Perspektive statt Pension - Alters-Diversity

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Perspektive statt Pension - Alters-Diversity
development

Alters-Diversity

Perspektive statt
Pension
Die demographische Entwicklung hinterlässt ihre Spuren
in der Arbeitswelt: Schon bald wird es nicht mehr
genügend junge Arbeitnehmer geben, der Fokus der
Unternehmen muss sich auf die Älteren richten.

Personalmanagement und Personalentwicklung stehen
damit vor neuen Herausforderungen. Was auf sie
zukommt, erläutert managerSeminare.
                                                                                      Foto: getty image

Ä
           ußerlich sehen die                      Weg in die Arbeitswelt der Zu-
           Geschäfte aus wie alle                  kunft: Die Bevölkerung altert.
           anderen: The Com-                       In wenigen Jahren sind alle
           puter World ist eine                    Baby-Boomer über 40 Jahre alt.
           Kette von PC-Läden.                     Ins Arbeitsleben nachwachsen-
A ber die Mitarbeiter machen                       de Twentysomethings gibt es
den Unterschied: Hier sind alle                    dann weniger und weniger.
50 Jahre und älter. Senioren als                   Konsequenz: „Der Jugendwahn
Computer-Verkäufer, das ist                        der späten achtziger und frü-
Standard bei The Computer                          hen neunziger Jahre findet kei-
World, einem britischen Unter-                     ne Nahrung mehr“, so die Pro-
nehmen mit bald 150 Filialen                       gnose von Lothar Heimeier,
auf der ganzen Insel. Auch                         Mitinhaber der Personal-
andernorts werden ältere Mit-                      beratung Heimeier & Partner,
arbeiter nicht auf das Abstell-                    Stuttgart.
gleis Frührente geschoben. Die
Supermarktkette Netto privile-                     Die Alterswende beginnt
giert Erfahrung: In der Filiale
in Berlin-Friedrichsfelde wer-                     Die Arbeitswelt wird sich auf
den nur Mitarbeiter beschäf-                       die Alterswende vorbereiten
tigt, die 45 Jahre und älter sind.                 müssen. Lange geübtes Verhal-
                                                   ten steht zur Disposition: „Mit-
Was Netto und The Computer                         arbeitern im Alter Anfang 50
World vormachen, weist den

86   managerSeminare C   Heft 59   C   September 2002
Perspektive statt Pension - Alters-Diversity
managerSeminare C   Heft 59   C September 2002 87
development

