Wenn die Eltern alt - Gabriela Schleuniger

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Wenn die Eltern alt - Gabriela Schleuniger
MENSCHEN   |   ALT WERDEN                                              |   NR. 6, 3. FEBRUAR 2014 | MIGROS-MAGAZIN |

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                Wenn die Eltern alt
                Es ist eigentlich vorhersehbar und doch für die meisten Kinder ein Schock: Vater oder
                sich seit sechs Jahren um ihre Mutter, und Gottlieb Diggelmann ist froh, seine Mutter
Wenn die Eltern alt - Gabriela Schleuniger
|   MIGROS-MAGAZIN | NR. 6, 3. FEBRUAR 2014                                        MENSCHEN            ALT WERDEN | 17

werden
Mutter werden alt und brauchen Pflege. Eva Geiser kümmert
im Altersheim in guten Händen zu wissen.

                                                                    E
                                                                         va Geisers Wohnzimmer         Laut dem Schweizerischen
                                                                         gibt den Blick frei auf die   Gesundheitsobservatorium
                                                                         Dächer von Winterthur         gibt es in der Schweiz rund
                                                                    ZH. Vor der Balkontür wartet       125 000      pflegebedürftige
                                                                    ein Tigerli auf Einlass. Ein       über 65­Jährige. Nur die
                                                                    idealer Ort, um den Ruhe­          Hälfte davon lebt in einem
                                                                    stand zu geniessen, denkt          Heim. Die andere wird von
                                                                    man. Aber ruhig ist Eva Gei­       Angehörigen wie Eva Geiser
                                                                    ser (70) selten: «Ich lebe zwei    versorgt. Rund 25 Stunden
                                                                    Leben», sagt sie, «mein eige­      pro Woche wenden Töchter
                                                                    nes und das meiner Mutter.»        und Söhne für die Pflege ihrer
                                                                       Eigentlich hatte sich die       betagten Eltern auf. Das ist
                                                                    Apothekerin die Zeit nach der      viel, erst recht, wenn man
                                                                    Pensionierung so vorgestellt:      daneben erwerbstätig ist.
                                                                    Mehr Musse für die Malerei,           Eva Geiser hatte Glück im
                                                                    die eine oder andere Reise         Unglück. Der Zustand ihrer
                                                                    unternehmen, Freundinnen           Mutter verschlechterte sich
                                                                    treffen.An Betreuungspflich­       erst, als Geiser nicht mehr
                                                                    ten dachte die kinderlose Frau     täglich zur Arbeit musste.
                                                                    nicht. Wenn ihre Mutter ein­       Trotzdem belastet sie die
                                                                    mal Hilfe brauchte, sprang         Verantwortung für die Ge­
                                                                    meist Eva Geisers Bruder ein,      sundheit ihrer Mutter sehr.
                                                                    der sein Künstleratelier im        «Ich sitze wie auf rohen
                                                                    Haus der Mutter hatte. Sein        Eiern», sagt Eva Geiser,
                                                                    Tod vor sieben Jahren und ein      «ständig fürchte ich, etwas
                                                                    Spitalaufenthalt der Mutter        vergessen zu haben. Und»,
                                                                    veränderten alles. Plötzlich       fügt Geiser an,«das schlechte
                                                                    sollte die heute 95­Jährige        Gewissen, zu wenig für meine
                                                                    täglich Medikamente einneh­        Mutter zu tun, wurde zu
                                                                    men und nicht mehr Auto            meinem ständigen Beglei­
                                                                    fahren. Beides fiel ihr schwer.    ter.» Den Namen ihrer Mutter
                                                                       Eva Geiser übernahm im­         möchte Eva Geiser zu deren
                                                                    mer mehr: erst den Einkauf,        Schutz nicht nennen.
                                                                    dann die Administration.
