Wer zähmt den Drachen? - ME Saar

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Wer zähmt den Drachen? - ME Saar
14. August 2020

#9 / 2020
Ausgabe für die
Metall- und Elektro-Industrie

ISSN 0344-919X                     Informationen aus dem Institut der deutschen Wirtschaft                         G 11587

               Wer zähmt den Drachen?
 China. Die Volksrepublik strebt nach wirtschaftlicher Macht. Sie setzt dabei auf Unternehmenskäufe in den Industrie-
   ländern mit dem Ziel, technologisches Know-how abzugreifen. Zudem investiert Peking im Rahmen des Projekts
    „Neue Seidenstraße“ Milliardenbeträge in den Schwellen- und Entwicklungsländern, um sich dort handels- und
  geopolitische Vorteile zu sichern. Für die deutsche Wirtschaft bedeutet all dies neue Herausforderungen. Doch auch
   die Politik muss aktiv werden und auf EU-Ebene eine gemeinsame strategische Position zu China erarbeiten, sagt
                   Patricia Schetelig vom Bundesverband der Deutschen Industrie im iwd-Interview.
                                                            Seiten 2–6

Metall- und Elektro-Industrie                                   Tarifpolitik
Die Corona-Pandemie hat die Krise der M+E-Industrie             Mit ihrem von der Corona-Krise geprägten Abschluss
weiter verschärft. Dennoch haben die Unternehmen ihre           haben die Sozialpartner der Metall- und Elektro-Industrie
Arbeitsplätze bislang so weit wie möglich gesichert.            eine Blaupause für andere Branchen geschaffen.
        Seiten 8–9                                                      Seiten 10–11

      Weitere Themen +++ Verbrauchervertrauen +++ Bildungsmonitor +++ Bürobeschäftigung +++
                Top-Liste: Scheidungen in der EU +++ Neu auf iwd.de: Britische Industrie
14. August 2020 / #9 / Seite 2                                         China

Übernahmen
sorgfältig prüfen
                                 China. In den vergangenen Jahren haben chinesische Unternehmen verstärkt
                                 deutsche Firmen aufgekauft. Ein Motiv dabei dürfte gewesen sein, technologi-
                                 sches Know-how nach China zu transferieren. Dies könnte zu Wohlstandsverlus-
                                 ten führen. Dass die EU und die Bundesregierung ihre Investitionspolitik ver-
                                 schärfen, ist daher grundsätzlich sinnvoll – die Politik muss aber mit Augenmaß
                                 vorgehen.

    Bis zum Jahr 2017 war der deutsche Roboterhersteller     Direktinvestitionen: Chinas Engagement
KUKA wohl nur Branchenexperten ein Begriff. Doch mit         So viele Millionen Euro an Direktinvestitionen flossen aus
der Übernahme durch die chinesische Midea Group kam          China und Hongkong nach Deutschland
das Unternehmen in die Schlagzeilen. Spätestens seither
diskutieren Politiker und Wirtschaftsfachleute, ob und       3.000
inwieweit solche Firmenübernahmen Deutschland
                                                             2.500
schaden und wie die Bundesregierung oder die EU
darauf reagieren sollten.                                    2.000
    Das Engagement chinesischer Unternehmen in
                                                             1.500
Deutschland hat jedenfalls seit der Jahrtausendwende
deutlich zugenommen (Grafik):                                1.000
    Von 2000 bis 2009 investierten chinesische Firmen
                                                               500
pro Jahr maximal knapp 500 Millionen Euro in
Deutschland, in den Jahren danach beliefen sich die               0
                                                                      2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018
jährlichen Direktinvestitionszuflüsse häufig auf mehr
                                                              -500
als 1 Milliarde Euro.
                                                             Direktinvestitionen: ohne reinvestierte Gewinne
    Es spricht vieles dafür, dass es bei den Transaktionen   2019: erstes bis drittes Quartal
auch darum ging, technologisches Know-how nach               Quellen: Deutsche Bundesbank, Institut der deutschen Wirtschaft
                                                             © 2020 IW Medien / iwd
China zu übertragen. Schließlich hat sich das Reich der
Mitte mit der Strategie „Made in China 2025“ (MIC25)
explizit zum Ziel gesetzt, in vielen jener Branchen
technologisch aufzuholen, in denen Firmen in Deutsch-            China hatte vor allem die Autobranche, die Medizin-
land und Europa bislang im Wettbewerb vorn liegen. Die       technik sowie den Bereich computergestützte Maschinen
chinesischen Übernahmeaktivitäten passen hierzu:             und Robotik im Visier.
    Laut einer Studie für die Jahre 2014 bis 2017                Kritikern des chinesischen Engagements in Deutsch-
fanden fast zwei Drittel der größeren Beteiligungen          land werden unter anderem die Vorteile der Kapital-
chinesischer Investoren an deutschen Unternehmen             verkehrsfreiheit entgegengehalten. Und generell können
in den zehn Schlüsselbranchen statt, die in der              Investitionszuflüsse aus dem Ausland im Zielland
MIC25-Strategie genannt werden.                              tatsächlich den Kapitalstock erhöhen und neues Wachs-
China                                                                         14. August 2020 / #9 / Seite 3