                                                   mit dem Vorruhestand zu winken, wird nicht       sprochen - und das nicht nur, weil in den sonst
                                                   mehr funktionieren“, sagt Monika Birkner, Per-   üblichen Altersgruppen keine Mitarbeiter zu
                                                   sonalberaterin in Frankfurt/M., die auf die Inte-finden sind. Weiterer wichtiger Grund: Mitar-
                                                   gration älterer Arbeitnehmer spezialisiert ist.  beiter 50plus machen die Belegschaft produkti-
                                                                                                    ver. Die Fluktuation in dieser Altersklasse be-
                                                   Neue Stellen nur mit 25- bis 30-Jährigen zu be- trägt nur vier Prozent im Jahr - im Vergleich:
                                                   setzen hat keine Zukunft mehr. Die Organisati- Sonst liegen die Fluktuationsraten bei zehn bis
                                                   on mit einer verkürzten Alterspyramide, die nur 17 Prozent in der Branche. Durch den verrin-
                                                   von 20 bis 49 reicht, ist schon so gut wie Ver-  gerten Mitarbeiter-Abgang spart Nationw ide 10
                                                   gangenheit. Ab 2003 wird der Anteil der 31- bis Mio. Euro pro Jahr an Trainings- und
                                                   49-Jährigen unter den Arbeitnehmern nur noch Rekrutierungskosten.
                                                   eine Richtung haben: nach unten. Nur ältere Ar-
                                                   beitnehmer werden dann noch in ausreichender Mitarbeiter binden statt Neue einstellen
                                                   Zahl zur Verfügung stehen. Personalmanage-
                                                   ment, Berater und Trainer werden sich auf die    Lebenslange Beschäftigung wird bald wieder in
                                                   neuen Realitäten einstellen müssen.              sein. Denn: Mitarbeiter werden auf breiter
                                                                                                    Front knapp. Gastronomie, Sozial-Dienstleister,
                                                   Viele Branchen bekommen darauf schon einen Handel, Handwerk und viele Mittelständler aus
                                                   Vorgeschmack. Beispiel Fahrion Engineering:      allen Branchen können schon heute ihren Mit-
                                                   Das 100-Mitarbeiter-Unternehmen schrieb Stel- arbeiter-Bedarf nicht befriedigen, ermittelte der
                                                   len für Diplom-Ingenieure aus. Die Anzeige war DIHK in einer Befragung. Andere Branchen
                                                   wie alle Anzeigen: Angesprochen wurden Junge wird es ebenso treffen, wenn ab Mitte 2003 die
                                                   und Berufsanfänger, lernhungrige Novizen mit anziehende Konjunktur auf den Arbeitsmarkt
„Lebenserfahrung und                               Sprachkenntnissen und gutem Diplom. Das Er- durchwirkt. Die Folge: Mitarbeiter binden wird
Tatendrang sollen nicht                            gebnis der Aktion: Null Zuschriften. Enttäu-     wieder wichtig – denn jeder, der geht, ist nur
                                                   schung.                                          noch schwer oder gar nicht zu ersetzen. Es wird
aufeinanderprallen, sondern                                                                         im Überlebensinteresse von Arbeitgebern lie-
zu einem produktiven                               Gezielt ältere Mitarbeiter rekrutieren           gen, gute Mitarbeiter zu halten und sich den oft
Miteinander werden.“                                                                                erfolglosen Weg auf den Arbeitsmarkt zu erspa-
                                                   Daraufhin änderte das Ingenieurbüro mit Sitz     ren. Bewährte Kräfte müssen also eine Perspek-
Irit Kock, Trainerin und Beraterin bei             in Kornwestheim seine Strategie: Interessenten tive bekommen, über Jahrzehnte für dasselbe
der CSC Ploenzke Akade mie, Kiedrich.
Kontakt: ikock@csc.c om                            im Alter 45plus wurden ausdrücklich eingela-     Unternehmen zu arbeiten.
                                                   den, sich zu bewerben. Ergebnis: Stapelweise
                                                   Zuschriften von älteren Ingenieuren. Fahrion     Ein Beispiel liefert DSM, ein Hersteller von
                                                   stellte drei ein, und machte gute Erfahrungen    Spezialchemie: Heute sind 60 Prozent der Mit-
                                                   mit den Senioren, die in internationalen Projek- arbeiter über 40 Jahre alt – vor zehn Jahren wa-
                                                   ten eingesetzt werden. Die Praxis bei Fahrion    ren es nur halb so viele. Das niederländische
                                                   Engineering ist richtungsweisend. Wegen der      Unternehmen mit Sitz in Sittard bietet seinen
                                                   Knappheit der jüngeren Mitarbeiter müssen        Mitarbeitern den Weg in eine zweite Karriere.
                                                   Unternehmen lernen, gezielt Ältere auf dem Ar- Normalerweise würden Arbeiter im Schicht-
                                                   beitsmarkt anzusprechen und den Rekrutie-        dienst nach 20 bis 25 Jahren in die Frührente
                                                   rungsprozess darauf einzustellen.                gehen, genauso wie gewerbliche Arbeitnehmer.
                                                                                                    Aber an allen Standorten gibt es mehr offene
                                                   Ein anderer Pionier der 50plus-Rekrutierung ist Stellen als Bewerber. Aus dieser Not macht DSM
                                                   der Textilunternehmer Werner Brandenbusch        eine Tugend: Man rekrutiert intern, Zielgruppe
                                                   aus Willich bei Düsseldorf. Er setzt auf die be- Ältere. Die bekommen neue Jobs statt Frühren-
                                                   sonderen Stärken der Generation Silberhaar:      te. Schichtdienstler aus der Produktion im Alter
                                                   „Ich stelle lieber drei 60-Jährige als einen 30- von 50 wechseln zum Beispiel in den Verkaufs-
                                                   Jährigen ein“. Die meisten seiner Mitarbeiter    Innendienst. So können Kräfte, die Unterneh-
                                                   sind über 50. Sein jüngster Coup: Er holte einen men und Produkte kennen, über weitere zehn
                                                   61-Jährigen aus dem Ruhestand zurück, der sich bis 15 Jahre gehalten werden.
                                                   schon auf ein Leben als Golf spielender Rentner
                                                   eingestellt hatte. „Der rödelt jetzt wieder und  Schulungen für Ältere anbieten
                                                   hat eine Riesenfreude dabei“, sagt Branden-
                                                   busch, der den Senior zum erfolgreichen Leiter Lebenslanges Lernen gewinnt weiter an Ge-
                                                   seines Chauffeurdienstes gemacht hat.            wicht: Die Halbwertszeit des Wissens wird
                                                                                                    immer kürzer. Mitarbeiter, die vor 20 oder 30
                                                   Auch Nationw ide arbeitet so: Die Bausparkasse Jahren ihre Berufsausbildung beendet bzw. die
                                                   in Großbritannien rekrutiert vorzugsweise Mit- Universität verlassen haben, müssen nachlernen.
                                                   arbeiter 50plus: Für IT-Funktionen wird gezielt
                                                   diese Altersklasse auf dem Arbeitsmarkt ange-