                                                                    Später begann sie, ihre Mut­
                                                                                                       Füreinander da zu sein,
                                                                    ter jeden Morgen anzurufen,        ist selbstverständlich
                                                                    um sie daran zu erinnern,          Gottlieb Diggelmann (71)
                                                                    dass sie ihre Tabletten schlu­     kennt Eva Geiser nicht, aber
                                                                    cken muss. Im Handy ge­            er weiss, wie es sich anfühlt,
                                                                    speicherte Reminder mahnen         wenn man sich um die eigene
                                                                    Geiser an ihre Verpflichtun­       Mutter sorgt. Jahrelang lebte
                                                                    gen. «Geht es meiner Mutter        Lydia Diggelmann (99) bei
                                                                    gut?», fragte sich Geiser          Gottliebs jüngerem Bruder.
                                                                    plötzlich rund um die Uhr.         Da dieser zur Arbeit musste,
                                                                       250 000 Frauen und Män­         war sie tagsüber oft allein.
                                                Eva Geiser          ner kümmern sich in der            Kein Problem, bis Lydia Dig­
                                                unterstützt ihre    Schweiz um ihre pflegebe­          gelmann eines Tages ohne
                                                Mutter im Alltag.   dürftigen Angehörigen. Zwei        Vorwarnung hinfiel und erst
                                                «Ich lebe zwei      Drittel der Pflegenden sind        ein paar Minuten später wie­
                                                Leben», sagt die    Frauen. Zur Hälfte pflegen sie     der erwachte. Leider blieb es
                                                pensionierte        ihren Partner, zu einem wei­       nicht bei diesem einen Sturz.
                                                Apothekerin.        teren Drittel einen Elternteil.    Gottlieb Diggelmann und sei­
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ne Geschwister hatten keine
ruhige Minute mehr. «Wir
lebten in ständiger Angst,
unsere Mutter falle irgendwo
hin und niemand sei bei ihr»,
sagt der Landwirt.
   Tatsächlich kann die quir­
lige Bäuerin bis heute kaum
still sitzen. Ein Leben lang hat
sie für andere gesorgt. Zuerst
für ihre jüngeren Geschwis­
ter, später für die eigenen
Kinder, die Schwiegereltern,
die Eltern, und bis vor ein
paar Jahren pflegte sie ihren
Mann, der sich von einem
Hirnschlag nicht mehr erhol­
te. Füreinander da zu sein, sei
in der Familie Diggelmann
eine Selbstverständlichkeit,
sagt Gottlieb Diggelmann.
Ein «grosses Geschenk»
seien die Kinder
Seit Generationen lebt die
Familie auf einem Bauernhof
an einem der steilen Hänge
des Tösstals. Eine Stunde
Fussmarsch zum nächsten            Jeden Tag kümmert sich eine Spitex-Frau um Eva Geisers 95-jährige Mutter, die immer noch daheim lebt.
Dorf. Lydia Diggelmanns
Aussteuer brachte der Knecht
mit dem Schlitten und den                      Der Papierkram
Ochsen auf den Hof, die                      muss erledigt sein:
Strasse kam erst Jahre später.                  Eva Geiser mit
«Wenn man so lebt, ist man                        ihrer Mutter.
aufeinander angewiesen»,
sagt Gottlieb Diggelmann,
«das prägt.»
   Als seine Mutter vor vielen
Jahren wegen der Beschwer­
den ihres Mannes ins Tal zie­
hen musste, kochte sie jeden
Mittag für ihre Enkelkinder.
