflabels „Green Hydrogen“ und „Low Carbon Hydro-
der unter Verwendung von erneuerbarem Strom mittels Elek-              gen“ ist jeweils der Grenzwert der Kohlenstoffintensität auf
trolyse bereitgestellt wurde [5]. Wasserstoff aus Biomasse gilt        40 % der Menge der THG-Emissionen eines Dampfreformers
demnach zwar nicht als grüner Wasserstoff, biobasierte Ver-            festgelegt und leitet sich aus der derzeit besten verfügbaren
fahren zur Wasserstofferzeugung werden in der NWS aller-               Technik (BVT) ab [8]. Der Benchmark der Emissionsintensität
dings dennoch als Schlüsseltechnologien geführt. So ist ab Juli        der BVT liegt aktuell bei 91 g CO 2 Äq. /MJ H2 und der Grenzwert
2023 in Deutschland auch die Anrechnung von Wasserstoff                für die Kohlenstoffintensität für eine CertifHy-Zertifizierung
aus Biomasse in der Treibhausgasminderungsquote als fort-              (abzüglich 60 %) derzeit bei 36,4 g CO 2 Äq. /MJ H2 [9]. Bei der
schrittlicher Biokraftstoff im Straßenverkehr zulässig. Die            Wasserstofferzeugung aus Biomasse hängt die Höhe der THG-
Wasserstoffstrategie der EU erkennt hingegen auch Wasser-              Emissionen stark von der eingesetzten Biomasse ab.
stoff aus der Umwandlung von Biomasse als erneuerbaren
Wasserstoff an, sofern die Nachhaltigkeitsanforderungen ein-           Aufgrund der aufgeführten Aspekte werden in der vorliegen-
gehalten werden [6].                                                   den Kurzstudie ausschließlich Rest- und Abfallstoffe für Bereit-
                                                                       stellungsrouten für Wasserstoff aus Biomasse berücksichtigt.
                                                                       Die Nutzung von Anbaubiomasse zur Bereitstellung von
   Unter fortschrittlichen Biokraftstoffen werden                      Wasserstoff wird aufgrund der Nichterfüllung unterschiedlicher
   Biokraftstoffe aus Biomasserohstoffen verstan-                      Nachhaltigkeitsaspekte vom Untersuchungsgegenstand
   den, die nicht mit Nahrungsmittelfeldfrüchten in                    ausgeschlossen.
   Konkurrenz stehen, niedrige indirekte Landnut-
   zungsänderungsauswirkungen zeigen und hohe
   THG-Emissionsreduktionen erzielen [7].

Dem folgend deklarieren auch zentrale Prüf- und Zertifizie-
rungsorganisationen wie der TÜV SÜD Biowasserstoff, der aus
biogenen Abfall- und Reststoffen hergestellt wird, als
grünen Wasserstoff. Auch eine Vergabe des Wasserstofflabels
„Green Hydrogen“ über den Zertifizierungsstandard CertifHy
ist für biogenen Wasserstoff aktuell möglich, sofern die
Wasserstoffproduktion basierend auf Biomasse, die mit Treib-
hausgas-Emissionen (THG-Emissionen) im Sinne der RED II
(nach Anhang IX Teil A mit insbesondere biogenen Rest- und
Abfallstoffen) einhergeht, erfolgt [4], [8]. Neben der Energie-

                                                                                                                                     7
H2BWissen: Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg

3.
Überblick über Technologieoptionen, Kosten und
Treibhausgasemissionen

Abschnitt 3 gibt einen Technologieüberblick zum Thema Bereit-           Für die Bereitstellung von Wasserstoff werden derzeit vor-
stellung von Wasserstoff aus Biomasse. Der Fokus liegt auf              nehmlich thermochemische Verfahren zur Verarbeitung fossiler
den verfahrenstechnischen Charakteristika (im Vergleich                 Ressourcen eingesetzt. Diese werden in Abschnitt 3.1.1 kurz
zu fossilen Optionen), den Einflussfaktoren bezüglich der H 2 -         erläutert. Den thermochemischen Verfahren wird auch für den
Gestehungskosten und den spezifischen THG-Emissionen der                Einsatz biogener Rest- und Abfallstoffe ein vergleichsweise
Produktionsverfahren.                                                   hoher technischer Entwicklungsstand bescheinigt. Eine Dar-
                                                                        stellung der verschiedenen Verfahren sowie eine Analyse der
3.1 Technologien zur Herstellung von                                    jeweiligen Verfahrenseffizienz und technologischen Reife
    Wasserstoff                                                         erfolgen in den Abschnitten 3.1.2 bis 3.1.5.

Im Kontext der Nationalen Wasserstoffstrategie wird eine Viel-          Der technische Entwicklungsstand kann anhand des Techno-
zahl von Wasserstoffproduktionspfaden diskutiert. Je nach               logy Readiness Level (TRL) bewertet werden. Grundlage bildet
Anwendungsfall entscheiden Ressourcenverfügbarkeit, Rein-               die ursprünglich durch die NASA formulierte und durch die IEA
heitsansprüche an das Produkt, Mengenbedarf und Anforde-                um die Stufen 10 und 11 erweiterte TRL-Skala, die den jewei-
rungen an Nachhaltigkeitsaspekte über die Wahl des Verfah-              ligen Reifegrad von Technologien anhand von 11 Stufen cha-
rens. Eine vereinfachte Übersicht der möglichen Verfahren auf           rakterisiert [10]. Die Erweiterung bietet den Vorteil, den
Basis unterschiedlicher Ressourcen zeigt Abbildung 1. Die               ursprünglich über eine Stufe dargestellten kommerziellen Be-
kräftig dargestellten Bereiche sind Gegenstand der vorliegen-           trieb hinsichtlich seiner Etablierung auf dem Markt zu differen-
den Kurzstudie, ausgegraute Felder werden nicht detaillierter           zieren. In Abbildung 2 ist diese erweiterte TRL-Skala farblich
betrachtet.                                                             hinterlegt.

Für die vorliegende Kurzstudie sind für die biobasierten Bereit-
stellungsrouten ausschließlich Rest- und Abfallstoffe relevant.
Der Vollständigkeit halber sind in Abbildung 1 auch erneuerbare
Energien insbesondere für elektrochemische Verfahren und
ggf. notwendige Ressourcen für biotechnologische Verfahren
aufgeführt. Darüber hinaus existieren zahlreiche biotechnolo-
gische Verfahrensansätze, die mittel- bis langfristig für die
Bereitstellung wasserstoffreicher Produktgasströme einge-
setzt werden können. Diese Konzepte befinden sich aktuell im
Forschungs- und frühen Entwicklungsstadium, weshalb sie in
dieser Kurzstudie nicht weiter beleuchtet werden, auch wenn
sich bereits erste Synergien mit bestehenden Anlagen, wie
Biogasanlagen, abzeichnen.