88   managerSeminare C   Heft 59   C   September 2002
Personalmanagement der Zukunft
In Zukunft werden nur noch ältere Mitarbeiter   A Diversity: Unternehmen
in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Die müssen das Miteinander von
geänderte Realität stellt das Personalmanage-   Jung und Alt fördern. Projekt-
ment vor neue Herausforderungen:                teams werden gemischt zu-
                                                sammengesetzt: Die Ände-
A Rekrutierung: Es müssen gezielt ältere Mitar- rungsfreude der Jüngeren wird
beiter angesprochen und eingestellt werden.     mit dem Detailwissen und der
                                                Erfahrung der Älteren zusam-
A Retention: Mitarbeiterbindung wird zu         mengebracht.
Personalreserve. Älteren Mitarbeitern muss eine
Perspektive im Unternehmen geboten bzw. ein A Arbeitsmodelle: Für ältere
zweiter Karriereweg offeriert werden.           Mitarbeiter braucht es Ar-
                                                beitskonzepte, die flexibel
A Qualifikation: Auch Ältere müssen sich wei- sind, die ein geringeres Ar-
terbilden können. Ihren Bedürfnissen entspre- beitspensum zulassen bzw. ein
chende Lernangebote sind vonnöten.              Arbeiten mit weniger Stress
                                                ermöglichen.

                                                       A Pensionierung: Das defini-
                                                       tive Arbeitsende wird in den
                                                       nächsten Jahren nach hinten
                                                       verschoben. Die verschobene
                                                       Pensionsgrenze wird sich als
                                                       Mittel zur Erweiterung der
                                                       Personalressourcen erweisen –
                                                       überall da, wo sonst keine zu-
                                                       sätzlichen Mitarbeiter mehr zu
                                                       bekommen sind.             nbu

„Mitarbeitern im Alter Anfang 50 mit                   teilnehmer bei sieben Prozent,
dem Vorruhestand zu winken, wird nicht                 ermittelte das Statistische Bun-
                                                       desamt für 2000.
mehr funktionieren.“
Monika Birkner, Personalberaterin in Frankfurt/Main.   Alle unter 40-Jährigen dagegen
Kontakt: mailto@monika-birkner.de                      glänzen mit satten zweistelligen
                                                       Prozentraten – von 20- bis 30-
                                                       Jährigen gehen 32 Prozent je-
Nur dann können sie ihren Arbeitgebern für             des Jahr in die Weiterbildung.
weitere Jahre als Leistungsträger erhalten blei-       Wulff Plinke, Leiter des Univer-
ben.                                                   sitätsseminars der Wirtschaft
                                                       (USW), Erftstadt, bestätigt das
Die heutige Situation am Weiterbildungsmarkt           mit seinem Eindruck: „Bil-
muss verändert werden, um den Bedürfnissen             dungswillige über 40 erreichen
der lernenden Alten entgegenzukommen.                  w ir mit unseren Angeboten
Denn: Weiterbildung für Mitarbeiter im Alter           nicht.“
40plus gibt es heute kaum. Zahlen vom Markt
zeigen den Mangel, der auf eine Zweiteilung des        Bedürfnisse der Älteren bei
Marktes hinausläuft. Arbeitnehmer bis 39 ler-          Lernangeboten berücksichtigen
nen viel. Mitarbeiter über 40 Jahre nur sehr sel-
ten: Von den 50- bis 55-Jährigen nehmen nur            Hier wird die Weiterbildungs-
noch fünf Prozent pro Jahr an Schulungen teil.         praxis für Veränderungen sor-
Bei den 45- bis 50-Jährigen sieht es nicht viel        gen müssen. Lernangebote und
besser aus, hier liegt die Rate der Schulungs-

