Zwanzig Jahre Grenzöffnung - Fünf Jahre EU-Osterweiterung - Analysen und Perspektiven für den Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim und Westböhmen ...

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Zwanzig Jahre Grenzöffnung - Fünf Jahre EU-Osterweiterung - Analysen und Perspektiven für den Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim und Westböhmen ...
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Standortpolitik | Oktober 2009

Zwanzig Jahre Grenzöffnung –
Fünf Jahre EU-Osterweiterung
Analysen und Perspektiven für den
Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim und
Westböhmen im europäischen Kontext
Zwanzig Jahre Grenzöffnung - Fünf Jahre EU-Osterweiterung - Analysen und Perspektiven für den Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim und Westböhmen ...
Impressum

Herausgeber:
IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim
D.-Martin-Luther-Str. 12
93047 Regensburg
Telefon (0941) 5694-0
Telefax (0941) 5694-279
www.ihk-regensburg.de

Inhalte:
Studie „Zwanzig Jahre Grenzöffnung –
Fünf Jahre EU–Osterweiterung“
Analysen und Perspektiven für den Wirt-
schaftsraum Oberpfalz / Kelheim und
Westböhmen im europäischem Kontext

Autoren:
Prof. Dr. Jürgen Jerger
Dr. Michael Knogler
Osteuropa – Institut
Im Wissenschaftszentrum
Ost- und Südosteuropa Regensburg
Landshuter Straße 4
93047 Regensburg

                                            Vorbemerkung
Satz:
grafica, Astrid Riege                       Diese von der IHK Regensburg für Ober-
riege@grafica-design.de                     pfalz / Kelheim in Auftrag gegebene und
www.grafica-design.de                       teilweise durch Ziel3-Mittel des Projektes
                                            „Wir sind Europa“ finanzierte Studie be-
Bildnachweis:                               trachtet die Entwicklung und Perspektiven
altrofoto.de (S. 4), Frank Amberger         des Wirtschaftsraums, der den Tätigkeits-
(S. 10, 31), Markus Huber (S. 13, 25, 27)   bereich der IHK Oberpfalz / Kelheim und
                                            den benachbarten Bezirk Pilsen umfasst. Im
Druck:                                      folgenden Text werden aus sprachlichen
SPINTLER Druck und Verlag GmbH              oder inhaltlichen Gründen manchmal auch
Hochstraße 21                               weiter gehende Regionalbezeichnungen
92637 Weiden i. d. OPf.                     wie West-, Südwestböhmen oder Ostbay-
                                            ern verwendet, wobei aber die oben ge-
Die Studie wurde im Oktober 2009            nannte engere Untersuchungsregion wei-
redaktionell abgeschlossen.                 terhin im Vordergrund steht.
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Standortpolitik

Zukunft Europa
                                                                                                                  3

Mit der Öffnung des „Eisernen Vorhanges“ vor zwanzig     schaftlichen Bereich. Profitiert haben die grenznahen
Jahren fand die Aufteilung der Welt in Ost und West      Regionen beidseits der Grenze. Indikatoren für positi-
als Ergebnis des II. Weltkrieges ein Ende. Die Grenzen   ve Veränderungen lassen sich aus Arbeitsmarkt- und
wurden durchlässig. Der Austausch von Gütern und         Wirtschaftsdaten ablesen.
Dienstleistungen sowie von Meinungen und Ideen
wurde wieder möglich. Die Menschen konnten wieder        Die Region ist auf dem richtigen Weg, aber noch nicht
zusammen kommen. Die Verhältnisse an den Grenzen         am Ziel. Es muss gelingen, aus der Summe vielfältiger
normalisierten sich. Aus feindlichem Gegenüber wurde     grenzübergreifender Initiativen und Netzwerke einen
friedliche Nachbarschaft. Die Aufnahme Osteuropas in     europäischen Lebens- und Wirtschaftsraum zu ent-
die Europäische Union war ein weiterer konsequenter      wickeln und nach außen darzustellen. Die IHK Regens-
Schritt in Richtung Neuordnung der geopolitischen        burg für Oberpfalz / Kelheim und die Bezirkswirt-
Landschaft nach Auflösung der politisch bedingten        schaftskammer Pilsen leisten mit dem Projekt „Wir
Blockbildung aus der Nachkriegszeit.                     sind Europa“ (http://www.wir-sind-europa.com) ihren
                                                         Beitrag, Projekte zu generieren, die die Idee des ge-
Für die Grenzregion Oberpfalz / Kelheim änderten sich    meinsamen Wirtschaftsraums im Zentrum Europas
damit über Nacht die Standortbedingungen. Das            stärken und ausbauen. Nur in Europa hat die Region
Schlagwort „Vom Rand zur Mitte“ brachte die wesent-      eine erfolgreiche Zukunft.
liche Veränderung auf den Punkt. Man war plötzlich
Drehscheibe zwischen den florierenden Märkten im         Wir danken Prof. Dr. Jürgen Jerger und Dr. Michael
Westen und den aufnahmefähigen Absatz- und gün-          Knogler vom Osteuropa-Institut in Regensburg für die
stigen Beschaffungsmärkten im Osten geworden. Es         Erstellung der vorliegenden Studie. Der Europäischen
taten sich bis dahin undenkbare Entwicklungsmög-         Union und dem Freistaat Bayern gilt unser Dank für
lichkeiten auf, die Chancen boten, aber auch Risiken     die großzügige Förderung dieses Projektes.
bargen.

Im November 2009 jährt sich die Grenzöffnung zum         Regensburg, im Januar 2010
zwanzigsten Mal. Zeit für eine Analyse der bisherigen
Entwicklung und einem perspektivischen Ausblick. Im
Auftrag der IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim
kommt das Osteuropa-Institut in der vorliegenden
Studie zu einem positivem Ergebnis. Die Grenzöffnung
war Auslöser für zahlreiche grenzübergreifende Aktivi-   Dr. Jürgen Helmes
täten im wirtschaftlichen, kulturellen und gesell-       Hauptgeschäftsführer

                                                                                                             3
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Zwanzig Jahre Grenzöffnung – Fünf Jahre EU-Osterweiterung

Am 23. Dezember 1989 durchschnitten
Hans Dietrich Genscher und Jiří Dienstbier
bei Furth in Wald den Eisernen Vorhang.
Sechs Wochen nach dem Fall der Berliner
Mauer fiel in Osteuropa die unmenschliche
Grenze zur damaligen Tschechoslowakei.
20 Jahre später vergewisserten sich die Ak-
teure eines gemeinsamen Wirtschafts-
raums Ostbayern/Westböhmen der Bedeu-
tung dieses historischen Ereignisses. Pro-
minenter Gast war der Architekt der Wen-
de, Hans Dietrich Genscher.

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Zwanzig Jahre Grenzöffnung - Fünf Jahre EU-Osterweiterung - Analysen und Perspektiven für den Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim und Westböhmen ...
Standortpolitik

