Zwanzig Jahre Grenzöffnung - Fünf Jahre EU-Osterweiterung - Analysen und Perspektiven für den Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim und Westböhmen ...
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Umfragen Studien Veranstaltungen Analysen Standortpolitik | Oktober 2009 Zwanzig Jahre Grenzöffnung – Fünf Jahre EU-Osterweiterung Analysen und Perspektiven für den Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim und Westböhmen im europäischen Kontext
Impressum Herausgeber: IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim D.-Martin-Luther-Str. 12 93047 Regensburg Telefon (0941) 5694-0 Telefax (0941) 5694-279 www.ihk-regensburg.de Inhalte: Studie „Zwanzig Jahre Grenzöffnung – Fünf Jahre EU–Osterweiterung“ Analysen und Perspektiven für den Wirt- schaftsraum Oberpfalz / Kelheim und Westböhmen im europäischem Kontext Autoren: Prof. Dr. Jürgen Jerger Dr. Michael Knogler Osteuropa – Institut Im Wissenschaftszentrum Ost- und Südosteuropa Regensburg Landshuter Straße 4 93047 Regensburg Vorbemerkung Satz: grafica, Astrid Riege Diese von der IHK Regensburg für Ober- riege@grafica-design.de pfalz / Kelheim in Auftrag gegebene und www.grafica-design.de teilweise durch Ziel3-Mittel des Projektes „Wir sind Europa“ finanzierte Studie be- Bildnachweis: trachtet die Entwicklung und Perspektiven altrofoto.de (S. 4), Frank Amberger des Wirtschaftsraums, der den Tätigkeits- (S. 10, 31), Markus Huber (S. 13, 25, 27) bereich der IHK Oberpfalz / Kelheim und den benachbarten Bezirk Pilsen umfasst. Im Druck: folgenden Text werden aus sprachlichen SPINTLER Druck und Verlag GmbH oder inhaltlichen Gründen manchmal auch Hochstraße 21 weiter gehende Regionalbezeichnungen 92637 Weiden i. d. OPf. wie West-, Südwestböhmen oder Ostbay- ern verwendet, wobei aber die oben ge- Die Studie wurde im Oktober 2009 nannte engere Untersuchungsregion wei- redaktionell abgeschlossen. terhin im Vordergrund steht.
Standortpolitik Zukunft Europa 3 Mit der Öffnung des „Eisernen Vorhanges“ vor zwanzig schaftlichen Bereich. Profitiert haben die grenznahen Jahren fand die Aufteilung der Welt in Ost und West Regionen beidseits der Grenze. Indikatoren für positi- als Ergebnis des II. Weltkrieges ein Ende. Die Grenzen ve Veränderungen lassen sich aus Arbeitsmarkt- und wurden durchlässig. Der Austausch von Gütern und Wirtschaftsdaten ablesen. Dienstleistungen sowie von Meinungen und Ideen wurde wieder möglich. Die Menschen konnten wieder Die Region ist auf dem richtigen Weg, aber noch nicht zusammen kommen. Die Verhältnisse an den Grenzen am Ziel. Es muss gelingen, aus der Summe vielfältiger normalisierten sich. Aus feindlichem Gegenüber wurde grenzübergreifender Initiativen und Netzwerke einen friedliche Nachbarschaft. Die Aufnahme Osteuropas in europäischen Lebens- und Wirtschaftsraum zu ent- die Europäische Union war ein weiterer konsequenter wickeln und nach außen darzustellen. Die IHK Regens- Schritt in Richtung Neuordnung der geopolitischen burg für Oberpfalz / Kelheim und die Bezirkswirt- Landschaft nach Auflösung der politisch bedingten schaftskammer Pilsen leisten mit dem Projekt „Wir Blockbildung aus der Nachkriegszeit. sind Europa“ (http://www.wir-sind-europa.com) ihren Beitrag, Projekte zu generieren, die die Idee des ge- Für die Grenzregion Oberpfalz / Kelheim änderten sich meinsamen Wirtschaftsraums im Zentrum Europas damit über Nacht die Standortbedingungen. Das stärken und ausbauen. Nur in Europa hat die Region Schlagwort „Vom Rand zur Mitte“ brachte die wesent- eine erfolgreiche Zukunft. liche Veränderung auf den Punkt. Man war plötzlich Drehscheibe zwischen den florierenden Märkten im Wir danken Prof. Dr. Jürgen Jerger und Dr. Michael Westen und den aufnahmefähigen Absatz- und gün- Knogler vom Osteuropa-Institut in Regensburg für die stigen Beschaffungsmärkten im Osten geworden. Es Erstellung der vorliegenden Studie. Der Europäischen taten sich bis dahin undenkbare Entwicklungsmög- Union und dem Freistaat Bayern gilt unser Dank für lichkeiten auf, die Chancen boten, aber auch Risiken die großzügige Förderung dieses Projektes. bargen. Im November 2009 jährt sich die Grenzöffnung zum Regensburg, im Januar 2010 zwanzigsten Mal. Zeit für eine Analyse der bisherigen Entwicklung und einem perspektivischen Ausblick. Im Auftrag der IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim kommt das Osteuropa-Institut in der vorliegenden Studie zu einem positivem Ergebnis. Die Grenzöffnung war Auslöser für zahlreiche grenzübergreifende Aktivi- Dr. Jürgen Helmes täten im wirtschaftlichen, kulturellen und gesell- Hauptgeschäftsführer 3
Zwanzig Jahre Grenzöffnung – Fünf Jahre EU-Osterweiterung Am 23. Dezember 1989 durchschnitten Hans Dietrich Genscher und Jiří Dienstbier bei Furth in Wald den Eisernen Vorhang. Sechs Wochen nach dem Fall der Berliner Mauer fiel in Osteuropa die unmenschliche Grenze zur damaligen Tschechoslowakei. 20 Jahre später vergewisserten sich die Ak- teure eines gemeinsamen Wirtschafts- raums Ostbayern/Westböhmen der Bedeu- tung dieses historischen Ereignisses. Pro- minenter Gast war der Architekt der Wen- de, Hans Dietrich Genscher. 4
Standortpolitik Zusammenfassung Die zunehmende grenzübergreifende Inter- • Die Wissenschafts- und Forschungs- aktion führt bereits heute zu verstärkten landschaft ist in der Region Oberpfalz / Der Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim – gemeinsamen Erfahrungen, die sich mei- Kelheim – Westböhmen gut ausgebaut Westböhmen ist durch die Grenzöffnung nungsbildend auswirken und damit den und eng miteinander verknüpft. Zahl- und den EU-Beitritt der mittel- und osteu- Weg zu engeren menschlichen, wirtschaft- reiche Netzwerkorganisationen schaf- ropäischen Länder von einer Randlage ins lichen und kulturellen Beziehungen zwi- fen Verbindungen zwischen der Wis- Zentrum Europas gerückt. Von den Verän- schen den Regionen ebnen. senschafts- und Forschungsinfrastruk- derungen eines zusammenwachsenden tur und den Unternehmen sowie zwi- Europas waren die Grenzregionen entlang Die wirtschaftliche Entwicklung im Raum schen den Unternehmen selbst. der Ostgrenze zunächst besonders betrof- Oberpfalz / Kelheim – Kreis Pilsen ist seit • Eine Unternehmensumfrage zeigt, dass fen. Bis 1990 an einer fast hermetisch ab- der Grenzöffnung und nach dem EU-Bei- es mit der EU-Erweiterung zu einem er- geriegelten Grenze gelegen, mit be- tritt Tschechiens sehr positiv verlaufen: neuten Schub in den Geschäftsbezie- schränktem grenzüberschreitendem Han- • Charakteristisch ist eine dynamische hungen kam. Die Unternehmen nutzen del und kommunalen Kontakten versehen, Wachstumsentwicklung