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Regensburg Universität Regensburg Lehren aus der Finanzkrise Entwicklung des Stimmungsindikators LiqX für den Interbankenmarkt zur Verbesserung der Liquiditätssteuerung in Finanzinstituten Betreuender Hochschullehrer: Prof. Dr. Klaus Röder Studentische Teammitglieder: Günther Behrle Andreas Götz Maximilian Härtl Enikö Zemplenyi Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Beitrag zum Postbank Finance Award Entwicklung des Stimmungsindikators LiqX für den Interbankenmarkt zur Verbesserung der Liquiditätssteuerung in Finanzinstituten Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Inhaltsverzeichnis 1 Abstract 6 2 Beginn und Ursachen der Finanzkrise 7 3 Liquidität als Risikoart 10 3.1 Begrisdenition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 3.2 Regulatorische Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3.2.1 Zielsetzungen und Notwendigkeit einer Regulierung . . . . . . . . . 14 3.2.2 Quantitative und Qualitative Regulierung von Liquiditätsrisiken in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3.3 Bestimmung des Liquiditätsrisikos anhand der Gap-Analyse . . . . . . . . 26 4 Erweiterung der Gap-Analyse um einen Stimmungsindikator 29 4.1 Spieltheoretisch-basierte Sentimentumfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4.1.1 Grundlagen der Spieltheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4.1.2 Modell zur Interbankenkreditvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4.1.3 Modell zum Bank Run . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.1.4 Modell zum Moral-Hazard-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4.2 Von der Umfrage zum Stimmungsindikator LiqX . . . . . . . . . . . . . . 37 5 Liquiditätsrisikosteuerung durch Kombination des Sentimentindikators und der Gap-Analyse 43 6 Umfrage unter den 100 gröÿten deutschen Banken 47 6.1 Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 6.2 Auswertung der Umfrageergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 6.3 Berechnung des LiqX und Darstellung in einer Ampelmatrix . . . . . . . . 48 7 Zusammenfassung 50 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Abbildungsverzeichnis 1 US-Leitzins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2 Zeit-Betrag-Matrix der Zahlungsströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 3 Derivative und originäre Liquiditäts- und Erfolgsrisiken . . . . . . . . . . . 13 4 Laufzeitbänder: Liquiditäts- und Beobachtungskennzahlen . . . . . . . . . 18 5 Gap-Analyse I: Saldierte Zahlungsströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 6 Gap-Analyse II: Kumulierte Zahlungsströme . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 7 Auszahlungsmatrix im Gefangenen-Dilemma . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 8 Berechnung der Auszahlungen I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 9 Auszahlungsmatrix I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 10 Berechnung der Auszahlungen II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 11 Auszahlungsmatrix II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 12 Auszahlungsmatrix Bank Run . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 13 Notenbanken vs. Finanzmarkt I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 14 Notenbanken vs. Finanzmarkt II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 15 Beispiel aus der Umfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 16 Liquiditätspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 17 Liquiditätstragfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 18 Ampelmatrix: Theoretisches Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 19 Ampelmatrix: Praktisches Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Tabellenverzeichnis 1 Liquidität erster Klasse: Laufzeitband 1 (Zahlungsmittel) . . . . . . . . . 19 2 Liquidität zweiter Klasse: Laufzeitband 1 - 4 (Zahlungsmittel) . . . . . . . 19 3 Liquidität erster Klasse: Laufzeitband 1 (Zahlungsverpichtungen) . . . . 20 4 Liquidität zweiter Klasse: Laufzeitband 1 - 4 (Zahlungsverpichtungen) . . 20 5 Gröÿenklasse und Gewichtung der Finanzinstitute . . . . . . . . . . . . . . 39 6 Umfrageergebnisse zur Berechnung des 1-Monats-LiqX . . . . . . . . . . . 40 7 LiqX und Verzerrungsanteil für verschiedene Zeitpunkte . . . . . . . . . . 48 8 Ergebnisse der Praxisumfrage zur Berechnung des 1-Monat-LiqX . . . . . 75 9 Ergebnisse der Praxisumfrage zur Berechnung des 6-Monate-LiqX . . . . . 75 10 Ergebnisse der Praxisumfrage zur Berechnung des 12-Monate-LiqX . . . . 75 3 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Abkürzungsverzeichnis AT Allgemeiner Teil der MaRisk BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaKred Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen BT Besonderer Teil der MaRisk BTR BT - Anforderungen an die Risikosteuerungs- und -controllingprozesse der MaRisk bzw. beziehungsweise ca. circa CEBS Committee of European Banking Supervision et al. et altera d.h. das heiÿt EZB Europäische Zentralbank FED Federal Reserve System FmstfV Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung FSF Financial Stability Forum gem. gemäÿ ggü. gegenüber GS Grundsatz Hrsg. Herausgeber KI Kreditinstitute kum. kumuliert KWG Gesetz über das Kreditwesen Jg. Jahrgang LiqV Liquiditätsverordnung MaRisk Mindestanforderungen an das Risikomanagement ÖBA Österreichisches Bank-Archiv o.V. ohne Verfasser RLZ Restlaufzeit SoFFin Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung sog. sogenannte SolvV Solvabilitätsverordnung SRP Supervisory Review Process Tz. Textzier v.a. vorallem VLL Verbindlichkeiten z.B. zum Beispiel ZfgK Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 4 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Symbolverzeichnis w Nutzen der fremden Kreditvergabe für beide Banken x Nutzen des eigenen Geldes (wenn Kredit nicht vergeben wird) y Nutzen der eigenen Kreditvergabe für beide Banken z Aufwand / Nutzenverlust der Kreditvergabe für beide Banken u Nutzen Dy Dynamik kDy keine Dynamik Kv Kredit vergeben Knv Kredit nicht vergeben T Täuschung Pi Liquiditätspotential Zi Zahlungsstrom Zkum kumulierter Zahlungsstromsaldo Paragraph $ US-Dollar e Euro U japanische Yen 5 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Krise kann ein produktiver Zustand sein. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen. (Max Frisch) 1 Abstract Die Zuspitzung der Finanzkrise 2007 resultierte aus dem schwindenden Vertrauen am Interbankenmarkt. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, einen neuen Indikator zur Einschätzung der Stimmung am Interbankenmarkt zu entwickeln, um zukünftige Ver- trauenskrisen zu verhindern. Zunächst konzentrieren wir uns hierzu auf die Erläuterung von begriichen und rechtlichen Grundlagen. Wesentliche Eckpfeiler des Liquiditätsrisi- komanagements stellen die Liquiditätsverordnung (LiqV) und die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) dar. Obwohl diese die Anerkennung von internen Modellen fördert, verwenden viele Kreditinstitute parallel zu dem Standardansatz die Gap-Analyse als Vorhersagemodell des Renanzierungsbedarfs. Als Grundlage für die Indikatorberechnung dient eine selbst entworfene Umfrage, die auf spieltheoretischen Mo- dellen basiert. Die Berechnung des LiqX-Indikators erfolgt durch die Auswertung der Um- frage und kann in Form einer Ampelmatrix veranschaulicht werden. Dadurch wird es den Banken ermöglicht frühzeitig auf zukünftige Liquiditätsengpässe am Interbankenmarkt zu reagieren um somit das Risiko weiterer Finanzkrisen zu reduzieren. 6 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
2 Beginn und Ursachen der Finanzkrise Der deutschen Öentlichkeit wurde das Aufkommen einer Krise in der Finanzwirtschaft das erste Mal bewusst als die Nachricht von Renanzierungsschwierigkeiten bei Rhi- neland Funding Mitte des Jahres 2007 die Runde machte. 1 Bei Rhineland Funding handelte es sich um ein sog. Conduit, eine Zweckgesellschaft, die von Kreditinstitu- ten dazu genutzt wird, um Geschäftsteile, die sonst mit Eigenkapital unterlegt werden müssten, auszugliedern. 2 Die Rhineland Funding wurde aus diesem Grund von der Deutschen Industriebank IKB gegründet. Dieses Ergebnis bildete den Auftakt zu einer Kette von Ereignissen, die zu dem führten, was heute als die gröÿte Krise seit Ende des 2. Weltkrieges bezeichnet wird. Allerdings ist der Grundstein der heutigen Krise schon am Ende der letzten groÿen Krise der Weltwirtschaft gelegt worden. Nach einigen Jahren steigender Börsenkurse und Unternehmensgewinne, vor allem in der New Economy, hatte sich an den Weltbörsen eine Blase gebildet. Dies manifestierte sich in hohen Börsenwerten. So hatte der Film- rechtehändler EM.TV am 14. Februar 2000 den gleichen Börsenwert wie der Stahlkonzern Thyssen-Krupp. 3 Nach dem Platzen dieser Blase und den Terroranschlägen in New York und Washington am 11. September 2001 sah sich die US-Notenbank FED gezwungen den Leitzins immer weiter zu senken, bis im Jahre 2003 der bis dahin historische Tiefstand von 1% erreicht wurde. Dies und das verlorene Vertrauen in Aktien als Anlageform führ- ten dazu, dass die Amerikaner sich den Immobilien als Anlage- und Spekulationsobjekt zuwandten. Diese Situation wurde auch von den steigenden Immobilienpreisen in den Ver- einigten Staaten begünstigt. 4 Vor allem Personen mit kleinen und geringen Einkommen protierten von der expansiven Kreditvergabe der Banken in den USA (Bankwerbung: 5 No questions asked ). Diese Gruppe von Schuldnern mit schlechter Kreditwürdigkeit 6 wurde als Subprime-Schuldner bezeichnet. Dass diese Subprime-Schuldner überhaupt Kredite bekamen, lag nicht zuletzt an den Möglichkeiten der Banken, diese durch Ver- briefung, also durch die Umwandlung zukünftiger Zahlungsströme 7 in handelbare Wert- 8 papiere, aus ihren eigenen Bilanzen in Zweckgesellschaften auszugliedern. Bereits im Sommer 2006 war es allerdings erkennbar, dass der überhitzte US-Häusermarkt auf eine Krise zusteuerte. Die gestiegene Nachfrage an Immobilien hatte zu einem Überangebot geführt. Als Resultat begannen die Häuserpreise zu sinken, wodurch auch die Sicherhei- ten für die Hypothekenkredite schwanden. Dazu kam, dass die US-Notenbank FED nun ihre Niedrigzinspolitik aufgab und die Zinsen in schnellen Schritten weiter erhöhte. Das 1 Vgl. Kofner (2009), S.1. 2 Vgl. o.V. (2007a), S. 13. 3 Vgl. Braunberger et al. (2008), S.111. 4 Vgl. Bloss (2009), S. 15. 5 O.V. (2008a), S. 1448 - 1150. 6 Vgl. Bloss et al. (2009), S. 9. 7 Hier die Zinseinnahmen aus den vergebenen Krediten. 8 Vgl. Kofner (2009), S.11. 7 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
belastete die Hypothekenkreditschuldner, deren Verträge mit einer variablen Verzinsung an den Leitzins der FED gekoppelt waren (siehe Abbildung 1). Abbildung 1: US-Leitzins (Quelle: Eigene Darstellung nach www.leitzins.info) Viele Schuldner standen nun vor der Situation, dass ihre Immobilie weniger Wert war als das, was sie ihren Banken zurückzahlen mussten. Sie nutzen deshalb die in den USA bestehende Möglichkeit, ihr Haus zu räumen und die Immobilie an die Bank zurückzu- geben. Dies und die Liquiditätsgarantien für ihre Zweckgesellschaften führten dazu, dass die ersten Hypothekenbanken insolvent wurden. Doch durch die Praxis der Verbriefung und den Verkauf von US-Hypothekenkrediten weitete sich diese Krise am amerikanischen Markt zu einer weltweiten Krise aus. 9 Da die Banken nicht wussten, welche Risiken ihre Mitbewerber verbergen, reagierten sie mit Zurückhaltung am Interbankenmarkt. Es kam zu einer Liquiditätskrise 10 , die in erster Linie auch eine Vertrauenskrise war. Das mangelnde Vertrauen der Banken untereinander brachte so den Interbankenmarkt mit jeder weiteren Nachricht von Verlusten und Ab- schreibungen schrittweise fast vollständig zum Erliegen. Die Gefahren von Insolvenzen trafen jetzt nicht nur die bereits durch die Krise angeschlagenen Institute, sondern auch eigentlich gesunde Banken, deren Renanzierung am Geldmarkt nun nicht mehr möglich war. Die Notenbanken der Vereinigten Staaten, der Eurozone und Groÿbritanniens sahen 9 Vgl. Hemmerich (2008), S. 514 - 520. 10 Vgl. Franke et al. (2007), S 13. 8 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
sich gezwungen, Milliarden von Dollar, Euro und Pfund als Liquiditätshilfen den Bank- systemen zur Verfügung zu stellen. Die Europäische Zentralbank (EZB) pumpte Ende Dezember 2007 erstmals 350 Milliarden Euro in den Markt. 11 Die Krise verschlimmerte sich allerdings am 15. September 2008 nochmals als die US-amerikanische Regierung, wider alle Erwartungen, die in nanzielle Schwierigkeiten geratene US-Investmentbank Lehman Brothers nicht rettete. Daraufhin brach der Interbankenmarkt nahezu vollstän- dig zusammen, was sich nicht zuletzt daran zeigte, dass die Banken immer höhere Be- träge in die Einlagenfazilitäten der Europäischen Zentralbank gaben, anstatt sich das Geld untereinander auszuleihen. Die Zentralbanken waren es auch, die immer weitere Liquiditätsspritzen in die jetzt zum Erliegen gekommenen Interbankenmärkte pumpen mussten. 12 Sie wurden nun zum Lender of Last Resort, also zum Kreditgeber der letzten Instanz, nachdem alle anderen Instanzen versagt haben. 13 11 Vgl. o.V. (2007), S. 21. 12 Vgl. Kofner (2009), S. 83. 13 Vgl. Weber et al. (2008), S. 493. 9 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