                                                                                          managerSeminare C   Heft 59   C September 2002 89
development

                  -formate, die den Ansprüchen          Wie die Praxis diese Anforderung aufgreifen         Auch beim 22.000-Mitarbeiter-
                  von Mitarbeitern im Alter             kann, zeigt der Fall von David Coles: Für den       Unternehmen DSM ist Schu-
                  50plus gerecht werden, sind ge-       61-Jährigen stand eine Neuorientierung im Be-       lung für ältere Mitarbeiter Pra-
                  fragt. Wesentliche Anforde-           ruf an. Der Programmierer kam bei seinem al-        xis: Schichtarbeiter, die in den
                  rung: Wer ältere Mitarbeiter          ten Arbeitgeber nicht mehr weiter – und gab         Verkauf wechseln, bekommen
                  weiterbilden will, muss an ihr        sich wenig Chancen für einen neuen Job. Bis das     eine Weiterbildung. Sie absol-
                  Vorw issen und ihre Erfahrung         Angebot von Halifax kam: Die britische Bank         vieren ein Fernstudium mit
                  anknüpfen – denn: „In den auf         mit Zweigstellen im ganzen Land suchte hände-       dem Schwerpunkt Marketing
                  dem Markt meist angebotenen           ringend Computerprogrammierer. Sie stellte          und Vertrieb, das die Firma be-
                  Programmen für Anfänger               Coles und andere neue Mitarbeiter im Alter          zahlt. Vorteile haben beide Sei-
                  oder Young Professionals füh-         50plus ein und trainierte sie erst einmal, um de-   ten: Durch die Zweitausbildung
                  len sich die Silberhaar-An-           ren Wissen auf den aktuellen Stand zu bringen.      verbessern sich die Beschäfti-
                  gestellen nicht wohl“, sagt           So war es für Coles kein Problem, sich den An-
                  Monika Birkner.                       forderungen der neuesten IT-Generation anzu-
                                                        passen.

                    Auf die Alterswende vorbereitet?
                    EFA – Vorbild in Großbritannien                              BDI und BDA – erste Meinungsäußerungen

                    Pionier beim Thema alternde Belegschaft ist das              Auf Seiten der Arbeitgeber ist es noch recht still
                    Employers Forum on Age (EFA). Diese Organisa-                um das Thema. Bisher gibt es nur einige
                    tion wurde schon 1996 gegründet und will Ar-                 Meinungsäußerungen von Verbänden. Dieter
                    beitgeber auf die „Mixed-Age-Workforce“ vorbe-               Hundt, Präsident der Bundesvereinigung Deut-
                    reiten. „Wir helfen Unternehmen, den Altersmix               scher Arbeitgeberverbände (BDA), forderte die
                    und die Fähigkeiten der Mitarbeiter zu managen.              Unternehmen dazu auf, über ein verlängertes
                    Wir setzen uns dafür ein, Hürden für eine alters-            Arbeitsleben für ihre Mitarbeiter nachzudenken.
                    gemischte Belegschaft in Ausbildung, Training                Der Bundesverband der Deutschen Industrie leg-
                    und Rekrutierung zu beseitigen“, heißt es im Mis-            te sein Thesenpapier „Acht BDI-Thesen zur Ein-
                    sion-Statement des EFA, das in Großbritannien                wanderungspolitik“ vor. Die Prognose: Wenn der
                    arbeitet. 160 Unternehmen sind Mitglied, sie re-             Arbeitskräfte-Bedarf der Zukunft allein im In-
                    präsentieren zehn Prozent aller britischen Arbeit-           land gedeckt werden soll (ohne Einwanderung),
                    nehmer.                                                      dann müsse das Rentenalter auf 77 angehoben
                                                                                 werden.

                    50plus – Zaghafte Initiative der BfA                         Unternehmen – bislang noch ignorant

                    In Deutschland ist die Wirtschaft noch nicht so              Viele Unternehmen ignorieren derweil das The-
                    weit. Das Arbeitsamt startete eine zaghafte Initia-          ma weiter. Die Konzernw irtschaft tut so, als gäbe
                    tive: Mit einem vergleichsweise kleinen Budget               es die Alterswende nicht: Ein großer Teil der Dax-
                    von 1 Mio. Euro ausgestattet gibt es die Kampag-             100-Unternehmen entlässt Mitarbeiter gleich in
                    ne „50plus. Die können es“ von der Bundesan-                 Hunderter-Paketen. Wie immer, wenn die Beleg-
                    stalt für Arbeit. Das Info-Portal im Internet                schaft reduziert wird, sind ältere Mitarbeiter
                    (www.arbeitsamt.de/aeltere) informiert Unter-                besonders betroffen. Auch die Bundesregierung
                    nehmen darüber, was nach der Alters-Wende auf                hat die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt – das
                    ihr Personalmanagement zukommt und gibt                      Kabinett Schröder setzt fleißig auf Entwertung
                    Ratschläge für die Mixed-Age-Workforce.                      der Humanressourcen durch Frührente: Die Ab-
                                                                                 schiebung der 55-Jährigen aus dem Arbeitsleben
                                                                                 wird durch das Altersteilzeit-Programm weiter
                                                                                 subventioniert: Arbeitsämter zahlen dafür 250
                                                                                 Mio. Euro pro Jahr an die Unternehmen – und
                                                                                 das trotz der Kampagne „50 Plus. Die können es“
                                                                                 aus gleichem Hause.                           axg C

