Perspektive statt Pension - Alters-Diversity
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development Alters-Diversity Perspektive statt Pension Die demographische Entwicklung hinterlässt ihre Spuren in der Arbeitswelt: Schon bald wird es nicht mehr genügend junge Arbeitnehmer geben, der Fokus der Unternehmen muss sich auf die Älteren richten. Personalmanagement und Personalentwicklung stehen damit vor neuen Herausforderungen. Was auf sie zukommt, erläutert managerSeminare. Foto: getty image Ä ußerlich sehen die Weg in die Arbeitswelt der Zu- Geschäfte aus wie alle kunft: Die Bevölkerung altert. anderen: The Com- In wenigen Jahren sind alle puter World ist eine Baby-Boomer über 40 Jahre alt. Kette von PC-Läden. Ins Arbeitsleben nachwachsen- A ber die Mitarbeiter machen de Twentysomethings gibt es den Unterschied: Hier sind alle dann weniger und weniger. 50 Jahre und älter. Senioren als Konsequenz: „Der Jugendwahn Computer-Verkäufer, das ist der späten achtziger und frü- Standard bei The Computer hen neunziger Jahre findet kei- World, einem britischen Unter- ne Nahrung mehr“, so die Pro- nehmen mit bald 150 Filialen gnose von Lothar Heimeier, auf der ganzen Insel. Auch Mitinhaber der Personal- andernorts werden ältere Mit- beratung Heimeier & Partner, arbeiter nicht auf das Abstell- Stuttgart. gleis Frührente geschoben. Die Supermarktkette Netto privile- Die Alterswende beginnt giert Erfahrung: In der Filiale in Berlin-Friedrichsfelde wer- Die Arbeitswelt wird sich auf den nur Mitarbeiter beschäf- die Alterswende vorbereiten tigt, die 45 Jahre und älter sind. müssen. Lange geübtes Verhal- ten steht zur Disposition: „Mit- Was Netto und The Computer arbeitern im Alter Anfang 50 World vormachen, weist den 86 managerSeminare C Heft 59 C September 2002
development mit dem Vorruhestand zu winken, wird nicht sprochen - und das nicht nur, weil in den sonst mehr funktionieren“, sagt Monika Birkner, Per- üblichen Altersgruppen keine Mitarbeiter zu sonalberaterin in Frankfurt/M., die auf die Inte-finden sind. Weiterer wichtiger Grund: Mitar- gration älterer Arbeitnehmer spezialisiert ist. beiter 50plus machen die Belegschaft produkti- ver. Die Fluktuation in dieser Altersklasse be- Neue Stellen nur mit 25- bis 30-Jährigen zu be- trägt nur vier Prozent im Jahr - im Vergleich: setzen hat keine Zukunft mehr. Die Organisati- Sonst liegen die Fluktuationsraten bei zehn bis on mit einer verkürzten Alterspyramide, die nur 17 Prozent in der Branche. Durch den verrin- von 20 bis 49 reicht, ist schon so gut wie Ver- gerten Mitarbeiter-Abgang spart Nationw ide 10 gangenheit. Ab 2003 wird der Anteil der 31- bis Mio. Euro pro Jahr an Trainings- und 49-Jährigen unter den Arbeitnehmern nur noch Rekrutierungskosten. eine Richtung haben: nach unten. Nur ältere Ar- beitnehmer werden dann noch in ausreichender Mitarbeiter binden statt Neue einstellen Zahl zur Verfügung stehen. Personalmanage- ment, Berater und Trainer werden sich auf die Lebenslange Beschäftigung wird bald wieder in neuen Realitäten einstellen müssen. sein. Denn: Mitarbeiter werden auf breiter Front knapp. Gastronomie, Sozial-Dienstleister, Viele Branchen bekommen darauf schon einen Handel, Handwerk und viele Mittelständler aus Vorgeschmack. Beispiel Fahrion Engineering: allen