sowohl im die Markt- und Kooperationspotenziale schlecht angebunden an die Fernverkehrs- Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim der neuen Mitgliedstaaten, wobei netze, befanden sich diese Regionen in ei- und – im Zuge des aufholenden Wachs- Tschechien für Ostbayern ein bevorzug- ner peripheren Lage. Hier war der Wandel tums – noch ausgeprägter im Kreis Pil- ter Partner ist. nach dem Fall des Eisernen Vorhangs spür- sen. Dies gilt vor allem für das verarbei- • Ein von der EU-Kommission entwickel- barer und schneller als in grenzferneren tende Gewerbe, wozu auch die hohe tes Innovationsranking zeigt die Region Gebieten. War früher der Blick der Ober- Exportorientierung beiträgt. Oberpfalz / Kelheim – südwestliches pfalz notgedrungen allein nach Westen ge- • Der schon in der Nachkriegszeit einset- Böhmen im europäischen Vergleich gut richtet, so wird dieser nun durch eine Ost- zende Strukturwandel hat sich in der positioniert. Herangezogen wurden da- orientierung ergänzt, so dass sich die Per- gesamten Region Oberpfalz – West- für u.a. Indikatoren zur Beschäftigung spektive einer grenzüberschreitenden Re- böhmen seit der Grenzöffnung fortge- in Mittel- und Hochtechnologiebe- gion auftut. setzt. Unterentwickelt sowohl im Raum reichen des Verarbeitenden Gewerbes Oberpfalz / Kelheim, aber noch stärker und im Dienstleistungssektor, zur Höhe Entsprechend gab und gibt es noch Be- in Westböhmen ist der Dienstleistungs- der öffentlichen und privaten Ausgaben fürchtungen, etwa dass der steigende sektor, der sich seit 2000 jedoch am dy- für Forschung & Entwicklung sowie zur Wettbewerbsdruck in der erweiterten Uni- namischsten entwickelte. Innovationsfähigkeit (Patentanmeldun- on zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit • Die Grenzöffnung und der Ausbau der gen). führen könnte. Solche Ängste sind auch 20 grenzüberschreitenden Zusammenar- Jahre nach der Öffnung weder in West, beit haben einen wichtigen Impuls für Die beiden Teilräume Oberpfalz / Kelheim noch in Ost völlig verstummt; doch sie sind die Entwicklung des Tourismus gegeben. und der Kreis Pilsen bilden zusammenge- bereits deutlich leiser geworden. Die Ent- • Die Einkommenssituation hat sich seit nommen aufgrund ihres wirtschaftlichen wicklung hat gezeigt, dass diese Sorgen der Grenzöffnung diesseits und jenseits Potenzials eine regionale Größe von euro- weitgehend unbegründet waren. Verände- der Grenze sehr positiv entwickelt. Der päischem Format. Eine Region dieser Grö- rungen gab es; aber eben verbunden mit Einkommensabstand Westböhmens hat ßenordnung im Zentrum Europas wird Wachstum. Beflügelt durch die neuen Ab- sich seit 1995 deutlich verringert. wahrgenommen. Sie ist interessant für satzmärkte entstanden neue Firmen und • Die häufig prognostizierten negativen wirtschaftliche Aktivitäten, öffentliche In- neue Produkte. Die Infrastruktur in den Auswirkungen auf den Arbeitsmärkten vestitionen, qualifizierte Arbeitnehmer, grenznahen Räumen entwickelte sich sind nicht eingetreten. Die dynamische Wissenschaftler und Forschungseinrich- schnell, muss aber weiter ausgebaut wer- Wirtschaftsentwicklung in der gesam- tungen. Sie verfügt aber nicht nur über den. ten Region hat sich mit niedrigen Ar- wirtschaftliche Potenziale, sondern weit beitslosenquoten vielmehr positiv auf darüber hinaus über Vorzüge, die sie im Die Regionen Oberpfalz / Kelheim und dem Arbeitsmarkt niedergeschlagen. Vergleich europäischer Regionen einzigar- Westböhmen sind nun auf dem Weg zu ei- Die Beschränkungen der Arbeitnehmer- tig macht. Chancen und Potenziale in die- nem gemeinsamen Erfahrungsraum, in freizügigkeit erweisen sich eher als sem Wettbewerb der Regionen lassen sich dem der konkrete Nutzen der Zusammen- Hemmnis für die grenznahen Regionen. nur gemeinsam mit den Nachbarregionen arbeit für die Bevölkerung erlebbar wird. Zudem wird damit ein negatives politi- nutzen, da die regional erfolgreiche Koope- Das grenzregionale Geschichtsbewusstsein sches Signal in Richtung Tschechien be- ration immer mehr zum Standortfaktor in wird erweitert durch die Zukunftsperspek- züglich eines weiteren grenzüberschrei- der Konkurrenz um Märkte und Entwick- tiven einer grenzüberschreitenden Region. tenden Zusammenwachsens gesetzt. lungspotenziale wird. 5
Zwanzig Jahre Grenzöffnung – Fünf Jahre EU-Osterweiterung Inhaltsverzeichnis A. Ostbayern – Böhmen: Von der Grenzlage zur Region in der Mitte Europas . . . . . . . . . . . . . . . 8 Besonderheiten der Grenzlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Region in der Mitte Europas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 B. EU-Osterweiterung: Freizügigkeit für Menschen, Güter, Dienste und Kapital . . . . . . . . . . . . 10 C. Die grenzüberschreitende Region aus der Sicht ihrer Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Kultur: trennend und verbindend zugleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Auf dem Wege zu einer böhmisch-bayerischen Identität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 D. Wirtschaftsentwicklung seit der Grenzöffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 D.1 Demographie und gesamtwirtschaftliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 D.2 Dynamischer Strukturwandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Strukturwandel in der Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Hoher Stellenwert des Verarbeitenden Gewerbes im gesamten Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Veränderung der Branchenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Exporte werden immer wichtiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Bauhauptgewerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Rückstand bei den Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Hohes Tourismuspotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 D.3 Einkommen und Arbeitsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Einkommen seit der Grenzöffnung gestiegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Positive Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 D.4 Wissenschaft und Forschung, Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Hervorragende Wissenschafts- und Forschungsinfrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Cluster und Vernetzung sichern positive Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 E. Verkehrsinfrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 F. Fünf Jahre EU-Osterweiterung: Unternehmensumfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Exporte stehen im Vordergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 EU-Erweiterung erleichtert die Geschäftskontakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Der Wettbewerbsdruck nimmt zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Probleme bei der Markterschließung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 6