Zusammenfassung                               Die zunehmende grenzübergreifende Inter-          • Die Wissenschafts- und Forschungs-
                                              aktion führt bereits heute zu verstärkten           landschaft ist in der Region Oberpfalz /
Der Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim –     gemeinsamen Erfahrungen, die sich mei-              Kelheim – Westböhmen gut ausgebaut
Westböhmen ist durch die Grenzöffnung         nungsbildend auswirken und damit den                und eng miteinander verknüpft. Zahl-
und den EU-Beitritt der mittel- und osteu-    Weg zu engeren menschlichen, wirtschaft-            reiche Netzwerkorganisationen schaf-
ropäischen Länder von einer Randlage ins      lichen und kulturellen Beziehungen zwi-             fen Verbindungen zwischen der Wis-
Zentrum Europas gerückt. Von den Verän-       schen den Regionen ebnen.                           senschafts- und Forschungsinfrastruk-
derungen eines zusammenwachsenden                                                                 tur und den Unternehmen sowie zwi-
Europas waren die Grenzregionen entlang       Die wirtschaftliche Entwicklung im Raum             schen den Unternehmen selbst.
der Ostgrenze zunächst besonders betrof-      Oberpfalz / Kelheim – Kreis Pilsen ist seit       • Eine Unternehmensumfrage zeigt, dass
fen. Bis 1990 an einer fast hermetisch ab-    der Grenzöffnung und nach dem EU-Bei-               es mit der EU-Erweiterung zu einem er-
geriegelten Grenze gelegen, mit be-           tritt Tschechiens sehr positiv verlaufen:           neuten Schub in den Geschäftsbezie-
schränktem grenzüberschreitendem Han-         • Charakteristisch ist eine dynamische              hungen kam. Die Unternehmen nutzen
del und kommunalen Kontakten versehen,             Wachstumsentwicklung sowohl im                 die Markt- und Kooperationspotenziale
schlecht angebunden an die Fernverkehrs-           Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim            der neuen Mitgliedstaaten, wobei
netze, befanden sich diese Regionen in ei-         und – im Zuge des aufholenden Wachs-           Tschechien für Ostbayern ein bevorzug-
ner peripheren Lage. Hier war der Wandel           tums – noch ausgeprägter im Kreis Pil-         ter Partner ist.
nach dem Fall des Eisernen Vorhangs spür-          sen. Dies gilt vor allem für das verarbei-   • Ein von der EU-Kommission entwickel-
barer und schneller als in grenzferneren           tende Gewerbe, wozu auch die hohe              tes Innovationsranking zeigt die Region
Gebieten. War früher der Blick der Ober-           Exportorientierung beiträgt.                   Oberpfalz / Kelheim – südwestliches
pfalz notgedrungen allein nach Westen ge-     • Der schon in der Nachkriegszeit einset-           Böhmen im europäischen Vergleich gut
richtet, so wird dieser nun durch eine Ost-        zende Strukturwandel hat sich in der           positioniert. Herangezogen wurden da-
orientierung ergänzt, so dass sich die Per-        gesamten Region Oberpfalz – West-              für u.a. Indikatoren zur Beschäftigung
spektive einer grenzüberschreitenden Re-           böhmen seit der Grenzöffnung fortge-           in Mittel- und Hochtechnologiebe-
gion auftut.                                       setzt. Unterentwickelt sowohl im Raum          reichen des Verarbeitenden Gewerbes
                                                   Oberpfalz / Kelheim, aber noch stärker         und im Dienstleistungssektor, zur Höhe
Entsprechend gab und gibt es noch Be-              in Westböhmen ist der Dienstleistungs-         der öffentlichen und privaten Ausgaben
fürchtungen, etwa dass der steigende               sektor, der sich seit 2000 jedoch am dy-       für Forschung & Entwicklung sowie zur
Wettbewerbsdruck in der erweiterten Uni-           namischsten entwickelte.                       Innovationsfähigkeit (Patentanmeldun-
on zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit      • Die Grenzöffnung und der Ausbau der               gen).
führen könnte. Solche Ängste sind auch 20          grenzüberschreitenden Zusammenar-
Jahre nach der Öffnung weder in West,              beit haben einen wichtigen Impuls für        Die beiden Teilräume Oberpfalz / Kelheim
noch in Ost völlig verstummt; doch sie sind        die Entwicklung des Tourismus gegeben.       und der Kreis Pilsen bilden zusammenge-
bereits deutlich leiser geworden. Die Ent-    • Die Einkommenssituation hat sich seit           nommen aufgrund ihres wirtschaftlichen
wicklung hat gezeigt, dass diese Sorgen            der Grenzöffnung diesseits und jenseits      Potenzials eine regionale Größe von euro-
weitgehend unbegründet waren. Verände-             der Grenze sehr positiv entwickelt. Der      päischem Format. Eine Region dieser Grö-
rungen gab es; aber eben verbunden mit             Einkommensabstand Westböhmens hat            ßenordnung im Zentrum Europas wird
Wachstum. Beflügelt durch die neuen Ab-            sich seit 1995 deutlich verringert.          wahrgenommen. Sie ist interessant für
satzmärkte entstanden neue Firmen und         • Die häufig prognostizierten negativen           wirtschaftliche Aktivitäten, öffentliche In-
neue Produkte. Die Infrastruktur in den            Auswirkungen auf den Arbeitsmärkten          vestitionen, qualifizierte Arbeitnehmer,
grenznahen Räumen entwickelte sich                 sind nicht eingetreten. Die dynamische       Wissenschaftler und Forschungseinrich-
schnell, muss aber weiter ausgebaut wer-           Wirtschaftsentwicklung in der gesam-         tungen. Sie verfügt aber nicht nur über
den.                                               ten Region hat sich mit niedrigen Ar-        wirtschaftliche Potenziale, sondern weit
                                                   beitslosenquoten vielmehr positiv auf        darüber hinaus über Vorzüge, die sie im
Die Regionen Oberpfalz / Kelheim und               dem Arbeitsmarkt niedergeschlagen.           Vergleich europäischer Regionen einzigar-
Westböhmen sind nun auf dem Weg zu ei-             Die Beschränkungen der Arbeitnehmer-         tig macht. Chancen und Potenziale in die-
nem gemeinsamen Erfahrungsraum, in                 freizügigkeit erweisen sich eher als         sem Wettbewerb der Regionen lassen sich
dem der konkrete Nutzen der Zusammen-              Hemmnis für die grenznahen Regionen.         nur gemeinsam mit den Nachbarregionen
arbeit für die Bevölkerung erlebbar wird.          Zudem wird damit ein negatives politi-       nutzen, da die regional erfolgreiche Koope-
Das grenzregionale Geschichtsbewusstsein           sches Signal in Richtung Tschechien be-      ration immer mehr zum Standortfaktor in
wird erweitert durch die Zukunftsperspek-          züglich eines weiteren grenzüberschrei-      der Konkurrenz um Märkte und Entwick-
tiven einer grenzüberschreitenden Region.          tenden Zusammenwachsens gesetzt.             lungspotenziale wird.

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Zwanzig Jahre Grenzöffnung - Fünf Jahre EU-Osterweiterung - Analysen und Perspektiven für den Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim und Westböhmen ...
Zwanzig Jahre Grenzöffnung – Fünf Jahre EU-Osterweiterung

      Inhaltsverzeichnis

     A.      Ostbayern – Böhmen: Von der Grenzlage zur Region in der Mitte Europas . . . . . . . . . . . . . . . 8
                     Besonderheiten der Grenzlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
                     Region in der Mitte Europas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

     B.      EU-Osterweiterung: Freizügigkeit für Menschen, Güter, Dienste und Kapital . . . . . . . . . . . . 10

     C.      Die grenzüberschreitende Region aus der Sicht ihrer Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
                     Kultur: trennend und verbindend zugleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
                     Auf dem Wege zu einer böhmisch-bayerischen Identität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

     D.      Wirtschaftsentwicklung seit der Grenzöffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
     D.1     Demographie und gesamtwirtschaftliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
     D.2     Dynamischer Strukturwandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
                     Strukturwandel in der Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
                     Hoher Stellenwert des Verarbeitenden Gewerbes im gesamten Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
                     Veränderung der Branchenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
                     Exporte werden immer wichtiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
                     Bauhauptgewerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
                     Rückstand bei den Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
                     Hohes Tourismuspotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
     D.3     Einkommen und Arbeitsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
                     Einkommen seit der Grenzöffnung gestiegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
                     Positive Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
     D.4     Wissenschaft und Forschung, Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
                     Hervorragende Wissenschafts- und Forschungsinfrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
                     Cluster und Vernetzung sichern positive Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

     E. Verkehrsinfrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

     F. Fünf Jahre EU-Osterweiterung: Unternehmensumfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
                     Exporte stehen im Vordergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
                     EU-Erweiterung erleichtert die Geschäftskontakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
                     Der Wettbewerbsdruck nimmt zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
                     Probleme bei der Markterschließung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

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Zwanzig Jahre Grenzöffnung - Fünf Jahre EU-Osterweiterung - Analysen und Perspektiven für den Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim und Westböhmen ...
Standortpolitik