3 Liquidität als Risikoart Die Zahlungsfähigkeit eines Kreditinstituts kann durch eine Vielzahl an Risikoarten be- droht sein. Neben dem Kredit-, Marktpreis- und operationellen Risiko stellt das Liquidi- tätsrisiko eine stetig an Bedeutung gewinnende Bedrohung dar, die in den vergangenen Jahrzehnten stark vernachlässigt wurde. Die erste explizite Berücksichtigung dieser Risi- koart fand im Jahre 2004 im Basel-II-Framework statt. 14 In den letzten drei Jahren er- schienen lediglich fünf groÿe Studien von Aufsichtsbehörden und Internationalen Gremi- en, wie der Joint Forum's Working Group on Risk Assessment and Capital, des Institute of International Finance, des Committee of European Banking Supervisors und des Basel Committee on Banking Supervision zu diesem Thema. 15 Mit den Geschehnissen an den internationalen Geld- und Kapitalmärkten im Jahr 2008 ist das Liquiditätsrisiko in das Bewusstsein der Öentlichkeit gerückt. Eine eziente Quantizierung und Steuerung der Liquidität ist entscheidend für die Stabilität einzelner Banken sowie des Finanzsystems an sich. Trotz der genannten Studien weist die Bankrisikomanagementliteratur immer noch erhebliche Dezite auf diesem Gebiet auf. Aus diesem Grund sehen wir die Not- wendigkeit zur weiteren Ausarbeitung dieses Problembereichs. Diese Arbeit soll weder eine grundlegende Fortentwicklung der in Abschnitt 3.3 dargestellten Gap-Analyse noch ein weiteres Szenario im Bereich des Stress-Testing darstellen. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Einbeziehung eines Indikators, der Finanzinstitute auf sich entwickelnde Systemkrisen aufmerksam machen soll, in die bestehenden institutsspezischen Liquidi- tätsrisikomanagementsysteme. Nach der Ableitung einer Denition des Liquiditätsrisikos und einer anschlieÿenden tiefer gehenden Behandlung dieses Begris werden die regula- torischen Anforderungen an das Liquiditätsmanagement dargestellt. Im Anschluss wird die Quantizierung der Liquiditätsrisiken durch die Gegenüberstellung von ein- und aus- gehenden Zahlungsströmen in Laufzeitbändern, der sogenannten Gap-Analyse, erläutert. 3.1 Begrisdenition Da in der Literatur keine einheitliche Denition des Begris Liquiditätsrisiko vorhanden ist, erscheint es sinnvoll, einen für diese Arbeit gültigen Liquiditätsrisikobegri abzulei- ten. Dies geschieht durch die Denition und Interpretation der Begrie Liquidität und Risiko. Der Begri Risiko ndet in der betriebswirtschaftlichen Literatur ebenfalls keine einheitliche Denition, jedoch lassen sich die verschiedenen Ansätze auf zwei Grund- richtungen zurückführen. Der ursachenbezogene Ansatz bezieht sich auf die Unsicher- heit zukünftiger Ereignisse und die Möglichkeit deren Eintritt bestimmte Wahrschein- lichkeiten zuordnen zu können. 16 Hierbei kann zwischen der Unsicherheit als Informa- 14 Vgl. Ramke et al. (2008), S. 18. 15 Vgl. Ramke et al. (2008), S. 19. 16 Vgl. Schulte et al. (2004), S. 14. 10 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
tionsdezit und der Ungewissheit als jegliches Fehlen von Informationen unterschieden werden. Die Ermittlung der Eintrittswahrscheinlichkeiten kann sowohl auf Grundlage ob- jektiv messbarer Wahrscheinlichkeiten als auch subjektiver Schätzungen erfolgen. Beim wirkungsbezogenen Ansatz hingegen stehen die Risikowirkungen im Vordergrund, die sich als negative Abweichung von einem Referenzwert ausdrücken. 17 Die Festlegung des Referenzwertes kann mit Hilfe mathematisch-statistischer Berechnungen oder subjekti- ver Schätzungen erfolgen. Da die wirkungsbezogene die ursachenbezogene Interpretation voraussetzt, müssen die beiden Grundrichtungen kombiniert gesehen werden. Somit lässt sich der Begri Risiko wie folgt denieren: Risiko resultiert ursachenbezogen aus der Unsicherheit zukünftiger Ereignisse - wobei dies regelmäÿig mit einem unvollständigen Informationsstand einhergeht - und schlägt sich wirkungsbezogen in einer Abweichung von einer festgelegten Zielgröÿe nieder. 18 Den Begri Liquidität kann man aus drei Perspektiven betrachten. In der einfachs- ten Interpretation wird Liquidität als der Bestand an verfügbaren Zahlungsmitteln ver- standen. 19 Darüber hinaus ist eine Unterscheidung zwischen objektbezogener und sub- jektbezogener Liquidität möglich. Die Eigenschaft eines Vermögensgegenstandes in Zah- lungsmittel umgewandelt zu werden, bezeichnet man als objektbezogene Liquidität. 20 Dies kann direkt durch Verwertung oder indirekt durch Selbstliquidation erfolgen. 21 Die Geldnähe eines Vermögensgegenstandes ist damit umso höher, je schneller die Transfor- mation in Zahlungsmittel gelingt und je geringer die dabei entstehenden Kosten sind. 22 Unter subjektbezogener Liquidität wird die Fähigkeit alle zwingend fälligen Auszah- lungsansprüche jederzeit und in voller Höhe bedienen zu können verstanden. 23 Hieraus ergibt sich folgende Denition des Liquiditätsbegris. Unter Liquidität versteht man die Fähigkeit eines Wirtschaftssubjektes, fällige Zahlungen zu jedem Zeitpunkt durch seine verfügbaren Zahlungsmittel oder die Liquidation von Vermögensgegenständen begleichen zu können. Es wird ersichtlich, dass hieraus noch keine eindeutige Denition des Liquiditätsrisi- kos möglich und somit eine weitere Dierenzierung von Nöten ist. Liquiditätsrisiko im weiteren Sinne ist immer dann gegeben, wenn unsichere Zahlungsströme von ihrem Er- wartungswert abweichen und das Finanzinstitut potenziell nicht zu jeder Zeit in der Lage ist alle fälligen Zahlungsverpichtungen termingerecht und vollständig zu erfüllen. Für die Qualität und Ezienz des Liquiditätsmanagements ist die präzise Vorhersage und Kenntnis der ein- und ausgehenden Zahlungsströme über alle Laufzeiten essentiell. Somit ergeben sich der Betrag und der Zeitpunkt der ein- und ausgehenden Zahlungsströ- 17 Vgl. Schulte et al. (2004), S. 14. 18 Vgl. Schulte et al. (2004), S. 14. 19 Vgl. Uriu (1978), S. 311-321. 20 Vgl. Süchting et al. (1998), S. 459. 21 Vgl. Krumnow et al. (2002), S. 880. 22 Vgl. Krumnow et al. (2002), S. 880. 23 Vgl. Süchting et al. (1998), S. 459. 11 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