Branchen können schon heute ihren Mit- Das 100-Mitarbeiter-Unternehmen schrieb Stel- arbeiter-Bedarf nicht befriedigen, ermittelte der len für Diplom-Ingenieure aus. Die Anzeige war DIHK in einer Befragung. Andere Branchen wie alle Anzeigen: Angesprochen wurden Junge wird es ebenso treffen, wenn ab Mitte 2003 die und Berufsanfänger, lernhungrige Novizen mit anziehende Konjunktur auf den Arbeitsmarkt „Lebenserfahrung und Sprachkenntnissen und gutem Diplom. Das Er- durchwirkt. Die Folge: Mitarbeiter binden wird Tatendrang sollen nicht gebnis der Aktion: Null Zuschriften. Enttäu- wieder wichtig – denn jeder, der geht, ist nur schung. noch schwer oder gar nicht zu ersetzen. Es wird aufeinanderprallen, sondern im Überlebensinteresse von Arbeitgebern lie- zu einem produktiven Gezielt ältere Mitarbeiter rekrutieren gen, gute Mitarbeiter zu halten und sich den oft Miteinander werden.“ erfolglosen Weg auf den Arbeitsmarkt zu erspa- Daraufhin änderte das Ingenieurbüro mit Sitz ren. Bewährte Kräfte müssen also eine Perspek- Irit Kock, Trainerin und Beraterin bei in Kornwestheim seine Strategie: Interessenten tive bekommen, über Jahrzehnte für dasselbe der CSC Ploenzke Akade mie, Kiedrich. Kontakt: ikock@csc.c om im Alter 45plus wurden ausdrücklich eingela- Unternehmen zu arbeiten. den, sich zu bewerben. Ergebnis: Stapelweise Zuschriften von älteren Ingenieuren. Fahrion Ein Beispiel liefert DSM, ein Hersteller von stellte drei ein, und machte gute Erfahrungen Spezialchemie: Heute sind 60 Prozent der Mit- mit den Senioren, die in internationalen Projek- arbeiter über 40 Jahre alt – vor zehn Jahren wa- ten eingesetzt werden. Die Praxis bei Fahrion ren es nur halb so viele. Das niederländische Engineering ist richtungsweisend. Wegen der Unternehmen mit Sitz in Sittard bietet seinen Knappheit der jüngeren Mitarbeiter müssen Mitarbeitern den Weg in eine zweite Karriere. Unternehmen lernen, gezielt Ältere auf dem Ar- Normalerweise würden Arbeiter im Schicht- beitsmarkt anzusprechen und den Rekrutie- dienst nach 20 bis 25 Jahren in die Frührente rungsprozess darauf einzustellen. gehen, genauso wie gewerbliche Arbeitnehmer. Aber an allen Standorten gibt es mehr offene Ein anderer Pionier der 50plus-Rekrutierung ist Stellen als Bewerber. Aus dieser Not macht DSM der Textilunternehmer Werner Brandenbusch eine Tugend: Man rekrutiert intern, Zielgruppe aus Willich bei Düsseldorf. Er setzt auf die be- Ältere. Die bekommen neue Jobs statt Frühren- sonderen Stärken der Generation Silberhaar: te. Schichtdienstler aus der Produktion im Alter „Ich stelle lieber drei 60-Jährige als einen 30- von 50 wechseln zum Beispiel in den Verkaufs- Jährigen ein“. Die meisten seiner Mitarbeiter Innendienst. So können Kräfte, die Unterneh- sind über 50. Sein jüngster Coup: Er holte einen men und Produkte kennen, über weitere zehn 61-Jährigen aus dem Ruhestand zurück, der sich bis 15 Jahre gehalten werden. schon auf ein Leben als Golf spielender Rentner eingestellt hatte. „Der rödelt jetzt wieder und Schulungen für Ältere anbieten hat eine Riesenfreude dabei“, sagt Branden- busch, der den Senior zum erfolgreichen Leiter Lebenslanges Lernen gewinnt weiter an Ge- seines Chauffeurdienstes gemacht hat. wicht: Die Halbwertszeit des Wissens wird immer kürzer. Mitarbeiter, die vor 20 oder 30 Auch Nationw ide arbeitet so: Die Bausparkasse Jahren ihre Berufsausbildung beendet bzw. die in Großbritannien rekrutiert vorzugsweise Mit- Universität verlassen haben, müssen nachlernen. arbeiter 50plus: Für IT-Funktionen wird gezielt diese Altersklasse auf dem Arbeitsmarkt ange- 88 managerSeminare C Heft 59 C September 2002