                                                                                                                                      8
H2BWissen: Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg

 Ressourcen-                                                                                                                   Erneuerbare
 bereitstellung               Biobasierte Ressourcen                                 Fossile Ressourcen
                                                                                                                                 Energien

                      Rest- und        Anbau-          Aquatische
                                                                            Erdgas         Kohle           Erdöl
                     Abfallstoff e    biomasse         Biomasse
                                                                                                                                 Wasser

                                                                                                                              Licht       CO 2
                      Aufbereitung                            Transport                                Lagerung

 Konversion

                                                                                                                                      Elektro-
                    Thermochem.                               Biotechn.
                                                                                                                                      chem.
                    Verfahren                                 Verfahren
                                                                                                                                      Verfahren

                          (Hydro-                              Alko-         Anae-                                Biopho-
                                                                                         Dunkel-
                          therm.)       Pyro-                 holische        robe                                  tolyse              Elektro-
                                                                                         fermen-
                           Verga-        lyse                 Fermen-        Vergä-                                (direkt/               lyse
                                                                                          tation
                            sung                               tation         rung                                indirekt)
                                                                                                                                         (AEL,
                                                                                                                                       PEM, HT)

                                        Pyroly-                Alko-        Biogas/
                                         seöl                  hole         Biome-
                                                                             than

                                                                                             Dunkel-
                      Partielle
                                     (Autotherme)            Plasma-        Methan-          photo-
                       Oxida-                                                                             MEC
                                     Reformierung              lyse         pyrolyse           syn-
                        tion
                                                                                              these
                                                                                                                                                       Quelle: Eigene Darstellung DBFZ

                                                                          Wasserstoff

Abbildung 1: Wasserstoffbereitstellungsoptionen aus erneuerbaren und fossilen Ressourcen

                                                                                                                                                   9
H2BWissen: Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg

    Technology Readiness Level (TRL)

                                                       Forschung                                                                                                         Demonstration                                                                                                         Kommerzialisierung

                    1                                2                             3                            4                                   5                               6                                   7                                     8                            9                  10                 11
        Beobachtung und Beschreibung des

                                                                                                                                                                                                               Demonstration Prototyp im Einsatz
                                                                                                                                         relevanten Einsatzbedingungen

                                                                                                                                                                         relevanten Einsatzbedingungen
                                           Beschreibung und Anwendung

                                                                        Experimenteller Nachweis der

                                                                                                                                                                          Demonstration Prototyp unter
                                                                                                                                          Technologievalidierung unter

                                                                                                                                                                                                                                                   Qualifizierung des gesamten

                                                                                                                                                                                                                                                                                 Nachweis des erfolgreichen
                                                                                                       Technologievalidierung im

                                                                                                                                                                                                                                                    Systems mit Nachweis der
                                                                          Funktionstüchtigkeit einer

                                                                                                                                                                                                                                                      Funktionstüchtigkeit
                                                 einer Technologie
                Funktionsprinzips

                                                                                                           Labor/Technikum

                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Marktintegration

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Marktstabilität
                                                                                 Technologie

                                                                                                                                                                                                                                                                                         Einsatzes

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Quelle: Eigene Darstellung DBFZ
    Abbildung 2: Farblich differenzierte Skala des technischen Entwicklungsstandes von Technologien
    (Technology Readiness Level, TRL)

Für die Bewertung der Verfahrenseffizienz eignet sich für viele                                                                                                                                          Viertel des Bedarfs aus Erdgas gedeckt [11]. Der überwiegen-
technische Verfahren die Angabe von Wirkungsgraden, bei-                                                                                                                                                 de Anteil des Wasserstoffs wird direkt vor Ort genutzt [12].
spielsweise der energetische Wirkungsgrad (siehe Formel)                                                                                                                                                 Ein etabliertes Verfahren zur Umwandlung von methanreichen
unter Berücksichtigung der Massenströme (ṁ), Heizwerte (Η)                                                                                                                                               Gasen oder kurzkettigen Kohlenwasserstoffen im Naphtha-
und externer Prozessenergien (Pext). Die Aufwendungen für die                                                                                                                                            Bereich zu Wasserstoff stellt die Reformierung dar. Je nach
Sammlung und Bereitstellung der biogenen Ressourcen und                                                                                                                                                  Oxidationsmittel wird zwischen drei Verfahrenskonzepten
Produkte finden keine Berücksichtigung.                                                                                                                                                                  unterschieden.

                                                                        ṁ Η2 HΗ2                                                                                                                         Endotherm können diese fossilen Ressourcen zumeist zwei-
                                  ηen =                                                                                            2-1                                                                   stufig mittels Dampf zu Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff
                                            ṁ B HB + ∑ṁ Aux HAux + Pext
                                                                                                                                                                                                         reformiert werden (SWR, auch: Wasserdampfreformierung).
                                                                                                                                                                                                         Bei der partiellen Oxidation hingegen werden langkettige Koh-
Alternativ werden weitere Wirkungsgrade (wie beispielsweise                                                                                                                                              lenwasserstoffe in einer exothermen Reaktion unterstöchio-
der Kaltgaswirkungsgrad für die thermochemische Vergasung)                                                                                                                                               metrisch mit Sauerstoff oder Luft zu Synthesegas umgewan-
genutzt, aber gesondert gekennzeichnet.                                                                                                                                                                  delt [11]. Eine Kombination aus beiden Verfahren bildet die
                                                                                                                                                                                                         autotherme Reformierung. Hier dienen sowohl Wasserdampf
3.1.1                   Thermochemische Verfahren für die                                                                                                                                                als auch Sauerstoff/Luft als Reaktanten einer in der Gesamtheit
                        Verarbeitung fossiler Ressourcen                                                                                                                                                 exothermen Reaktion [13]. Für die Reformierung von Erdgas
                                                                                                                                                                                                         werden energetische Wirkungsgrade in einer Bandbreite von
Die globale Wasserstoffnachfrage liegt derzeit bei über                                                                                                                                                  65 bis 83 % beschrieben [14], [15]. 1 Kohle als Ressource für
70 Millionen Tonnen pro Jahr. Mit 76 % werden mehr als drei                                                                                                                                              die Vergasung mit anschließender Wasserstoffgewinnung

1   I Diese Bandbreite ergibt sich für Anlagengrößen > 6.750 kg H2 /h, ohne Kohlendioxidabscheidung und für Anlagengrößen von 175–216 MJ CH4 /kg H2 (brennwertbasiert) [15]. Die energetischen Wirkungs-
      grade unterschiedlich großer Reformierungsanlagen liegen mit 67–75 % in der genannten Bandbreite [14].

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   10
H2BWissen: Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg

    Rest- und Abfallstoffe                         H 2S       Wasser                      Abgas                             Wasserdampf                   Spülgas
    sowie tierische
    Exkremente

                                                                                                                                                                         Wasserstoff

              Anaerobe
            Fermentation                                                                                                                       Druckwechsel-

                                                                                                                                                                                                     Quelle: Eigene Darstellung DBFZ
                                                 Gas -             Druckwasser-                                     Wassergas-                   adsorption
                                              reinigung               wäsche                                          Shift