Sie hätten es trotz der Ponys,
mit denen sie ihren langen
Schulweg bewältigten, zum
Essen nicht nach Hause ge­
schafft. Ein «grosses Ge­          dir etwas zurückgeben», sag­
schenk» seien die Kinder, die      te sie, als Lydia Diggelmann
Enkel, sagt Lydia Diggel­          nach einer Herzoperation im
mann, der grundsätzlich nie        August 2007 ins Altersheim
etwas zu viel gewesen zu sein      Blumenau einzog. Ihrem
scheint. «Der liebe Gott hat       Sohn Gottlieb fiel ein Stein
mir immer genügend Kraft           vom Herzen. Heute schaut
gegeben, meine Aufgaben zu         er regelmässig auf einen
erledigen», sagt die 99­Jäh­       Schwatz in der Cafeteria vor­
rige, und ihre Augen leuchten.     bei oder nimmt seine Mutter
   Die Enkelin Ruth Wüst­          auf eine Ausfahrt mit. «Dann
Diggelmann (45) war es denn        bin ich glücklich!», sagt Ly­
auch, die Lydia Diggelmann         dia Diggelmann. Ihre zahl­
den Einzug ins Altersheim in       reichen Lachfältchen werden
der Gemeinde leicht machte.        sichtbar. Für ihn, sagt Gott­
Sie arbeitet dort als Pflege­      lieb Diggelmann, sei einfach
fachfrau. «Endlich kann ich        wichtig, dass seine Mutter
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                                                                                                                         pflegende Angehörige, die
                                                                                                                         Eva Geiser schliesslich be­
                                                                                                                         sucht, erfährt sie, dass alle
                                                                                                                         früher oder später an ihre
                                                                                                                         Grenzen kommen. «Das
                                                                                                                         Zermürbende ist, dass man
                                                                                                                         weiss, dass es nur noch
                                                                                                                         schlechter wird.»
                                                                                                                         Es fehlen viele
                                                                                                                         pflegende Hände
                                                                                                                         Eva Geiser beginnt sich damit
                                                                                                                         auseinanderzusetzen, dass es
                                                                                                                         schlimmer werden wird. Sie
                                                                                                                         organisiert eine Putzfrau, den
                                                                                                                         Gärtner und die Spitex, die
                                                                                                                         nun fünfmal pro Woche
                                                                                                                         kommt und ihrer Mutter bei
                                                                                                                         der Körperpflege behilflich
                                                                                                                         ist. «Ich bin Apothekerin und
                                                                                                                         keine Pflegefachfrau», sagt
                                                                                                                         Geiser. «Ich bin froh, dass
                                                                                                                         sich jetzt Profis um meine
                                                                                                                         Mutter kümmern.»
                                                                                                                            Die Profis wollen bezahlt
                                                                                                                         sein, der Gärtner und die
                                                                                                                         Putzfrau auch. Die Pflege da­
                    Lydia Diggelmann (99) ist glücklich, wenn sie mit Sohn Gottlieb Diggelmann (71) zusammensein kann.   heim geht ans Portemonnaie.
                                                                                                                         Oft an jenes der Angehörigen.
                                                                                                                         Zwar gibt es innovative Mo­
                                                                                        Lydia Diggelmann                 delle, zum Beispiel, dass ein­
                                                                                        lebt im Altersheim,              zelne Spitexorganisationen
                                                                                        wo ihre Enkelin                  pflegende Angehörige anstel­
                                                                                        Ruth Wüst-Diggel-                len und entlöhnen. Häufig
                                                                                        mann (45) als                    aber bleibt die private Pflege
                                                                                        Pflegefachfrau                   Gratisarbeit, wertvolle Gra­
                                                                                        arbeitet.                        tisarbeit. Laut der «Swiss Age
                                                                                                                         Care»­Studie 2010 erbringen
                                                                                                                         Töchter, Söhne und Ehepart­
                                                                                                                         ner bereits heute Pflegeleis­
                                                                                                                         tungen in der Höhe von
                                                                                                                         34 Millionen Franken pro
                                                                                                                         Jahr. Sie entlasten damit die
                                                                                                                         öffentliche Hand um rund
                                                                                                                         1,2 Milliarden Franken. Bis ins
                                                                                                                         Jahr 2030 dürfte diese Zahl
                                                                                        gut aufgehoben sei. «Solange     noch einmal deutlich steigen.