Personalmanagement der Zukunft In Zukunft werden nur noch ältere Mitarbeiter A Diversity: Unternehmen in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Die müssen das Miteinander von geänderte Realität stellt das Personalmanage- Jung und Alt fördern. Projekt- ment vor neue Herausforderungen: teams werden gemischt zu- sammengesetzt: Die Ände- A Rekrutierung: Es müssen gezielt ältere Mitar- rungsfreude der Jüngeren wird beiter angesprochen und eingestellt werden. mit dem Detailwissen und der Erfahrung der Älteren zusam- A Retention: Mitarbeiterbindung wird zu mengebracht. Personalreserve. Älteren Mitarbeitern muss eine Perspektive im Unternehmen geboten bzw. ein A Arbeitsmodelle: Für ältere zweiter Karriereweg offeriert werden. Mitarbeiter braucht es Ar- beitskonzepte, die flexibel A Qualifikation: Auch Ältere müssen sich wei- sind, die ein geringeres Ar- terbilden können. Ihren Bedürfnissen entspre- beitspensum zulassen bzw. ein chende Lernangebote sind vonnöten. Arbeiten mit weniger Stress ermöglichen. A Pensionierung: Das defini- tive Arbeitsende wird in den nächsten Jahren nach hinten verschoben. Die verschobene Pensionsgrenze wird sich als Mittel zur Erweiterung der Personalressourcen erweisen – überall da, wo sonst keine zu- sätzlichen Mitarbeiter mehr zu bekommen sind. nbu „Mitarbeitern im Alter Anfang 50 mit teilnehmer bei sieben Prozent, dem Vorruhestand zu winken, wird nicht ermittelte das Statistische Bun- desamt für 2000. mehr funktionieren.“ Monika Birkner, Personalberaterin in Frankfurt/Main. Alle unter 40-Jährigen dagegen Kontakt: mailto@monika-birkner.de glänzen mit satten zweistelligen Prozentraten – von 20- bis 30- Jährigen gehen 32 Prozent je- Nur dann können sie ihren Arbeitgebern für des Jahr in die Weiterbildung. weitere Jahre als Leistungsträger erhalten blei- Wulff Plinke, Leiter des Univer- ben. sitätsseminars der Wirtschaft (USW), Erftstadt, bestätigt das Die heutige Situation am Weiterbildungsmarkt mit seinem Eindruck: „Bil- muss verändert werden, um den Bedürfnissen dungswillige über 40 erreichen der lernenden Alten entgegenzukommen. w ir mit unseren Angeboten Denn: Weiterbildung für Mitarbeiter im Alter nicht.“ 40plus gibt es heute kaum. Zahlen vom Markt zeigen den Mangel, der auf eine Zweiteilung des Bedürfnisse der Älteren bei Marktes hinausläuft. Arbeitnehmer bis 39 ler- Lernangeboten berücksichtigen nen viel. Mitarbeiter über 40 Jahre nur sehr sel- ten: Von den 50- bis 55-Jährigen nehmen nur Hier wird die Weiterbildungs- noch fünf Prozent pro Jahr an Schulungen teil. praxis für Veränderungen sor- Bei den 45- bis 50-Jährigen sieht es nicht viel gen müssen. Lernangebote und besser aus, hier liegt die Rate der Schulungs- managerSeminare C Heft 59 C September 2002 89