                                                                                             Reformierung                              Abgas

    Abbildung 3: Schematische Darstellung der Wasserstoffbereitstellung via Reformierung von Biogas bzw. Biomethan
    (gestrichelte Linien stellen die Biomethanaufbereitung dar)

nimmt mit 23 % der weltweiten Produktion einen geringeren                                             3.1.2 Reformierung von Biomethan
Stellenwert ein und wird vornehmlich in der Volksrepublik Chi-                                              und Biogas
na genutzt [11]. Hier werden mit 49 bis 53 % deutlich geringere
energetische Wirkungsgrade erreicht [16].                                                             Biogas wird mittels anaerober Fermentation nachwachsender
                                                                                                      Ressourcen, tierischer Exkremente oder biogener Rest- und
Eine Wassergas-Shift-Reaktion dient der Erhöhung des Was-                                             Abfallstoffe bereitgestellt. Die Zusammensetzung des bioge-
serstoffanteils im Produktgas durch exotherme Reaktion des                                            nen Gases variiert je nach Rohstoffeinsatz. Hauptbestandteile
produzierten Kohlenstoffmonoxids mit zusätzlichem Wasser-                                             sind Methan mit 55 bis 75 % (v/v) und Kohlendioxid mit 25 bis
dampf. Das Synthesegas wird getrocknet und die Wasserstoff-                                           45 % (v/v) [19]. Mit einer entsprechenden Aufbereitung kann
fraktion beispielsweise in einer Druckwechseladsorption 2                                             eine reine Biomethanfraktion gewonnen werden. Für den Ein-
separiert [1], [17]. Auch vakuumgestützte Aufreinigungsschritte                                       satz von Biomethan unterscheidet sich die Verfahrensweise
oder Membrantechnologien sind denkbar [18]. Die für die endo-                                         nicht von derjenigen der Erdgas-SWR. Im Falle der Nutzung der
therme SWR benötigte Prozesswärme und -energie kann bei-                                              Gesamtfraktion Biogas nimmt, durch das Vorhandensein von
spielsweise durch Verbrennung von zusätzlichem Methan                                                 CO2, bei höheren Temperaturen der Anteil der Trockenreformie-
bereitgestellt werden. Auch integrierte Ansätze mit einer in-                                         rung des Methananteils zu. Für beide Pfade (siehe Abbildung 3)
ternen Abwärmenutzung sind möglich. Die Verfahren sind ge-                                            ist eine Entschwefelung der Gasfraktion vorzuschalten, um einer
eignet, reine Kohlenstoffdioxidströme, beispielsweise aus dem                                         Vergiftung der Nickelkatalysatoren vorzubeugen [20]. Anknüp-
Produktgas und dem Abgas der Wärmebereitstellung, zu                                                  fungspunkte im Rahmen der Prozesswärmebereitstellung und
gewinnen.                                                                                             Kohlenstoffdioxidgewinnung ergeben sich im Falle von Biome-
                                                                                                      than auch für die Methanaufbereitung.

2   I Die Druckwechseladsorption beschreibt die druckgesteuerte Auftrennung eines Gasgemisches durch die Anlagerung von spezifischen Gasbestandteilen an einer Phasengrenzschicht (beispielsweise
      an einem Feststoff/Absorbens). Durch Druckreduzierung werden die zurückgehaltenen Bestandteile vom Absorbens gelöst, das im nächsten Prozesszyklus erneut eingesetzt werden kann.

                                                                                                                                                                                              11
H2BWissen: Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg

Verfahrenseffizienz                                                                                    gen von 7.000 bis 46.000 kg H2 /h beziffert werden [15], was
                                                                                                       einer Kapazitätsbandbreite von 230 bis 1.530 MW entspricht.
Für die Reformierung der Gesamtfraktion Biogas werden, aus-                                            Anlagen zur Verarbeitung von Biomethan und Biogas werden
gehend vom Rohstoff der anaeroben Fermentation und unter                                               sowohl in Forschungsprojekten wie HydroGIn und BioROBUR-
Einbeziehung externer Prozessenergie und -wärme, energeti-                                             plus als auch von (zum Teil ausgegründeten) kleinen- und mit-
sche Wirkungsgrade zwischen 39 und 47 % 3 berichtet [13],                                              telständischen Unternehmen weiterentwickelt und demonst-
[20]. Ausgehend vom Rohbiogas liegt der Wirkungsgrad bei                                               riert. Beispielhaft sei hier das modulare System der Firma BtX
52 bis 72 % [1], [21–23]. Hier werden Ausbeuten zwischen 17                                            Energy GmbH im Pilotmaßstab genannt, das sich aktuell in der
und 75 g H2 /kg Biomasse sowie 64 bis 88 g H2 /kg Biogas berichtet.                                    Inbetriebnahme befindet. Von einigen Technologielieferanten
Untersuchungen zu Prozessrouten mit Aufbereitung der Me-                                               wird eine grundsätzliche Eignung ihrer Technologie für Bio-
thanfraktion vor der Dampfreformierung sind eher selten. Es                                            methan und Biogas beworben. Vor diesem Hintergrund ist ein
kann jedoch von einem Wirkungsgrad in derselben Größen-                                                zeitnaher erfolgreicher Einsatz der entsprechenden Techno-
ordnung wie bei der Dampfreformierung von fossilem Methan                                              logien im (vor-)kommerziellen Maßstab anzunehmen, was
ausgegangen werden (vgl. Tabelle 1). Für die Verfahrenskon-                                            einer Entwicklungsperspektive bis 2030 von TRL 8 bis 9
zepte werden zum Teil externe Prozessenergien in Form von                                              entspricht.
elektrischem Strom für Aufreinigung und Kompression
benötigt.                                                                                              3.1.3 Methanpyrolyse und -plasmalyse

Die Wasserstoffreinheit des Produktgases wird für den Refor-                                           Methanpyrolyse und -plasmalyse unterscheiden sich im
mer mit 75 % angegeben [24]. Nach einer entsprechenden                                                 Wesentlichen nur in der Art der Zufuhr der Reaktionsenergie
Aufreinigung kann eine Reinheit von 99,9 bis 99,999 % erreicht                                         sowie in den Prozesstemperaturen. Im Allgemeinen wird die
werden [20], [22], [25]. Nutzbare Nebenprodukte des Prozes-                                            Methanplasmalyse auch als Pyrolyse bezeichnet. Rohstoff für
ses stellen beispielsweise Gärreste der Biogasbereitstellung                                           die genannten Prozesse ist (Bio-)Methan, das durch anaerobe
oder biogene Kohlenstoffdioxidfraktionen aus der Methanauf-                                            Fermentation von nachwachsenden Rohstoffen, tierischen
bereitung oder der Produktgasgewinnung dar.                                                            Exkrementen oder biogenen Rest- und Abfallstoffen in Biogas-
                                                                                                       anlagen bereitgestellt werden kann. Außerdem kommen
Technischer Entwicklungsstand und Akteurslandschaft                                                    weitere methanreiche Gase, wie Deponiegase und fossiles
                                                                                                       Erdgas, in Frage.
Die einzelnen Prozessschritte sind für die Nutzung von Erdgas
etabliert, die Verfahrenstechnik zur Bereitstellung von Wasser-                                        Die Pyrolyse von Methan erfolgt bei hohen Temperaturen (bei
stoff via Dampfreformierung ist marktverfügbar (TRL 11). Die                                           nicht katalytischer Methanpyrolyse > 1.200 °C), unter Einsatz
Dampfreformierung von Biomethan weist einen technischen                                                eines elektrischen Plasmas (bis zu 2.000 °C) oder mittels eines
Entwicklungsstand entsprechend TRL 8 auf. Trotz dieser ver-                                            nicht thermischen Plasmas (Raumtemperatur) in die Produkte
meintlichen Marktreife nutzt zum gegenwärtigen Zeitpunkt                                               Wasserstoff und festen Kohlenstoff. Ein grundsätzliches Ver-
keine kommerzielle Anlage diese Verfahrenskonzepte. Für den                                            fahrenskonzept geht aus Abbildung 4 hervor.
Einsatz der Gesamtfraktion Biogas finden vereinzelt Katalysa-
tortests statt, die Erprobung der Gesamtkette ist im Demons-                                           Die notwendige Energie kann im Falle der thermischen Me-
trationsmaßstab geplant (TRL 6 bis 8).                                                                 thanpyrolyse durch elektrische Beheizung oder durch die Ver-
                                                                                                       brennung eines Teils des Methans eingebracht werden. Durch
Aktuelle Produktionskapazitäten liegen in einer Größenskala                                            den Einsatz von Katalysatoren (auch bei der Plasmalyse) lassen
von 50 bis 100 m        3
                            H2   (i.N.)/h, was etwa 4,5 bis 9 kg H2 /h Wasser-                         sich die Temperatur und damit auch der Energiebedarf redu-
stoff oder 0,15 bis 0,3 MW entspricht. Bilanziell werden auch                                          zieren. Alternativ können auch Flüssigmetallbäder verwendet
Anlagengrößen zwischen 100 und 200 kg H2 /h betrachtet, wäh-                                           werden, deren Einsatz den Vorteil bietet, dass die festen Koh-
rend für die erdgasbasierte Dampfreformierung Nennleistun-                                             lenstoffprodukte aufgrund der geringeren Dichte von der Ober-