                                                                                        sie daheim war, schlief nie­     Bis dahin soll die Anzahl
                                                                                        mand mehr ruhig.»                Pflegebedürftiger auf über
                                                                                           Bei Eva Geiser brauchte es    180 000 wachsen. Laut
                                                                                        eine schwere Grippe, bis sie     Gesundheitsobservatorium
                                                                                        sich eingestand, dass es so      müssten bis ins Jahr 2020 in
                                                                                        nicht weitergehen konnte.        Pflegeinstitutionen 25 000
                                                                                        «Ich wachte eines Nachts auf     zusätzliche Mitarbeiterinnen
                                                                                        und hatte das Gefühl, alles      und Mitarbeiter eingestellt
                                                                                        breche über mir zusammen.»       werden, um alle Seniorinnen
                                                                                        Das Kräftezehrende, sagt Eva     und Senioren zu versorgen.
                                                                                        Geiser, sei nicht das Ein­       Ein ehrgeiziges Ziel.
                                                                                        kaufen oder die Mithilfe im         Wie viele Frauen und Män­
                                                                                        Haushalt. «Was einen aus­        ner bereits heute ihr Arbeits­
                                                                                        höhlt, ist das Gefühl, für je­   pensum reduzieren oder ganz
                                                                                        manden verantwortlich zu         aus dem Erwerbsleben aus­
                                                                                        sein, 24 Stunden am Tag.»        steigen, um sich um ihre
Wenn die Eltern alt - Gabriela Schleuniger
MENSCHEN       |   ALT WERDEN                                                                               |   NR. 6, 3. FEBRUAR 2014 | MIGROS-MAGAZIN |

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                    Liebsten zu kümmern, weiss       das es möglich macht, beide     sagt Christine Egerszegi (65).      Alterszentrum im Quartier
                    man nicht genau. Aktuelle        Aufgaben nebeneinander zu       Die Aargauer FDP­Stände­            angemeldet und zusammen
                    Erhebungen des Forschungs­       erfüllen», sagte Bundesrätin    rätin hat jahrelang zuerst ihre     mit ihr einen Vorsorgeauftrag
                    und Praxisprogramms «Work        Eveline Widmer­Schlumpf         Mutter, später ihren Mann           ausgefüllt. Aber so lange sie
                    & Care» zeigen aber, dass        (57) am Tag der Kranken.        gepflegt. Seither setzt sie sich    sich noch durch ihre kleine
                    mindestens zwölf Prozent                                         in Bundesbern für die Anlie­        Wohnung bewegen kann,
                    der Arbeitnehmerinnen und
                                                     Nach einer Geburt gibts         gen Pflegender ein, unter an­       möchte Eva Geisers Mutter
                    Arbeitnehmer in die Pflege       Mutterschaftsurlaub             derem dafür, dass es nieder­        nicht über einen Umzug
                    von Angehörigen eingebun­        Dass Veränderungen drin­        schwellige Beratungsstellen         sprechen. Noch tragen die
                    den sind. Immerhin ist das       gend nötig sind, zeigt auch     gibt. «Wenn ein Kind zur            Beine.