development -formate, die den Ansprüchen Wie die Praxis diese Anforderung aufgreifen Auch beim 22.000-Mitarbeiter- von Mitarbeitern im Alter kann, zeigt der Fall von David Coles: Für den Unternehmen DSM ist Schu- 50plus gerecht werden, sind ge- 61-Jährigen stand eine Neuorientierung im Be- lung für ältere Mitarbeiter Pra- fragt. Wesentliche Anforde- ruf an. Der Programmierer kam bei seinem al- xis: Schichtarbeiter, die in den rung: Wer ältere Mitarbeiter ten Arbeitgeber nicht mehr weiter – und gab Verkauf wechseln, bekommen weiterbilden will, muss an ihr sich wenig Chancen für einen neuen Job. Bis das eine Weiterbildung. Sie absol- Vorw issen und ihre Erfahrung Angebot von Halifax kam: Die britische Bank vieren ein Fernstudium mit anknüpfen – denn: „In den auf mit Zweigstellen im ganzen Land suchte hände- dem Schwerpunkt Marketing dem Markt meist angebotenen ringend Computerprogrammierer. Sie stellte und Vertrieb, das die Firma be- Programmen für Anfänger Coles und andere neue Mitarbeiter im Alter zahlt. Vorteile haben beide Sei- oder Young Professionals füh- 50plus ein und trainierte sie erst einmal, um de- ten: Durch die Zweitausbildung len sich die Silberhaar-An- ren Wissen auf den aktuellen Stand zu bringen. verbessern sich die Beschäfti- gestellen nicht wohl“, sagt So war es für Coles kein Problem, sich den An- Monika Birkner. forderungen der neuesten IT-Generation anzu- passen. Auf die Alterswende vorbereitet? EFA – Vorbild in Großbritannien BDI und BDA – erste Meinungsäußerungen Pionier beim Thema alternde Belegschaft ist das Auf Seiten der Arbeitgeber ist es noch recht still Employers Forum on Age (EFA). Diese Organisa- um das Thema. Bisher gibt es nur einige tion wurde schon 1996 gegründet und will Ar- Meinungsäußerungen von Verbänden. Dieter beitgeber auf die „Mixed-Age-Workforce“ vorbe- Hundt, Präsident der Bundesvereinigung Deut- reiten. „Wir helfen Unternehmen, den Altersmix scher Arbeitgeberverbände (BDA), forderte die und die Fähigkeiten der Mitarbeiter zu managen. Unternehmen dazu auf, über ein verlängertes Wir setzen uns dafür ein, Hürden für eine alters- Arbeitsleben für ihre Mitarbeiter nachzudenken. gemischte Belegschaft in Ausbildung, Training Der Bundesverband der Deutschen Industrie leg- und Rekrutierung zu beseitigen“, heißt es im Mis- te sein Thesenpapier „Acht BDI-Thesen zur Ein- sion-Statement des EFA, das in Großbritannien wanderungspolitik“ vor. Die Prognose: Wenn der arbeitet. 160 Unternehmen sind Mitglied, sie re- Arbeitskräfte-Bedarf der Zukunft allein im In- präsentieren zehn Prozent aller britischen Arbeit- land gedeckt werden soll (ohne Einwanderung), nehmer. dann müsse das Rentenalter auf 77 angehoben werden. 50plus – Zaghafte Initiative der BfA Unternehmen – bislang noch ignorant In Deutschland ist die Wirtschaft noch nicht so Viele Unternehmen ignorieren derweil das The- weit. Das Arbeitsamt startete eine zaghafte Initia- ma weiter. Die Konzernw irtschaft tut so, als gäbe tive: Mit einem vergleichsweise kleinen Budget es die Alterswende nicht: Ein großer Teil der Dax- von 1 Mio. Euro ausgestattet gibt es die Kampag- 100-Unternehmen entlässt Mitarbeiter gleich in ne „50plus. Die können es“ von der Bundesan- Hunderter-Paketen. Wie immer, wenn die Beleg- stalt für Arbeit. Das Info-Portal im Internet schaft reduziert wird, sind ältere Mitarbeiter (www.arbeitsamt.de/aeltere) informiert Unter- besonders betroffen. Auch die Bundesregierung nehmen darüber, was nach der