3   I Der untere Grenzwert ergibt sich aus den Berechnungen, die von einer 180,06-kg H2 /h-Anlage mit einem Substratmix aus Maissilage, Gülle und organischen Abfällen und einem externen Prozess-
      energiebedarf von 430 kW ausgehen [13]. Der obere Grenzwert folgert sich aus [20] mit einer Anlagenkapazität von 90 kg H2 /h und einem externen Energiebedarf von 267 kW.

                                                                                                                                                                                               12
H2BWissen: Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg

                                              Methanreiche                                                     Spülgas
                                              Gase

                                                                                                                              Wasserstoff

                                                                                               Druckwechsel-

                                                                                                                                                                                                     Quelle: Eigene Darstellung DBFZ
                                                                                                 adsorption

                                                         Pyrolyse             Kohlenstoff                            Abgas

    Abbildung 4: Schematische Darstellung der Wasserstoffbereitstellung via Methanpyrolyse

fläche der Flüssigphase abgetrennt werden können und die                                              ungesättigter, kurzkettiger Kohlenwasserstoffe und ggf. Aro-
Metalle während der Reaktion als Wärmeleitmedium fungieren                                            maten an [27], [35], [36]. Beim Einsatz der Gesamtfraktion
[26]. Je nach benötigter Wasserstoffqualität wird eine anschlie-                                      Biogas sind zudem erhöhte Mengen an Kohlenstoffdioxid im
ßende Gasaufbereitung (z. B. Druckwechseladsorption) emp-                                             Produktgas zu erwarten. Der Energiebedarf für die thermische
fohlen [27], siehe Abbildung 4.                                                                       Methanpyrolyse wird mit 7,2 bis 8,6 MWhel /t H2 angegeben
                                                                                                      [37], [38], während für die Plasmalyse mittels nicht thermi-
Verfahrenseffizienz                                                                                   schen Plasmas 10 MWhel /tH2 berichtet werden [39].

Es ist eine starke Abhängigkeit der Wasserstoffausbeuten vom                                          Als charakteristisches Nebenprodukt kann, neben ggf. anfal-
gewählten Reaktortyp, von den Reaktionsbedingungen und                                                lenden Gärresten der anaeroben Fermentation, fester Kohlen-
der Wahl der Katalysatoren zu erkennen. Mit der katalytischen                                         stoff (Graphit) nach einer entsprechenden Aufbereitung bei-
Methanpyrolyse auf Nickelbasis können Wasserstoffausbeuten                                            spielsweise im Baugewerbe, bei der Produktion von Farben
von ca. 130 bis 190 g H2 /kg CH4 erzielt werden. Die Ausbeuten                                        und Lacken oder in der Kunststoff- und Gummiherstellung
für eisenbasierte Katalysatoren fallen mit 50 bis                                                     eingesetzt werden.
130 g H2 /kg CH4 deutlich geringer aus, wobei diese Katalysatoren
eine verbesserte Reaktionsstabilität aufweisen. 4 Darüber hin-                                        Technischer Entwicklungsstand und Akteurslandschaft
aus wird von Sánchez-Bastardo [28] ein energetischer Wir-
kungsgrad von 58 % für die Erdgas-Pyrolyse aus Steinberg [34]                                         Die jeweiligen Prozessschritte und die Verfahrenstechnik sind
publiziert.                                                                                           aus der Herstellung von Aktivkohle und Industrieruß bekannt
                                                                                                      und werden gegenwärtig für die primäre Produktion von Was-
Im Prozess fallen (je nach Reaktortyp, Reaktionsbedingungen,                                          serstoff optimiert. Bisher sind jedoch nur wenige Pilot- oder
Einsatz von Katalysatoren etc.) Spuren gesättigter und                                                gar Demonstrationsprojekte bekannt. Diese nutzen zudem

4   I Berechnet aus der maximalen, stöchiometrischen Ausbeute von 250 g H2 /kg CH4 und den Ausbeuten aus [28] für Ni-Katalysatoren von 53–74 % (Bandbreite aus [29–31]) bzw. Fe-Katalysatoren von
      20–51 % (Bandbreite aus [30], [32], [33]).

                                                                                                                                                                                              13
H2BWissen: Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg

meist fossiles Erdgas. Der technische Entwicklungsstand der            tivisch auch Getreidestroh und weitere lignocellulosehaltige
Methanpyrolyse entspricht einem TRL 3 bis 4, speziell für die          Reststoffströme.
Methanplasmalyse wird TRL 6 bis 8 erreicht. Bis 2030 ist auf-
grund ambitionierter Pläne wesentlicher Akteure wie Graforce           Als Vergaser stehen Festbett-, Wirbelschicht- oder Flugstrom-
GmbH, BASF und Hazer Group Ltd. eine Entwicklung der Ver-              vergaser zur Verfügung. Der Vergasungsprozess besteht stets
fahren auf TRL 5 bis 7 bzw. TRL 7 bis 9 zu erwarten [39–41].           aus den Prozessstufen Trocknung, pyrolytische Zersetzung,
Wesentliche erforderliche Entwicklungsfortschritte betreffen           Oxidation und Reduktion. Abbildung 5 verdeutlicht, dass die
die Vermeidung einer Deaktivierung fester Katalysatoren durch          gewonnene Gasfraktion noch von Partikeln, Teer und Kataly-
Koksablagerungen oder bei der Plasmalyse spezifische Frage-            satorgiften (beispielsweise Schwefelverbindungen) befreit
stellungen hinsichtlich des Elektrodenverschleißes und der             werden muss, bevor aus dem Synthesegas Wasserstoff ge-
Plasmakühlung. Auch die Übertragung der Ergebnisse auf die             wonnen werden kann.
Gesamtfraktion Biogas ist mit Blick auf Katalysatorgifte (wie
Schwefelwasserstoff) noch nicht hinreichend untersucht.                Der Wasserstoffanteil im Gas wird über eine Wassergas-Shift-
                                                                       Reaktion (Wasserdampf mit Kohlenstoffmonoxid) sukzessive
3.1.4 Thermochemische Vergasung                                        erhöht. Die Abtrennung und Aufreinigung der Wasserstoff-
      holzartiger Biomassen                                            fraktion erfolgt abschließend z. B. durch Druckwechseladsorp-
                                                                       tion. Die benötigte Prozesswärme kann durch Teilverbrennung
Unter thermochemischer Vergasung wird eine Vielzahl                    der eingesetzten Biomasse bereitgestellt oder von außen zu-
von Verfahrenskonzepten subsumiert. Die Biomasse wird je-              geführt werden [42], [43].
weils nach einer Rohstoff- und Vergaser-spezifischen Vorbe-
handlung (z. B. Torrefizierung, Pyrolyse, Trocknung, Zerkleine-        Verfahrenseffizienz
rung) durch die Reaktion mit einem Vergasungsmittel (z. B.
Wasserdampf, Sauerstoff oder Kohlenstoffdioxid) in ein Syn-            Der Wirkungsgrad dieser Verfahren ergibt sich bilanziell aus
thesegas überführt. Mögliche Rohstoffe sind holzartige Rest-           dem Kaltgaswirkungsgrad des jeweiligen Vergasertyps und
und Abfallstoffe aus der Land- und Forstwirtschaft, perspek-           der Effizienz der Wasserstoffgewinnung aus dem Produktgas.