Standortpolitik G. Perspektive Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Oberpfalz/Böhmen gut positioniert im Wettbewerb der Regionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Auf dem Weg zur Europaregion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Abbildungsverzeichnis: Abbildung 1: Region Oberpfalz / Kelheim – Bezirk Pilsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Abbildung 2: Sprachkenntnisse Deutschland-Tschechien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Abbildung 3: Oberpfalz / Kelheim – Pilsen: Wirtschaftswachstum 1990-2006, in Prozent . . . . . . . . . . 15 Abbildung 4: Bruttowertschöpfung nach Sektoren 2005, in Prozent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Abbildung 5: Oberpfalz / Kelheim – Pilsen: Erwerbstätige nach Wirtschaftsbereichen 2007, in Prozent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Abbildung 6: Oberpfalz – Pilsen: Branchenstruktur des Verarbeitenden Gewerbes, Anteil an Gesamtbeschäftigung in Prozent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Abbildung 7: Außenhandel Bayern – Tschechien 1997-2008, in Mio. € . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Abbildung 8: Tochterunternehmen und Jointventures (JV) ostbayerischer Unternehmen in Tschechien (Bereich Elektronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Abbildung 9: Verfügbares Einkommen in Südwest-Böhmen 1995-2005, in Prozent des verfügbaren Einkommens der Oberpfalz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Abbildung 10: Arbeitslosenquote 1998-2008, in Prozent aller zivilen Erwerbspersonen . . . . . . . . . . . . . 22 Abbildung 11: Grenzpendler von Tschechien in die Oberpfalz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Abbildung 12: Zuzüge aus Tschechien nach Regierungsbezirken, 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Abbildung 13: Wirtschafts- und Wissensraum Ostbayern und Westböhmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Abbildung 14: Verkehrsentwicklung Grenzübergänge Oberpfalz 1997-2007, Veränderung in Prozent . . 26 Abbildung 15: Bisherige/geplante Geschäftsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Abbildung 16: Vorteile der EU-Erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Abbildung 17: Nachteile der EU-Erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Abbildung 18: Gibt es noch Hemmnisse für Geschäfte mit Osteuropa? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Abbildung 19: Regionale Innovationsstärke Oberpfalz – Böhmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Tabellenverzeichnis: Tabelle 1: Oberpfalz / Kelheim – Bezirk Pilsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Tabelle 2: Auswirkungen der Grenzöffnung im Urteil der Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11 Tabelle 3: Bevölkerungsindikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Tabelle 4: Oberpfalz / Kelheim: Verarbeitendes Gewerbe 1995/2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17 Tabelle 5: Oberpfalz / Kelheim – Westböhmen: Tourismus 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Tabelle 6: Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte je Einwohner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Tabelle 7: Oberpfalz / Kelheim: Erfolgsfaktoren regionaler Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 7
Zwanzig Jahre Grenzöffnung – Fünf Jahre EU-Osterweiterung A. Ostbayern – Böhmen: Von der Grenzlage zur Region in der Mitte Europas Jahren zeigt, dass der Wirtschaftsraum • Das Ende der Teilung Europas markiert auch das Ende schwieriger Jahrzehnte Oberpfalz / Kelheim, insbesondere seine für beide Regionen an der bayerischen Grenze. grenznahen Gebiete, in vielerlei Hinsicht zu- • Eine grenzübergreifende Region mit diesen Produktions-, Absatz- und Forschungs- nächst hinter der bayerischen Entwicklung potenzialen in der Mitte Europas wird wahrgenommen. hinterherhinkte. Die Bevölkerungsentwick- lung verzeichnete in der Oberfalz nur eine leichte Zunahme von 0,6 Prozent (1970 bis Als am 23. Dezember 1989 die Außenmini- durch den Böhmerwald geprägt. Der 1987) gegenüber einem deutlich höheren ster Jiří Dienstbier und Hans-Dietrich Gen- dominierende Mittelgebirgscharakter Zuwachs in Bayern insgesamt (+4 Prozent). scher bei Waidhaus den Grenzzaun zwi- in Verbindung mit der Grenzlage im Dies ist vor allem auf die erhebliche Bevöl- schen der Tschechoslowakei und Deutsch- kalten Krieg begünstigte eine verlang- kerungsabnahme aufgrund von Abwande- land durchschnitten, beendete dies auch samte Entwicklung der Grenzregion. rungen aus den Landkreisen Tirschenreuth die Jahrzehnte andauernde Randlage der • Im Gegensatz zu anderen Grenz- und Schwandorf zurückzuführen. Oberpfalz am Eisernen Vorhang. Die Öff- regionen wurden die wirtschaftlichen nung der Grenzen des früheren Ostblocks Verflechtungen lange Zeit durch den Auch die Wirtschaftsdynamik war in der wurde als welthistorisches Ereignis von Eisernen Vorhang unterbrochen und Oberpfalz seit den 70er Jahren deutlich den Staaten Europas begrüßt. Der Weg zu mussten neu aufgebaut werden. schwächer ausgeprägt als in Bayern insge- Integration und einem friedlichen Mitein- • Die Teilung in zwei wirtschaftliche samt. Die Entwicklung der Erwerbstätigkeit ander war eröffnet. Ein weiterer Meilen- Blöcke führte zu einer Ausrichtung der blieb mit einem Zuwachs von 2,5 Prozent stein in dieser Entwicklung war schließlich Infrastruktur und Verkehrswege auf das (1970-1987) zunächst hinter Bayern (4,1 die EU-Osterweiterung zum 1. Mai 2004. jeweilig eigene Land. Prozent) zurück (hier wiederum stärker in • Das Grenzgebiet war für Investitionen den nördlichen grenznahen Landkreisen), Von den Veränderungen eines zusammen- nicht attraktiv. Neben der verkehrsun- wesentlich bedingt durch die rückläufige wachsenden Europas waren in den Augen günstigen Lage trugen dazu auch das Bevölkerungsentwicklung. vieler Beobachter vor allem die Grenzre- Image der „verlängerten Werkbänke“ gionen entlang der Ostgrenze besonders sowie ein hoher Anteil der traditionel- Deutliche Unterschiede zeigen sich auch in betroffen. Die Hoffnungen und Ängste in len Industriebranchen und der Land- der Beschäftigtenstruktur. Obwohl sich der diesen Regionen waren nicht prinzipiell wirtschaft an der Wertschöpfung bei. Strukturwandel auch im Raum Oberpfalz / andere, doch