90   managerSeminare C   Heft 59   C   September 2002
gungsmöglichkeiten für Ältere. DSM profitiert,
weil langfristig mehr Mitarbeiter da sind, ohne     Der War for Experience
neue einzustellen.
                                                    Der war for Talents wird abge-    Datumsumstellung möglicherweise nicht über-
Neue Arbeitsmodelle für Ältere schaffen             löst durch den War for            lebt hätten, wurden reihenweise längst ausge-
                                                    Experience. So lautet             musterte Informatiker reaktiviert. Eine Hand-
Aber nicht nur auf die Weiterbildungsbedürf-        zumindest eine These der          lung mit Symbolcharakter, wie Dr. Andreas
nisse der Älteren müssen sich die Unternehmen       neuen Studie „Megatrend Rei-      Giger, Autor der Studie, findet: Ausgerechnet in
einstellen, sondern auch auf deren Arbeitsvor-      fe“ aus dem Zukunftsinstitut,     der schnelllebigen Computerbranche wurde
lieben: Mitarbeiter 50plus bleiben gerne im Job,    Kelkheim. Und es gibt auch        Erfahrungswissen gebraucht.
wollen aber das Stressniveau reduzieren. Sechs-     schon Anzeichen dafür. Das
Tage-Arbeitswochen, Bürozeiten von acht Uhr         deutlichste mag der schon fast    Dennoch, so zeigt das Kapitel „Silver-Age und
morgens bis 21 Uhr abends wie bei karriere-         vergessene Millenium Bug ge-      Arbeitsmarkt“, herrscht beim Thema Ältere
hungrigen Young Professionals werden von älte-      liefert haben: Um die alten       noch große Unsicherheit: Das heutige offizielle
ren Angestellten weniger nachgefragt.               Programme zu retten, die die      Rentenalter hat unter den zukunftssensiblen
                                                                                      Menschen – so werden die für die Trendstudie
Unternehmen fehlt es oft jedoch an Arbeitszeit-                                       Befragten genannt – noch viele Anhänger. Über-
modellen, die diesen Bedarf aufgreifen. Beispiel                                      zeugt ist jedoch der Großteil, das sich die
Deutsche Bank: „Wir haben 80-Stunden-                                                 Lebensarbeitszeit verlängert – ob wir wollen
Arbeitswochen“, beschreibt Clemens Börsig,                                            oder nicht. Als Grund wird vorwiegend die
Finanzvorstand der Deutschen Bank, die                                                Rentenproblematik genannt. Die Verknappung
Arbeitssituation im Investment-Banking. Alle                                          junger Arbeitskräfte wird indes noch nicht als
schaffen 130 Prozent – andere Wege gebe es                                            Zukunftsthema wahrgenommen.                  nbu
noch nicht, sagte Börsig bei der Konferenz
Women in European Business in Frankfurt/
Main: „Es gibt nur die Auswahl zwischen ganz                                          Dr. Andreas Giger : Megatrend Reife.
oder gar nicht.“ Konsequenz für abweichende                                           Business-Chancen in der älteren Ge-
                                                                                      sellschaft. Kelkheim Juni 2002, 86 Sei-
Arbeitszeit-Interessen: Die Bank müsse Mitar-                                         ten, ISBN 3-934429-35-1, 100 Euro,
beiter auf null stellen, obwohl sie noch einen                                        www.zukunftsinstitut.de
60- oder 80-Prozent-Job übernehmen könnten.
„Ich habe für dieses Thema noch kein Rezept“,
bedauert Börsig.
                                                    mellen Kommunikation abge-        wird in den nächsten Jahren zum Personal-In-
In Zukunft aber werden diese Rezepte ge-            schnitten werden – nur weil sie   strumentarium gehören. Sie wird sich als Mittel
braucht – damit Leistungsträger länger an Bord      eine 30-Stunden-Woche arbei-      zur Erweiterung der Personalressourcen erwei-
bleiben können. Für die Praxis heißt das: flexi-    ten.                              sen, wo sonst keine zusätzlichen Mitarbeiter
bel arbeiten, Pensum reduzieren. Teilzeit-Mo-                                         mehr zu bekommen sind.
delle werden für einfache Angestellte ebenso        Pensionierung wird nach
wichtig wie für Manager, weil sich im sechsten      hinten verschoben              Ältere Mitarbeiter werden nicht nur über die
und siebten Lebensjahrzehnt die Präferenzen                                        inzwischen übliche Grenze von 55 Jahren hin-
ändern: „Arbeit ja, aber nicht mehr jeden Tag       Mehr machen aus der bestehen- aus arbeiten. Das definitive Arbeitsende wird
jederzeit“, so lautet die Einstellung: Die Kinder   den Belegschaft, so lautet der nach hinten hinausgeschoben: Der DIHK for-
sind aus dem Haus, der Baukredit längst abbe-       Imperativ der Minus-Gesell-    dert bereits ein um zwei Jahre verlängertes
zahlt. Der Wohlstand ist gesichert.                 schaft. Wenn am Arbeitsmarkt Arbeitsleben, der Verband setzt sich für das
                                                    nichts mehr zu holen ist, weil Pensionsalter 67 ein. Auch Tessen von Heyde-
In dieser Situation sind Job-Angebote willkom-      alle dieselben Mitarbeiter su- breck, Personalvorstand der Deutschen Bank,
men, die Vier-Tage-Wochen oder 40 Tage zu-          chen, und die eigene Personal- ist sich der demographischen Zukunft bewusst.
sätzlichen unbezahlten Urlaub ermöglichen.          decke zu klein ist, sind unge- Mittelfristig kann er sich für die Bank vorstellen,
Hier werden viele Unternehmen innovieren            wöhnliche Lösungen gefragt.    statt der starren auch individuelle Pensions-
müssen: „Es gilt, nicht nur die neuen Arbeits-      Was nötig ist, hat Peter Dru-  regelungen einzuführen, die das Arbeitsleben
zeitkonzepte zu schaffen. Auch die Kultur muss      cker, der kalifornisch-öster-  über die Schwelle 65 Jahre hinaus verlängern.
sich ändern“, sagt Monika Birkner. Keine Orga-      reichische Management-Den-
nisation könne es sich noch länger leisten, dass    ker, schon vor einigen Jahren  Andere in der Branche gehen noch weiter:
gute Kräfte schief angesehen und von der infor-     formuliert: „Unterbevölkerung Nationwide, die britische Bausparkasse, hat die
                                                    ist das große Problem in allen bisherige Pensionsgrenze aufgehoben. Bis zum
                                                    Industrieländern. Gesunde      Alter 70 arbeiten lautet die neue Option: Die
                                                    werden bis zum Alter von 75    15.000 Mitarbeiter können über die bisherige
                                                    im Arbeitsleben bleiben.“ In   Altersgrenze von 60 hinaus arbeiten – wenn sie
                                                    der Tat: Auch die nach hinten
                                                    verschobene Pensionsgrenze