Alters-Wende auf hat die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt – das ihr Personalmanagement zukommt und gibt Kabinett Schröder setzt fleißig auf Entwertung Ratschläge für die Mixed-Age-Workforce. der Humanressourcen durch Frührente: Die Ab- schiebung der 55-Jährigen aus dem Arbeitsleben wird durch das Altersteilzeit-Programm weiter subventioniert: Arbeitsämter zahlen dafür 250 Mio. Euro pro Jahr an die Unternehmen – und das trotz der Kampagne „50 Plus. Die können es“ aus gleichem Hause. axg C 90 managerSeminare C Heft 59 C September 2002
gungsmöglichkeiten für Ältere. DSM profitiert, weil langfristig mehr Mitarbeiter da sind, ohne Der War for Experience neue einzustellen. Der war for Talents wird abge- Datumsumstellung möglicherweise nicht über- Neue Arbeitsmodelle für Ältere schaffen löst durch den War for lebt hätten, wurden reihenweise längst ausge- Experience. So lautet musterte Informatiker reaktiviert. Eine Hand- Aber nicht nur auf die Weiterbildungsbedürf- zumindest eine These der lung mit Symbolcharakter, wie Dr. Andreas nisse der Älteren müssen sich die Unternehmen neuen Studie „Megatrend Rei- Giger, Autor der Studie, findet: Ausgerechnet in einstellen, sondern auch auf deren Arbeitsvor- fe“ aus dem Zukunftsinstitut, der schnelllebigen Computerbranche wurde lieben: Mitarbeiter 50plus bleiben gerne im Job, Kelkheim. Und es gibt auch Erfahrungswissen gebraucht. wollen aber das Stressniveau reduzieren. Sechs- schon Anzeichen dafür. Das Tage-Arbeitswochen, Bürozeiten von acht Uhr deutlichste mag der schon fast Dennoch, so zeigt das Kapitel „Silver-Age und morgens bis 21 Uhr abends wie bei karriere- vergessene Millenium Bug ge- Arbeitsmarkt“, herrscht beim Thema Ältere hungrigen Young Professionals werden von älte- liefert haben: Um die alten noch große Unsicherheit: Das heutige offizielle ren Angestellten weniger nachgefragt. Programme zu retten, die die Rentenalter hat unter den zukunftssensiblen Menschen – so werden die für die Trendstudie Unternehmen fehlt es oft jedoch an Arbeitszeit- Befragten genannt – noch viele Anhänger. Über- modellen, die diesen Bedarf aufgreifen. Beispiel zeugt ist jedoch der Großteil, das sich die Deutsche Bank: „Wir haben 80-Stunden- Lebensarbeitszeit verlängert – ob wir wollen Arbeitswochen“, beschreibt Clemens Börsig, oder nicht. Als Grund wird vorwiegend die Finanzvorstand der Deutschen Bank, die Rentenproblematik genannt. Die Verknappung Arbeitssituation im Investment-Banking. Alle junger Arbeitskräfte wird indes noch nicht als schaffen 130 Prozent – andere Wege gebe es Zukunftsthema wahrgenommen. nbu noch nicht, sagte Börsig bei der Konferenz Women in European Business in Frankfurt/ Main: „Es gibt nur die Auswahl zwischen ganz Dr. Andreas Giger : Megatrend Reife. oder gar nicht.“ Konsequenz für abweichende Business-Chancen in der älteren Ge- sellschaft. Kelkheim Juni 2002, 86 Sei- Arbeitszeit-Interessen: Die Bank müsse Mitar- ten, ISBN 3-934429-35-1, 100 Euro, beiter auf null stellen, obwohl sie noch einen www.zukunftsinstitut.de 60- oder 80-Prozent-Job übernehmen könnten. „Ich habe für dieses Thema noch kein Rezept“, bedauert Börsig. mellen Kommunikation abge- wird in den nächsten Jahren zum Personal-In- In Zukunft aber werden diese Rezepte ge- schnitten werden – nur weil