waren sie mehr zugespitzt, • Innovative Wirtschaftszweige waren Kelheim hin zum Dienstleistungsbereich akuter, da hier stärkere Anpassungen als in zunächst in den Grenzregionen kaum vollzog, zeigte sich allerdings eine von Bay- grenzfernen Regionen vermutet wurden. vertreten. ern leicht abweichende Entwicklung. Zwar • Die lange Trennung durch den Eisernen war auch im primären Sektor der Oberpfalz Vorhang war für den Netzwerkaufbau seit 1970 der größte Verlust an Erwerbstä- Besonderheiten der Grenzlage sowohl im wirtschaftlichen Bereich, als tigen zu verzeichnen (-63,6 Prozent), je- auch im sozialen und persönlichen Be- doch waren 1987 auch im Sekundären Sek- Dies ergibt sich aus den Besonderheiten reich hinderlich. In den langen Jahren tor in der Oberpfalz 1,5 Prozent weniger der Grenzlage, die durch folgende Punkte der völligen Abschottung beider Länder Menschen beschäftigt als noch 1970. Dies charakterisiert werden können: konnten ehemalige Kontakte nicht wei- ist nicht zuletzt auf den Abbau von Be- • Topographisch gesehen sind die direkt ter gepflegt werden. schäftigten in den vor allem in der nörd- beiderseits der Landesgrenze liegenden lichen Oberpfalz traditionell stark vertrete- Kreise durch den Oberpfälzer und Ein Blick auf die Entwicklung wichtiger so- nen Branchen wie etwa der Glas- oder Por- Bayerwald, auf tschechischer Seite zioökonomischer Indikatoren seit den 70er zellanindustrie zurückzuführen. 8
Standortpolitik Auch die Entwicklung der Arbeitslosen- Abbildung 1: Region Oberpfalz / Kelheim – Bezirk Pilsen quoten zeigt das Zurückbleiben der wirt- schaftlichen Dynamik in der Oberpfalz. Sie nahm zwar einen gleichartigen Entwick- lungsverlauf wie in Bayern insgesamt, je- doch lag die Arbeitslosigkeit in der Ober- pfalz bis 1982 um ca. 2-3 Prozent höher als im gesamtbayerischen Durchschnitt. Seit 1983 wies die Oberpfalz gar ein um ca. 5 Prozentpunkte höheres Niveau der Ar- beitslosigkeit auf. Innerhalb der Oberpfalz war es vor allem der Arbeitsamtbezirk Schwandorf, der seit Mitte der 70er Jahre die bayerische Arbeitslosenquote um etwa das Doppelte übertraf. Quelle: IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim Insgesamt war die wirtschaftliche Leis- tungsfähigkeit in der Oberpfalz bis Mitte wegen der fortgesetzten Konzentration der der neunziger Jahre im bayernweiten Ver- Bevölkerung in der Stadt Pilsen. Erst im Zu- gleich eher unterdurchschnittlich, wobei sammenhang mit den gesellschaftlichen und die östlichen Regionen in unmittelbarer wirtschaftlichen Veränderungen in der Tsche- Nähe zur tschechischen Grenze die niedrig- prägt, der seit langem die besten Entwick- chischen Republik nach 1989 begann mit der sten Produktivitäten aufweisen. Zwar wies lungsbedingungen aufwies. Auf den Abbau Öffnung der Grenzen eine wirkliche Stabil- auch die Oberpfalz eine Verbesserung ihrer von Braunkohle und dem Eisenhüttenwesen isierung und Entwicklung der Grenzgebiete. Wohlfahrtsposition auf, die Zunahme ist je- gründete die Entwicklung der Verarbeiten- doch in den wirtschaftlichen Zentren Bay- den Industrie mit einem Schwerpunkt auf erns stärker als in den peripheren Gebieten. dem Maschinenbau. Die starke Konzentra- Region in der Mitte Europas Eine Untersuchung des ifo-Instituts zur tion der Industrie und der Bevölkerung in Entwicklung der bayerischen Regionen der Stadt hatte auch einen wesentlichen Mit der Öffnung der Grenzen und der EU- kommt zum Ergebnis, dass im Zeitraum von Einfluss auf die weniger schnelle Entwick- Erweiterung eröffnet sich nun die Chance 1980 bis 1996 kein wirtschaftlicher Aufhol- lung der Umgebung. So konnten die großen auf die Herausbildung eines vernetzten eu- prozess der weniger leistungsfähigen Re- Unterschiede zwischen dem Pilsener Bal- ropäischen Wirtschafts-, Lebens- und Ar- gionen festgestellt werden kann. Die Studie lungsgebiet und dessen ländlichem Hinter- beitsraumes. Die Teilräume Oberpfalz / Kel- zeigt, dass innerhalb der Oberpfalz die land (v. a. der Grenzgebiete der Okres/Land- heim und Niederbayern auf bayerischer westlichen Kreise aufholen konnten, der kreise Tachau/Tachov, Taus/Domažlice und Seite und Böhmen auf tschechischer Seite östliche Teil der Oberpfalz aber hinter die- Klattau/Klatovy) während der Nachkriegs- bilden zusammengenommen von ihrem sen Entwicklungen zurückblieb. zeit nicht beseitigt werden. Neben der Ver- wirtschaftlichen Potenzial her eine regio- treibung der deutschen Bevölkerung verlo- nale Größe von europäischem Format. Er- Auf der anderen Seite der Grenze wurde ren die Landkreise des Bezirkes Pilsen in weitert um das angrenzende Oberöster- Westböhmen durch den Raum Pilsen ge- den Grenzgebieten viele Einwohner, auch reich ergibt sich eine junge, wachstums- starke Region, deren wirtschaftliches Po- Tabelle 1 tenzial deutlich höher ist als beispielswei- se dasjenige der drei baltischen Länder Oberpfalz / Kelheim – Bezirk Pilsen (Estland, Lettland, Litauen) zusammen. Ei- ne Region dieser Größenordnung in der Oberpfalz / Kelheim Bezirk Pilsen Mitte Europas wird wahrgenommen, wenn Einwohner 31.12.2007 1.199.772 561.074 es gelingt die grenzübergreifenden Ent- Fläche in km2 10.757 7.561 wicklungspotenziale zu entfalten. Sie ist Bevölkerungsdichte (Einw. je km ) 2 111,5 74,2 interessant für wirtschaftliche Aktivitäten, Bevölkerungswachstum 1997-2007 in Prozent 2,1 1,3 öffentliche Investitionen, qualifizierte Ar- beitnehmer, für Wissenschaftler und For- Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung; Tschechisches Amt für Statistik. schungseinrichtungen. 9
Zwanzig Jahre Grenzöffnung – Fünf Jahre EU-Osterweiterung B. EU-Osterweiterung: Freizügigkeit für Menschen, Güter, Dienste und Kapital Schon 1997 begannen die Verhandlungen • Die EU hat auf die Grenzöffnung mit Integrationskurs reagiert. mit der Tschechischen Republik über einen • Für die neuen EU-Mitglieder gelten nunmehr auch die vier Freiheiten für Waren, Beitritt zur Europäischen Union, die mit Dienstleistungen, Arbeitskräfte und Kapital, welche die Grundlage des Europäischen dem EU-Beitritt am 1. Mai 2004 erfolg- Binnenmarktes bilden. reich abgeschlossen wurden. Damit war für Tschechien der Weg zum gemeinsamen Markt frei. Fast alle Handelsbeschränkun- „…we have been dreaming for years and de- Tschechoslowakei in Kraft. Die Europa- gen zwischen den Ländern waren abge- cades about being part of the European Abkommen waren bilaterale Abkommen baut. Als Mitglied des gemeinsamen Mark- open society.