me als die wichtigsten zu betrachtenden Eigenschaften der Liquiditätserfassung. Grund- sätzlich ist zu beachten, dass die Vorhersageunsicherheit mit weiter in der Zukunft liegen- den Aussagen über Zahlungsströme steigt. Dieser Grundsatz kann jedoch nicht universell auf alle Kreditinstitute übertragen werden, da die Zahlungsströme direkt von den ihnen ursächlichen Produkten und Volumina, und somit der Geschäftsausrichtung des Instituts, abhängen. Mit der Betrachtung der zwei für das Liquiditätsmanagement wesentlichen Di- mensionen ist eine Einteilung der Zahlungsströme in vier Kategorien (siehe Abbildung 2) möglich. Die erste Kategorie ist mit der Determiniertheit der Zahlungsströme bei ei- nem gut eingepegten Datenhaushalt meist unproblematisch. In den Kategorien zwei und drei, die nicht-deterministische bzw. stochastische Zahlungsströme enthalten, ist entwe- der der Zeitpunkt oder Betrag bekannt. Die jeweils andere Dimension muss modelliert werden. Hierbei könnte der Zeitpunkt durch eine geeignete Wahrscheinlichkeitsvertei- lung simuliert und der Betrag durch ein Value-at-Risk-Modell geschätzt werden. Da in der letzten Kategorie beide Dimensionen modelliert werden müssen, ist diese mit der gröÿten Unsicherheit behaftet. Mit steigender Unsicherheit wird die Liquiditätsplanung für ein Kreditinstitut erschwert und das Liquiditätsrisiko erhöht. 24 Abbildung 2: Zeit-Betrag-Matrix der Zahlungsströme (Quelle: Eigene Darstellung, nach Moch, N. (2007), S. 9) 24 Vgl. Wagner et al. (2002), S. 10. 12 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Liquiditätsengpässe in Kreditinstituten entstehen nicht allein originär aus Liquiditäts- risiken, sondern können sich zudem auch aus anderen Risikoarten ableiten. Diese Un- terscheidung zwischen originärem und derivativem Liquiditätsrisiko ist jedoch nur in einer gesamtbankbezogenen Sichtweise und nicht objektbezogen möglich. Die originären Liquiditätsrisiken untergliedern sich in Termin-, Abruf- und Liquiditätsanpassungsrisi- ko. Das Terminrisiko beschreibt eine unplanmäÿige Verlängerung von Aktivgeschäften durch vertragsinkonformes Verhalten. Dies kann sowohl in Markthemmnissen als auch in verspäteten Tilgungs- und/oder Zinszahlungen der Gegenpartei begründet sein. 25 Das Abrufrisiko ergibt sich aus der unerwarteten Inanspruchnahme zugesagter Kreditlini- en oder dem unerwarteten Abruf von Kundeneinlagen. Die Gefahr begründet sich zum einen in einem vorfälligen Einlagenabzug, zum anderen darin, dass die Höhe des Ein- lagenabzuges, der aufgrund bisheriger Erfahrungen erwartet worden ist, überschritten wird. 26 Um mögliche negative Folgen einer Reputationsverschlechterung zu vermeiden, wird ein Kreditinstitut vorfälligen Auszahlungswünschen seiner Kunden in den meisten Fällen nachkommen. Das Liquiditätsanpassungsrisiko enthält eine objektbezogene und eine Marktrisikokomponente. Das objektbezogene Liquiditätsrisiko stellt die Gefahr, dass die Veräuÿerung von Positionen aufgrund mangelnder Marktliquidität nicht mehr oder nur mehr eingeschränkt möglich ist, dar. Das Risiko, dass eine Anschlussnanzierung für ein Finanzinstitut nicht mehr oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist, wird dem Marktrisiko zugerechnet. 27 Abbildung 3: Derivative und originäre Liquiditäts- und Erfolgsrisiken (Quelle: Eigene Darstellung, nach Schierenbeck et al. (2008), S. 514) 25 Vgl. Schierenbeck et al. (2008), S. 513. 26 Vgl. Schierenbeck et al. (2008), S. 513. 27 Vgl. Schierenbeck et al. (2008), S. 514. 13 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Wenn sich das Liquiditätsrisiko aus dem Schadenseintritt einer anderen Risikoart des Finanzinstituts ableitet, spricht man von einem derivativen Risiko. Das derivative Li- quiditätsrisiko ist als separates Risiko zu sehen, dass aus dem Eintritt des originären Erfolgsrisikos resultieren kann, aber nicht muss. Die Auswirkung des derivativen Risikos ist von Höhe und Grad des erwarteten originären Erfolgsrisikos sowie dessen Korrelation mit den restlichen Zahlungsströmen innerhalb der Bank abhängig. 3.2 Regulatorische Anforderungen Die Liquiditätsengpässe einiger Banken als Begleiterscheinung der Finanzkrise und die daraus entstandene Gefahr für die Stabilität des gesamten Finanzsystems werfen die Frage nach einer ausreichenden Regulierung von Liquiditätsrisiken auf. Im Verlauf der Finanzkrise zeigte sich, dass die Managementsysteme vieler deutscher Finanzinstitute die Komplexität von diversen Finanzmarktprodukten und deren Risiken nicht angemessen erfasst haben. Ferner wurden falsche Entgeltanreize gesetzt und insbesondere der Ein- schätzung Dritter, beispielsweise der Rating-Agenturen, zu viel Beachtung geschenkt. 28 Daher plädiert Jochen Sanio, Präsident der BaFin, für eine umfangreichere Regulierung. Seiner Meinung nach demonstriert die Vergangenheit, dass eine in vielen Bereichen erfolg- te Selbstregulierung bzw. zu geringe aufsichtsrechtliche Regulierung zur Systemstabilität nicht dienlich war. 29 In Deutschland wird die Bankenaufsicht von der am 01.05.2002 ge- gründeten Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Deutschen Bundesbank ausgeübt, wobei die hoheitliche Verantwortung die BaFin für sich bean- sprucht. 30 Der folgende Abschnitt befasst sich mit der deutschen Bankenaufsicht, die einen dualen Prüfungsansatz anwendet. Dieser beinhaltet quantitative und qualitative Elemente, die in den letzten Jahren kontinuierlich angepasst worden sind. Kreditinstitute sind demnach mehr als jemals zuvor gefordert die Entwicklung ihres Liquiditätsmanagements voranzu- treiben. Des Weiteren werden Schwachstellen der Regulierung angeführt. Zunächst aber erfolgt ein grundlegender Überblick über die Zielsetzungen der deutschen Regulierung hinsichtlich der Liquiditätsrisiken. 3.2.1 Zielsetzungen und Notwendigkeit einer Regulierung Die bankenaufsichtsrechtliche Regulierung bezweckt grundsätzlich eine institutsspezi- sche Identizierung, Messung, Limitierung und Steuerung von Liquiditätsrisiken. Die Hauptziele dieser Maÿnahme stellen die Sicherung von überlassenen Vermögenswerten (Gläubigerschutz) und die Vermeidung von Nachteilen für die gesamte deutsche Gesell- 28 Vgl. Massenberg (2009). 29 Vgl. o.V. (2008c). 30 Vgl. 7 KWG. 14 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