sie strumentarium gehören. Sie wird sich als Mittel braucht – damit Leistungsträger länger an Bord eine 30-Stunden-Woche arbei- zur Erweiterung der Personalressourcen erwei- bleiben können. Für die Praxis heißt das: flexi- ten. sen, wo sonst keine zusätzlichen Mitarbeiter bel arbeiten, Pensum reduzieren. Teilzeit-Mo- mehr zu bekommen sind. delle werden für einfache Angestellte ebenso Pensionierung wird nach wichtig wie für Manager, weil sich im sechsten hinten verschoben Ältere Mitarbeiter werden nicht nur über die und siebten Lebensjahrzehnt die Präferenzen inzwischen übliche Grenze von 55 Jahren hin- ändern: „Arbeit ja, aber nicht mehr jeden Tag Mehr machen aus der bestehen- aus arbeiten. Das definitive Arbeitsende wird jederzeit“, so lautet die Einstellung: Die Kinder den Belegschaft, so lautet der nach hinten hinausgeschoben: Der DIHK for- sind aus dem Haus, der Baukredit längst abbe- Imperativ der Minus-Gesell- dert bereits ein um zwei Jahre verlängertes zahlt. Der Wohlstand ist gesichert. schaft. Wenn am Arbeitsmarkt Arbeitsleben, der Verband setzt sich für das nichts mehr zu holen ist, weil Pensionsalter 67 ein. Auch Tessen von Heyde- In dieser Situation sind Job-Angebote willkom- alle dieselben Mitarbeiter su- breck, Personalvorstand der Deutschen Bank, men, die Vier-Tage-Wochen oder 40 Tage zu- chen, und die eigene Personal- ist sich der demographischen Zukunft bewusst. sätzlichen unbezahlten Urlaub ermöglichen. decke zu klein ist, sind unge- Mittelfristig kann er sich für die Bank vorstellen, Hier werden viele Unternehmen innovieren wöhnliche Lösungen gefragt. statt der starren auch individuelle Pensions- müssen: „Es gilt, nicht nur die neuen Arbeits- Was nötig ist, hat Peter Dru- regelungen einzuführen, die das Arbeitsleben zeitkonzepte zu schaffen. Auch die Kultur muss cker, der kalifornisch-öster- über die Schwelle 65 Jahre hinaus verlängern. sich ändern“, sagt Monika Birkner. Keine Orga- reichische Management-Den- nisation könne es sich noch länger leisten, dass ker, schon vor einigen Jahren Andere in der Branche gehen noch weiter: gute Kräfte schief angesehen und von der infor- formuliert: „Unterbevölkerung Nationwide, die britische Bausparkasse, hat die ist das große Problem in allen bisherige Pensionsgrenze aufgehoben. Bis zum Industrieländern. Gesunde Alter 70 arbeiten lautet die neue Option: Die werden bis zum Alter von 75 15.000 Mitarbeiter können über die bisherige im Arbeitsleben bleiben.“ In Altersgrenze von 60 hinaus arbeiten – wenn sie der Tat: Auch die nach hinten verschobene Pensionsgrenze managerSeminare C Heft 59 C September 2002 91
development Um hier die richtigen Brücken zu bauen, ist externe Unterstüt- Mitarbeiter 50plus finden und binden zung gefragt. Denn dass 24- Jährige und 63-Jähringe im Team etwas zu sagen haben, Immer häufiger werden Unternehmen künftig Jobdatendank für Ältere dass Neulinge und alte Hasen auf erfahrene Kräfte jenseits der 50 setzen. Eini- Der Unternehmer Werner Brandenbusch aus gemeinsam arbeiten, ist für die ge innovative Unternehmen zeigen heute schon, Willich ist von seinen Mitarbeitern 50plus so Beteiligten noch ungewohnt. w ie es geht: begeistert, dass er auch andere Firmen über- Die Jüngeren in der Belegschaft zeugen will. Er hat das so genannte Bellheim- müssen erst lernen, ihre älteren Stellenanzeigen für Ältere Netzwerk gegründet. Wie der von Mario Adorf Kollegen nicht mehr mit dem „Alte Hasen unter den Diplom-Ingenieuren ge- im Film „Der große Bellheim“ verkörperte Spruch: „Na, immer noch nicht sucht“, so heißt es von der Plaut Unternehmens- Kaufhauschef will er Ruheständler reaktivie- im wohlverdienten Ruhe- beratung. Sie hält nach Professionals mit Erfah- ren: Unter www.bellheim-netzwerk.de können stand?