                                                                                                         managerSeminare C      Heft 59   C September 2002 91
development

                                                                                                                                 Um hier die richtigen Brücken
                                                                                                                                 zu bauen, ist externe Unterstüt-
Mitarbeiter 50plus finden und binden                                                                                             zung gefragt. Denn dass 24-
                                                                                                                                 Jährige und 63-Jähringe im
                                                                                                                                 Team etwas zu sagen haben,
Immer häufiger werden Unternehmen künftig        Jobdatendank für Ältere                                                         dass Neulinge und alte Hasen
auf erfahrene Kräfte jenseits der 50 setzen. Eini-
                                                 Der Unternehmer Werner Brandenbusch aus                                         gemeinsam arbeiten, ist für die
ge innovative Unternehmen zeigen heute schon,    Willich ist von seinen Mitarbeitern 50plus so                                   Beteiligten noch ungewohnt.
w ie es geht:                                    begeistert, dass er auch andere Firmen über-                                    Die Jüngeren in der Belegschaft
                                                 zeugen will. Er hat das so genannte Bellheim-                                   müssen erst lernen, ihre älteren
Stellenanzeigen für Ältere                       Netzwerk gegründet. Wie der von Mario Adorf                                     Kollegen nicht mehr mit dem
„Alte Hasen unter den Diplom-Ingenieuren ge- im Film „Der große Bellheim“ verkörperte                                            Spruch: „Na, immer noch nicht
sucht“, so heißt es von der Plaut Unternehmens- Kaufhauschef will er Ruheständler reaktivie-                                     im wohlverdienten Ruhe-
beratung. Sie hält nach Professionals mit Erfah- ren: Unter www.bellheim-netzwerk.de können                                      stand?“ zu begrüßen. Trainer
rung im Auftrag eines Anlagenbauers Ausschau. sich ältere Manager auf Jobsuche registrieren                                      oder Berater können als Mode-
Auch die Fundus-Immobiliengruppe sagt in ih- lassen, interessierte Arbeitgeber suchen dann                                       rator von divers besetzten
ren Stellenanzeigen: „Eine zweite Karriere fin-  in der Datenbank. 700 Einträge von Job-Kan-                                     Workshops dafür sorgen, dass
den Sie bei uns auch jenseits der 40 oder 50.“   didaten enthält sie bereits, und Anfragen von                                   die Kommunikation zwischen
Das Unternehmen sucht mit diesem Text spezi- Firmenseite gibt es ebenfalls schon.                                                den verschiedenen Alters-
alisierte Berater. Mit den Worten „Neue Karriere                                                                                 gruppen in Gang kommt. „Ein
gefällig? … Sie kennen das Geschäftsleben, wis- Zeitarbeit für Arbeitnehmer im Rentenalter                                       Externer beherrscht die nöti-
sen Menschen einzuschätzen und zu motivie-       Auch in den Niederlanden soll die Intelligenz                                   gen Werkzeuge, und kann sich
ren. Wir schätzen Ihre langjährige Erfahrung“    50plus nicht brach liegen. Arbeitskräfte sind                                   voll in den Dienst wirksamer
geht Pirtek, ein Franchiseunternehmen            hier deutlich knapper als in Deutschland –                                      Kommunikation stellen“, sagt
(www.pirtek.de) auf Partnersuche.                Unternehmen müssen neue Wege finden, ih-                                        Personalberaterin Monika
                                                 ren Bedarf zu decken. Der Markt für Zeitarbeit                                  Birkner.
                                                 stellt sich auf diesen Bedarf ein: Das Uiztend-
                                                 bureau 65+ ist darauf spezialisiert, Arbeit-                                    Neue Karrieremodelle sind
                                                 nehmern im Rentenalter eine Stelle in der Zeit-                                 gefragt
                                                 arbeit zu vermitteln. Büros für diese Dienst-
