Weitere Hilfe für Griechenland: Notwendig, aber nicht ausreichend

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Weitere Hilfe für Griechenland: Notwendig, aber nicht ausreichend
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Das zweite Griechenland-Paket

Weitere Hilfe für Griechenland: Notwendig,
aber nicht ausreichend

        Neues Hilfspaket umfasst zusätzlichen Betrag von bis zu 130 Mrd. € bis Ende 2014.
        Hinzu kommen 24,4 Mrd. € nicht abgerufene Mittel aus dem ersten Griechenland-
        Paket, die übertragen werden – der Bundestag entscheidet über 154,4 Mrd. €.
        Die Kredithilfe ist richtig: Ohne Hilfe wären Insolvenz und wohl auch Euro-Austritt
        Griechenlands unvermeidlich – mit unabsehbaren Folgen für den Euroraum.
        Aber sie ist nicht ausreichend: Trotz Scheiterns des ersten Rettungspakets halten
        die mehrheitlich konservativen Regierungen Europas an der einseitigen Fokussie-
        rung auf öffentliche Sparmaßnahmen fest – deshalb hält die SPD ihre Kritik an der
        Rettungsstrategie weiter aufrecht.
        Das neue Rettungspaket kann nur erfolgreich sein, wenn in den kommenden Jahren
        die Wende aus der griechischen Rezession in neues Wachstum zu schaffen ist. Die
        Euro-Staaten gehen noch höhere finanzielle Risiken ein – sie müssen sich daher viel
        aktiver als bisher dafür einsetzen, dass die Rettung Griechenlands gelingt.
        Ohne eine ergänzende Wachstumsstrategie mit einer klaren Weichenstellung in
        Richtung Realwirtschaft für Griechenland und die anderen Krisenländer im Euro-
        raum droht die Rettung zu scheitern – die wirtschaftliche und politische Destabili-
        sierung setzt sich fort.
        SPD bekräftigt daher ihre Forderung nach einem Programm der industriellen Er-
        neuerung für Südeuropa, finanziert auch durch eine Finanztransaktionssteuer.

Euro-Finanzminister einigen sich auf zweites Hilfspaket
Am vergangenen Dienstag haben die Finanzminister der Eurogruppe nach erneut intensiven Ver-
handlungen grünes Licht für das zweite Hilfspaket für Griechenland gegeben. Der Umfang der neuen
Hilfsmaßnahmen beträgt bis zu 130 Mrd. €. Zusätzlich sollen die knapp 25 Mrd. € auf das neue Paket
übertragen werden, die aus dem vor zwei Jahren gestarteten ersten Rettungspaket für Griechenland
(insgesamt 110 Mrd. €) übrig geblieben sind.

Mit diesen rund 155 Mrd. € wäre der von der „Troika“ aus EU, EZB und IWF ermittelte Finanzierungs-
bedarf Griechenlands von rd. 170 Mrd. € bis Ende 2014 weitestgehend gedeckt. Dieser Bedarf sollte
zunächst nur vertraulich bleiben, doch die zugrunde liegende Schuldentragfähigkeitsanalyse ist inzwi-
schen öffentlich zugänglich. Die verbleibende Lücke wird durch den noch einmal leicht erhöhten An-
teil der Privatgläubiger geschlossen. Im Gegenzug hat sich Griechenland zu umfassenden Einsparun-
gen und weitreichenden Strukturreformen verpflichtet, die bereits vorab in einem ausführlichen
„Memorandum of Understanding“ detailliert niedergelegt worden sind. Experten der Troika werden
künftig laufend die Umsetzung des Reformprozesses in Griechenland überprüfen.

Planungsgruppe | 27.02.2012
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Für die Folgeperiode von 2014 bis 2020 rechnet die Troika dann mit einem möglichen weiteren Fi-
nanzierungsbedarf Griechenlands von bis zu 50 Mrd. €, der ebenfalls noch einmal über die europäi-
schen Partner abgedeckt werden müsste, falls Griechenland bis dahin keinen eigenen Marktzugang
erlangen kann. Das ist der Hintergrund von jüngsten Andeutungen Finanzminister Schäubles, der
Bundestag habe sich womöglich noch nicht das letzte Mal mit Hilfen für Griechenland beschäftigt.
Diese möglicherweise erforderliche Anschlussfinanzierung ist im neuen Rettungspaket aber noch
nicht berücksichtigt.