“ zu begrüßen. Trainer rung im Auftrag eines Anlagenbauers Ausschau. sich ältere Manager auf Jobsuche registrieren oder Berater können als Mode- Auch die Fundus-Immobiliengruppe sagt in ih- lassen, interessierte Arbeitgeber suchen dann rator von divers besetzten ren Stellenanzeigen: „Eine zweite Karriere fin- in der Datenbank. 700 Einträge von Job-Kan- Workshops dafür sorgen, dass den Sie bei uns auch jenseits der 40 oder 50.“ didaten enthält sie bereits, und Anfragen von die Kommunikation zwischen Das Unternehmen sucht mit diesem Text spezi- Firmenseite gibt es ebenfalls schon. den verschiedenen Alters- alisierte Berater. Mit den Worten „Neue Karriere gruppen in Gang kommt. „Ein gefällig? … Sie kennen das Geschäftsleben, wis- Zeitarbeit für Arbeitnehmer im Rentenalter Externer beherrscht die nöti- sen Menschen einzuschätzen und zu motivie- Auch in den Niederlanden soll die Intelligenz gen Werkzeuge, und kann sich ren. Wir schätzen Ihre langjährige Erfahrung“ 50plus nicht brach liegen. Arbeitskräfte sind voll in den Dienst wirksamer geht Pirtek, ein Franchiseunternehmen hier deutlich knapper als in Deutschland – Kommunikation stellen“, sagt (www.pirtek.de) auf Partnersuche. Unternehmen müssen neue Wege finden, ih- Personalberaterin Monika ren Bedarf zu decken. Der Markt für Zeitarbeit Birkner. stellt sich auf diesen Bedarf ein: Das Uiztend- bureau 65+ ist darauf spezialisiert, Arbeit- Neue Karrieremodelle sind nehmern im Rentenalter eine Stelle in der Zeit- gefragt arbeit zu vermitteln. Büros für diese Dienst- leistung gibt es überall in den Niederlanden. Mixed-Age-Workforce-Unter- Auf der Homepage des Unternehmens nehmen brauchen auch neue (www.65plus.nl) strahlen Besuchern glückli- Karrieremodelle. Denn: Wenn che 67- und 69-Jährige entgegen, die weiter im nicht, wie bisher, ein Großteil Jobleben sind: In den Niederlanden gehört der Mitarbeiter spätestens mit zum Alltag, was in Deutschland sehr selten ist: 55 ausscheidet, wird es eng im Noch leisten wir uns den Luxus, 62 Prozent Beförderungskegel, es kann we- unserer 55- bis 66-Jährigen nicht mehr arbei- niger gut nachgerückt werden. ten zu lassen. axg „Wenn alle Führungskraft wer- Foto: Digital Vision Innovative den wollen, entsteht erhebli- Unternehmen cher Druck“, warnt Irit Kock, wissen den Kom- p etenzvorsprung Trainerin und Beraterin bei der d urch Erfahrung wollen, und fit genug sind. Um und jüngere Mitarbeiter in Teams zusammen- CSC Ploenzke Akademie, wieder zu würdi- den besonderen Bedürfnissen finden müssen und 55-Jährige noch mindestens Kiedrich. Es sei die Aufgabe der gen. dieser Altersklasse entgegenzu- zehn Jahre Arbeitsleben vor sich haben, ergeben Personalabteilungen, mit Un- kommen, werden Teilzeitarbeit sich viele neue Aufgaben, die Unternehmen nur terstützung von PE-Beratern und Job-Sharing angeboten. mit