   Holz- oder strohartige                                                             Wasserdampf          Spülgas
   Rest- und Abfallstoffe

                                                                                                                      Wasserstoff

             Vorbehandlung

                                                                 Gas -                              Druckwechsel-
                                                              reinigung
                                                                                                                                         Quelle: Eigene Darstellung DBFZ

                               Thermochem.                                      Wassergas-            adsorption
                                Vergasung                                         Shift

                                                          Teer,                               Abgas
                                                         Partikel

   Abbildung 5: Schematische Darstellung der Wasserstoffbereitstellung via thermochemischer Vergasung

                                                                                                                                    14
H2BWissen: Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg

Der Kaltgaswirkungsgrad beschreibt das Verhältnis des Heiz-                                               Technischer Entwicklungsstand und Akteurslandschaft
wertes des Produktgases zum Heizwert des eingesetzten
Rohstoffs. In erster Näherung werden Kaltgaswirkungsgrade                                                 Die Vergasungstechnik zur Verwertung von Kohle oder Holz
von 50 bis 70 % und 65 bis 75 % für Gegen- bzw. Gleichstrom-                                              zur thermischen Verwertung oder Synthesegasgewinnung ist
Festbettvergaser und 65 bis 85 % für Wirbelschichtvergaser                                                überwiegend marktverfügbar (TRL 8 bis 10). Andere Biomas-
erreicht [44]. Wird das noch heiße Produktgas weiterverarbei-                                             sen werden aktuell im Pilotmaßstab untersucht (TRL 5 bis 8).
tet, erhöht sich der Wirkungsgrad entsprechend. Unter Berück-                                             Der Einsatz dieser Technologien zur Bereitstellung von Wasser-
sichtigung der Wassergas-Shift-Reaktion und der Effizienz der                                             stoff stellt erhöhte Anforderungen an die Produktgasaufberei-
Abtrennung des Wasserstoffs aus dem Produktgas ergibt sich                                                tung und die Trenntechnik (TRL 5 bis 9). Die Demonstration
ein Aufbereitungswirkungsgrad zwischen 72 und 80 %.                                                       der Gesamtkette wird aktuell angestrebt, integrierte Systeme
                                                                                                          sind jedoch noch nicht Stand der Technik. Wasserstoffgewin-
Bei der Wahl des Vergasertyps müssen Randbedingungen wie                                                  nung aus holzartigen Biomassen via thermochemischer Ver-
Durchsatz, Handhabung bzw. Robustheit und Aufbereitungs-                                                  gasung erreicht somit aktuell etwa TRL 5 bis 7.
aufwand des Produktgases abgewogen werden. Der Großteil
der aktuell installierten kleinskaligen (1 bis 2 MWth) Anlagen                                            Wesentliche Forschungsergebnisse werden im Bereich der
setzt Festbettvergaser ein, die mit Luft als Vergasungsmittel                                             Biomassevergasung (insbesondere zu Synthesegas) im Rah-
arbeiten und ein stickstoffreiches, eher wasserstoffarmes Pro-                                            men größerer Kampagnen im Flugstromvergaser der bioliq®-
duktgas erzeugen. Im mittel- bis großskaligen Bereich (bis                                                Anlage am Karlsruher Institut für Technologie generiert [49].
50 MWth) finden auto- oder allotherme (adsorptionsunterstütz-                                             Überdies strebt die Firma BtX energy GmbH die (Weiter-)Ent-
te) Wirbelschichtvergaser mit Wasserdampf als Vergasungs-                                                 wicklung eines containerbasierten Gesamtsystems inkl. Ver-
mittel Anwendung, die einen Wasserstoffgehalt von über 40 %                                               gaser, Wassergas-Shift-Reaktor und Gasaufbereitung an, das
(v/v) (bis teilweise 75 % (v/v)) erreichen [43], [45]. Hier erleich-                                      auch für die Wasserstoffproduktion eingesetzt werden könnte
tert die Abwesenheit von Stickstoff die Wasserstoffgewinnung                                              [50]. Die Untersuchungen des Zentrums für Sonnenenergie-
aus dem Produktgas erheblich.                                                                             und Wasserstoff-Forschung (ZSW) zum AER-Verfahren ruhen
                                                                                                          aktuell. Hier war die Fahrweise auf die Produktion eines me-
Kaltgaswirkungsgrad des Wirbelschichtvergasers [46] und                                                   thanreichen Gases ausgelegt, eine signifikante Erhöhung des
Aufbereitungswirkungsgrad ergeben für die Bereitstellung von                                              Wasserstoffanteils im Synthesegas wäre jedoch denkbar.
Wasserstoff aus Biomasse via thermochemischer Vergasung
zusammen Gesamtwirkungsgrade von 47 bis 68 %. Ähnliche                                                    Mit Blick auf die Entwicklungsperspektiven der thermochemi-
Angaben finden sich mit 58 % für einen AER-Vergaser (adsorb-                                              schen Vergasung zur Bereitstellung von Wasserstoff sind die
tionsunterstützter 2-Bett-Wirbelschichtreaktor) [47]. Für                                                 Technologiestränge differenziert zu bewerten. Aktuell vielfach
Wirbelschichtvergaser werden (je nach zugrunde gelegter An-                                               installierte kleinskalige, holzbasierte Festbettvergaser sind auf-
lagenkapazität) Ausbeuten von 46 bis 103 g H2 /kg Holzhackschnitzel                          5
                                                                                                          grund ihres Vergasungsmittels Luft und des darin enthaltenen
beschrieben [43], [48].                                                                                   Stickstoffs eher ungeeignet für die Wasserstoffbereitstellung.
                                                                                                          Aktuelle Forschungsansätze beschäftigen sich mit dem Einsatz
In Qualität und Quantität variierend und abhängig vom gewähl-                                             von Stroh als Ausgangsstoff, dessen Verarbeitung derzeit noch
ten Vergasertyp sowie vom entsprechenden Vergasungsmittel                                                 zu Problemen beim Ascheschmelzpunkt und einem hohen
können Nebenprodukte wie kohlenstoffhaltiger Restkoks oder                                                Teeranfall führt. Hier werden bis 2030 Fortschritte erwartet,
biobasiertes Kohlenstoffdioxid gewonnen werden.                                                           so dass eine sinnvolle Verarbeitung zu Wasserstoff mit Wasser-
                                                                                                          dampf als Vergasungsmittel möglich scheint. Bis 2030 ist mit
                                                                                                          einer technischen Entwicklung bis auf TRL 6 bis 8 zu
                                                                                                          rechnen.