Das neue Hilfspaket wird gemeinsam aus Mitteln des Eurorettungsschirms EFSF, auf den auch die
verbliebenen Mittel aus dem ersten Griechenlandpaket übertragen werden sollen, sowie des IWF
finanziert werden. Über die genaue Höhe des IWF-Anteils an der Gesamtsumme werden die IWF-
Gremien erst am 13. März in Washington entscheiden.

Ohne das Paket keine Fortsetzung der Hilfe für Griechenland möglich
Mit der Einigung auf das neue Rettungspaket kann die drohende ungeordnete Staatspleite Griechen-
lands zunächst einmal abgewendet werden. Dies ist die zentrale Voraussetzung für den weiteren
Verbleib Griechenlands in der Eurozone und die Fortsetzung der gemeinsamen europäischen Bemü-
hungen um eine Wiederherstellung tragfähiger öffentlicher Finanzen in Griechenland.

Im Umkehrschluss bedeutet das: Ohne eine Zustimmung zu dem jetzt ausgehandelten Rettungspa-
ket wäre eine Fortsetzung der Hilfe für Griechenland im bisherigen Rahmen der Solidarität der

Planungsgruppe | 27.02.2012
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Euro-Staaten untereinander nicht mehr möglich. Sämtliche Forderungen nach einer Veränderung
der Sparauflagen für Griechenland bzw. einer Ergänzung der internationalen Hilfen um ein glaubwür-
diges und wirksames Wachstumsprogramm für Griechenland und die anderen Krisenländer innerhalb
der Eurozone wären angesichts der bereits in wenigen Wochen unabwendbaren Insolvenz obsolet.
Genau solche Veränderungen und Ergänzungen der Rettungsbemühungen sind das Ziel der SPD-Kritik
am Vorgehen der Bundesregierung und der anderen, mehrheitlich konservativ geführten Regierun-
gen Europas.

SPD-Kritik am unzureichenden Rettungskonzept bleibt notwendig
Allein die Notwendigkeit eines zweiten Rettungspakets sowie des in seinem Rahmen erforderlichen
Schuldenschnitts sind ein Ausweis des Scheiterns der bisherigen Rettungsstrategie der Europäischen
Regierungen, namentlich der Bundesregierung. Die einseitige Fokussierung auf Sparvorgaben für den
öffentlichen Haushalt Griechenlands ohne parallele Stützung der privaten Nachfrage bzw. der Investi-
tionen im Land hat genau das Ergebnis heraufbeschworen, vor dem die SPD bereits zum Start des
Programms gewarnt hatte: Die Konjunktur in Griechenland bricht völlig zusammen. Anstatt der ange-
strebten Senkung, steigen Staatsdefizit und des Schuldenstand immer weiter.

Ende 2011 war das Defizit im Griechischen Staatshaushalt trotz aller Hilfszahlungen größer als im
Vorjahr und der Schuldenstand war von 140 % des griechischen BIP vor dem ersten Hilfspaket auf
mittlerweile fast 170 % gestiegen. Das BIP ist im Schlussquartal 2011 um 7 % gegenüber dem Vor-
jahreszeitraum zurückgefallen, die Arbeitslosigkeit ist auf 20 % angestiegen. Vor Ausbruch der Fi-
nanzkrise im Jahre 2007 lag sie bei 8 %. Diese Entwicklungen haben das politische System Griechen-
lands massiv destabilisiert. Bei den im Frühjahr anstehenden Neuwahlen in Griechenland drohen
massive Zugewinne radikaler Parteien, die den eingeschlagenen Sparkurs vehement ablehnen.

Aber weder die sichtbare wirtschaftliche noch die politische Schwächung des Landes konnten die
Europäischen Regierungen bisher zu einem wirklichen Kurswechsel bei der Rettungsstrategie bewe-
gen. Auch das zweite Rettungspaket setzt – sogar noch drastischer – auf Einsparungen im Staats-
haushalt und den sozialen Sicherungssystemen, Privatisierungen und Strukturreformen. Ausglei-
chende Impulse zur Stützung von Nachfrage und Investitionen sucht man weiterhin vergeblich. Inso-
fern wird eine mögliche weitere ökonomische wie politische Destabilisierung Griechenlands von den
Rettern sehenden Auges in Kauf genommen. Das ist kein überzeugendes Konzept und stellt den Er-
folg der eigenen Bemühungen massiv in Frage.