                    Problem erkannt: «Wir ha­        eine neue Studie der Schwei­    Welt kommt, ist es selbstver­                       Text: Tanja Polli
                    ben für ein Umfeld zu sorgen,    zer Altersforscher Pasqualina   ständlich, dass man von der                   Bilder: Tina Steinauer
                                                     Perrig­Chiello (59) und         Mütter­ und Väterberatung
                                                     François Höpflinger (65). Das   unterstützt wird und Anrecht
                                                     Forscherduo befragte pfle­      auf einen Mutterschafts­
     www.migrosmagazin.ch                            gende Angehörige nach ih­       urlaub hat. Genauso gut soll­       Die wichtigsten Anlaufstellen
                                                     rem psychischen Befinden:       te man am Ende des Lebens           rund um die Betreuung von
 LESEN SIE ONLINE                                    60 Prozent der Befragten ga­    aufgehoben sein.» Es sei            pflegebedürftigen Menschen:
                      Wer pflegt wen?                ben an, in der letzten Woche    ganz wichtig, dass Politik          www.zia-info.ch, Rat für pflegende
                      Der Anteil an Betreuungs­      niedergeschlagen gewesen zu     und Gesellschaft dafür sorg­        Angehörige
                      arbeit von Angehörigen         sein, und fast 80 Prozent wa­   ten, dass die Angehörigen           www.pro-senectute.ch
                      ist gross. Zahlen und Fakten   ren nach eigenen Angaben in     nicht überfordert würden            www.redcross-edu.ch
                      zur Pflege in der Schweiz.     dieser Zeit angespannt und      und gesund blieben.                 www.spitex.ch
                                                     nervös. «Sich einzugestehen,       Eva Geiser möchte nicht          www.proinfirmis.ch
                                                     dass man Hilfe braucht, ist     warten, bis sie selber krank        www.workandcare.ch
                                                     ein schwieriger Schritt»,       wird. Sie hat ihre Mutter im        www.alz.ch

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                                                                           Versprochen ist versprochen:

                                                                           Ab sofort nehmen wir alle leeren Plastik-
                                                                           Flaschen zurück und rezyklieren sie.
                                                                           Da freut sich die kleine Solei: Wie wir ihr versprochen haben,
                                                                           kann man jetzt in jeder Migros auch leere Flaschen von Sham-
                                                                           poos, Duschmittel, Wasch- und Reinigungsmitteln zusammen
                                                                           mit den Milchflaschen zurückgeben. Mit dieser Massnahme
                                                                           und zahlreichen weiteren verbindlichen Versprechen
                                                                           engagieren wir uns für die Generation von morgen.
Wenn die Eltern alt - Gabriela Schleuniger
|   MIGROS-MAGAZIN | NR. 6, 3. FEBRUAR 2014 |                                                                                      MENSCHEN               |   ALT WERDEN
                                                                                                                                                                     | 21

Wer bezahlt was?
■ Pflege zu Hause:                   Reduzieren Kinder von Eltern,          pflegenden Person gutgeschrie­         eine Person für die Unterstützung
Wer sich entscheidet, die Pflege     die EL beziehen, ihr Arbeitspen­       ben werden, bis die Maximalrente       im Alltag anstellen, sofern die
seiner Eltern selber in die Hand     sum, ist im Rahmen der «Vergü­         erreicht ist. Ziel ist es, zum Zeit­   Voraussetzungen gegeben sind.
zu nehmen, riskiert oft erhebliche   tung von Krankheits­ und Behin­        punkt der Rentenberechnung             In gewissen Gemeinden kön­
finanzielle Einbussen. Lohnein­      derungskosten» ein Antrag auf          eine höhere Rente zu erhalten.         nen sich pflegende Angehörige
bussen, aber auch Lücken in der      Ersatz des Lohnausfalls möglich.       Grundsätzlich werden Betreu­           für ihren Einsatz von der Spitex
Altersvorsorge. Abgestimmt auf       Mit dieser Vergütung kann die          ungsgutschriften nur zugespro­         anstellen lassen.
die persönliche Situation beste­     pflegebedürftige Person ihre An­       chen, wenn die pflegende und die       Detaillierte Informationen
hen verschiedene Möglichkeiten,      gehörigen anstellen. Vorausset­        betreute Person nicht mehr als         www.ausgleichskasse.ch
finanzielle Unterstützung zu         zungen und Höhe der Entschädi­         30 Kilometer voneinander ent­          www.ahv­iv.ch.