G. Perspektive Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
                Oberpfalz/Böhmen gut positioniert im Wettbewerb der Regionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
                Auf dem Weg zur Europaregion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: Region Oberpfalz / Kelheim – Bezirk Pilsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Abbildung 2: Sprachkenntnisse Deutschland-Tschechien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Abbildung 3: Oberpfalz / Kelheim – Pilsen: Wirtschaftswachstum 1990-2006, in Prozent . . . . . . . . . . 15
Abbildung 4: Bruttowertschöpfung nach Sektoren 2005, in Prozent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Abbildung 5: Oberpfalz / Kelheim – Pilsen:
                     Erwerbstätige nach Wirtschaftsbereichen 2007, in Prozent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Abbildung 6: Oberpfalz – Pilsen: Branchenstruktur des Verarbeitenden Gewerbes,
                     Anteil an Gesamtbeschäftigung in Prozent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Abbildung 7: Außenhandel Bayern – Tschechien 1997-2008, in Mio. € . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Abbildung 8: Tochterunternehmen und Jointventures (JV) ostbayerischer Unternehmen
                     in Tschechien (Bereich Elektronik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Abbildung 9: Verfügbares Einkommen in Südwest-Böhmen 1995-2005,
                     in Prozent des verfügbaren Einkommens der Oberpfalz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Abbildung 10: Arbeitslosenquote 1998-2008, in Prozent aller zivilen Erwerbspersonen . . . . . . . . . . . . . 22
Abbildung 11: Grenzpendler von Tschechien in die Oberpfalz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Abbildung 12: Zuzüge aus Tschechien nach Regierungsbezirken, 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Abbildung 13: Wirtschafts- und Wissensraum Ostbayern und Westböhmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Abbildung 14: Verkehrsentwicklung Grenzübergänge Oberpfalz 1997-2007, Veränderung in Prozent . . 26
Abbildung 15: Bisherige/geplante Geschäftsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Abbildung 16: Vorteile der EU-Erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Abbildung 17: Nachteile der EU-Erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Abbildung 18: Gibt es noch Hemmnisse für Geschäfte mit Osteuropa? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Abbildung 19: Regionale Innovationsstärke Oberpfalz – Böhmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

Tabellenverzeichnis:
Tabelle 1:           Oberpfalz / Kelheim – Bezirk Pilsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Tabelle 2:           Auswirkungen der Grenzöffnung im Urteil der Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11
Tabelle 3:           Bevölkerungsindikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Tabelle 4:           Oberpfalz / Kelheim: Verarbeitendes Gewerbe 1995/2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17
Tabelle 5:           Oberpfalz / Kelheim – Westböhmen: Tourismus 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Tabelle 6:           Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte je Einwohner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Tabelle 7:           Oberpfalz / Kelheim: Erfolgsfaktoren regionaler Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

                                                                                                                                                         7
Zwanzig Jahre Grenzöffnung - Fünf Jahre EU-Osterweiterung - Analysen und Perspektiven für den Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim und Westböhmen ...
Zwanzig Jahre Grenzöffnung – Fünf Jahre EU-Osterweiterung

A. Ostbayern – Böhmen:
Von der Grenzlage zur Region in der Mitte Europas

                                                                                               Jahren zeigt, dass der Wirtschaftsraum
    • Das Ende der Teilung Europas markiert auch das Ende schwieriger Jahrzehnte
                                                                                               Oberpfalz / Kelheim, insbesondere seine
     für beide Regionen an der bayerischen Grenze.                                             grenznahen Gebiete, in vielerlei Hinsicht zu-
    • Eine grenzübergreifende Region mit diesen Produktions-, Absatz- und Forschungs-          nächst hinter der bayerischen Entwicklung
      potenzialen in der Mitte Europas wird wahrgenommen.                                      hinterherhinkte. Die Bevölkerungsentwick-
                                                                                               lung verzeichnete in der Oberfalz nur eine
                                                                                               leichte Zunahme von 0,6 Prozent (1970 bis
Als am 23. Dezember 1989 die Außenmini-              durch den Böhmerwald geprägt. Der         1987) gegenüber einem deutlich höheren
ster Jiří Dienstbier und Hans-Dietrich Gen-         dominierende Mittelgebirgscharakter       Zuwachs in Bayern insgesamt (+4 Prozent).
scher bei Waidhaus den Grenzzaun zwi-                in Verbindung mit der Grenzlage im        Dies ist vor allem auf die erhebliche Bevöl-
schen der Tschechoslowakei und Deutsch-              kalten Krieg begünstigte eine verlang-    kerungsabnahme aufgrund von Abwande-
land durchschnitten, beendete dies auch              samte Entwicklung der Grenzregion.        rungen aus den Landkreisen Tirschenreuth
die Jahrzehnte andauernde Randlage der         •     Im Gegensatz zu anderen Grenz-            und Schwandorf zurückzuführen.
Oberpfalz am Eisernen Vorhang. Die Öff-              regionen wurden die wirtschaftlichen
nung der Grenzen des früheren Ostblocks              Verflechtungen lange Zeit durch den       Auch die Wirtschaftsdynamik war in der
wurde als welthistorisches Ereignis von              Eisernen Vorhang unterbrochen und         Oberpfalz seit den 70er Jahren deutlich
den Staaten Europas begrüßt. Der Weg zu              mussten neu aufgebaut werden.             schwächer ausgeprägt als in Bayern insge-
Integration und einem friedlichen Mitein-      •     Die Teilung in zwei wirtschaftliche       samt. Die Entwicklung der Erwerbstätigkeit
ander war eröffnet. Ein weiterer Meilen-             Blöcke führte zu einer Ausrichtung der    blieb mit einem Zuwachs von 2,5 Prozent
stein in dieser Entwicklung war schließlich          Infrastruktur und Verkehrswege auf das    (1970-1987) zunächst hinter Bayern (4,1
die EU-Osterweiterung zum 1. Mai 2004.               jeweilig eigene Land.                     Prozent) zurück (hier wiederum stärker in
                                               •     Das Grenzgebiet war für Investitionen     den nördlichen grenznahen Landkreisen),
Von den Veränderungen eines zusammen-                nicht attraktiv. Neben der verkehrsun-    wesentlich bedingt durch die rückläufige
wachsenden Europas waren in den Augen                günstigen Lage trugen dazu auch das       Bevölkerungsentwicklung.
vieler Beobachter vor allem die Grenzre-             Image der „verlängerten Werkbänke“
gionen entlang der Ostgrenze besonders               sowie ein hoher Anteil der traditionel-   Deutliche Unterschiede zeigen sich auch in
betroffen. Die Hoffnungen und Ängste in              len Industriebranchen und der Land-       der Beschäftigtenstruktur. Obwohl sich der
diesen Regionen waren nicht prinzipiell              wirtschaft an der Wertschöpfung bei.      Strukturwandel auch im Raum Oberpfalz /
andere, doch waren sie mehr zugespitzt,        •     Innovative Wirtschaftszweige waren        Kelheim hin zum Dienstleistungsbereich
akuter, da hier stärkere Anpassungen als in          zunächst in den Grenzregionen kaum        vollzog, zeigte sich allerdings eine von Bay-
grenzfernen Regionen vermutet wurden.                vertreten.                                ern leicht abweichende Entwicklung. Zwar
                                               •     Die lange Trennung durch den Eisernen     war auch im primären Sektor der Oberpfalz
                                                     Vorhang war für den Netzwerkaufbau        seit 1970 der größte Verlust an Erwerbstä-
Besonderheiten der Grenzlage                         sowohl im wirtschaftlichen Bereich, als   tigen zu verzeichnen (-63,6 Prozent), je-
                                                     auch im sozialen und persönlichen Be-     doch waren 1987 auch im Sekundären Sek-
Dies ergibt sich aus den Besonderheiten              reich hinderlich. In den langen Jahren    tor in der Oberpfalz 1,5 Prozent weniger
der Grenzlage, die durch folgende Punkte             der völligen Abschottung beider Länder    Menschen beschäftigt als noch 1970. Dies
charakterisiert werden können:                       konnten ehemalige Kontakte nicht wei-     ist nicht zuletzt auf den Abbau von Be-
• Topographisch gesehen sind die direkt              ter gepflegt werden.                      schäftigten in den vor allem in der nörd-
   beiderseits der Landesgrenze liegenden                                                      lichen Oberpfalz traditionell stark vertrete-
   Kreise durch den Oberpfälzer und            Ein Blick auf die Entwicklung wichtiger so-     nen Branchen wie etwa der Glas- oder Por-
   Bayerwald, auf tschechischer Seite          zioökonomischer Indikatoren seit den 70er       zellanindustrie zurückzuführen.