Fehlende Wachstumsperspektive gefährdet die Programmziele
Voraussetzung für das Gelingen der Rettung Griechenlands mit dem nun vereinbarten zweiten Ret-
tungspaket ist eine rasche und kräftige Umkehrung des bisherigen Primärdefizits im griechischen
Staatshaushalt in einen Primärüberschuss. Nach den Vorstellungen der internationalen Geldgeber,
die dem neuen Hilfspaket zugrunde liegen, muss dieser Umkehrprozess innerhalb der nächsten zwei
Jahre gelingen und bereits für 2013 ein erster Primärüberschuss erzielt werden. Bereits eine Verzö-

Planungsgruppe | 27.02.2012
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gerung um zwei weitere Jahre hätte einen erneuten Anstieg der griechischen Schuldenquote zur
Folge. Im Zieljahr 2020 würden anstatt der angestrebten 120 % wieder 160 % zu Buche stehen.

Das ist eine gewaltige Herausforderung: 2011 betrug das griechische Primärdefizit (Gesamtausgaben
ohne Zinszahlungen minus Gesamteinnahmen) rd. 5,5 Mrd. €, knapp 2,5 % des BIP. Nach dem Szena-
rio des Hilfsprogramms soll aus diesem Defizit bereits 2014 ein Primärüberschuss von 4,5 % des BIP
geworden sein und dieser soll bis 2020 durchgehalten werden.

Ein solcher Entwicklungspfad kann ohne eine konkrete und bald wirksame Wachstumsperspektive
kaum aufrecht zu erhalten sein. Denn: Ohne Wachstum in anderen Bereichen führen die staatlichen
Budgetkürzungen unweigerlich zu massiven Einbußen bei den privaten Einkommen, die dann als
Steuerausfälle auf das Budget zurück schlagen und die Erzielung von Überschüssen enorm erschwer-
ten. Insofern ist ein Wachstumsprogamm, wie es die SPD seit langem fordert, keine Alternative zum
nun geplanten Hilfspaket, sondern geradezu die Voraussetzung seiner erfolgreichen Umsetzung.
Griechenland braucht beides: Die Konsolidierung des öffentlichen Haushalts und strukturelle Re-
formen, aber eben auch eine wirksame Wachstumsperspektive, die in Zukunft die Entwicklung der
privaten Einkommen und der daraus resultierenden Steuereinnahmen stützt. Andernfalls wird die
wirtschaftliche und politische Destabilisierung weiter fortschreiten.

Stärkung der Einnahmen dringend erforderlich – aber bitte gerecht
Die beschriebene Umkehr vom aktuellen Primärdefizit zum angestrebten Überschuss wird ohne
spürbare Verbesserung der staatlichen Einnahmen Griechenlands, namentlich der Steuereinnahmen
nicht gelingen. Angesichts der katastrophalen aktuellen Wirtschaftslage und den in den Bedingungen
des Hilfspakets vorgesehenen weiteren Kürzungen von Löhnen und Gehältern sind zusätzliche Belas-
tungen der Masseneinkommen weder ökonomisch sinnvoll noch aus Gerechtigkeitsgründen vertret-
bar. Im Gegenteil: Unverzichtbar ist eine Umschichtung der künftigen Steuerlasten auf die Schulten
der Besitzer hoher Vermögen und Einkommen. Dies ist ein Gebot der Sicherung politischer und sozi-
aler Stabilität im weiteren Reformprozess in Griechenland.

Erforderlich ist ein entschlossen geführter Kampf gegen die Steuerhinterziehung sowie eine effektive
Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen. Ein weiteres Anziehen der Schraube der indirekten
Besteuerung – nach der bereits erfolgten Erhöhung der Mehrwertsteuer von 19 auf 23 % im Vorjahr
– dürfte hingegen mit Sicherheit kontraproduktiv sein, worauf auch erste Meldungen über massive
Einbrüche der Mehrwertsteuereinnahmen im Januar 2012 hindeuten, die noch weit über den ohne-
hin scharfen Einbruch der Konsumausgaben hinaus gingen.