beantragen:                          gung sind kantonal geregelt.           fernt wohnen und die betreute          www.pro­senectute.ch/ergaen
Ergänzungsleistungen (EL) zur        Ebenfalls kantonal geregelt ist        Person pflegebedürftig ist.            zungsleistungsberechnung.html
AHV und IV helfen dort, wo die       eine allfällige Pauschalentschädi­     Hilflosenentschädigung kann
Renten und das Einkommen die         gung an pflegende Angehörige.          beantragen, wer bei Lebensver­         ■ Pflege im Heim:
minimalen Lebenskosten nicht         In einigen Kantonen gibt es unter      richtungen wie dem Essen oder          Die Kosten für Hotellerie und
decken. Sie werden dann ausge­       gewissen Bedingungen einen             Anziehen die Hilfe anderer Men­        Betreuung gehen zulasten der
richtet, wenn die gesetzlich aner­   Frankenbetrag pro Pflegetag.           schen beansprucht. Die Hilflosen­      Heimbewohner, die Pflege und die
kannten Ausgaben die anrechen­       Übernimmt eine verwandte               entschädigung ist abhängig von         medizinische Versorgung werden
baren Einnahmen übersteigen.         Person die Pflege eines Angehö­        der bezogenen IV­ oder AHV­Leis­       auf Heimbewohnende, Kranken­
Die EL setzen sich aus den jähr­     rigen, kann sie unter klar definier­   tung. Sie ist unabhängig von Ein­      kasse und die öffentliche Hand
lichen Leistungen, die monatlich     ten Bedingungen Betreuungsgut­         kommen und Vermögen.                   verteilt. Reichen die eigenen Mit­
ausbezahlt werden, und der Ver­      schriften beantragen. Dabei han­       Wer Hilflosenentschädigung             tel nicht, springt die Sozialfürsor­
gütung von Krankheits­ und Be­       delt es sich um fiktive Beträge, die   der IV erhält, kann mittels eines      ge ein. Die Sozialberatungstellen
hinderungskosten zusammen.           dem individuellen AHV­Konto der        sogenannten Assistenzbeitrags          der Wohngemeinde beraten.

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Wenn die Eltern alt - Gabriela Schleuniger
MENSCHEN           |   ALT WERDEN                                                                                         |   NR. 6, 3. FEBRUAR 2014 | MIGROS-MAGAZIN |

22 |

«Kind bleibt Kind, Mutter
bleibt Mutter»
Hilfe anzunehmen ist wichtig, sagt Pflegefachfrau Romy Mahrer Imhof.

                   Romy Mahrer Imhof            grosser Schritt zu sagen: Jetzt brauche
                   (57) ist Professorin         ich Hilfe.
                   fürfamilienzentrierte
                   Pflege und verant­           Was, wenn die pflegebedürftige Mutter nicht
                   wortlich für den             will, dass die Spitex oder der Entlastungs­
                   Masterstudiengang            dienst ins Haus kommt?
                   für Pflege an der            Solche Einsätze müssen ausgehandelt
Romy Mahrer        Fachhochschule               werden. So früh wie möglich. Am besten
Imhof              ZHAW. Sie leitet eine        schon, wenn sich abzeichnet, dass ein
                   Beratungsstelle für          Elternteil Unterstützung brauchen
Familien im Alter und für pflegende An­         könnte. Mit einem leicht dementen
gehörige in der Stadt Winterthur.               Menschen können Sie solche Dinge
                                                problemlos diskutieren. Müssen Sie als
Romy Mahrer Imhof, es war sehr schwierig,       Kind auch, denn auch wenn die Eltern
pflegende Söhne und Töchter zu finden, die      stark hilfsbedürftig sind, die Rollen blei­
bereit waren, über ihre Situation Auskunft zu   ben verteilt. Kind bleibt Kind, Mutter
geben. Wundert Sie das?                         bleibt Mutter. Sie können als Kind zum
Nein, das erstaunt mich nicht. Viele der        Beispiel nicht einfach über die Köpfe
pflegenden Angehörigen sind so stark            ihrer Eltern hinweg entscheiden. Das
gefordert, dass jede Anfrage Panik aus­         führt zu immensen Konflikten. Darum
löst. Der natürliche Reflex ist dann: das       bieten wir auf der Beratungsstelle an,
nicht auch noch! Dann spielt sicher eine        solche Aussprachen zu begleiten. Das
Rolle, dass Familienangelegenheiten in          wird als grosse Hilfe wahrgenommen.