schaft (Systemschutz) als Folge eines instabilen Finanzsystems dar. 31 Hierbei spielt das Vertrauen in das Finanzsystem und die damit verbundene Solvenz der jeweiligen Kre- ditinstitute eine sehr wesentliche Rolle, um sog. Bank Runs zu vermeiden. Unter Bank Run ist der plötzliche Einlagenabzug vieler Gläubiger als Folge eines Vertrauensverlustes zu verstehen. Dieser kann wegen der Verechtungen der Institute das komplette Finanz- system destabilisieren. Schwierigkeiten, die aus groÿen Verlusten von Markt- und Ver- mögenswerten einzelner Institute resultieren, werden durch die Interbankenverbindungen schnell auf andere Institute und letztendlich, wie die aktuelle Finanzkrise beweist, auf alle Finanzsysteme rund um den Globus übertragen. Daraus entstehen hohe volkswirt- schaftliche Kosten. Eine funktionierende Bankenaufsicht soll somit als Substitut für die Solvenzkontrolle fungieren und zur Reduzierung von Problemen infolge von Moral Hazard und Adverse Selektion beitragen. 32 3.2.2 Quantitative und Qualitative Regulierung von Liquiditätsrisiken in Deutschland In Bezug auf das Liquiditätsmanagement in Kreditinstituten kommen 11 KWG, Liqui- dität, und 25 a KWG, besondere organisatorische Pichten von Instituten, zum Einsatz. Diese Normen bilden die Basis für eine quantitative und qualitative Regulierung. Quantitative Regulierung von Liquiditätsrisiken 11 KWG und Rückblick auf die Grundsätze II, III Der quantitative Ansatz stützt sich auf 11 Abs. 1 Satz 1 KWG und bezieht sowohl interne als auch externe Daten ein. Demnach sind Institute verpichtet Mittel so anzulegen, dass eine jederzeitige aus- reichende Zahlungsbereitschaft gewährleistet ist. Diese Bedingung impliziert ein erhöhtes Anspruchsniveau, da eine jederzeitige ausreichende Zahlungsbereitschaft bedeutet, dass ein Institut immer die Möglichkeit haben muss, allen Berechtigten Auszahlungen ent- sprechen zu können. Unter Zahlungsbereitschaft wird die Zahlungsfähigkeit der Institute verstanden. 33 Die 1962 in Kraft getretenen Grundsätze (GS) II und III des Bundesauf- sichtsamtes für Kreditwesen (BaKred), dem Vorgänger der Bundesanstalt für Finanz- dienstleistungsaufsicht (BaFin), waren die ersten Ansätze eine ausreichende Liquidität hinsichtlich des 11 KWG zu gewährleisten. Die Grundsätze II (alte Fassung) und III (al- te Fassung) erfassten lang-, kurz- und mittelfristige Positionen. Überschüsse bzw. Dezite aus dem GS II wurden einfach in den GS III übertragen. Mit diesen Grundsätzen konnte eine rudimentäre Beurteilung der Liquiditätslage angestellt werden. 34 Ab dem 01.07.2000 31 Vgl. 6 Abs. 2 KWG; Deutsche Bundesbank (2008); Ramke et al. (2009), S. 17. 32 Vgl. Schöning (2008), S. 233. 33 Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2008), S. 429. 34 Vgl. Schöning (2008), S. 234. 15 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
35 Ein Wechsel war bereits am 31.01.1999 möglich. Zeitgleich wurde galt ein neuer GS II. der GS III aufgehoben. 36 Nun zählten auch Hypothekenbanken, Bausparkassen und bestimmte Finanzdienstleis- tungsunternehmen zum Anwenderkreis. 37 Ein wesentlicher Unterschied zum alten GS II stellte die Umstellung der häug kritisierten Ursprungs- auf Restlaufzeiten dar. 38 Au- ÿerdem rückte mit dem neuen GS II die kurzfristige Liquiditätssicherung stärker in den Mittelpunkt. Interessant ist auch, dass eine Nichteinhaltung der Vorschrift keine un- mittelbare Rechtsfolge nach sich zog. 39 Aus dieser Rechtsunsicherheit heraus und we- gen EU-rechtlichen Vorschriften entstand die Liquiditätsverordnung (LiqV). Nun können Sanktionen von Seiten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bei Nichteinhaltung der aktuellen Vorschriften unmittelbar erfolgen. Die Möglichkeiten der BaFin, in Verbindung mit der Bundesbank, reichen hierbei von Kreditrestriktionen über Mindestreservepolitik bis zur Schlieÿung eines Instituts, falls dadurch gröÿerer Schaden vermieden werden kann. Die Voraussetzungen des Gefahrentatbestandes des 46 a Abs. 1 Nr. 2 KWG müssen hierbei erfüllt sein. Liquiditätsverordnung (LiqV) Mit der am 01.01.2007 in Kraft getretenen Liquiditäts- verordnung (LiqV) wurde die quantitative Liquiditätsregulierung nochmals weiterentwi- ckelt. Sie enthält überdies qualitative Komponenten, auf die später eingegangen wird. Die LiqV ersetzte den bis dahin gültigen GS II und konkretisiert den 11 KWG stärker als zuvor. Allerdings war es Kreditinstituten, die kein E-Geld-Institut gem. E-Geld-Richtlinie 2000/46/EG waren, bis zum 01.01.2008 möglich, sich auf die Übergangsbestimmung nach 339 Abs. 9 oder 10 der Solvabilitätsverordnung (SolvV) zu berufen und weiterhin den GS II abweichend von der LiqV anzuwenden. 40 Darüber hinaus sind die 2 bis 8 der LiqV für gruppenangehörige Institute aufgrund der sog. Waiver Regelung entsprechend des 2 a KWG nach Genehmigung eines internen Modells auf Holding-Ebene nicht relevant. 41 Auch ndet die Liquiditätsverordnung für Zweigniederlassungen ausländischer Institute des europäischen Wirtschaftsraumes in Deutschland keine Anwendung, falls eine ausrei- chende Liquidität von Seiten der ausländischen Zentrale garantiert wird. 42 Nachdenklich stimmt die Tatsache, dass sich bis zur LiqV die meisten Institute nur am Grundsatz II (GS II) und damit auch an der zu meldenden Liquiditätskennzier ausgerichtet haben. Komplexe und individuelle Messverfahren, deren Entwicklung die LiqV fördert, fanden 35 Der neue GS II wurde am 25.11.1998 bekannt gegeben. 36 Vgl. Deutsche Bundesbank (2009). 37 Vgl. 1 Abs. 2 GS II. 38 Vgl. Wagner et al. (2002), S. 24. 39 Vgl. Schöning (2008), S. 234. 40 Vgl. 12 LiqV. 41 Vgl. 10 LiqV. 42 Vgl. 1 Abs. 2 LiqV; vgl. 53 b KWG. 16 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
einer Studie nach bis dahin keine groÿe Beachtung. 43 Standardansatz Die Liquiditätskennzier (GS II) ist nun in dem Standardansatz der LiqV enthalten. Eine ausreichende Liquidität wird nach dem Standardansatz von folgen- den Faktoren bestimmt: • Umfang der zu erwartenden Zahlungsmittelzu- und -abüsse 44 • Umfang hochliquider Aktiva • Renanzierungslinien am Geldmarkt 45 Berechnet wird sie mithilfe der Liquiditätskennzier. 46 Zahlungsmittel Liquiditaetskennzahl = ≥ 1, 0 (1) Zahlungsverpf lichtungen Die Institute müssen entsprechend der Formel (1) einen Quotienten aus den verfüg- baren Zahlungsmitteln und den Zahlungsverpichtungen für einen Monat (Laufzeitband eins) bilden. Die daraus gewonnene und monatlich zu meldende Kennzier darf die Zahl 1,0 nicht mehrmals unterschreiten. Im Vergleich zum GS II muss die Liquiditätskenn- zahl jetzt permanent einen Wert von mindestens 1,0 aufweisen und nicht nur an den Meldestichtagen. 47 Andernfalls würde das bedeuten, dass kurzfristig keine ausreichende Liquidität gewährleistet werden kann. 48 Weiterhin verlangt der Standardansatz sog. Beobachtungskennzahlen nach dem glei- chen Verfahren für die Laufzeitbänder zwei bis vier. Abbildung 4 veranschaulicht hierzu wie die Aufteilung in vier Laufzeitbänder bezogen auf die Restlaufzeit erfolgt. 49 Für die Beobachtungskennzahlen gibt es im Gegensatz zur Liquiditätskennzahl keinen vorgege- benen Grenzwert. Die Beobachtungskennzahlen haben nur einen informativen Charakter und werden um mittel- und langfristige Liquiditätsrisiken zu identizieren eingesetzt. 50 Hartmann-Wendels et al. (2008) bezeichnen Positionen als Liquidität erster Klasse, falls es sich bei diesen um Bargeld handelt bzw. diese direkt in Bargeld transformiert 43 Vgl. Ramke et al. (2008), S. 18-20; vgl. Deutsche Bundesbank (2008b), S. 69; vgl. Ramke (2008), S. 263. 