“ zwischen der EU und den Ländern Mittel- tes fielen die Grenzkontrollen im Waren- Václav Klaus, 2002. und Osteuropas mit dem Ziel einer vollstän- verkehr weg. Gegenüber den Drittstaaten digen Liberalisierung des Handels mit In- gelten für Tschechien wie für alle anderen Die EU hat auf die Grenzöffnung schnell und dustrieprodukten, d. h. der Abschaffung von EU-Mitglieder dieselben Zollsätze. Mit dem entschieden reagiert. Man wollte die neuen tarifären und nicht tarifären Handelshemm- Beitritt musste Tschechien auch die recht- Demokratien unmittelbar und effektiv wirt- nissen. Agrarprodukte waren in diese Libe- lichen Regelungen der EU übernehmen und schaftlich unterstützen. Dies konnte am be- ralisierung nur teilweise eingeschlossen. Die sich verpflichten in mittlerer Frist Mitglied sten erreicht werden, wenn es gelang, die Abkommen sahen eine asymmetrische Re- der Währungsunion zu werden. Länder in die EU zu integrieren. Das Zusam- duzierung der Zölle vor, was bedeutet, dass menwachsen Europas sollte durch einen in- die EU ihre Zölle schneller und in größeren Für die neuen EU-Mitglieder galten nun- tensiven Handel gestützt werden. Darum Schritten senkte als die Länder Mittel- und mehr auch die vier Freiheiten für Waren, gehörte es zu einer der ersten Maßnahmen, Osteuropas. Nach der Teilung der Tsche- Dienstleistungen, Arbeitskräfte und Kapi- dass die EU gegenüber den früheren Län- choslowakei (1. Januar 1993) wurde das tal, welche die Grundlage des Europäischen dern des Ostblocks ihre Zollschranken deut- Europaabkommen mit der Tschechischen Binnenmarktes bilden. Jedoch wurden für lich abbaute. Schon im Januar 1991 wurde Republik und der Slowakei neu verhandelt die Freizügigkeit der Arbeitnehmer Über- Tschechien in das Generalised system of ta- und jeweils am 1. Februar 1995 wirksam. gangsregelungen erlaubt (siehe C.). riff preferences (GSP) aufgenommen, wel- ches einen bevorzugten Zugang zum EU- Markt in Form von reduzierten Zöllen ge- währt. Der GSP-Status gilt insbesondere für Industrieprodukte. Die Vorzugstarife um- fassten 63 Prozent aller Zollkategorien der EU-Importe, wovon wiederum für 94 Pro- zent ein Zollsatz von Null galt. Doch der für Entwicklungsländer entwickel- te GSP-Status war nur eine kurzfristige Not- maßnahme. Tatsächlich sollten Länder wie die Tschechoslowakei viel enger und dauer- hafter eingebunden werden. Deshalb wurde zügig damit begonnen, die umfassenderen Europa-Abkommen zu verhandeln. Bereits im März 1992 trat ein Abkommen mit der 10
Standortpolitik C. Die grenzüberschreitende Region aus der Sicht ihrer Bürger Kultur: • Zustimmung überwiegt: Öffnung ein Schritt zu mehr Freiheit und höherem trennend und verbindend zugleich Lebensstandard. • Oberpfalz und Westböhmen auf dem Weg zu einem gemeinsamen Erfahrungsraum, „Wenn ich das Ganze der europäischen Ei- in dem der konkrete Nutzen der Zusammenarbeit für die Bevölkerung erlebbar wird. nigung noch einmal zu machen hätte, wür- de ich nicht bei der Wirtschaft anfangen, sondern bei der Kultur.“ Der Fall des Eisernen Vorhangs war für die dard geführt hat. Natürlich gab und gibt es Jean Monnet Bevölkerung beiderseits der Grenze ein noch Befürchtungen, dass der steigende einschneidendes Ereignis. Insbesondere die Wettbewerbsdruck in der erweiterten Uni- Es sind die sozialen Kontakte, die grenz- Abkehr vom Ein-Parteien-Staat zu Demo- on zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit überschreitenden Informationen, die Bil- kratie und persönlicher Freiheit wurde eu- führen könnte. Solche Ängste sind auch 20 dung von Netzwerken, das Zusammenspiel phorisch gefeiert. Vor allem die persönliche Jahre nach der Öffnung weder in West, regionaler Mentalitäten und der Aufbau ei- Freiheit, wie sie sich u.a. in der Reisefrei- noch in Ost völlig verstummt; doch sie sind ner gemeinsamen Identität über die Berei- heit zeigt, möchte niemand mehr missen. bereits deutlich leiser geworden. Die Ent- che Kultur, Bildung und Wissenschaft, Ju- wicklung hat gezeigt, dass diese Sorgen gendarbeit und Freizeitgestaltung hinweg, Neben den vielen Hoffnungen gab es auch weitgehend unbegründet waren. Verände- die der Grenzregion ihre Kraft und Ausdau- Befürchtungen und Ängste, die zumeist die rungen gab es; aber eben verbunden mit er und letztlich auch wirtschaftliche Stärke wirtschaftliche Entwicklung betrafen. Wachstum. Beflügelt durch die neuen Ab- geben. Doch heute, zwanzig Jahre später, herrscht satzmärkte entstanden neue Firmen und bei der großen Mehrheit der Bevölkerung neue Produkte. Die Infrastruktur in den In den Grenzräumen treffen unterschiedli- zu beiden Seiten der Grenze Übereinstim- grenznahen Räumen entwickelte sich che Kulturen unmittelbarer aufeinander als mung, dass die Öffnung mehr Freiheit ge- schnell, muss aber weiter ausgebaut wer- anderswo. Doch langsam entwickelt sich bracht und zu einem höheren Lebensstan- den. auch ein eigenes Selbstverständnis der Tabelle 2 Auswirkungen der Grenzöffnung im Urteil der Bürger Zustimmung in Prozent der Befragten Die Veränderungen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 … D EU-15 CZ EU-10 … haben mehr Freiheit für jeden in Europa gebracht? 81 79 78 81 … haben zum Verschwinden der Grenzen beigetragen und die freie … Bewegung von Personen in Europa erlaubt? 87 85 90 90 … haben zu Wachstum und Modernisierung in den EU-10 Ländern geführt? 84 78 76 72 … haben zu einem höheren Lebensstandard in EU-10 geführt? 66 67 70 62 … haben zu Arbeitsplatzverlusten in meinem Land beigetragen? 59 55 58 58 … haben die Sozialstandards in Europa insgesamt verringert? 38 39 43 38 … haben Probleme wegen der Existenz zu unterschiedlicher Kulturen … und Werte geschaffen? 65 57 47 42 Quelle: European Commission, Views on European Union Enlargement, Flash Eurobarometer 257; Befragung im Februar 2009. 11