8
Zwanzig Jahre Grenzöffnung - Fünf Jahre EU-Osterweiterung - Analysen und Perspektiven für den Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim und Westböhmen ...
Standortpolitik

Auch die Entwicklung der Arbeitslosen-                  Abbildung 1: Region Oberpfalz / Kelheim – Bezirk Pilsen
quoten zeigt das Zurückbleiben der wirt-
schaftlichen Dynamik in der Oberpfalz. Sie
nahm zwar einen gleichartigen Entwick-
lungsverlauf wie in Bayern insgesamt, je-
doch lag die Arbeitslosigkeit in der Ober-
pfalz bis 1982 um ca. 2-3 Prozent höher
als im gesamtbayerischen Durchschnitt.
Seit 1983 wies die Oberpfalz gar ein um ca.
5 Prozentpunkte höheres Niveau der Ar-
beitslosigkeit auf. Innerhalb der Oberpfalz
war es vor allem der Arbeitsamtbezirk
Schwandorf, der seit Mitte der 70er Jahre
die bayerische Arbeitslosenquote um etwa
das Doppelte übertraf.                                                                                                        Quelle: IHK Regensburg
                                                                                                                              für Oberpfalz / Kelheim
Insgesamt war die wirtschaftliche Leis-
tungsfähigkeit in der Oberpfalz bis Mitte                                                              wegen der fortgesetzten Konzentration der
der neunziger Jahre im bayernweiten Ver-                                                               Bevölkerung in der Stadt Pilsen. Erst im Zu-
gleich eher unterdurchschnittlich, wobei                                                               sammenhang mit den gesellschaftlichen und
die östlichen Regionen in unmittelbarer                                                                wirtschaftlichen Veränderungen in der Tsche-
Nähe zur tschechischen Grenze die niedrig-              prägt, der seit langem die besten Entwick-     chischen Republik nach 1989 begann mit der
sten Produktivitäten aufweisen. Zwar wies               lungsbedingungen aufwies. Auf den Abbau        Öffnung der Grenzen eine wirkliche Stabil-
auch die Oberpfalz eine Verbesserung ihrer              von Braunkohle und dem Eisenhüttenwesen        isierung und Entwicklung der Grenzgebiete.
Wohlfahrtsposition auf, die Zunahme ist je-             gründete die Entwicklung der Verarbeiten-
doch in den wirtschaftlichen Zentren Bay-               den Industrie mit einem Schwerpunkt auf
erns stärker als in den peripheren Gebieten.            dem Maschinenbau. Die starke Konzentra-        Region in der Mitte Europas
Eine Untersuchung des ifo-Instituts zur                 tion der Industrie und der Bevölkerung in
Entwicklung der bayerischen Regionen                    der Stadt hatte auch einen wesentlichen        Mit der Öffnung der Grenzen und der EU-
kommt zum Ergebnis, dass im Zeitraum von                Einfluss auf die weniger schnelle Entwick-     Erweiterung eröffnet sich nun die Chance
1980 bis 1996 kein wirtschaftlicher Aufhol-             lung der Umgebung. So konnten die großen       auf die Herausbildung eines vernetzten eu-
prozess der weniger leistungsfähigen Re-                Unterschiede zwischen dem Pilsener Bal-        ropäischen Wirtschafts-, Lebens- und Ar-
gionen festgestellt werden kann. Die Studie             lungsgebiet und dessen ländlichem Hinter-      beitsraumes. Die Teilräume Oberpfalz / Kel-
zeigt, dass innerhalb der Oberpfalz die                 land (v. a. der Grenzgebiete der Okres/Land-   heim und Niederbayern auf bayerischer
westlichen Kreise aufholen konnten, der                 kreise Tachau/Tachov, Taus/Domažlice und      Seite und Böhmen auf tschechischer Seite
östliche Teil der Oberpfalz aber hinter die-            Klattau/Klatovy) während der Nachkriegs-       bilden zusammengenommen von ihrem
sen Entwicklungen zurückblieb.                          zeit nicht beseitigt werden. Neben der Ver-    wirtschaftlichen Potenzial her eine regio-
                                                        treibung der deutschen Bevölkerung verlo-      nale Größe von europäischem Format. Er-
Auf der anderen Seite der Grenze wurde                  ren die Landkreise des Bezirkes Pilsen in      weitert um das angrenzende Oberöster-
Westböhmen durch den Raum Pilsen ge-                    den Grenzgebieten viele Einwohner, auch        reich ergibt sich eine junge, wachstums-
                                                                                                       starke Region, deren wirtschaftliches Po-
Tabelle 1                                                                                              tenzial deutlich höher ist als beispielswei-
                                                                                                       se dasjenige der drei baltischen Länder
   Oberpfalz / Kelheim – Bezirk Pilsen                                                                 (Estland, Lettland, Litauen) zusammen. Ei-
                                                                                                       ne Region dieser Größenordnung in der
                                         Oberpfalz / Kelheim                         Bezirk Pilsen     Mitte Europas wird wahrgenommen, wenn
   Einwohner 31.12.2007                          1.199.772                               561.074       es gelingt die grenzübergreifenden Ent-
   Fläche in km2                                     10.757                                 7.561      wicklungspotenziale zu entfalten. Sie ist
   Bevölkerungsdichte (Einw. je km )
                                  2
                                                       111,5                                 74,2      interessant für wirtschaftliche Aktivitäten,
   Bevölkerungswachstum 1997-2007 in Prozent             2,1                                   1,3     öffentliche Investitionen, qualifizierte Ar-
                                                                                                       beitnehmer, für Wissenschaftler und For-
Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung; Tschechisches Amt für Statistik.    schungseinrichtungen.

                                                                                                                                                    9
Zwanzig Jahre Grenzöffnung - Fünf Jahre EU-Osterweiterung - Analysen und Perspektiven für den Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim und Westböhmen ...
Zwanzig Jahre Grenzöffnung – Fünf Jahre EU-Osterweiterung

B. EU-Osterweiterung:
Freizügigkeit für Menschen, Güter, Dienste
und Kapital

                                                                                                   Schon 1997 begannen die Verhandlungen
  • Die EU hat auf die Grenzöffnung mit Integrationskurs reagiert.
                                                                                                   mit der Tschechischen Republik über einen
  • Für die neuen EU-Mitglieder gelten nunmehr auch die vier Freiheiten für Waren,                 Beitritt zur Europäischen Union, die mit
     Dienstleistungen, Arbeitskräfte und Kapital, welche die Grundlage des Europäischen            dem EU-Beitritt am 1. Mai 2004 erfolg-
     Binnenmarktes bilden.                                                                         reich abgeschlossen wurden. Damit war für
                                                                                                   Tschechien der Weg zum gemeinsamen
                                                                                                   Markt frei. Fast alle Handelsbeschränkun-
„…we have been dreaming for years and de-          Tschechoslowakei in Kraft. Die Europa-          gen zwischen den Ländern waren abge-
cades about being part of the European             Abkommen waren bilaterale Abkommen              baut. Als Mitglied des gemeinsamen Mark-
open society.“                                     zwischen der EU und den Ländern Mittel-         tes fielen die Grenzkontrollen im Waren-
                             Václav Klaus, 2002.   und Osteuropas mit dem Ziel einer vollstän-     verkehr weg. Gegenüber den Drittstaaten
                                                   digen Liberalisierung des Handels mit In-       gelten für Tschechien wie für alle anderen
Die EU hat auf die Grenzöffnung schnell und        dustrieprodukten, d. h. der Abschaffung von     EU-Mitglieder dieselben Zollsätze. Mit dem
entschieden reagiert. Man wollte die neuen         tarifären und nicht tarifären Handelshemm-      Beitritt musste Tschechien auch die recht-
Demokratien unmittelbar und effektiv wirt-         nissen. Agrarprodukte waren in diese Libe-      lichen Regelungen der EU übernehmen und
schaftlich unterstützen. Dies konnte am be-        ralisierung nur teilweise eingeschlossen. Die   sich verpflichten in mittlerer Frist Mitglied
sten erreicht werden, wenn es gelang, die          Abkommen sahen eine asymmetrische Re-           der Währungsunion zu werden.
Länder in die EU zu integrieren. Das Zusam-        duzierung der Zölle vor, was bedeutet, dass
menwachsen Europas sollte durch einen in-          die EU ihre Zölle schneller und in größeren     Für die neuen EU-Mitglieder galten nun-
tensiven Handel gestützt werden. Darum             Schritten senkte als die Länder Mittel- und     mehr auch die vier Freiheiten für Waren,
gehörte es zu einer der ersten Maßnahmen,          Osteuropas. Nach der Teilung der Tsche-         Dienstleistungen, Arbeitskräfte und Kapi-
dass die EU gegenüber den früheren Län-            choslowakei (1. Januar 1993) wurde das          tal, welche die Grundlage des Europäischen
dern des Ostblocks ihre Zollschranken deut-        Europaabkommen mit der Tschechischen            Binnenmarktes bilden. Jedoch wurden für
lich abbaute. Schon im Januar 1991 wurde           Republik und der Slowakei neu verhandelt        die Freizügigkeit der Arbeitnehmer Über-
Tschechien in das Generalised system of ta-        und jeweils am 1. Februar 1995 wirksam.         gangsregelungen erlaubt (siehe C.).
riff preferences (GSP) aufgenommen, wel-
ches einen bevorzugten Zugang zum EU-
Markt in Form von reduzierten Zöllen ge-
währt. Der GSP-Status gilt insbesondere für
Industrieprodukte. Die Vorzugstarife um-
fassten 63 Prozent aller Zollkategorien der
EU-Importe, wovon wiederum für 94 Pro-
zent ein Zollsatz von Null galt.