44 Nach Schöning (2008) resultieren diese in erster Linie aus Bilanzbeständen. Aufwendungen und Erträge werden nicht berücksichtigt. Deterministische Zahlungen werden beachtet (Kategorie I). Stochastische nur dann, wenn zu erwarten ist, dass sie in einem Monat abgerufen bzw. fällig werden. 45 Vgl. Schöning (2008), S. 240-246. 46 Vgl. GS II / LiqV; Vgl. Formel (1). 47 Vgl. Schöning (2008), S. 241. 48 Vgl. 2 ausreichende Liquidität LiqV. 49 Vgl. Deutsche Bundesbank (2008b), S. 69; vgl. Deutsche Bundesbank (2008c) vgl. Schöning (2008), S. 239. 50 Vgl. Grelck et al. (1999), S. 68-71; vgl. Hartmann-Wendels et al. (2008), S. 429. 17 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Abbildung 4: Laufzeitbänder: Liquiditäts- und Beobachtungskennzahlen (Quelle: eigene Darstellung an: 2 Abs. 1 S. 3 LiqV.) werden können oder Restlaufzeiten von bis zu einem Monat vorliegen. Damit im ersten Laufzeitband auch Wertpapiere unabhängig von der Restlaufzeit berücksichtigt werden können, müssen folgende Bedingungen vorliegen: Marktgängigkeit, Bewertung zum Nie- derstwertprinzip gem. 253 Abs. 3 HGB und geschäftstägliche Erhebung der Kurse gem. 6 Abs. 1 Nr. 1 LiqV. 51 Die Anrechnung von nur 90 % des Fondsvermögens ist darin begründet, dass 10 % des Vermögens in Wertpapiere investiert werden kann, die nicht der Liquidität erster Klasse entsprechen. Unter Liquidität zweiter Klasse werden alle Zahlungseingänge innerhalb der nächsten zwölf Monate aus nicht börsengängigen Fi- nanzaktiva und Zahlungsverpichtungen mit festen Laufzeiten oder Kündigungsfristen zusammengefasst. Die Tabellen 1 bis 4 verdeutlichen wie die Einteilung der Aktivposi- tionen bzw. Zahlungsmittel und der Passivpositionen bzw. Zahlungsverpichtungen in erste und zweite Klasse erfolgt. Die Anrechnungssätze resultieren aus der Annahme, dass von den kurzfristig abrufbaren Verbindlichkeiten immer langfristig ein bestimmter Anteil stabil im Portfolio bleibt. 52 Doch ergaben sich diese Kalkulationssätze aus Emp- fehlungen der Kreditwirtschaft und weichen daher von individuellen Gegebenheiten der Institute ab. Dabei werden die Erste-Klasse-Positionen ausschlieÿlich für die Berech- nung der Liquiditätskennzahl heranzogen. Zweite-Klasse-Positionen ieÿen sowohl in die Liquiditäts- als auch in die Beobachtungskennzahlen abhängig von der Restlaufzeit ein (Vgl. Abbildung 4). Der Standardansatz lässt allerdings bei wachsender Institutsgröÿe und steigender Vo- latilität der Zahlungsströme wegen der fehlenden institutsindividuellen Faktoren an Aus- sagekraft zu wünschen übrig. Es werden Normalbedingungen angenommen, die eine Be- urteilung von Krisen nicht zulässt. Liquidität ist unter dieser Annahme jederzeit für zahlungsfähige und ertragsstarke Institute mittel- und langfristig verfügbar. Während der aktuellen Finanzkrise wurde dies jedoch widerlegt. Bei auÿerbilanziellen Geschäften, wie z.B. Swaps, Futures, Optionen und Kreditderivaten, werden nur die Abschlusszah- lungen für diese Geschäfte im ersten Laufzeitband berücksichtigt, obwohl der Umfang 51 Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2008), S. 430. 52 Bodensatztheorie und Berücksichtigung des Abrufrisikos. 18 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Zahlungsmittel Bemessungsgrundlage Anrechnungssatz Kassenbestand Buchwert 100 Inkassobestand Buchwert 100 Guthaben bei Zentralbanken Buchwert 100 nicht widerrufbare Kreditzusagen Buchwert 100 gedeckte Schuld- verschreibungen Marktkurs 100 Wertpapier- und Geldmarktfonds Rücknahmepreis 90 börsennotierte Wertpapiere Marktkurs 100 Tabelle 1: Liquidität erster Klasse: Laufzeitband 1 (Zahlungsmittel) - ausschlieÿlich für die Berechnung der Liquiditätskennzahl falls RLZ ≤ 1 Monat Zahlungsmittel Bemessungsgrundlage Anrechnungssatz Forderungen an Zentralbanken Buchwert 100 Wechsel Buchwert 100 Forderungen an KI & Kunden. Buchwert 100 Restl. Wertpapiere Marktkurs 100 Tabelle 2: Liquidität zweiter Klasse: Laufzeitband 1 bis 4 (Zahlungsmittel) - für die Be- rechnung der Liquiditäts- und Beobachtungskennzahlen abh. von RLZ dieser Geschäfte oft ein Vielfaches der Bilanzsumme der jeweiligen Institute beträgt. 53 Ferner werden Zahlungen aus dem operativen Bereich, wie z.B. Mieten und Gehälter, nicht berücksichtigt. 54 Selbst Zinsen und Provisionen werden auÿer Acht gelassen. Somit erfüllt der Standardansatz nur die aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen, trägt bes- tenfalls dazu bei Liquiditätsengpässe zu vermeiden und ist insofern zur Steuerung von Liquiditätsrisiken ungeeignet. 55 Gerade deswegen war es notwendig, dass in der Liquidi- tätsverordnung mit der Önungsklausel gem. 10 LiqV eine wesentliche Erweiterung des Grundsatzes II und des ersten Entwurfs der LiqV (2004) erfolgte. 56 53 Vgl. 13 SolvV; Financial Stability Forum (2008), S. 13. 54 Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2008), S. 434. 55 Vgl. Wagner et al. (2002), S. 24; Vgl. Schöning (2008), S. 240. 56 Vgl. Deutsche Bundesbank (2008b); Vgl Ramke(2008), S. 264. 19 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Zahlungsverpichtungen Bemessungsgrundlage Anrechnungssatz Verbindlichkeiten ggü. KI (täglich fällig) Buchwert 40 Verbindlichkeiten ggü. Kunden (täglich fällig) Buchwert 10 Spareinlagen Buchwert 10 Wechsel Buchwert 5 Bürgschaften Buchwert 5 Eventual- verbindlichkeiten Buchwert 5 Bestellung v. Sicherheiten für fremde VLL Buchwert 5 Platzierungsverpichtungen Buchwert 20 Übernahmeverpichtungen Buchwert 20 nicht in Anspruch genommene unwiderruiche Kreditzusagen Buchwert 20 Tabelle 3: Liquidität erster Klasse: Laufzeitband 1 (Zahlungsverpichtungen) - aus- schlieÿlich für Berechnung der Liquiditätskennzahl falls RLZ ≤ 1 Monat Zahlungsverpichtungen Bemessungsgrundlage Anrechnungssatz Verbindlichkeiten ggü. Kreditinstituten Buchwert 100 Verbindlichkeiten ggü. Kunden Buchwert 100 Verbindlichkeiten ggü. Zentralbanken Buchwert 100 Verbriefte Verbindlichkeiten Rückzahlungsbetrag 100 Nachrangige Verbindlichkeiten Rückzahlungsbetrag 100 Genussrechtskapital Buchwert 100 sonst. Verbindlichkeiten Buchwert 100 Tabelle 4: Liquidität zweiter Klasse: Laufzeitband 1 bis 4 (Zahlungsverpichtungen) - für die Berechnung der Liquiditäts- und Beobachtungskennzahlen abh. von RLZ Zulassung interner Liquiditätsmanagementmodelle Seit dem 01.01.2007 können Ban- ken erstmalig gemäÿ der Önungsklausel, 10 Abs. 3 der Liquiditätsverordnung, anstel- 20 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