5   I Für (adsorbtionsunterstützte) Wirbelschichtreaktoren mit einer Holzhackschnitzelzufuhr (trocken) von 657 bzw. 20.778 kg/h [43], [48].

                                                                                                                                                                         15
H2BWissen: Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg

3.1.5 Hydrothermale Vergasung                                         xität der biogenen Ausgangsstoffe und damit verbunden der
                                                                      Reaktionsmechanismen werden zumeist Modellsubstanzen
Feuchte und wässrige Rest- und Abfallstoffe, mit einem Tro-           untersucht. Aussagen über spezifische Ausbeuten sind kaum
ckensubstanzgehalt unterhalb von 20 %, können mittels hydro-          zu finden, energetische Wirkungsgrade können bislang nicht
thermaler Vergasung ohne vorherige Trocknung unter über-              ausgewiesen werden. Die erwartbaren Wasserstoffanteile im
kritischen Bedingungen von Wasser (T > 374 °C, p > 221 bar)           Produktgas sind jedoch vielversprechend. Berichtet wird von
prozessiert werden. Für die primäre Produktion von Wasser-            einem Volumenanteil im Produktgas von 19 bis 35 % (v/v) bei
stoff sind Temperaturen oberhalb von 600 °C vorteilhaft [13].         der hydrothermalen Vergasung von Maissilage, Grünschnitt,
Für diesen Prozess geeignete Rohstoffe sind Grünschnitt, Gülle        Biertreber, Klär- und Faulschlamm [51].
oder Gärschlämme. Wasser dient als Lösungsmittel und
Reaktant, weshalb vergleichsweise hohe Wasserstoffausbeu-             Neben Wasserstoff finden sich Kohlenstoffverbindungen wie
ten möglich scheinen. Im Produktspektrum finden sich auch             Methan, Kohlenstoffdioxid und Kohlenstoffmonoxid im Pro-
gasförmige Nebenprodukte wie Methan und Kohlenstoffdioxid.            duktgas. Darüber hinaus sind, aufgrund der reaktionskineti-
Der vergleichsweise hohe Produktgasdruck vereinfacht die              schen Überlappung der einzelnen hydrothermalen Verfahren,
Separation von Kohlenstoffdioxid mittels Druckwasserwäsche            feste Bestandteile wie Kohle und Koks sowie flüssige Kompo-
[51], [52]. Eine schematische Darstellung des Verfahrenskon-          nenten auffindbar [13].
zeptes ist Abbildung 6 zu entnehmen.
                                                                      Technischer Entwicklungsstand und Akteurslandschaft
Verfahrenseffizienz
                                                                      Die hydrothermale Vergasung durchläuft ähnliche Reaktions-
Im letzten Jahrzehnt in den Fokus der Wasserstoffbereitstel-          mechanismen wie andere hydrothermale Verfahren, befindet
lung gerückt, existieren für die hydrothermale Vergasung zahl-        sich jedoch auf einem vergleichsweise niedrigen technischen
reiche Studien, die die Abhängigkeiten der Produktgaszusam-           Entwicklungsstand. Zunächst lagen die Forschungsbestrebun-
mensetzung von Druck, Temperatur, Katalysatoreinsatz und              gen auf der Produktion von Methan (TRL 5 bis 6). Mit spezifi-
Rohstoffzusammensetzung diskutieren. Aufgrund der Komple-             schem Fokus auf die Wasserstoffbereitstellung finden aktuell

                                                                    Wasser               Abgas

                                                          Gasphase                                Wasserstoff

              Feuchte Biomasse

                                              Separator

                                                                                       Druckwasser-
                                                                                                                                      Quelle: Eigene Darstellung DBFZ

                                                                                          wäsche
                               Hydrothermaler         Flüssig-
                                  Reaktor              phase

   Abbildung 6: Schematische Darstellung der Wasserstoffbereitstellung via hydrothermaler Vergasung

                                                                                                                                16
H2BWissen: Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg

Katalysatortests im Labormaßstab (z. T. mit Modellsubstanzen)                        hier der Beeinträchtigung der Reaktionsgeschwindigkeit durch
sowie Konzeptentwicklungen im Pilotmaßstab statt. Der tech-                          Katalysatorgifte und der Handhabung einer großen inerten
nische Entwicklungsstand ist derzeit bei TRL 4 bis 5. Insbe-                         Kohlenstoffdioxidfraktion im Falle der Nutzung von Biogas ge-
sondere die breite Rohstoffpalette macht den Einsatz dieser                          schenkt werden. Mittelfristig können auch weitere Verfahren,
Technologie für die Wasserstoffbereitstellung attraktiv. Zudem                       wie die thermochemische Vergasung lignozellulosehaltiger
wird von geringen Reaktionszeiten (Minuten) und teerarmen                            Ressourcen oder die Plasmalyse von Biomethan eine Rolle bei
sowie koksfreien Produkten berichtet [52]. Vor diesem Hinter-                        der Produktion wasserstoffreicher Gase spielen. Herausfor-
grund wird die Entwicklungsperspektive der hydrothermalen                            dernd hierbei bleiben der Eintrag von Stickstoff in das Produkt-
Vergasung zur Bereitstellung von Wasserstoff bis 2030 auf TRL                        gas bzw. die Beherrschung vergleichsweise harscher Reak-
5 bis 6 eingeschätzt.                                                                tionsbedingungen. Für die hydrothermale Vergasung konnte
                                                                                     ein hohes Potenzial für den Einsatz feuchter Biomassen auf-
3.1.6   Verfahrensvergleich                                                          gezeigt werden. Der technische Entwicklungsstand ist jedoch,
                                                                                     insbesondere aufgrund komplexer Reaktionsmechanismen,
Mit Blick auf die technologischen Möglichkeiten stehen für die                       noch sehr gering. Allen gemein ist die Notwendigkeit der Auf-
Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse vielversprechende                             bereitung der produzierten Gasfraktion, damit sie einer hoch-
Verfahren zur Verfügung. Die vorliegende Kurzstudie analysiert                       reinen Wasserstoffanwendung zugeführt werden kann.
jedoch nur die am weitesten entwickelten Technologien. Kurz-                         Zusammenfassend werden in Abbildung 7 die vorgestellten
fristig zeigt insbesondere für lokale Anwendungen die ver-                           Verfahren einander gegenübergestellt und hinsichtlich ihrer
fahrenstechnisch weit entwickelte Reformierung methanrei-                            Anwendbarkeit zur Wasserstoffproduktion eingeordnet. Be-
cher Gase (wie Biomethan oder Biogas) ein hohes Potenzial                            trachtet wird der technische Entwicklungsstand für den Ge-
zur Wasserstoffbereitstellung. Besondere Beachtung muss                              samtprozess (TRL Gesamt).