externer Unterstützung bewältigen können. angepasste Berufswege zu schaffen. Modelle, bei denen Mitarbeiter-Management Die große Linie für die anstehenden Verände- Karriere nicht nur Aufstieg, verändert sich rungen beschreibt Frank Quirll, Personal- sondern auch Anerkennung ei- manager der Kaufhof Warenhaus AG, Köln: nes breiteren Wissens und Für Berater und Trainer ergibt „Viele Unternehmen werden erkennen, dass Al- Könnens bedeutet, seien ge- sich aus der Alterswende eine ters-Diversity ein Vorteil ist.“ In der täglichen fragt. Ziel, so Kock: „Karriere Fülle von Chancen: Unterneh- Praxis kann sich etwa die gemischte Zusam- dient dazu, dem Mitarbeiter men gehen in den kommenden mensetzung von Projektteams als Plus erweisen: Wertschätzung entgegenzu- Jahren in einen Veränderungs- Sie ist der Nährboden für gute Ideen und Aktio- bringen, ihm Perspektive zu prozess. Er berührt weite Teile nen. „Änderungsfreude der Jüngeren und bieten und ihn damit an das des Mitarbeiter-Managements. Detailwissen und Erfahrung der Älteren sind Wenn in den Belegschaften das eine gute Mixtur“, sagt Quirll, der sich in Pro- Durchschnittsalter steigt, ältere jekten mit der Zusammenarbeit von Jung und Alt beschäftigt. 92 managerSeminare C Heft 59 C September 2002
Unternehmen zu binden.“ Das sei eine Alterna- tive zum Streben nach Eckbüro und Sternen auf den Schultern. Ältere Mitarbeiter brauchen zudem von Zeit zu Zeit Unterstützung bei der Standortbestim- mung: „Wer Jahrzehnte im selben Unternehmen gearbeitet hat, braucht Antworten auf die Fra- gen: Wo stehe ich? Was kann ich heute? Wo muss ich dazu lernen?“, beschreibt Kock die Agenda für das Coaching der Mitarbeiter im Al- ter 50plus. Denn: Ältere Mitarbeiter würden dazu neigen, ihre Leistung zu unterschätzen. „Änderungsfreude der Jüngeren und Detail- wissen und Erfahrung der Älteren sind eine gute Mixtur.“ Dr. Frank Quirll von der Kaufhof Warenhaus AG, Köln. Kontakt: Frank.Quirll@kaufhof.de „Dann muss ihnen das Coaching erst wieder zeigen: Du bist wichtig für die Organisation“, sagt Monika Birkner. Trainingsbedarf entsteht beim Thema Jung führt Alt Auch zu einem anderen Thema wird es künftig viel Trainingsbedarf geben: Jung führt Alt. Denn: Die neue Alters-Diversität wird es mit sich bringen, dass junge Chefs Mitarbeiter füh- ren müssen, die viel älter sind als sie selbst. Das ist zwar auch heute in manchen Unternehmen schon so, aber in den kommenden fünfzehn Jahren wird Jung führt Alt zum Massen-Phäno- men: Linien- und Stabsmitarbeiter bleiben über die 55 Jahre hinaus im Geschäft – wollen mitunter aber die aufreibenden Führungsjobs den Jüngeren überlassen. „Lebenserfahrung und Tatendrang sollen nicht aufeinander-prallen, sondern zu einem produk- tiven Miteinander werden“, beschreibt Irit Kock von der CSC Ploenzke Akademie die Agenda. Die meisten Mittdreißiger seien nicht darauf vorbereitet, 59-jährige Mitarbeiter zu führen, die einen Vorsprung an Erfahrung haben und das Unternehmen besser kennen. Das wird sich ändern müssen. Allmählich wird sich der Ge- danke durchsetzen: Mitarbeiter 50plus gehören zu den wichtigsten Ressourcen. Die Zeit der Frühpensionierungen ist bald vorbei. Axel Gloger C managerSeminare C Heft 59 C September 2002 93
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