le des oben beschriebenen Standardansatzes nach Prüfung und Genehmigung 57 durch die BaFin institutsinterne Liquiditätsmess- und -steuerungsverfahren, sog. Liquiditäts- modelle, einsetzen. Damit bekommen die Institute die Möglichkeit institutseigene und aufsichtsrechtliche Belange aufeinander abzustimmen. Abweichend von den 2 bis 8 der LiqV werden folgende qualitative Bedingungen an das institutsspezische Modell gestellt: • Adäquate laufende Ermittlung und Überwachung des Liquiditätsrisikos • Bessere Darstellung der Liquiditätslage als beim Standardansatz (2 bis 8 LiqV) • Aufschluss über zu erwartende kurzfristige Nettomittelabüsse • Aufschluss über die Möglichkeit zur Aufnahme unbesicherter Finanzierungsmittel • Aufschluss über die Auswirkungen von Stress-Szenarien • Identizierung von Kenngröÿen, die eine aggregierte Darstellung der Liquiditätsla- gen ermöglichen • Maÿnahmenplan für verschiedene Liquiditätslagen Das Liquiditätsmanagement soll durch interne Modelle transparenter werden. Als Leh- re aus der Finanzkrise und aufgrund der beschriebenen Önungsklausel werden nach Ramke et al. (2008), insbesondere gröÿere und global agierende Banken, zukünftig wohl den Fokus verstärkt auf die internen Modelle legen. So könnte das tatsächliche Liquidi- tätsrisiko realitätsnäher abgebildet werden und Parallelrechnungen nach Genehmigung des Liquiditätsmodells durch die BaFin wären überüssig. 58 Aufgrund der Zulassungs- kriterien interner Modelle ist die LiqV als quantitative Norm mit qualitativen Elementen zu verstehen. Der Übergang von rein quantitativen zu qualitativen Regeln wird mit Hilfe der Önungsklausel vorangetrieben. Qualitative Regulierung von Liquiditätsrisiken 25 a KWG Unter der qualitativen Regulierung sind allgemeine Anforderungen an die Qualität des Risikomanagements, insbesondere an dessen Strukturen und Prozesse, zu verstehen. Grundlage bildet die Rechtsnorm des 25 a KWG. Diese besagt, dass ein Kreditinstitut über eine ordnungsgemäÿe Geschäftsorganisation verfügen muss, die die Einhaltung der vom Institut zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen und der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten sicherstellt. Als nächstes werden die jüngsten Entwicklungen bei der Konkretisierung des 25 a KWG diskutiert. 57 Vgl. 44 Abs. 1 Satz 2 KWG. 58 Vgl. Ramke et al. (2008), S. 18-20; Vgl. Deutsche Bundesbank (2008b), S. 70-71. 21 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) Unabhängig davon, ob sich das Institut für den Standardansatz oder ein internes Modell entscheidet, sind die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) grundsätzlich seit dem 01.01.2007 von den Instituten anzuwenden. Starken Einuss auf den Inhalt der MaRisk hatten die Sound Practices for Managing Liquidity in Banking Organisations (2000) des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht 59 , die erstmals umfangreiche Rahmenbedin- gungen für ein Liquiditätsmanagement in Instituten lieferten. Die MaRisk stellen die Umsetzung des Supervisory-Review-Process (SRP) auf nationaler Ebene dar. Darunter fällt die zweite Säule von Basel II (Tz. 732 Basel II). Der SRP fordert die Einrichtung adäquater Risikomanagementsysteme (Management Risk Controlling) und deren Über- wachung durch eine Aufsichtsbehörde. 60 Nach Meinung Zeranskys (2006) war der 25 a KWG schon vor der Publizierung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) und Basel II so zu verste- hen, dass im Liquiditätsmanagement Methoden verwendet werden sollen, die über die Anforderungen des Grundsatzes II hinausgehen. Dennoch interpretieren die Mindestan- forderungen an das Risikomanagement (MaRisk) unbestimmte Rechtsbegrie des 25 a Abs. 1 KWG in einem Umfang, der notwendig ist, um mehr Transparenz, Rechts- und Planungssicherheit für Prüfer und Geschäftsleitung zu erreichen. Begrie, wie beispiels- weise angemessenes Risikomanagement, Strategien und interne Kontrollverfahren, werden durch die MaRisk präzisiert. 61 Für die MaRisk, wie auch für die LiqV, galt eine Übergangsbestimmung nach 339 Abs. 9 oder 10 Solvabilitätsverordnung (SolvV), wodurch für die Institute die verän- derten Anforderungen infolge der MaRisk erst seit 01.01.2008 verbindlich geworden sind. Ob die MaRisk jedoch letztendlich angewendet werden müssen, richtet sich nach der Ein- stufung der Liquiditätsrisiken. Das Management muss diese als wesentlich klassizieren, andernfalls können die MaRisk umgangen werden (AT 2.2 Tz. 1). Erschreckend ist, zu welchen Ergebnissen eine im Jahre 2007 durchgeführte Befragung kam. Etwa 60% der Banken stuften das Liquiditätsrisiko zu diesem Zeitpunkt noch als unwesentlich ein. Die aktuelle Vertrauensproblematik beweist jedoch, dass die Liquidität der Banken ein we- sentliches Risiko im Sinne der MaRisk darstellt und von jedem Management, ungeachtet taktischer Überlegungen, auch als solches betrachtet werden muss. 62 Bei den Instituten, die das Risiko als wesentlich einstuften, dominierten bei der Studie zumeist gröÿere Banken. In den nachfolgenden Ausführungen wird unterstellt, dass das Liquiditätsrisiko als wesentliches Risiko betrachtet wird. 63 59 Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht wurde 1974 von den Zentralbanken und Bankenaufsichts- behörden der G10-Staaten etabliert. 60 Vgl. Theileis et al. (2008), S. 5. 61 Vgl. Zeransky (2006), S.18-19; vgl. MaRisk AT/BT; vgl. Theileis et al. (2008), S.5. 62 Vgl. Financial Stability Forum (2008), S. 21. 63 Vgl. Ramke et al. (2008), S. 18-20. 22 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
Aufbau und Neuerungen der MaRisk Die MaRisk sind modular aufgebaut. Dem All- gemeinen Teil (AT) zu Beginn schlieÿt sich der Besondere Teil (BT) an. Der AT der MaRisk enthält allgemeine Forderungen, wichtige Denitionen und Begrie. Durch die direkte Nennung von Liquidität als Risikoart im allgemeinen Teil der MaRisk (AT 2.2) ergeben sich höhere Anforderungen an die Institute als in der Vergangenheit. Folgende wichtige Neuerungen bezüglich der Liquiditätsrisiken ergeben sich aus den MaRisk AT: • Einbeziehung in das Risikotragfähigkeitskonzept, auÿer wenn sichergestellt ist, dass Liquiditätsrisiken in Risikosteuerungs- und -controllingprozessen berücksichtigt wer- den (AT 4.1 Tz. 3 MaRisk) • Auf die Geschäftsstrategie abgestimmte Risikosteuerung • Einbindung von angemessenen Risikosteuerungs- und -controllingprozessen in die Gesamtbankensteuerung (AT 4.3.2 Tz. 1 MaRisk) • Veranlassung regelmäÿiger angemessener Szenariobetrachtungen (AT 4.3.2 Tz. 3 MaRisk) 64 Auch im Besonderen Teil (BT) der MaRisk wird das Management von Liquiditäts- risiken behandelt. Diese Neuerungen verursachen in vielen Instituten einen erheblichen Umsetzungsaufwand, der erkannt und eingeplant werden muss. Dieser entsteht u. a. durch die Erfordernis 65 , • eine Liquiditätsübersicht für einen geeigneten Zeitraum zu erstellen, die die erwar- teten Mittelzuüsse den erwarteten Mittelabüssen gegenüberstellt, 66 • laufend zu überprüfen, inwieweit das Kreditinstitut in der Lage ist, einen auftre- tenden Liquiditätsbedarf zu decken, • Maÿnahmen bei Liquiditätsengpässen zu denieren • und Reportings an die Geschäftsleitung durchzuführen. Bei den Szenariobetrachtungen werden erstmals auÿergewöhnliche Entwicklungen mit- einbezogen. 