Zwanzig Jahre Grenzöffnung – Fünf Jahre EU-Osterweiterung Abbildung 2: Sprachkenntnisse Deutschland-Tschechien Deutsch nach Englisch die zweithäufigste Fremdsprache in Tschechien. Bei der Be- 70% rufsausbildung spielt das Deutsche im gan- zen Land sogar eine größere Rolle als das 60% Englische. Auf bayerischer Seite ist die Be- 50% deutung von Tschechisch im Schulunter- richt zwar noch gering, nimmt aber in den 40% letzten Jahren zu. In nahezu allen Schular- ten wird die Sprache als Wahlfach angebo- 30% ten. Im Regierungsbezirk Oberpfalz wurde 20% im letzten Schuljahr an 22 Schulen Tsche- chisch unterrichtet, überwiegend in den 10% Grund- und Hauptschulen, aber auch an 0% Gymnasien wie am Augustinus-Gymnasi- Kenntnisse der anderen Sprache Interesse an der anderen Sprache um in Weiden und am Max-Reger-Gymna- in CZ in D in CZ in D sium in Amberg. Zudem kann an der Uni- versität Regensburg (ebenso wie München) Quelle: Schramek, Universität Jan Evangelista Purkyne. das Staatsexamen in Tschechisch abgelegt werden. oberpfälzisch-böhmischen Verbundenheit, in den Grenzräumen gaben auf tschechi- Erleichtert wird der Spracheinstieg durch wie es im Sinnbild des nach Westen wie scher Seite mehr als 60 Prozent der Be- die Sprachanimation, die vom Koordinie- Osten blickenden „Doppelten Nepomuk“ fragten an, über geringe Deutschkenntnis- rungszentrum Deutsch-Tschechischer Ju- von Schönsee symbolisiert wird. Dazu tra- se zu verfügen, während der entsprechen- gendaustausch Tandem durchgeführt wird, gen auch die sich rasch entwickelnden kul- de Wert auf bayerischer Seite bei knapp 7 und eine überaus positive Reaktion erfährt. turellen Beziehungen bei. Fast die Hälfte Prozent liegt. Zumindest das Interesse, die der Städte und Gemeinden im tschechisch- Sprache des Nachbarn zu erlernen war et- deutschen Grenzland hat Kontakte mit den was ausgewogener, wenn auch in Deutsch- Nachbarn jenseits der Grenze. Die grenz- land deutlich weniger ausgeprägt. Ausgewählte Sprach- übergreifenden Initiativen der Politik oder und Kulturprogramme: von privater Seite werden zumeist von ge- Allerdings kann in den letzten Jahren ein sellschaftlichen Führungskräften und re- spürbar wachsendes Interesse an tschechi- Deutsche Seite: gionalen Eliten getragen. Die Bevölkerung scher Sprachkompetenz in der Oberpfalz ist durch Bürgerfeste und andere kulturel- durch Wissenschaft und Bildung, Kultur- • Sprachoffensive der Euregio Egrensis le Veranstaltungen einbezogen. Neben der und Jugendarbeit festgestellt werden. Dies Arbeitsgemeinschaft Bayern e.V. kommunalen Ebene sind es zunehmend gilt auch für den Arbeits- und Ausbil- • „Oberpfalz lernt Tschechisch“: auch Vereine, besonders im Sportbereich, dungsstellenmarkt im gemeinsamen Wirt- Initiative des Regionalmarketings die grenzüberschreitenden Kontakte pfle- schaftsraum. So wird etwa in den 2000 gen. Besonders die Kontakte von Jugendli- deutschsprachigen, in Tschechien ansässi- Oberpfalz e.V. chen tragen den Keim für ein verständiges gen Unternehmen, in den grenzüberschrei- und fruchtbares Miteinander in sich. tenden oder in mit tschechischen Kunden Tschechische Seite: handelnden Unternehmen die Tendenz • „gutentag.cz“: Veranstaltungen des Für die Entwicklung der kulturellen Bezie- spürbar, Mitarbeiter in leitenden Positio- Goethe-Instituts Prag und des DAAD hungen aber auch der enger werdenden nen anzustellen, die auch über Tsche- wirtschaftlichen Verflechtungen gewinnt chisch-Kenntnisse verfügen. zur deutschen Sprache die Kompetenz in der Sprache der Nach- barregion an Bedeutung. Im bayerisch- Im Schulunterricht ist auf tschechischer Beiderseitig: böhmischen Grenzraum ist auffällig, dass Seite das Unterrichtsfach Deutsch in den • Tandem: Koordinierungszentrum nach wie vor die deutsche Sprache bei den Grund- und Hauptschulen in den Grenzre- Deutsch-Tschechischer Jugendaus- Tschechen deutlich weiter verbreitet ist als gionen zu Deutschland und Österreich umgekehrt die tschechische Sprache in den noch deutlich stärker vertreten als Eng- tausch bayerischen Regionen. Bei einer Umfrage lisch. Über alle Schultypen hinweg ist 12
Standortpolitik Auf dem Wege zu einer Zwischen Böhmen und der Oberpfalz ver- fahrungen aus welchen gemeinsame Ko- böhmisch-bayerischen Identität? läuft auch nach der Öffnung der Schlag- operationsziele entstehen und sich auf bäume weiterhin eine Wohlfahrtsgrenze. lange Sicht gesehen Identifikationsmög- Ein grenzüberschreitendes Regionalver- Laut einer Studie der Tschechischen Aka- lichkeiten mit den Nachbarn ergeben kön- ständnis im bayerisch-böhmischen Grenz- demie der Wissenschaften aus dem Jahr nen. Die Herausforderungen diesbezüglich raum bedarf natürlich einer längeren Zeit 2005 sehen 67,6 Prozent der Bewohner des sind vielfältig. Sie reichen von der Aufar- als der bisher vergangenen 20 Jahre. Die tschechischen Teils des Grenzgebietes im beitung der historisch verursachten Ent- Grenze bleibt wohl eine Trennlinie, doch unterschiedlichen Lebensstandard diesseits fremdung breiter Bevölkerungsteile, über steht sie nicht mehr im Mittelpunkt der und jenseits der Grenze das größte Hinder- den Umweltschutz, bis hin zu beiderseiti- Beziehungen. Die Bevölkerung nutzt den nis bei der deutsch-tschechischen Zusam- gen Bemühungen um eine Verbesserung freien Grenzübertritt, wenn auch enge per- menarbeit. Allerdings gibt es auch die ge- der Infrastruktur. sönliche Kontakte in der Masse noch be- meinsame wirtschaftliche Erfahrung, Be- schränkt sind. Auf beiden Seiten gibt es wohner eines Randgebietes gewesen zu keine ausgeprägten Vorurteile gegenüber sein, welches durch einen im Vergleich zum dem Nachbarn, die zumeist als fleißig cha- jeweiligen Nationalstaat niedrigeren rakterisiert werden. Natürlich bleiben noch Wohlstand geprägt war. So kommt es materielle Unterschiede und die unter- durchaus auch auf dieser Ebene zu grenz- schiedliche Sozialisation im Sozialismus- überschreitenden Anknüpfungspunkten, Kapitalismus, die eine gelebte Realität ei- die aus der früheren Grenzlage resultieren. nes verbindenden grenzübergreifenden Le- Es sind diese, die Menschen beiderseits der bensraums noch behindern. Grenze beschäftigenden Probleme und Er- Pilsen 13
Zwanzig Jahre Grenzöffnung – Fünf Jahre EU-Osterweiterung D. Wirtschaftsentwicklung seit der Grenzöffnung Der Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim Zum Stichtag 31.12.2007 lebten in der Re- Westböhmen vermitteln die Angaben zum ist durch die Grenzöffnung und zuletzt gion 1,76 Mio. Menschen, davon 1,2 Mio. Bruttoinlandsprodukt (BIP), dem wichtig- durch den EU-Beitritt der mittel- und ost- in Oberpfalz / Kelheim und 560.000 im Be- sten Indikator der wirtschaftlichen Leis- europäischen Länder von einer Randlage zirk Pilsen. Gegenüber 1997 hat die Bevöl- tungsfähigkeit. Gemessen an der durch- ins Zentrum Europas gerückt. Dies gilt um- kerung in der Oberpfalz um 2,4 Prozent zu- schnittlichen Wirtschaftskraft der EU27- gekehrt auch für Westböhmen, das auf der genommen, wobei dieser Wert unter dem Regionen ist die Region Oberpfalz / Kel- tschechischen Seite aufgrund seiner geo- bayerischen, aber über dem tschechischen heim - Westböhmen gut positioniert. So graphischen Lage schon seit jeher eine Wert für den Bezirk Pilsen liegt. Das Bevöl- erreicht die Oberpfalz 2006, umgerechnet Brückenfunktion nach Westeuropa ein- kerungswachstum von Oberpfalz / Kelheim auf die Kaufkraftparität, beim BIP pro Ein- nahm. ist in diesem Zeitraum maßgeblich auf wohner knapp 120 Prozent des EU-Durch- Wanderungsgewinne zurückzuführen, da schnitts, während der Bezirk Pilsen nur 73 Wie hat sich die Wirtschaft in