 Unternehmen sehen China kritisch
 So viel Prozent der Unternehmen in Deutschland befürworten auf diesen Gebieten restriktivere Maßnahmen gegenüber China

                                                                                                                 Unternehmen, die nach              Unternehmen, die in
                                                      Insgesamt           Industrieunternehmen                   China exportieren                  China produzieren

 Einschränkung von Übernahmen
 in strategischen, technologisch                          70,3                                       73,6                                    71,3                         68,8
 bedeutenden Sektoren

 Einschränkung von subven-
 tionierten Übernahmen                                    69,9                                       71,7                                    71,3                         67,5

 Schutz gegen subventionierte
 Importe                                                 54,5                                        60,9                                    48,2                         56,4

 Befragung von mehr als 1.100 Unternehmen aus Industrie und industrienahen Dienstleistungen im Rahmen des IW-Zukunftspanels im Herbst 2018

 Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft
 © 2020 IW Medien / iwd

tum ermöglichen. Doch chinesische Direktinvestitionen                                          Drittstaaten setzt – vor allem, wenn diese Investitionen
in Europa bestehen nur zu einem sehr geringen Teil aus                                         kritische Infrastrukturen wie Wasser, Energie und den
dem Aufbau neuer Produktionsstätten und bringen kaum                                           Transportsektor betreffen, aber auch für zukunftsweisen-
neue Technologien.                                                                             de Technologien wie beispielsweise Robotik, Nano- und
    Geht die chinesische Strategie auf und holt die                                            Biotechnologien oder künstliche Intelligenz.
Volksrepublik den bisherigen technologischen Rückstand                                             Anknüpfend an die neuen EU-Regeln erleichtert auch
in hohem Tempo auf, könnte dies in den Industrieländern                                        die jüngste Reform des Außenwirtschaftsgesetzes in
– also auch in Deutschland – zu Wohlstandsverlusten                                            Deutschland die Prüfung ausländischer Investitionen.
führen. Das legen Außenhandelsmodelle nahe. Demnach                                                Das härtere Vorgehen findet hierzulande auch die
kommt es in einem Industrieland, das mit einem sich                                            Zustimmung vieler Betriebe (Grafik):
schnell entwickelnden, großen Schwellenland konkur-                                                Rund 70 Prozent der im Rahmen des IW-Zukunfts-
riert, zu Preis- und Absatzeinbußen bei Exporten, Produk-                                      panels befragten Unternehmen befürworten Maßnah-
tionsrückgängen und sinkenden Unternehmensgewin-                                               men, die Deutschland besser gegen Übernahmen aus
nen. Zwar beruhen solche ökonomischen Modelle auf                                              China schützen, wenn diese staatlich subventioniert
einer Vielzahl von Annahmen – diese erweisen sich bei                                          sind oder auf strategische, technologisch bedeutende
näherer Prüfung aber durchaus als realitätsnah.                                                Sektoren abzielen.
    Die Furcht vor Wohlstandseinbußen hätte weniger                                                Dennoch sollte die Bundesregierung – ebenso wie die
Gewicht, wenn China in Sachen Außenhandelspolitik mit                                          EU insgesamt – mit den neuen Kontrollmechanismen
den gleichen Karten spielen würde wie die meisten                                              sorgsam umgehen, um ausländische Investoren nicht
westlichen Länder. Doch unter der Führung von Staats-                                          grundsätzlich zu verschrecken. Außerdem braucht es für
präsident Xi Jinping hat die Kommunistische Partei                                             die neuen Regelungen hinreichend klare Begriffsdefini-
Chinas die Kontrolle über Wirtschaft und Gesellschaft                                          tionen und Ausführungsbestimmungen, damit künftige
weiter verstärkt und setzt mehr denn je auf Staatskapita-                                      Investoren Rechtssicherheit haben und keine übermäßi-
lismus mit verzerrtem Wettbewerb durch immer größere                                           ge Bürokratie entsteht.
Staatsfirmen und vielfältige Subventionen.
    Vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass die EU und
Deutschland bei Firmenübernahmen aus Drittstaaten                                                IW-Report 34/2020
                                                                                                 Jürgen Matthes: Unternehmensübernahmen und Technologie-
künftig genauer hinsehen. So gilt ab Oktober 2020 in der
                                                                                                 transfer durch China – Gefahrenpotenziale und Gegenmaßnahmen
EU eine neue Verordnung, die auf eine kritischere
                                                                                                 iwkoeln.de/unternehmensuebernahmen
Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen aus
14. August 2020 / #9 / Seite 4                                 China: Interview