                                                 leistung gibt es überall in den Niederlanden.                                   Mixed-Age-Workforce-Unter-
                                                 Auf der Homepage des Unternehmens                                               nehmen brauchen auch neue
                                                 (www.65plus.nl) strahlen Besuchern glückli-                                     Karrieremodelle. Denn: Wenn
                                                 che 67- und 69-Jährige entgegen, die weiter im                                  nicht, wie bisher, ein Großteil
                                                 Jobleben sind: In den Niederlanden gehört                                       der Mitarbeiter spätestens mit
                                                 zum Alltag, was in Deutschland sehr selten ist:                                 55 ausscheidet, wird es eng im
                                                 Noch leisten wir uns den Luxus, 62 Prozent                                      Beförderungskegel, es kann we-
                                                 unserer 55- bis 66-Jährigen nicht mehr arbei-                                   niger gut nachgerückt werden.
                                                 ten zu lassen.                               axg                                „Wenn alle Führungskraft wer-
                                                        Foto: Digital Vision
Innovative                                                                                                                       den wollen, entsteht erhebli-
Unternehmen                                                                                                                      cher Druck“, warnt Irit Kock,
wissen den Kom-
p etenzvorsprung                                                                                                                 Trainerin und Beraterin bei der
d urch Erfahrung   wollen, und fit genug sind. Um                              und jüngere Mitarbeiter in Teams zusammen-        CSC Ploenzke Akademie,
wieder zu würdi-   den besonderen Bedürfnissen                                 finden müssen und 55-Jährige noch mindestens      Kiedrich. Es sei die Aufgabe der
gen.
                   dieser Altersklasse entgegenzu-                             zehn Jahre Arbeitsleben vor sich haben, ergeben   Personalabteilungen, mit Un-
                   kommen, werden Teilzeitarbeit                               sich viele neue Aufgaben, die Unternehmen nur     terstützung von PE-Beratern
                   und Job-Sharing angeboten.                                  mit externer Unterstützung bewältigen können.     angepasste Berufswege zu
                                                                                                                                 schaffen. Modelle, bei denen
                   Mitarbeiter-Management            Die große Linie für die anstehenden Verände-                                Karriere nicht nur Aufstieg,
                   verändert sich                    rungen beschreibt Frank Quirll, Personal-                                   sondern auch Anerkennung ei-
                                                     manager der Kaufhof Warenhaus AG, Köln:                                     nes breiteren Wissens und
                   Für Berater und Trainer ergibt „Viele Unternehmen werden erkennen, dass Al-                                   Könnens bedeutet, seien ge-
                   sich aus der Alterswende eine     ters-Diversity ein Vorteil ist.“ In der täglichen                           fragt. Ziel, so Kock: „Karriere
                   Fülle von Chancen: Unterneh- Praxis kann sich etwa die gemischte Zusam-                                       dient dazu, dem Mitarbeiter
                   men gehen in den kommenden mensetzung von Projektteams als Plus erweisen:                                     Wertschätzung entgegenzu-
                   Jahren in einen Veränderungs- Sie ist der Nährboden für gute Ideen und Aktio-                                 bringen, ihm Perspektive zu
                   prozess. Er berührt weite Teile nen. „Änderungsfreude der Jüngeren und                                        bieten und ihn damit an das
                   des Mitarbeiter-Managements. Detailwissen und Erfahrung der Älteren sind
                   Wenn in den Belegschaften das eine gute Mixtur“, sagt Quirll, der sich in Pro-
                   Durchschnittsalter steigt, ältere jekten mit der Zusammenarbeit von Jung und
                                                     Alt beschäftigt.