Doch der für Entwicklungsländer entwickel-
te GSP-Status war nur eine kurzfristige Not-
maßnahme. Tatsächlich sollten Länder wie
die Tschechoslowakei viel enger und dauer-
hafter eingebunden werden. Deshalb wurde
zügig damit begonnen, die umfassenderen
Europa-Abkommen zu verhandeln. Bereits
im März 1992 trat ein Abkommen mit der

10
Standortpolitik

C. Die grenzüberschreitende Region
aus der Sicht ihrer Bürger

                                                                                                          Kultur:
  • Zustimmung überwiegt: Öffnung ein Schritt zu mehr Freiheit und höherem
                                                                                                          trennend und verbindend zugleich
     Lebensstandard.
  • Oberpfalz und Westböhmen auf dem Weg zu einem gemeinsamen Erfahrungsraum,                             „Wenn ich das Ganze der europäischen Ei-
     in dem der konkrete Nutzen der Zusammenarbeit für die Bevölkerung erlebbar wird.                     nigung noch einmal zu machen hätte, wür-
                                                                                                          de ich nicht bei der Wirtschaft anfangen,
                                                                                                          sondern bei der Kultur.“
Der Fall des Eisernen Vorhangs war für die           dard geführt hat. Natürlich gab und gibt es                                           Jean Monnet
Bevölkerung beiderseits der Grenze ein               noch Befürchtungen, dass der steigende
einschneidendes Ereignis. Insbesondere die           Wettbewerbsdruck in der erweiterten Uni-             Es sind die sozialen Kontakte, die grenz-
Abkehr vom Ein-Parteien-Staat zu Demo-               on zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit             überschreitenden Informationen, die Bil-
kratie und persönlicher Freiheit wurde eu-           führen könnte. Solche Ängste sind auch 20            dung von Netzwerken, das Zusammenspiel
phorisch gefeiert. Vor allem die persönliche         Jahre nach der Öffnung weder in West,                regionaler Mentalitäten und der Aufbau ei-
Freiheit, wie sie sich u.a. in der Reisefrei-        noch in Ost völlig verstummt; doch sie sind          ner gemeinsamen Identität über die Berei-
heit zeigt, möchte niemand mehr missen.              bereits deutlich leiser geworden. Die Ent-           che Kultur, Bildung und Wissenschaft, Ju-
                                                     wicklung hat gezeigt, dass diese Sorgen              gendarbeit und Freizeitgestaltung hinweg,
Neben den vielen Hoffnungen gab es auch              weitgehend unbegründet waren. Verände-               die der Grenzregion ihre Kraft und Ausdau-
Befürchtungen und Ängste, die zumeist die            rungen gab es; aber eben verbunden mit               er und letztlich auch wirtschaftliche Stärke
wirtschaftliche Entwicklung betrafen.                Wachstum. Beflügelt durch die neuen Ab-              geben.
Doch heute, zwanzig Jahre später, herrscht           satzmärkte entstanden neue Firmen und
bei der großen Mehrheit der Bevölkerung              neue Produkte. Die Infrastruktur in den              In den Grenzräumen treffen unterschiedli-
zu beiden Seiten der Grenze Übereinstim-             grenznahen Räumen entwickelte sich                   che Kulturen unmittelbarer aufeinander als
mung, dass die Öffnung mehr Freiheit ge-             schnell, muss aber weiter ausgebaut wer-             anderswo. Doch langsam entwickelt sich
bracht und zu einem höheren Lebensstan-              den.                                                 auch ein eigenes Selbstverständnis der

Tabelle 2
   Auswirkungen der Grenzöffnung im Urteil der Bürger

                                                                                                     Zustimmung in Prozent der Befragten
   Die Veränderungen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 …                                   D         EU-15           CZ          EU-10
   … haben mehr Freiheit für jeden in Europa gebracht?                                            81         79             78           81
   … haben zum Verschwinden der Grenzen beigetragen und die freie
   … Bewegung von Personen in Europa erlaubt?                                                     87               85            90            90
   … haben zu Wachstum und Modernisierung in den EU-10 Ländern geführt?                           84               78            76            72
   … haben zu einem höheren Lebensstandard in EU-10 geführt?                                      66               67            70            62
   … haben zu Arbeitsplatzverlusten in meinem Land beigetragen?                                   59               55            58            58
   … haben die Sozialstandards in Europa insgesamt verringert?                                    38               39            43            38
   … haben Probleme wegen der Existenz zu unterschiedlicher Kulturen
   … und Werte geschaffen?                                                                        65               57            47            42

Quelle: European Commission, Views on European Union Enlargement, Flash Eurobarometer 257; Befragung im Februar 2009.

                                                                                                                                                  11
Zwanzig Jahre Grenzöffnung – Fünf Jahre EU-Osterweiterung

Abbildung 2: Sprachkenntnisse Deutschland-Tschechien                                                   Deutsch nach Englisch die zweithäufigste
                                                                                                       Fremdsprache in Tschechien. Bei der Be-
70%                                                                                                    rufsausbildung spielt das Deutsche im gan-
                                                                                                       zen Land sogar eine größere Rolle als das
60%                                                                                                    Englische. Auf bayerischer Seite ist die Be-
50%                                                                                                    deutung von Tschechisch im Schulunter-
                                                                                                       richt zwar noch gering, nimmt aber in den
40%                                                                                                    letzten Jahren zu. In nahezu allen Schular-
                                                                                                       ten wird die Sprache als Wahlfach angebo-
30%
                                                                                                       ten. Im Regierungsbezirk Oberpfalz wurde
20%                                                                                                    im letzten Schuljahr an 22 Schulen Tsche-
                                                                                                       chisch unterrichtet, überwiegend in den
10%
                                                                                                       Grund- und Hauptschulen, aber auch an
 0%                                                                                                    Gymnasien wie am Augustinus-Gymnasi-
            Kenntnisse der anderen Sprache                    Interesse an der anderen Sprache         um in Weiden und am Max-Reger-Gymna-
               in CZ               in D                           in CZ                in D            sium in Amberg. Zudem kann an der Uni-
                                                                                                       versität Regensburg (ebenso wie München)
Quelle: Schramek, Universität Jan Evangelista Purkyne.                                                 das Staatsexamen in Tschechisch abgelegt
                                                                                                       werden.