diesem der natürliche Bevölkerungssaldo überwie- Prozent erreicht (2000: 64,2 Prozent). Den- Raum seitdem entwickelt? Konnte Ober- gend negativ war. Allerdings mussten die noch ist bei anhaltend großer Dynamik der pfalz / Kelheim auf der einen Seite und grenznahen Kreise, insbesondere in der tschechischen Wirtschaft, die seit 2003 Westböhmen auf der anderen Seite von nördlichen Oberpfalz, aufgrund von Ab- durchschnittliche Wachstumsraten von den Chancen der Öffnung und EU-Erweite- wanderungen stärkere Einbußen hinneh- mehr als 4 Prozent und in der Spitze fast 7 rung profitieren? Hat sich hier eine grenz- men. Hier ist auch das Erwerbspersonenpo- Prozent jährlich realisiert hat, eine weitere übergreifende Region herausgebildet, die tenzial (Bevölkerung im Alter 18-64 Jahre) Angleichung in einigen Jahren denkbar. Die im europäischen Standortwettbewerb der aufgrund der Alterstruktur geringer als im Unterschiede im Wirtschaftsniveau und in Regionen mithalten kann? Oder überwie- Durchschnitt der Oberpfalz. Dies spiegelt der Entwicklungsdynamik zwischen den gen in der Region die befürchteten Nach- auch die ungünstigere Sektoral- und Bran- tschechischen und dem bayerischen Teil teile des zunehmenden Wettbewerbs- chenstruktur der Wirtschaft bzw. die gerin- setzen sich auf der Ebene der Kreise inner- drucks aus den östlichen Nachbarländern ge wirtschaftliche Dynamik in diesen Krei- halb der Oberpfalz fort. Sie zeigen sich und möglicher Betriebsverlagerungen in sen wider (siehe Abschnitt D.2). grundsätzlich zwischen den städtischen die Länder mit niedrigem Lohnniveau? bzw. suburbanen und ländlichen Regionen In Deutschland wird für die Bevölkerung aber auch zwischen den nördlichen und ein Rückgang um 0,5 Prozent prognosti- südlichen Kreisen der Oberpfalz. ziert. Mit knapp einem Prozent Zuwachs D.1 Demographie und durch Zuzüge gehört Bayern zu den wach- Die wirtschaftliche Entwicklung in Bayern gesamtwirtschaftliche senden Regionen. Im IHK-Bezirk wird die ließ das BIP in den letzten 25 Jahren im Bevölkerung in den nächsten 20 Jahren ab- Durchschnitt um mehr als 2 Prozent pro Entwicklung nehmen. Allerdings sind innerhalb der Re- Jahr ansteigen. Doch erst im Vergleich zu gion die Entwicklungstendenzen sehr un- Gesamtdeutschland wird die Dynamik der terschiedlich. Während die Bevölkerung in bayerischen Entwicklung deutlich: Das BIP • Hohe Wachstumsdynamik beiderseits den Landkreisen Regensburg (+5,5 Prozent) je Einwohner stieg in Bayern von 102 Pro- der Grenze. und Kelheim (+2,9 Prozent) deutlich zu- zent des bundesdeutschen Durchschnitts • Gemessen an der durchschnittlichen nehmen wird, hält in der nördlichen Ober- 1990 auf knapp 118 Prozent in 2006. Wirtschaftskraft der EU27-Regionen pfalz der bestehende rückläufige Bevölke- rungstrend an. Von dieser überdurchschnittlichen Ent- ist die Region Oberpfalz / Kelheim – wicklung in Bayern konnte auch die Regi- Westböhmen gut positioniert. Einen ersten Eindruck der Wirtschaftsent- on Oberpfalz / Kelheim profitieren. Zwar wicklung im Raum Oberpfalz / Kelheim - lag das BIP je Einwohner im Jahr 2006 mit 14
Standortpolitik Tabelle 3 Bevölkerungsindikatoren Bevölkerung Bevölkerungs- Anteil der Prognose 31.12.2007 wachstum Bevölkerung Bevölkerungs- 1997/2007 in Prozent 18-64 Jahre in Prozent entwicklung bis 2028 in Prozent Oberpfalz / Kelheim 1.199.772 2,4 62,8 -2,7 Bezirk Pilsen 561.074 1,3 71,0* .. Bayern 12.520.332 3,8 62,9 0,9 *15-64 Jahre. Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung; Bevölkerungsvorausberechnung bis 2028, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung 2006. Abbildung 3: Oberpfalz / Kelheim – Pilsen: Wirtschaftswachstum aus – seit 1995 um rund 135 Prozent. Es 1990-2006, in Prozent (BIP zu Marktpreisen je Einwohner) liegt jedoch gemessen am tschechischen Durchschnittsniveau relativ konstant bei 160 rund 94 Prozent. Der Bezirk Pilsen (West- böhmen) weist, nach Prag mit über doppelt 140 so hohem BIP pro Einwohner als der Lan- desdurchschnitt, das zweithöchste Ein- 120 kommensniveau in Tschechien auf. 100 80 D.2 Dynamischer 60 Strukturwandel 40 • Anhaltender Strukturwandel in 20 Oberpfalz / Kelheim und Westböhmen. • Das Verarbeitende Gewerbe nimmt 0 Oberpfalz Bayern Bezirk Pilsen* Tschechien* beiderseits der Grenzen einen relativ hohen Stellenwert ein. * 1995-2007 Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung; Tschechisches Amt für Statistik. • Unterentwickelt sowohl im Raum Oberpfalz / Kelheim aber noch stärker im Bezirk Pilsen ist der Dienstleistungs- 29.180 Euro unter dem bayerischen Durch- Neustadt a. d. Waldnaab und Tirschen- sektor, der sich seit 2000 jedoch am schnitt von 33.240 Euro je Einwohner. Es reuth) hinter der Entwicklung zurückblieb. dynamischsten entwickelt. stieg aber seit 1990 von rund 86 Prozent Seit dem Jahr 2001 ist die Oberpfalz mit des bayerischen Niveaus auf knapp 88 Pro- einer Steigerung des BIPs pro Einwohner • Die Grenzöffnung und die Entwicklung zent in 2006. Bezogen auf Deutschland um 13,3 Prozent bis 2006 sogar Wachs- der grenzübergreifenden Zusammen- liegt es bereits über dem bundesdeutschen tumsspitzenreiter in Bayern. arbeit haben einen wichtigen Impuls Durchschnitt. Innerhalb der Oberpfalz für die Entwicklung des Tourismus konnten die Landkreise Neumarkt i.d.OPf. In Westböhmen verlief die Wachstumsent- erbracht. und Cham seit 1990 deutlich überdurch- wicklung seit der Grenzöffnung noch dy- schnittliche Wachstumsraten verzeichnen, namischer. Das BIP je Einwohner stieg im während die nördliche Oberpfalz (Städte Zuge einer aufholenden Wirtschaftsent- Amberg und Weiden sowie die Landkreise wicklung – zwar von niedrigerem Niveau 15