                                                           Ge-                                    Aktuelle
                                               TRL
    Verfahren               Ressource                     samt       Verfahrenseffi zienz    Anlagenkapazitäten                 H 2 -Anwendungsgebiete
                                              heute
                                                          2030                                      (H 2)

                              Erdgas           11           11             65–83 %            7.000–46.000 kg/h
                                                                                                                          Lokale Nutzung, nach Aufbereitung als
                                                                      39–47 % (Substrat)
                                                                                                                              Reinstwasserstoff anwendbar,
    Reformierung              Biogas          6–8          8–9          bzw. 52–72 %
                                                                                              4,5–9 kg/h (Anlagen)        dezentrale oder zentrale (Co-Prozessie-
                                                                          (Biogas)
                                                                                             bis 200 kg/h (bilanziell)           rung) Konzepte denkbar
                                                                     Perspektivisch analog
                            Biomethan           8           9
                                                                          Erdgas-DR
                              Kohle            11           11             49–53 %                  9.000 kg
                                                                                                                              H 2 -reiche Synthesegase für
    Thermochemische                                                                                                           Produktsynthesen und/oder
                        Holzartige Biomasse    5–7                                           1–2 MWth bis 50 MWth
    Vergasung                                                                                                               Prozesswärme; Anwendung als
                                                           7–8             47–68 %            (Gesamtproduktgas)
                                                                                                                          Reinstwasserstoff nach Aufbereitung
                               Stroh            5                                                5 MWth (KIT)

    Methanplasmalyse                          6–8          8–9                                                             Nach Aufbereitung als Reinstwasser-
                                                                                                 10–550 kg/h
                                                                                                                            stoff anwendbar (hohe Reinheiten
                         Erdgas/Biomethan                                    58 %              (Graforce) 17 kg/h
                                                                                                                             publiziert), Biomethanpyrolyse:
    Methanpyrolyse                            3–4          5–7                                     (HiiROC)
                                                                                                                             CO 2 -freie H 2 -Erzeugung möglich
                                                                                                                                                                           Quelle: Eigene Darstellung DBFZ

                                                                                                                           Energiereiches Produktgasgemisch
                                                                                              1 kg/h (TreaTech) bis
    Hydrothermale                                                                                                            aus H 2 , CH 4 und CO 2; nur nach
                         Feuchte Biomasse     4–5          5–6          Keine Angabe           100 kg/h (TreaTech
    Vergasung                                                                                                              Aufbereitung als Reinstwasserstoff
                                                                                                    Planung)
                                                                                                                                           nutzbar

                                                                 Forschung                               Demonstration                       Kommerzialsierung
    Technischer Entwicklungsstand (TRL)
                                                      1          2          3         4        5          6           7         8        9          10           11

   Abbildung 7: Zusammenfassende Gegenüberstellung der Verfahrensoptionen zur Wasserstoffbereitstellung aus biogenen
   und fossilen Ressourcen

                                                                                                                                                                      17
H2BWissen: Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg

3.2 Kosten von Wasserstoff aus Biomasse                                                   48 % der Gesamtproduktionskosten) auf. Allerdings sind, wie
                                                                                          bei Biomasseanlagen im Regelfall üblich, die Kosten für die
Die nachfolgende Analyse und Gegenüberstellung von Kosten-                                Rohstoffe nicht zu vernachlässigen und machen bei der Mehr-
parametern zur Produktion und Bereitstellung von Wasserstoff                              heit der Studien einen ebenso großen oder sogar den größten
für beispielhafte Konzepte erlaubt eine vereinfachte Einschät-                            Teil der Gesamtkosten aus (21 bis 47 %). Hier ist auch die für
zung ihrer Wirtschaftlichkeit. Als Indikator für die Bewertung                            die Vergasung vergleichsweise aufwendige Vorbehandlung der
werden die Produktionskosten herangezogen. Tabelle 1 gibt                                 Rohstoffe inkludiert. Die Kostenuntersuchung für Konzepte mit
einen Überblick über die Ergebnisse aktueller Veröffentlichun-                            Dampfreformierung zeigt, dass die Betriebskosten mehr als
gen. Abhängig vom Stand der Technik, von standortspezifi-
      6
                                                                                          22 bis 54 % der Gesamtkosten ausmachen, während die Ka-
schen Anlagenkonzepten und damit verbundenen Kosten für                                   pitalkosten anteilig meist geringer sind (12 bis 56 %). Insgesamt
Investitionen (Kapitalkosten), Rohstoffe und Anlagenbetrieb                               ist davon auszugehen, dass Skalierungs- und Lerneffekte
(Betriebskosten) sowie der verwendeten Methodik bei der                                   durchaus Kostenreduktionen ermöglichen; diese sind jedoch
Kostenrechnung ergeben sich teils sehr große Bandbreiten.                                 im Regelfall umso kleiner, je höher der technologische Reife-
Perspektivisch ist davon auszugehen, dass bei entsprechenden                              grad ist.
Rahmenbedingungen und eventuell gezielter Förderung die
untere Grenze der Kosten bei einzelnen Anlagen erreichbar ist.                            Zusätzlich zu den Wasserstoffproduktionskosten fallen immer
                                                                                          Kosten für die Distribution des Wasserstoffs von der Produk-
Umfassende Untersuchungen gibt es lediglich für Wasserstoff                               tionsanlage zur Anwendung an. Diese hängen stark von den
aus Biogas mittels Dampfreformierung und aus lignocellulose-                              lokalen Gegebenheiten und der Art des Distributions- und
haltigen Biomassen mittels thermochemischer Vergasung. Es                                 Transportweges einschließlich der damit einhergehenden Kon-
zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen                                 ditionierung des Wasserstoffs (z. B. Komprimierung oder Ver-
Optionen, die teilweise durch die technologische Reife be-                                flüssigung) ab. Kosten für die Distribution von Wasserstoff aus
gründet werden können, teilweise jedoch auch durch die Rah-                               Biomasse zur verkehrlichen Anwendung wurden beispiels-
menbedingungen der jeweiligen Untersuchung beeinflusst sein                               weise in [47] untersucht und liegen in einer Größenordnung
dürften. Die Vergasung weist bedingt durch die Komplexität                                von 2,95 bis 3,18 EUR/kg Wasserstoff für Anlagengrößen von
der Anlagen erwartungsgemäß hohe Kapitalkosten (14 bis                                    2 bis 9 MW Wasserstoffkapazität.