oberpfälzisch-böhmischen Verbundenheit,                  in den Grenzräumen gaben auf tschechi-        Erleichtert wird der Spracheinstieg durch
wie es im Sinnbild des nach Westen wie                   scher Seite mehr als 60 Prozent der Be-       die Sprachanimation, die vom Koordinie-
Osten blickenden „Doppelten Nepomuk“                     fragten an, über geringe Deutschkenntnis-     rungszentrum Deutsch-Tschechischer Ju-
von Schönsee symbolisiert wird. Dazu tra-                se zu verfügen, während der entsprechen-      gendaustausch Tandem durchgeführt wird,
gen auch die sich rasch entwickelnden kul-               de Wert auf bayerischer Seite bei knapp 7     und eine überaus positive Reaktion erfährt.
turellen Beziehungen bei. Fast die Hälfte                Prozent liegt. Zumindest das Interesse, die
der Städte und Gemeinden im tschechisch-                 Sprache des Nachbarn zu erlernen war et-
deutschen Grenzland hat Kontakte mit den                 was ausgewogener, wenn auch in Deutsch-
Nachbarn jenseits der Grenze. Die grenz-                 land deutlich weniger ausgeprägt.                   Ausgewählte Sprach-
übergreifenden Initiativen der Politik oder                                                                  und Kulturprogramme:
von privater Seite werden zumeist von ge-                Allerdings kann in den letzten Jahren ein
sellschaftlichen Führungskräften und re-                 spürbar wachsendes Interesse an tschechi-
                                                                                                         Deutsche Seite:
gionalen Eliten getragen. Die Bevölkerung                scher Sprachkompetenz in der Oberpfalz
ist durch Bürgerfeste und andere kulturel-               durch Wissenschaft und Bildung, Kultur-         • Sprachoffensive der Euregio Egrensis
le Veranstaltungen einbezogen. Neben der                 und Jugendarbeit festgestellt werden. Dies        Arbeitsgemeinschaft Bayern e.V.
kommunalen Ebene sind es zunehmend                       gilt auch für den Arbeits- und Ausbil-          • „Oberpfalz lernt Tschechisch“:
auch Vereine, besonders im Sportbereich,                 dungsstellenmarkt im gemeinsamen Wirt-
                                                                                                           Initiative des Regionalmarketings
die grenzüberschreitenden Kontakte pfle-                 schaftsraum. So wird etwa in den 2000
gen. Besonders die Kontakte von Jugendli-                deutschsprachigen, in Tschechien ansässi-         Oberpfalz e.V.
chen tragen den Keim für ein verständiges                gen Unternehmen, in den grenzüberschrei-
und fruchtbares Miteinander in sich.                     tenden oder in mit tschechischen Kunden         Tschechische Seite:
                                                         handelnden Unternehmen die Tendenz              • „gutentag.cz“: Veranstaltungen des
Für die Entwicklung der kulturellen Bezie-               spürbar, Mitarbeiter in leitenden Positio-
                                                                                                           Goethe-Instituts Prag und des DAAD
hungen aber auch der enger werdenden                     nen anzustellen, die auch über Tsche-
wirtschaftlichen Verflechtungen gewinnt                  chisch-Kenntnisse verfügen.                       zur deutschen Sprache
die Kompetenz in der Sprache der Nach-
barregion an Bedeutung. Im bayerisch-                    Im Schulunterricht ist auf tschechischer        Beiderseitig:
böhmischen Grenzraum ist auffällig, dass                 Seite das Unterrichtsfach Deutsch in den        • Tandem: Koordinierungszentrum
nach wie vor die deutsche Sprache bei den                Grund- und Hauptschulen in den Grenzre-
                                                                                                           Deutsch-Tschechischer Jugendaus-
Tschechen deutlich weiter verbreitet ist als             gionen zu Deutschland und Österreich
umgekehrt die tschechische Sprache in den                noch deutlich stärker vertreten als Eng-          tausch
bayerischen Regionen. Bei einer Umfrage                  lisch. Über alle Schultypen hinweg ist

12
Standortpolitik

Auf dem Wege zu einer                         Zwischen Böhmen und der Oberpfalz ver-        fahrungen aus welchen gemeinsame Ko-
böhmisch-bayerischen Identität?               läuft auch nach der Öffnung der Schlag-       operationsziele entstehen und sich auf
                                              bäume weiterhin eine Wohlfahrtsgrenze.        lange Sicht gesehen Identifikationsmög-
Ein grenzüberschreitendes Regionalver-        Laut einer Studie der Tschechischen Aka-      lichkeiten mit den Nachbarn ergeben kön-
ständnis im bayerisch-böhmischen Grenz-       demie der Wissenschaften aus dem Jahr         nen. Die Herausforderungen diesbezüglich
raum bedarf natürlich einer längeren Zeit     2005 sehen 67,6 Prozent der Bewohner des      sind vielfältig. Sie reichen von der Aufar-
als der bisher vergangenen 20 Jahre. Die      tschechischen Teils des Grenzgebietes im      beitung der historisch verursachten Ent-
Grenze bleibt wohl eine Trennlinie, doch      unterschiedlichen Lebensstandard diesseits    fremdung breiter Bevölkerungsteile, über
steht sie nicht mehr im Mittelpunkt der       und jenseits der Grenze das größte Hinder-    den Umweltschutz, bis hin zu beiderseiti-
Beziehungen. Die Bevölkerung nutzt den        nis bei der deutsch-tschechischen Zusam-      gen Bemühungen um eine Verbesserung
freien Grenzübertritt, wenn auch enge per-    menarbeit. Allerdings gibt es auch die ge-    der Infrastruktur.
sönliche Kontakte in der Masse noch be-       meinsame wirtschaftliche Erfahrung, Be-
schränkt sind. Auf beiden Seiten gibt es      wohner eines Randgebietes gewesen zu
keine ausgeprägten Vorurteile gegenüber       sein, welches durch einen im Vergleich zum
dem Nachbarn, die zumeist als fleißig cha-    jeweiligen Nationalstaat niedrigeren
rakterisiert werden. Natürlich bleiben noch   Wohlstand geprägt war. So kommt es
materielle Unterschiede und die unter-        durchaus auch auf dieser Ebene zu grenz-
schiedliche Sozialisation im Sozialismus-     überschreitenden Anknüpfungspunkten,
Kapitalismus, die eine gelebte Realität ei-   die aus der früheren Grenzlage resultieren.
nes verbindenden grenzübergreifenden Le-      Es sind diese, die Menschen beiderseits der
bensraums noch behindern.                     Grenze beschäftigenden Probleme und Er-

                                                                                                                                  Pilsen

                                                                                                                                   13
Zwanzig Jahre Grenzöffnung – Fünf Jahre EU-Osterweiterung

D. Wirtschaftsentwicklung seit der Grenzöffnung

Der Wirtschaftsraum Oberpfalz / Kelheim       Zum Stichtag 31.12.2007 lebten in der Re-      Westböhmen vermitteln die Angaben zum
ist durch die Grenzöffnung und zuletzt        gion 1,76 Mio. Menschen, davon 1,2 Mio.        Bruttoinlandsprodukt (BIP), dem wichtig-
durch den EU-Beitritt der mittel- und ost-    in Oberpfalz / Kelheim und 560.000 im Be-      sten Indikator der wirtschaftlichen Leis-
europäischen Länder von einer Randlage        zirk Pilsen. Gegenüber 1997 hat die Bevöl-     tungsfähigkeit. Gemessen an der durch-
ins Zentrum Europas gerückt. Dies gilt um-    kerung in der Oberpfalz um 2,4 Prozent zu-     schnittlichen Wirtschaftskraft der EU27-
gekehrt auch für Westböhmen, das auf der      genommen, wobei dieser Wert unter dem          Regionen ist die Region Oberpfalz / Kel-
tschechischen Seite aufgrund seiner geo-      bayerischen, aber über dem tschechischen       heim - Westböhmen gut positioniert. So
graphischen Lage schon seit jeher eine        Wert für den Bezirk Pilsen liegt. Das Bevöl-   erreicht die Oberpfalz 2006, umgerechnet
Brückenfunktion nach Westeuropa ein-          kerungswachstum von Oberpfalz / Kelheim        auf die Kaufkraftparität, beim BIP pro Ein-
nahm.                                         ist in diesem Zeitraum maßgeblich auf          wohner knapp 120 Prozent des EU-Durch-
                                              Wanderungsgewinne zurückzuführen, da           schnitts, während der Bezirk Pilsen nur 73
Wie hat sich die Wirtschaft in diesem         der natürliche Bevölkerungssaldo überwie-      Prozent erreicht (2000: 64,2 Prozent). Den-
Raum seitdem entwickelt? Konnte Ober-         gend negativ war. Allerdings mussten die       noch ist bei anhaltend großer Dynamik der
pfalz / Kelheim auf der einen Seite und       grenznahen Kreise, insbesondere in der         tschechischen Wirtschaft, die seit 2003
Westböhmen auf der anderen Seite von          nördlichen Oberpfalz, aufgrund von Ab-         durchschnittliche Wachstumsraten von
den Chancen der Öffnung und EU-Erweite-       wanderungen stärkere Einbußen hinneh-          mehr als 4 Prozent und in der Spitze fast 7
rung profitieren? Hat sich hier eine grenz-   men. Hier ist auch das Erwerbspersonenpo-      Prozent jährlich realisiert hat, eine weitere
übergreifende Region herausgebildet, die      tenzial (Bevölkerung im Alter 18-64 Jahre)     Angleichung in einigen Jahren denkbar. Die
im europäischen Standortwettbewerb der        aufgrund der Alterstruktur geringer als im     Unterschiede im Wirtschaftsniveau und in
Regionen mithalten kann? Oder überwie-        Durchschnitt der Oberpfalz. Dies spiegelt      der Entwicklungsdynamik zwischen den
gen in der Region die befürchteten Nach-      auch die ungünstigere Sektoral- und Bran-      tschechischen und dem bayerischen Teil
teile des zunehmenden Wettbewerbs-            chenstruktur der Wirtschaft bzw. die gerin-    setzen sich auf der Ebene der Kreise inner-
drucks aus den östlichen Nachbarländern       ge wirtschaftliche Dynamik in diesen Krei-     halb der Oberpfalz fort. Sie zeigen sich
und möglicher Betriebsverlagerungen in        sen wider (siehe Abschnitt D.2).               grundsätzlich zwischen den städtischen
die Länder mit niedrigem Lohnniveau?                                                         bzw. suburbanen und ländlichen Regionen
                                              In Deutschland wird für die Bevölkerung        aber auch zwischen den nördlichen und
                                              ein Rückgang um 0,5 Prozent prognosti-         südlichen Kreisen der Oberpfalz.
                                              ziert. Mit knapp einem Prozent Zuwachs
D.1 Demographie und                           durch Zuzüge gehört Bayern zu den wach-        Die wirtschaftliche Entwicklung in Bayern
gesamtwirtschaftliche                         senden Regionen. Im IHK-Bezirk wird die        ließ das BIP in den letzten 25 Jahren im
                                              Bevölkerung in den nächsten 20 Jahren ab-      Durchschnitt um mehr als 2 Prozent pro
Entwicklung                                   nehmen. Allerdings sind innerhalb der Re-      Jahr ansteigen. Doch erst im Vergleich zu
                                              gion die Entwicklungstendenzen sehr un-        Gesamtdeutschland wird die Dynamik der
                                              terschiedlich. Während die Bevölkerung in      bayerischen Entwicklung deutlich: Das BIP
  • Hohe Wachstumsdynamik beiderseits
                                              den Landkreisen Regensburg (+5,5 Prozent)      je Einwohner stieg in Bayern von 102 Pro-
     der Grenze.                              und Kelheim (+2,9 Prozent) deutlich zu-        zent des bundesdeutschen Durchschnitts
  • Gemessen an der durchschnittlichen        nehmen wird, hält in der nördlichen Ober-      1990 auf knapp 118 Prozent in 2006.
     Wirtschaftskraft der EU27-Regionen       pfalz der bestehende rückläufige Bevölke-
                                              rungstrend an.                                 Von dieser überdurchschnittlichen Ent-
     ist die Region Oberpfalz / Kelheim –
                                                                                             wicklung in Bayern konnte auch die Regi-
     Westböhmen gut positioniert.             Einen ersten Eindruck der Wirtschaftsent-      on Oberpfalz / Kelheim profitieren. Zwar
                                              wicklung im Raum Oberpfalz / Kelheim -         lag das BIP je Einwohner im Jahr 2006 mit