der Schweiz wahnsinnig privat sind. Im
Gegensatz zu den USA, wo ich selber             Wie lässt es sich mit diesen verteilten Rollen
längere Zeit gelebt habe, spricht man           vereinbaren, als Kind die Körperpflege der
hier nicht über Schwierigkeiten in der          eigenen Eltern zu übernehmen. Führt das
Familie. Nach aussen hat man keine              nicht zwangsläufig zu Problemen?
Probleme.                                       Das ist eine Frage der Verhältnisse in der
                                                Familie, aber grundsätzlich ist das eine
Je weniger die Betroffenen den Schritt nach     ganz diffizile Angelegenheit. Die Kör­           Gottlieb Diggelmanns Mutter lebt seit August 2007 im Alters-
aussen wagen, umso isolierter und einsamer      perpflege eines erwachsenen Menschen             heim Blumenau in Bauma ZH. Seither schläft er ruhiger.
werden sie.                                     zu übernehmen, ohne dessen Würde zu
Das ist so. Einsamkeit ist ein grosses          verletzen, ist eine Sache, die hohe Pro­
Problem. Nicht nur für die Angehörigen,         fessionalität fordert. Wenn Söhne und            gern etwas zurückgeben. Das ist sehr
sondern auch für die pflegebedürftigen          Töchter das ablehnen oder ihre Eltern            schön, kann aber auch dazu führen, dass
Menschen. Häufig kommen irgendwann              das nicht möchten, ist das in jedem Fall         die Pflegenden ein schlechtes Gewissen
beide kaum mehr aus dem Haus.                   zu respektieren. Das ist ganz wichtig. Als       entwickeln, wenn sie sich zum Beispiel
                                                pflegende Angehörige hat man genug               einen freien Tag gönnen oder die Eltern
Es gibt zum Beispiel den Entlastungsdienst      anderes zu leisten, die Körperpflege             regelmässig in eine Tagesklinik bringen.
des Roten Kreuzes, Angebote von Senioren        kann man ohne schlechtes Gewissen den            Wir hören dann oft: Ich gehe mit einer
für Senioren. Sie alle sagen, dass sie gerne    gut ausgebildeten Fachleuten, zum Bei­           Freundin Kaffee trinken, und meine
mehr Einsätze leisten würden. Warum werden      spiel der Spitex, überlassen.                    Mutter muss im Heim sein. Dies aber
diese Dienste nicht in Anspruch genommen?                                                        wegen des schlechten Gewissens nicht
Auch das hat wohl mehrere Gründe:               Das schlechte Gewissen ist ein gutes Stich­      zu tun, schadet letzten Endes allen Be­
Zum einen wissen viele Angehörige gar           wort. Ist es der Grund, warum viele Angehö­      teiligten. Denn oftmals ist es auch für die
nicht, welche Entlastungsangebote es            rige keine Hilfe in Anspruch nehmen, bis es      zu pflegende Person eine Bereicherung,
gibt und worauf sie Anspruch hätten.            überhaupt nicht mehr geht?                       einmal aus dem Haus zu kommen.
Dann ist es natürlich so, dass es nicht         Ganz sicher. Als Sohn oder Tochter, aber
einfach ist, die Betreuung eines engen          auch als Ehepartner hat man viel be­             Mehr über die Beratung für Angehörige von
Angehörigen an eine fremde Person oder          kommen von der Person, die es jetzt zu           älteren Menschen:
Institution abzugeben. Und, es ist ein          unterstützen gilt. Viele möchten darum           www.gesundheit.zhaw.ch/alterundfamilie
Wenn die Eltern alt - Gabriela Schleuniger Wenn die Eltern alt - Gabriela Schleuniger
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