                                 Interview. Spätestens zum 100-jährigen Jubiläum 2049 will die Volksrepublik
                                 China zur Weltspitze gehören. Dafür plant und denkt die Regierung in Peking
                                 groß, zum Beispiel mit dem Einkauf von Know-how durch Firmenübernahmen
                                 und Beteiligungen in Deutschland. Eine geschlossene Antwort der EU-Mitglieds-
                                 länder wird deswegen immer wichtiger, sagt Patricia Schetelig, stellvertreten-
                                 de Abteilungsleiterin im Bereich Internationale Märkte beim Bundesverband der
                                 Deutschen Industrie e. V. (BDI).

                „Wir brauchen eine
             geschlossene europäische
            Antwort gegenüber China“
   Studien zufolge versuchen                  Das klingt so, als würden Sie       nicht mehr an, dennoch sollten die
chinesische Firmen mit staatlicher        den jüngsten Alarmismus in Bezug        Märkte möglichst offen bleiben. Das
Hilfe zunehmend, deutsche Firmen          auf China nicht teilen. Steht bei       ist ein Spagat, der immer schwieriger
aufzukaufen und so wertvolles             Ihnen also eher die Partnerschaft       zu bewerkstelligen ist. Die Politik ist
technologisches Know-how                  zu China im Vordergrund?                mehr denn je aufgerufen, eine
abzuziehen. Hat die deutsche                  Natürlich sehen wir die Probleme,   umfassende China-Strategie zu
Industrie überhaupt Mittel, diesen        wenn die Regierung in Peking klar       entwickeln. Das haben wir bereits im
geballten Angriff abzuwehren?             ihre eigenen Strategien verfolgt.       vergangenen Jahr in unserem
   Wir sollten keine Angst vor China      Gleichzeitig müssen wir China           Grundsatzpapier von der Bundesre-
haben und lernen, mit außereuropäi-       signalisieren, dass Europa es sowohl    gierung gefordert. Sie befasst sich
schen Einflüssen durch transparente       als Partner als auch systemischen       längst mit den Rahmenbedingungen,
Anforderungen umzugehen. Für die          Wettbewerber betrachtet, aber nicht     um sich gegenüber Peking einheitli-
meisten deutschen Unternehmen             als Gegner. Zu einer offenen Markt-     cher aufzustellen und an bestimmten
besteht kein Zwang, schnell zu            wirtschaft gehört auch, dass ein        Stellen nachzujustieren. Das ist
verkaufen – es sei denn, die              Investor aus dem Ausland ein            richtig, weil China sich unseren
Shareholder fordern es. Damit haben       deutsches Unternehmen kaufen            handelspolitischen Prinzipien sonst
Unternehmen meist Zeit, Erfolg            kann.                                   nicht annähern wird.
versprechende Strategien im Wett-             Mit der Industriestrategie              Europa sollte für den Fall ge-
bewerb zu entwickeln. Bei Übernah-        „Made in China 2025“ will China in      wappnet sein, dass die beiden
men in Deutschland kommt es so gut        zehn Schlüsseltechnologien zum          Systeme aufeinandertreffen. Immer
wie nie dazu, dass Unternehmen            Weltmarktführer aufsteigen. Wie         deutlicher wird, dass die EU ein
gekauft werden und der ganze              nötig ist angesichts dieser ehrgeizi-   effektives Schnittstellenmanage-
Technologiebereich sofort nach            gen Ziele eine Strategie vonseiten      ment braucht, das die Systemunter-
China verschifft wird. Es geht den        der Bundesregierung oder der EU?        schiede berücksichtigt und einen
chinesischen Käufern vielmehr                 In bestimmten Bereichen kom-        fairen Wettbewerb sicherstellt. Das
darum, die Technologie und For-           men wir gegen den Wettbewerber          von der EU-Kommission im Juni
schung selbst weiter zu betreiben.        China mit unseren Instrumenten          2020 auf den Weg gebrachte Weiß-
China: Interview                                         14. August 2020 / #9 / Seite 5