14
Standortpolitik

Tabelle 3
      Bevölkerungsindikatoren

                                    Bevölkerung                      Bevölkerungs-                         Anteil der                        Prognose
                                    31.12.2007                         wachstum                           Bevölkerung                      Bevölkerungs-
                                                                  1997/2007 in Prozent                18-64 Jahre in Prozent              entwicklung bis
                                                                                                                                          2028 in Prozent
      Oberpfalz / Kelheim            1.199.772                               2,4                              62,8                             -2,7
      Bezirk Pilsen                   561.074                                1,3                              71,0*                              ..
      Bayern                         12.520.332                              3,8                              62,9                              0,9

*15-64 Jahre.
Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung; Bevölkerungsvorausberechnung bis 2028, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung 2006.

Abbildung 3: Oberpfalz / Kelheim – Pilsen: Wirtschaftswachstum                                                aus – seit 1995 um rund 135 Prozent. Es
1990-2006, in Prozent (BIP zu Marktpreisen je Einwohner)                                                      liegt jedoch gemessen am tschechischen
                                                                                                              Durchschnittsniveau relativ konstant bei
160                                                                                                           rund 94 Prozent. Der Bezirk Pilsen (West-
                                                                                                              böhmen) weist, nach Prag mit über doppelt
140                                                                                                           so hohem BIP pro Einwohner als der Lan-
                                                                                                              desdurchschnitt, das zweithöchste Ein-
120                                                                                                           kommensniveau in Tschechien auf.

100

 80                                                                                                           D.2 Dynamischer
 60                                                                                                           Strukturwandel
 40
                                                                                                                 • Anhaltender Strukturwandel in

 20                                                                                                                   Oberpfalz / Kelheim und Westböhmen.
                                                                                                                 • Das Verarbeitende Gewerbe nimmt
  0
              Oberpfalz                Bayern                   Bezirk Pilsen*            Tschechien*                 beiderseits der Grenzen einen relativ
                                                                                                                      hohen Stellenwert ein.
* 1995-2007
Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung; Tschechisches Amt für Statistik.
                                                                                                                 • Unterentwickelt sowohl im Raum
                                                                                                                      Oberpfalz / Kelheim aber noch stärker
                                                                                                                      im Bezirk Pilsen ist der Dienstleistungs-
29.180 Euro unter dem bayerischen Durch-                Neustadt a. d. Waldnaab und Tirschen-                         sektor, der sich seit 2000 jedoch am
schnitt von 33.240 Euro je Einwohner. Es                reuth) hinter der Entwicklung zurückblieb.
                                                                                                                      dynamischsten entwickelt.
stieg aber seit 1990 von rund 86 Prozent                Seit dem Jahr 2001 ist die Oberpfalz mit
des bayerischen Niveaus auf knapp 88 Pro-               einer Steigerung des BIPs pro Einwohner                  • Die Grenzöffnung und die Entwicklung
zent in 2006. Bezogen auf Deutschland                   um 13,3 Prozent bis 2006 sogar Wachs-                         der grenzübergreifenden Zusammen-
liegt es bereits über dem bundesdeutschen               tumsspitzenreiter in Bayern.                                  arbeit haben einen wichtigen Impuls
Durchschnitt. Innerhalb der Oberpfalz
                                                                                                                      für die Entwicklung des Tourismus
konnten die Landkreise Neumarkt i.d.OPf.                In Westböhmen verlief die Wachstumsent-
                                                                                                                      erbracht.
und Cham seit 1990 deutlich überdurch-                  wicklung seit der Grenzöffnung noch dy-
schnittliche Wachstumsraten verzeichnen,                namischer. Das BIP je Einwohner stieg im
während die nördliche Oberpfalz (Städte                 Zuge einer aufholenden Wirtschaftsent-
Amberg und Weiden sowie die Landkreise                  wicklung – zwar von niedrigerem Niveau

                                                                                                                                                            15
Zwanzig Jahre Grenzöffnung – Fünf Jahre EU-Osterweiterung

Abbildung 4: Bruttowertschöpfung nach Sektoren 2005, in Prozent                                        Strukturwandel in der Landwirtschaft
                                                                                                       Eine detaillierte Aufgliederung der Er-
100%                                                                                                   werbstätigen nach Wirtschaftsbereichen
                                                                                                       verdeutlicht ebenfalls die etwas höhere
90%
                                                                                                       Bedeutung des primären Sektors im Bezirk
80%                                                                                                    Pilsen als im Bezirk Oberpfalz / Kelheim. Im
                                                                                52,1
70%               64,4                                                                                 Pilsener Raum sind 5,5 Prozent aller Be-
                                               68,2
60%                                                                                                    schäftigten in der Land- und Forstwirt-
                                                                                                       schaft tätig, im bayerischen Teil 3,8 Pro-
50%
                                                                                                       zent. Im Bereich der Landwirtschaft vollzog
40%                                                                                                    sich in den letzten Jahren ein tief greifen-
30%                                                                                                    der Strukturwandel. Vor allem die Heraus-
                                                                                 44                    bildung großbetrieblicher Strukturen mit
20%                34                          30,6                                                    Flächen über 30 ha ist für den Fortbestand
10%                                                                                                    einer international wettbewerbsfähigen
                   1,6                         1,1                              3,9
 0%                                                                                                    Landwirtschaft von Bedeutung. Diese Ent-
                Oberpfalz                     Bayern                        Bezirk Pilsen              wicklung ist auch in der Oberpfalz fest-
                                                                                                       stellbar. Die Zahl der Höfe ist in der Ober-
       Dienstleistungsbereiche                 Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und         pfalz seit 1999 ebenso wie in Bayern um
       Produzierendes Gewerbe                  Datenverarbeitung; Tschechisches Amt für Statistik.     rund 21 Prozent zurückgegangen, während
       Land- und Forstwirtschaft, Fischerei                                                            die durchschnittlichen Betriebsgrößen
                                                                                                       weiter anstiegen.