Zwanzig Jahre Grenzöffnung – Fünf Jahre EU-Osterweiterung Abbildung 4: Bruttowertschöpfung nach Sektoren 2005, in Prozent Strukturwandel in der Landwirtschaft Eine detaillierte Aufgliederung der Er- 100% werbstätigen nach Wirtschaftsbereichen verdeutlicht ebenfalls die etwas höhere 90% Bedeutung des primären Sektors im Bezirk 80% Pilsen als im Bezirk Oberpfalz / Kelheim. Im 52,1 70% 64,4 Pilsener Raum sind 5,5 Prozent aller Be- 68,2 60% schäftigten in der Land- und Forstwirt- schaft tätig, im bayerischen Teil 3,8 Pro- 50% zent. Im Bereich der Landwirtschaft vollzog 40% sich in den letzten Jahren ein tief greifen- 30% der Strukturwandel. Vor allem die Heraus- 44 bildung großbetrieblicher Strukturen mit 20% 34 30,6 Flächen über 30 ha ist für den Fortbestand 10% einer international wettbewerbsfähigen 1,6 1,1 3,9 0% Landwirtschaft von Bedeutung. Diese Ent- Oberpfalz Bayern Bezirk Pilsen wicklung ist auch in der Oberpfalz fest- stellbar. Die Zahl der Höfe ist in der Ober- Dienstleistungsbereiche Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und pfalz seit 1999 ebenso wie in Bayern um Produzierendes Gewerbe Datenverarbeitung; Tschechisches Amt für Statistik. rund 21 Prozent zurückgegangen, während Land- und Forstwirtschaft, Fischerei die durchschnittlichen Betriebsgrößen weiter anstiegen. Der Strukturwandel hat sich in der gesam- ten Region Oberpfalz / Kelheim – West- böhmen seit der Grenzöffnung beschleu- Abbildung 5: Oberpfalz / Kelheim – Pilsen: nigt. Im Raum Oberpfalz / Kelheim erziel- Erwerbstätige nach Wirtschaftsbereichen 2007, in Prozent ten – entsprechend bundesweiter Entwick- lungen – vor allem die Dienstleistungen, 100% deren Anteil an der Bruttowertschöpfung anstieg, Zuwächse. Allerdings hat in der 90% 22,5 27,1 27,6 Oberpfalz das Produzierende Gewerbe 80% (Verarbeitendes Gewerbe + Baugewerbe + 7,5 70% Versorger) eine etwas höhere Bedeutung 12,3 16,4 60% 20,7 als in Bayern insgesamt. In Westböhmen ist der Strukturwandel hin zum Dienstleis- 50% 23,3 tungssektor noch nicht so weit fortge- 24,3 40% schritten. Das Produzierende Gewerbe 34,4 30% trägt hier zu 44 Prozent zur Bruttowert- 26,0 schöpfung bei, und damit um 10 Prozent- 20% 22,5 punkte mehr als in der Oberpfalz. Hier 10% 6,4 9,6 7,5 spiegelt sich noch das Erbe der sozialisti- 0% 3,8 2,9 5,5 schen Planwirtschaft wider, für die eine Oberpfalz Bayern Bezirk Pilsen ausgeprägte Unterentwicklung des Dienst- leistungsbereichs typisch war. Etwas höher Öffentliche und private Dienstleistungen ist im Bezirk Pilsen die Bedeutung des pri- Finanzierung, Vermietung, Unternehmensdienstleistungen mären Sektors, die jedoch auch hier ab- Handel, Gastgewerbe und Verkehr nimmt. Verarbeitendes Gewerbe Bauhauptgewerbe, Bergbau, Gewinnung von Steine und Erden Land- und Forstwirtschaft, Fischerei Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung; Tschechisches Amt für Statistik. 16
Standortpolitik Hoher Stellenwert des Verarbeitenden Auch in Westböhmen stiegen die Industrie- verlagert. Diese Branchen sind insbesondere Gewerbes im gesamten Raum umsätze seit 2000 (vorher liegen keine An- in den nördlichen Kreisen der Oberpfalz gaben vor) nach Angaben des Statistischen konzentriert. In Tirschenreuth entfallen dar- Amtes Tschechien um knapp 122 Prozent, auf immer noch 24 Prozent des gesamten • Hohe Wachstumsdynamik im wobei hier jedoch nur die Betriebe mit über Verarbeitenden Gewerbes. Auch das Textil- Verarbeitenden Gewerbe. 100 Beschäftigten erfasst werden. Vor al- und Bekleidungsgewerbe hat im Zuge des • Human- und F&E-intensive Branchen lem nach dem EU-Beitritt im Jahre 2004 Strukturwandels weiter an Bedeutung ein- im Raum Oberpfalz / Kelheim auf dem stiegen die Umsätze der Industrie stark an. gebüßt. Vormarsch. In Westböhmen erfolgte in den letzten • In Westböhmen erfolgte in den letzten Veränderung der Branchenstruktur Jahren ebenfalls eine wichtige und relativ Jahren ebenfalls eine wichtige und erfolgreiche Umstrukturierung der Indus- relativ erfolgreiche Umstrukturierung Hinweise über die regionalen Branchen- trielandschaft. Neben den traditionellen der Industrielandschaft. schwerpunkte lassen sich aus der Verteilung Industriebereichen wie Maschinenbau, der Beschäftigung über die verschiedenen Nahrungsmittelindustrie, Glas- und Kera- • Hohe Exportorientierung und grenz- Branchen gewinnen. Die wichtigsten Bran- mikindustrie finden nun auch Automobil- überschreitende Investitionen belegen: chen im Raum Oberpfalz / Kelheim sind die industrie, Elektroindustrie und Kunststoff- Der Wirtschaftsraum Oberpfalz/ Herstellung von Geräten der Elektrizitätser- verarbeitende Industrie ihren Platz (die An- Kelheim – Westböhmen profitiert von zeugung, und –verteilung, gefolgt vom Ma- gaben in Abbildung 6 spiegeln diesen schinenbau und der Kfz-Herstellung, auf die Strukturwandel nur unvollständig wider, da den Auswirkungen der Osterweiterung aktuell fast ein Drittel der Umsätze entfal- hier nur Betriebe mit über 100 Beschäftig- der EU. len. Damit sind in der Oberpfalz Humanka- ten und Hauptsitz im Bezirk Pilsen erfasst pital-, Sach- und F&E-intensive Industrie- sind). Das Ergebnis der Umwandlung und zweige stark vertreten. Diese Stärken kamen Privatisierung der Wirtschaft in der Region Das Verarbeitende Gewerbe nimmt beider- mit der Grenzöffnung und Osterweiterung ist die Entstehung einer relativ breiten und seits der Grenzen einen relativ hohen Stel- zum Tragen und haben seit Mitte der neun- sich dynamisch entwickelnden Basis klei- lenwert ein. Auf der bayerischen Seite wei- ziger Jahre weiter an Bedeutung gewonnen. ner und mittlerer Unternehmen. sen vor allem die Kreise der nördlichen Ober- Lohnkostensensible Industriezweige wie die pfalz (Tirschenreuth und Neustadt) aber Bereiche des Textil- und Bekleidungsgewer- auch die Stadt Amberg hohe Beschäfti- bes, des Holzgewerbes, der Herstellung von Exporte werden immer wichtiger gungsanteile auf. Im Bezirk Pilsen spielt das Keramikwaren und Metallerzeugnissen so- Verarbeitende Gewerbe eine noch wichtigere wie des Sektors Steine und Erden werden Der Außenhandel Bayerns hat sich seit der Rolle. Seit der Grenzöffnung hat das Verar- dagegen Anpassungsprobleme haben. Diese Grenzöffnung von 1990 bis 2008 verdrei- beitende Gewerbe eine besonders dynami- Bereiche haben seit den neunziger Jahren facht. 1990 lag der Wert der Importe und sche Wachstumsentwicklung zu verzeich- bereits an Gewicht verloren. Vor allem der Exporte insgesamt bei 94,0 Mrd. €, wäh- nen. So konnten die Betriebe des Verarbei- Bereich Glasgewerbe, Keramik und Verarbei- rend 2008 Waren im Wert von 285,6 Mrd. € tenden Gewerbes im IHK-Bezirk ihre Umsät- tung von Steinen und Erden hat einen tief aus- und eingeführt wurden. Diese dynami- ze im Zeitraum von 1995 bis 2008 um 121,8 greifenden Strukturwandel, verbunden mit sche Entwicklung des bayerischen Außen- Prozent steigern. Die Steigerungsrate lag da- erheblichen Arbeitsplatzverlusten vollzogen. handels wurde auch von dem Austausch mit mit deutlich über dem bayerischen Durch- Ein Teil dieser Produktion wurde bereits in dem Nachbarn Tschechien gespeist. Wie in schnitt (+83,2 Prozent). die Tschechische Republik oder nach Asien verschiedenen Studien prognostiziert, hat Tabelle 4 Oberpfalz / Kelheim: Verarbeitendes Gewerbe 1995/2008 Gesamtumsatz (Mio. €) Veränderung Anteil Auslandsumsatz (in %) 1995 2008 1995-2008 (in %) 1995 2008 Oberpfalz / Kelheim 15,135 33,564 121,8 30,0 48,0 Bayern 181,964 333,417 83,2 32,9 47,9 Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung; Eigene Berechnungen. 17
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