67 Die Szenarien sind vom Institut individuell zu denieren. Als mögliche Sze- narien gelten ein Ausfall bedeutender Kreditnehmer bzw. Kreditgeber, ein vollständiger oder partieller Abzug von Interbankeneinlagen, ein Kursverfall auf den Sekundärmärk- ten für Wertpapiere der Liquiditätsreserve, eine Abstufung des Ratings des Instituts und 64 Vgl. Schöning (2008), S. 242. 65 Vgl. BT 3 MaRisk. 66 Im Gegensatz zum Standardansatz gem. 2 LiqV verbleibt die Wahl über eine sinnvolle Planung des zeitlichen Horizonts der Laufzeitbänder bei dem jeweiligen Institut. 67 Vgl. Ramke et al. (2006), S. 682- 685. 23 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
eine Annullierung wichtiger Kreditlinien, die dem Institut eingeräumt wurden. 68 Mit den MaRisk werden demnach Liquiditätsrisiken, sofern sie als wesentlich eingestuft werden, umfassender als in der Vergangenheit in die Gesamtbanksteuerung einbezogen. Zur Ab- wendung von extremen Belastungen, insbesondere der kleineren Institute, gewähren die MaRisk einen exiblen Rahmen mit direkten und indirekten Önungsklauseln. Wie den Erläuterungen zu den MaRisk zu entnehmen ist, sind beispielsweise die im BTR 3 Tz. 1 genannten Verbundlösungen als Önungsklausel zu verstehen. Dazu tragen auch allge- mein gehaltene Formulierungen, wie angemessen, geeignet und wesentlich gem. AT 1 Tz. 4 MaRisk bei. Dementsprechend ist abhängig von der Gröÿe der Kreditinstitute, den Geschäftsschwerpunkten und der Risikosituation eine vereinfachte Umsetzung mög- lich. 69 Die Bankaufsicht ist nun in der Picht die korrekte Anwendung der MaRisk unter Berücksichtigung eines gewissen Ermessenspielraums zu überprüfen. Ausblick Aktuell wird die Behandlung der erwähnten Önungsklauseln im Liquiditäts- management kritisiert, da noch keine eindeutige Regelung bezüglich der Zugangsvoraus- setzungen besteht. Derzeit fällt es vielen Instituten noch leicht, beispielsweise die MaRisk zu umgehen. Schon alleine deswegen müssen in naher Zukunf weitere verbindliche Modi- zierungen der MaRisk folgen. Inzwischen wurde bereits ein neuer Entwurf der MaRisk zur Konsultation vorgelegt. 70 In diesem Zuge wird deutlich, dass sich die deutsche Ban- kenaufsicht weiter an die Empfehlungen des Baseler Ausschusses 71 annähert. Folgende Modizierungen der Practices for Sound Liquidity Risk Management and Supervision (2008) im Vergleich zu den Sound Practices for Managing Liquidity in Banking Organi- sations (2000) sind auch Gegenstand in dem aktuellen Änderungsentwurf der MaRisk 72 : • Auistung aller potenziellen Liquiditätsrisikoquellen (inkl. nicht bilanzieller Aktivi- täten) und der Managementtechniken zur Begrenzung (Limitsysteme, Indikatoren) des Risikos • Bestimmung der Risikotoleranz und der Bedeutung des Instituts im Finanzsystem durch die Geschäftsleitung • Forderung nach einer angemessenen Liquiditätsvorsorge (hochwertige und liquide Aktiva) • Ausrichtung auf Stress- und Krisenfall • Berücksichtigung der Liquiditätskosten und -risiken in der Gesamtbanksteuerung 68 Vgl. Anlage 1: Erläuterungen zu den MaRisk in der Fassung vom 30.10.2007. 69 Vgl. AT 1 Tz. 3 MaRisk; Am 06.03.2007 fand die dritte Sitzung des Fachgremiums MaRisk statt, die ausdrücklich darauf hinwies, dass es auf die Angemessenheit der Szenarienbetrachtung ankommt. 70 Vgl. Ban (2009). 71 Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2008), S. 16. 72 Vgl. Deutsche Bundesbank (2008b), S. 74. 24 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
• Adressierung des untertägigen Liquiditätsrisikos durch die an Zahlungs- und Ab- wicklungssystemen (Intraday Liquidity Management) • Ermittlung der tatsächlich vorhandenen Sicherheiten • Liquiditätsmanagement mit dem Ziel der gruppenweiten Verfügbarkeit von liquiden Mitteln • Empfehlungen zur Oenlegung • Deutliche Ausdehnung der Rolle der Aufsichtsbehörden • Grenz- und institutsübergreifende Kooperation Stärker betont werden insbesondere in dem Konsultationspapier MaRisk 3/2009 die Notwendigkeit von Verfahren zur Früherkennung eines zukünftigen Liquiditätsbedarfs. Die modizierten Baseler Prinzipien, an denen sich der aktuelle Entwurf der MaRisk orientiert, werden v.a. von dem Financial Stability Forum (FSF) hinsichtlich des Liqui- ditätsmanagements in seinem Report on Enhancing Market and Institutional Resilience - Follow up on Implementation unterstützt. Das Committee of European Banking Su- pervisors (CEBS) geht in seinem Konsultationspapier zum Liquiditätsmanagement in Instituten noch einen Schritt weiter. Darin wird die ausdrückliche Anerkennung von in- ternen Liquiditätsmodellen genannt. Augenblicklich entstehen durch die Inanspruchnahme des Sonderfonds für Finanz- marktstabilisierung (SoFFin) zusätzliche quantitative und qualitative Anforderungen an 73 Trotz aller Bemühungen die regulatorischen Anforderungen zu optimie- die Institute. 74 ren und im internationalen Kontext zu harmonisieren , um eine zeitgemäÿe Aufsicht der Liquiditätsrisiken zu gewährleisten, bleiben die staatlichen Anforderungen Mindest- standards und können nicht vorab für alle Institute formuliert werden. Ungeachtet der bereits erläuterten negativen Auswirkungen der Önungsklauseln und der vorgesehe- nen Spielräume, erlauben diese dennoch eine notwendige institutsspezische Anpassung und tragen so dazu bei, zukünftig das Risiko von weiteren Liquiditätskrisen zu reduzie- ren. Hierbei werden die Prüfer nach den Erfahrungen aus den Finanzmarktturbulenzen in den Jahren von 2007 bis 2009 bei der Auslegung der Ermessensspielräume erheb- lich gefordert sein. Letztendlich muss indes jedes Institut für sich angesichts der immer noch andauernden Finanzkrise die Notwendigkeit erkennen, dass Liquiditätsrisiken das Geschäftsmodell jedes Instituts bedrohen können und an die Risikosituation angepasste 73 Im Zuge des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes wurde am 17.10.2008 der Sonderfonds Finanzmarkt- stabilisierung (SoFFin) geschaen. Der SoFFin fördert die Beseitigung von Liquiditätsengpässen der Institute, ausgelöst durch die aktuelle Finanzkrise und sorgt so für die Belebung des Interbanken- marktes; Vgl. 5 FmstfV. 74 Vgl. hierzu die Bestrebungen des G-20 Gipfels 11/2008. 25 Beitrag zum Postbank Finance Award 2009
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