Der Strukturwandel hat sich in der gesam-
ten Region Oberpfalz / Kelheim – West-
böhmen seit der Grenzöffnung beschleu-         Abbildung 5: Oberpfalz / Kelheim – Pilsen:
nigt. Im Raum Oberpfalz / Kelheim erziel-      Erwerbstätige nach Wirtschaftsbereichen 2007, in Prozent
ten – entsprechend bundesweiter Entwick-
lungen – vor allem die Dienstleistungen,
                                               100%
deren Anteil an der Bruttowertschöpfung
anstieg, Zuwächse. Allerdings hat in der        90%                                                                                     22,5
                                                                     27,1                              27,6
Oberpfalz das Produzierende Gewerbe             80%
(Verarbeitendes Gewerbe + Baugewerbe +                                                                                                   7,5
                                                 70%
Versorger) eine etwas höhere Bedeutung                               12,3                              16,4
                                                60%                                                                                     20,7
als in Bayern insgesamt. In Westböhmen
ist der Strukturwandel hin zum Dienstleis-      50%                  23,3
tungssektor noch nicht so weit fortge-                                                                 24,3
                                                40%
schritten. Das Produzierende Gewerbe                                                                                                    34,4
                                                30%
trägt hier zu 44 Prozent zur Bruttowert-                             26,0
schöpfung bei, und damit um 10 Prozent-         20%                                                    22,5
punkte mehr als in der Oberpfalz. Hier           10%                                                   6,4                               9,6
                                                                      7,5
spiegelt sich noch das Erbe der sozialisti-       0%                  3,8                              2,9                               5,5
schen Planwirtschaft wider, für die eine
                                                                  Oberpfalz                          Bayern                        Bezirk Pilsen
ausgeprägte Unterentwicklung des Dienst-
leistungsbereichs typisch war. Etwas höher             Öffentliche und private Dienstleistungen
ist im Bezirk Pilsen die Bedeutung des pri-            Finanzierung, Vermietung, Unternehmensdienstleistungen
mären Sektors, die jedoch auch hier ab-                Handel, Gastgewerbe und Verkehr
nimmt.                                                 Verarbeitendes Gewerbe
                                                       Bauhauptgewerbe, Bergbau, Gewinnung von Steine und Erden
                                                       Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

                                               Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung; Tschechisches Amt für Statistik.

16
Standortpolitik

Hoher Stellenwert des Verarbeitenden                  Auch in Westböhmen stiegen die Industrie-       verlagert. Diese Branchen sind insbesondere
Gewerbes im gesamten Raum                             umsätze seit 2000 (vorher liegen keine An-      in den nördlichen Kreisen der Oberpfalz
                                                      gaben vor) nach Angaben des Statistischen       konzentriert. In Tirschenreuth entfallen dar-
                                                      Amtes Tschechien um knapp 122 Prozent,          auf immer noch 24 Prozent des gesamten
  • Hohe Wachstumsdynamik im
                                                      wobei hier jedoch nur die Betriebe mit über     Verarbeitenden Gewerbes. Auch das Textil-
     Verarbeitenden Gewerbe.                          100 Beschäftigten erfasst werden. Vor al-       und Bekleidungsgewerbe hat im Zuge des
  • Human- und F&E-intensive Branchen                 lem nach dem EU-Beitritt im Jahre 2004          Strukturwandels weiter an Bedeutung ein-
     im Raum Oberpfalz / Kelheim auf dem              stiegen die Umsätze der Industrie stark an.     gebüßt.
     Vormarsch.
                                                                                                      In Westböhmen erfolgte in den letzten
  • In Westböhmen erfolgte in den letzten             Veränderung der Branchenstruktur                Jahren ebenfalls eine wichtige und relativ
     Jahren ebenfalls eine wichtige und                                                               erfolgreiche Umstrukturierung der Indus-
     relativ erfolgreiche Umstrukturierung            Hinweise über die regionalen Branchen-          trielandschaft. Neben den traditionellen
     der Industrielandschaft.                         schwerpunkte lassen sich aus der Verteilung     Industriebereichen wie Maschinenbau,
                                                      der Beschäftigung über die verschiedenen        Nahrungsmittelindustrie, Glas- und Kera-
  • Hohe Exportorientierung und grenz-
                                                      Branchen gewinnen. Die wichtigsten Bran-        mikindustrie finden nun auch Automobil-
     überschreitende Investitionen belegen:           chen im Raum Oberpfalz / Kelheim sind die       industrie, Elektroindustrie und Kunststoff-
     Der Wirtschaftsraum Oberpfalz/                   Herstellung von Geräten der Elektrizitätser-    verarbeitende Industrie ihren Platz (die An-
     Kelheim – Westböhmen profitiert von              zeugung, und –verteilung, gefolgt vom Ma-       gaben in Abbildung 6 spiegeln diesen
                                                      schinenbau und der Kfz-Herstellung, auf die     Strukturwandel nur unvollständig wider, da
     den Auswirkungen der Osterweiterung
                                                      aktuell fast ein Drittel der Umsätze entfal-    hier nur Betriebe mit über 100 Beschäftig-
     der EU.
                                                      len. Damit sind in der Oberpfalz Humanka-       ten und Hauptsitz im Bezirk Pilsen erfasst
                                                      pital-, Sach- und F&E-intensive Industrie-      sind). Das Ergebnis der Umwandlung und
                                                      zweige stark vertreten. Diese Stärken kamen     Privatisierung der Wirtschaft in der Region
Das Verarbeitende Gewerbe nimmt beider-               mit der Grenzöffnung und Osterweiterung         ist die Entstehung einer relativ breiten und
seits der Grenzen einen relativ hohen Stel-           zum Tragen und haben seit Mitte der neun-       sich dynamisch entwickelnden Basis klei-
lenwert ein. Auf der bayerischen Seite wei-           ziger Jahre weiter an Bedeutung gewonnen.       ner und mittlerer Unternehmen.
sen vor allem die Kreise der nördlichen Ober-         Lohnkostensensible Industriezweige wie die
pfalz (Tirschenreuth und Neustadt) aber               Bereiche des Textil- und Bekleidungsgewer-
auch die Stadt Amberg hohe Beschäfti-                 bes, des Holzgewerbes, der Herstellung von      Exporte werden immer wichtiger
gungsanteile auf. Im Bezirk Pilsen spielt das         Keramikwaren und Metallerzeugnissen so-
Verarbeitende Gewerbe eine noch wichtigere            wie des Sektors Steine und Erden werden         Der Außenhandel Bayerns hat sich seit der
Rolle. Seit der Grenzöffnung hat das Verar-           dagegen Anpassungsprobleme haben. Diese         Grenzöffnung von 1990 bis 2008 verdrei-
beitende Gewerbe eine besonders dynami-               Bereiche haben seit den neunziger Jahren        facht. 1990 lag der Wert der Importe und
sche Wachstumsentwicklung zu verzeich-                bereits an Gewicht verloren. Vor allem der      Exporte insgesamt bei 94,0 Mrd. €, wäh-
nen. So konnten die Betriebe des Verarbei-            Bereich Glasgewerbe, Keramik und Verarbei-      rend 2008 Waren im Wert von 285,6 Mrd. €
tenden Gewerbes im IHK-Bezirk ihre Umsät-             tung von Steinen und Erden hat einen tief       aus- und eingeführt wurden. Diese dynami-
ze im Zeitraum von 1995 bis 2008 um 121,8             greifenden Strukturwandel, verbunden mit        sche Entwicklung des bayerischen Außen-
Prozent steigern. Die Steigerungsrate lag da-         erheblichen Arbeitsplatzverlusten vollzogen.    handels wurde auch von dem Austausch mit
mit deutlich über dem bayerischen Durch-              Ein Teil dieser Produktion wurde bereits in     dem Nachbarn Tschechien gespeist. Wie in
schnitt (+83,2 Prozent).                              die Tschechische Republik oder nach Asien       verschiedenen Studien prognostiziert, hat

Tabelle 4
   Oberpfalz / Kelheim: Verarbeitendes Gewerbe 1995/2008

                                     Gesamtumsatz (Mio. €)                           Veränderung               Anteil Auslandsumsatz (in %)
                                       1995        2008                            1995-2008 (in %)                 1995         2008
   Oberpfalz / Kelheim                15,135      33,564                                121,8                       30,0         48,0
   Bayern                            181,964     333,417                                 83,2                       32,9         47,9

Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung; Eigene Berechnungen.

                                                                                                                                               17
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