Eine Stärkung der Einnahmen ist aber auch auf Seiten der hilfegewährenden Länder bzw. der EU
dringend erforderlich, um das Hilfspaket wirksam um ein umfassendes Wachstumsprogramm ergän-
zen zu können, ohne die hohe Verschuldung in den Eurostaaten noch weiter ausweiten zu müssen.
Die Finanztransaktionssteuer ist ein Mittel, um realwirtschaftlichen Aufbau ohne neue Staats-
schulden finanzieren zu können. Die so bewirkte Beteiligung der Finanzbranche an den Kosten der
von ihr ursprünglich verursachten Krise ist ebenfalls aus Gerechtigkeitsgründen gegenüber den
Steuerzahlern in der gesamten Eurozone dringend geboten.

Planungsgruppe | 27.02.2012
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Aus europäischer Solidarität und finanziellem Eigeninteresse: Europa
muss Griechenland-Rettung aktiver unterstützen
Mit dem neuen Hilfspaket erkaufen sich die Regierungen der Eurozone noch einmal Zeit zur Lösung
des griechischen Schuldenproblems. Zwar wurde diesmal auch eine private Gläubigerbeteiligung in
Form eines Schuldenschnitts in Höhe von mehr als der Hälfte der Forderungen durchgesetzt. Gleich-
wohl erhöht sich das finanzielle Engagement und Risiko Europas – und natürlich auch Deutschlands –
noch einmal erheblich. Deshalb ist es sowohl aus Gründen der europäischen Solidarität wie aus dem
wohlverstandenen finanziellen Eigeninteresse der hilfegewährenden Staaten dringend erforderlich,
dass die europäischen Partner sich aktiver als bisher dafür engagieren, dass die Rettung Griechen-
lands in den kommenden Jahren auch tatsächlich gelingt. Es reicht nicht aus, dass sich Europas Regie-
rungen auf die Rolle eines Schiedsrichters zurück ziehen, der, wenn die Hilfsgelder einmal bewilligt
sind, anschließend nur noch die griechischen Reformfortschritte überwacht und bewertet.

Insbesondere muss eine Verschlechterung der konjunkturellen Lage in Griechenland gegenüber den
für eine erfolgreiche Umsetzung des neuen Hilfsprogramms zugrunde gelegten Annahmen vermie-
den werden – durch aktive Eingriffe der europäischen Partner mit einem Investitionsprogramm oder
anderen Stützungsmaßnahmen. Das haben nicht nur viele Ökonomen erkannt; selbst der bis vor kur-
zem als Staatsminister im Auswärtigen Amt tätige FDP-Politiker Werner Hoyer unterstützt diese For-
derung seit seinem Wechsel an die Spitze der Europäischen Investitionsbank (EIB) und bietet zugleich
die Hilfe und Expertise seiner Institution bei einem Marshallplan für Südeuropa an.

Daneben sollten die EU-Länder gezielt personelle Verwaltungshilfe für Griechenland leisten, um dort
den Aufbau effizienter öffentlicher Strukturen zu unterstützen. Hierzu bietet sich auch eine Nutzung
städtepartnerschaftlicher Beziehungen zu griechischen Kommunen an, wie sie beispielhaft von Ham-
burgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz mit der Partnerstadt Thessaloniki angestrebt wird.

Ein großer Teil der Mittel des neuen Programms (mindestens 60 Mrd. €) sind – anders als im ersten
Hilfspaket – nicht zur Abdeckung laufender Finanzierungsbedarfe Griechenlands vorgesehen, son-
dern zur Absicherung des Schuldenschnitts, der am Anfang der Programmumsetzung steht – zur Ab-
sicherung der neuen Privatsektor-Anleihen sowie zur Rekapitalisierung der griechischen Banken.
Diese Mittel sind verloren, sollte trotz des neuen Rettungspakets eine vollständige Insolvenz Grie-
chenlands in den nächsten Jahren nicht vermieden werden können. Gestoppt werden kann einzig die
Auszahlung des Teils der neuen Hilfszahlungen, die wieder zur Abdeckung der laufenden Finanzie-
rungsbedarfe vorgesehen ist. Insofern ist Europa, ist Deutschland – der IWF beteiligt sich an der Fi-
nanzierung der Absicherung des Schuldenschnitts nicht – in sehr viel stärkerem Maße als ohnehin zu
einem Erfolg der Griechenland-Rettung verdammt.

Planungsgruppe | 27.02.2012
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