92   managerSeminare C   Heft 59   C   September 2002
Unternehmen zu binden.“ Das sei eine Alterna-
tive zum Streben nach Eckbüro und Sternen auf
den Schultern.

Ältere Mitarbeiter brauchen zudem von Zeit zu
Zeit Unterstützung bei der Standortbestim-
mung: „Wer Jahrzehnte im selben Unternehmen
gearbeitet hat, braucht Antworten auf die Fra-
gen: Wo stehe ich? Was kann ich heute? Wo
muss ich dazu lernen?“, beschreibt Kock die
Agenda für das Coaching der Mitarbeiter im Al-
ter 50plus. Denn: Ältere Mitarbeiter würden
dazu neigen, ihre Leistung zu unterschätzen.

                                   „Änderungsfreude der
                                   Jüngeren und Detail-
                                   wissen und Erfahrung
                                   der Älteren sind eine
                                   gute Mixtur.“
                                   Dr. Frank Quirll von der Kaufhof
                                   Warenhaus AG, Köln. Kontakt:
                                   Frank.Quirll@kaufhof.de

„Dann muss ihnen das Coaching erst wieder
zeigen: Du bist wichtig für die Organisation“,
sagt Monika Birkner.

Trainingsbedarf entsteht beim Thema
Jung führt Alt

Auch zu einem anderen Thema wird es künftig
viel Trainingsbedarf geben: Jung führt Alt.
Denn: Die neue Alters-Diversität wird es mit
sich bringen, dass junge Chefs Mitarbeiter füh-
ren müssen, die viel älter sind als sie selbst. Das
ist zwar auch heute in manchen Unternehmen
schon so, aber in den kommenden fünfzehn
Jahren wird Jung führt Alt zum Massen-Phäno-
men: Linien- und Stabsmitarbeiter bleiben über
die 55 Jahre hinaus im Geschäft – wollen
mitunter aber die aufreibenden Führungsjobs
den Jüngeren überlassen.

„Lebenserfahrung und Tatendrang sollen nicht
aufeinander-prallen, sondern zu einem produk-
tiven Miteinander werden“, beschreibt Irit Kock
von der CSC Ploenzke Akademie die Agenda.
Die meisten Mittdreißiger seien nicht darauf
vorbereitet, 59-jährige Mitarbeiter zu führen,
die einen Vorsprung an Erfahrung haben und
das Unternehmen besser kennen. Das wird sich
ändern müssen. Allmählich wird sich der Ge-
danke durchsetzen: Mitarbeiter 50plus gehören
zu den wichtigsten Ressourcen. Die Zeit der
Frühpensionierungen ist bald vorbei.
                                    Axel Gloger C

                                                                      managerSeminare C   Heft 59   C September 2002 93
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