6   I Die nachfolgenden Angaben wurden auf das Bezugsjahr 2020 normiert.

                                                                   Minimum in             Maximum in          Mittlerer Durchschnitt in
    Edukt                                Prozess                                                                                                Quelle
                                                                 EUR/kg (EUR/GJ)        EUR/kg (EUR/GJ)          EUR/kg (EUR/GJ)

                                                                                                                                               [20], [22],
    Biogas                            Reformierung                         1,8 (15,8)       8,0 (68,7)                 4,8 (40,4)
                                                                                                                                                [53–57]
                                                                                                                                                                  Quelle: Eigene Darstellung DBFZ

                                                                                                                                              [20], [55],
    Lignocellulose                      Vergasung                          4,8 (41,7)       10,8 (92,7)                7,5 (62,2)
                                                                                                                                               [57–59]

    Lignocellulose                Dunkelfermentation                           -                 -                     47,1 (392)                 [55]

    Tabelle 1: Übersicht der minimalen und maximalen Werte für die in Studien ermittelten Produktionskosten von biobasier-
    ten Wasserstoffbereitstellungsoptionen

                                                                                                                                                             18
H2BWissen: Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg

Jüngste Preisentwicklungen führen zu zuletzt gestiegenen                                                Im Vergleich des Wasserstoffs aus Biomasse zu elektrolytisch
Wasserstoffpreisen von aktuell ca. 6 EUR/kg für grauen Was-                                             erzeugtem Wasserstoff (in Blau dargestellt) ergibt sich kein
serstoff und ca. 11 EUR/kg für grünen Wasserstoff. 7 Der fest-                                          eindeutiges Ergebnis. Die elektrolytische Wasserstofferzeu-
gelegte Tankstellenpreis für Wasserstoff wurde zuletzt auf                                              gung unter Nutzung des deutschen Strommixes wäre mit den
12,85 EUR/kg (brutto) angehoben [61]. Die Gegenüberstellung                                             höchsten THG-Emissionen verbunden und damit aus THG-
der genannten Kosten zu den aktuellen Preisentwicklungen für                                            Sicht ungünstiger als Wasserstoff aus Biomasse. Wird für die
Wasserstoff zeigt, dass bei günstigen Randbedingungen ins-                                              Elektrolyse erneuerbar erzeugter Strom eingesetzt, so werden
besondere Wasserstoff aus Biogasreformierung wettbewerbs-                                               mit der Wasserstofferzeugung nahezu null THG-Emissionen
fähig sein könnte.                                                                                      freigesetzt (lediglich die Kompression als notwendiger Schritt
                                                                                                        für die Distribution ist zu berücksichtigen), was geringere THG-
3.3 Verfahrensspezifische THG-Emissionen                                                                Emissionen bedeutet als für Wasserstoff aus Biomasse.
    von Wasserstoff aus Biomasse
                                                                                                        Grundsätzlich lässt sich für den Wasserstoff aus der Biogas-/
Für eine bessere Einordnung der Ergebnisse sind in Abbildung                                            Biomethan-Dampfreformierung sagen, dass die Höhe der
8 die THG-Emissionen aus der Bereitstellung von biobasiertem                                            THG-Emissionen sehr stark vom eingesetzten Rohstoff für die
Wasserstoff denen von Wasserstoff aus der Erdgas-Dampf-                                                 Biogas-/Biomethanerzeugung abhängt. Während für den
reformierung und aus der Elektrolyse gegenübergestellt. Bei                                             Einsatz von Gülle Gutschriften angerechnet werden können,
der Erzeugung von Wasserstoff wurden die Dampfreformie-                                                 was zu THG-Emissionen von bis zu –101 g CO 2 Äq. /MJ H2 führen
rung aus Biogas und Biomethan sowie die Vergasung holz-                                                 kann, wäre ein Einsatz von Anbaubiomasse wie Mais (THG-
artiger Biomassen betrachtet. Die dargestellten Angaben zu                                              Emissionen aus dem Anbau) dagegen in Abhängigkeit von der
THG-Emissionen stammen sowohl aus unterschiedlichen                                                     Abdeckung der Gärrückstandslager und der Abgasverbrennung
Publikationen als auch aus eigenen Berechnungen, die auf der                                            mit THG-Emissionen von bis zu 60 g CO 2 Äq. /MJ verbunden.
Kombination verschiedener Datenquellen basieren. Zu beach-
ten ist hierbei, dass der EU-Standardwert und der Wert aus                                              Bei der Wasserstofferzeugung aus holzartiger Biomasse wären
der 37. BImSchV die Distribution des Wasserstoffs berück-                                               die THG-Emissionen mit ca. 13 g CO 2                           Äq.   /MJ auf einem
sichtigen. Aus den anderen Quellen geht die Systemgrenze                                                niedrigen Niveau resultierend aus dem Einsatz von holzartigen
nicht immer eindeutig hervor, es lässt sich jedoch jeweils „frei                                        Reststoffen (keine Aufwendungen aus der Kultivierung,
Anlage“ vermuten.                                                                                       nur aus dem Einsammeln und dem Transport) und einer mit
                                                                                                        sehr geringen THG-Emissionen verbundenen Vergasungs­-
Die Bereitstellungspfade für Wasserstoff aus Biomasse (in                                               technologie.
Grün dargestellt) weisen im Vergleich zum Wasserstoff aus
der Erdgas-Dampfreformierung (in Schwarz dargestellt) auf-                                              Bei der Berechnung der THG-Emissionen wurden die Wasser-
grund des biogenen Ausgangsstoffs grundsätzlich geringere                                               stoff-Emissionen über eventuelle Leckagen in der Verteilungs-
THG-Emissionen auf. Würde in beiden Fällen das bei der                                                  infrastruktur nicht berücksichtigt. Wasserstoff stellt kein direk-
Dampfreformierung bzw. Vergasung freiwerdende CO 2 über                                                 tes Treibhausgas dar, entfaltet aber indirekt Klimawirksamkeit.
CCU/CCS langfristig der Atmosphäre entzogen, könnten die                                                Das Treibhauspotenzial wird mit 5,8 beziffert [67].
THG-Emissionen deutlich reduziert werden. Darüber hinaus
könnten negative THG-Emissionen erzielt werden, wenn bei
der Wasserstofferzeugung über die Biomethan-Dampfrefor-
mierung Wirtschaftsdünger wie z. B. Gülle als Ausgangssubs-
trat eingesetzt würde. Hier kämen die THG-Gutschriften über
die Vermeidung einer THG-verursachenden Güllelagerung zur
Anrechnung.

7   I Mittelwert für Juni 2022, ermittelt aus Datenbasis des HYDEX Wasserstoffpreisindex [60]. Dieser spiegelt den durchschnittlichen Preis für Wasserstoff ab Dampfreformer oder Elektrolyseur in
      Deutschland wider und berücksichtigt die Produktionskosten von Wasserstoff; Kapitalkosten sind jedoch nicht enthalten.

                                                                                                                                                                                               19
H2BWissen: Wasserstoffbereitstellung aus Biomasse in Baden-Württemberg

       THG-Emissionen [in g CO2 Äq./MJH2]

210
180
                                      Dampfreformierung                                          Vergasung     Elektrolyse
150
120
 90
 60
 30
   0
–30
–60
–90
–120

                                                                                                                                        Quelle: Eigene Darstellung DBFZ
                                      Hajjaji                              Dietrich                                       37.
                EU-     Dietrich                 E4Tech       Dietrich                Hajjaji      Hajjaji    Dietrich
                                        +                                     +                              angepasst BImSchV
             Standard                                            +
                                    90 % CO 2                               RED II                             Strom- (EE-Strom,
                                                             100 % CO 2-
                                   Abscheidung              Abscheidung                                       mix 2020  DE-Mix
                                                                                                 (Holzartige           für Kom-
                        (Erdgas)     (Erdgas)    (Erdgas)          (Biomethan)        (Biogas)   Biomasse) (DE-Strom) pression)

Abbildung 8: Treibhausgasemissionen verschiedener Bereitstellungspfade für Wasserstoff in der Gegenüberstellung,
basierend auf [62–66] und eigenen Berechnungen

                                                                                                                                   20
Sie können auch lesen