buch ist ein erster wichtiger Schritt,
um Investitionen mithilfe von
staatlichen Subventionen auch aus
China zu beschränken.
    In welchen Branchen sehen Sie
die größten Konkurrenzkämpfe
mit China?
    Vom Konkurrenzkampf mit China
betroffen sind vor allem Zu-
kunftstechnologien und der digitale
Markt.
    Traditionell schließt das auch den
Maschinen- und Anlagenbau ein.
Trotz unseres derzeitigen Wissens-
vorsprungs blickt die Branche
besorgt in die Zukunft. Auch im
Wettbewerb um künstliche Intelli-
genz und B2C hat China Europa
teilweise schon überholt.
    In der Öffentlichkeit konnte
man bisher den Eindruck bekom-
men, die deutsche Industrie würde
sich vor den wettbewerbsverzer-

                                                                                                                                     Foto: BDI
renden Praktiken Chinas wegdu-
cken, um ja nicht mit Kritik die
Absatzchancen auf dem chinesi-
schen Markt zu gefährden. Was            und Einzelprojekte aufgesetzt hat.          Strahlen diese politischen
sagen Sie zu solchen Vorwürfen?          Deutsche Unternehmen hat das vor         Abhängigkeiten nicht auch schon
    Der BDI hat bereits im Januar        die schwierige Frage gestellt, ob sie    bis nach Europa aus?
2019 in seinem Grundsatzpapier           sich bewerben oder ein Gebot                Ja. Manche EU-Länder, in denen
kritische Punkte klar formuliert.        abgeben. Von der chinesischen            China investiert, werden sich wahr-
Allerdings betreibt die deutsche         Regierung wurden die Bedingungen         scheinlich mit kritischen Positionen
Wirtschaft mit vielen Ländern            nicht klar formuliert. Offenbar lag es   zurückhalten oder sogar China-kriti-
Handel, für die unsere Prinzipien und    nicht in ihrem Interesse, einen          sche Entscheidungen blockieren.
europäischen Regeln nicht gelten.        wirklich offenen Bieterprozess zu        Deswegen ist es umso wichtiger, in
Auch in Bezug auf die Einhaltung von     gewährleisten.                           der EU eine gemeinsame Position
Menschenrechten und Arbeitsstan-            Uns treibt auch die Tatsache um,      gegenüber China einzunehmen –
dards müssen sich Unternehmen in         dass China damit politische Abhän-       durch europäische Einigkeit, mehr
Zukunft noch stärker den politischen     gigkeiten schafft. Durch chinesische     Investitionen in die eigene Wettbe-
Rahmenbedingungen im Ausland             Kredite werden Nehmerländer tief in      werbsfähigkeit und durch Schutz vor
stellen, in denen sie agieren. Zuletzt   der Kreide stehen. Wo das hinführen      Marktverzerrungen. Ein Fortschritt in
deutlich geworden ist das durch das      kann, sieht man am Hafen Sri             den Verhandlungen zu einem EU-Chi-
sehr drastische Eingreifen der           Lankas. Als das Land seine Kredite       na-Investitionsabkommen wäre ein
Pekinger Führung in Hongkong.            nicht mehr bedienen konnte, hat          erster wichtiger Baustein. Ziel der
    Ein großes Prestigeprojekt, mit      China zugeschlagen.                      deutschen Ratspräsidentschaft sollte
dem China zur Weltmacht aufstei-            Zu befürchten ist auch, dass          sein, eine geschlossene Antwort aller
gen will, ist auch die Neue Sei-         China in Organisationen, wie den         Mitgliedsstaaten zu erwirken, die
denstraße. Was halten Sie von            Vereinten Nationen, aufgrund der         mehr ist als nur der kleinste gemein-
diesem Vorhaben?                         geschaffenen Abhängigkeiten              same Nenner. Das wird mit Blick auf
    Problematisch ist die Intranspa-     Abstimmungen unterläuft. Das             die derzeitige Interessenlage eine
renz, mit der China Kredite vergeben     bereitet uns Sorgen.                     große Herausforderung.
14. August 2020 / #9 / Seite 6                                                                   Außenhandel

Ist China bald wichtigster
Kunde?
                                                   Außenhandel. Deutschlands wichtigster Exportmarkt, die USA, könnte auf-
                                                   grund der Corona-Pandemie in diesem Jahr von China abgelöst werden. Denn in
                                                   der Volksrepublik wächst die Wirtschaft bereits seit April 2020 wieder.

    Keine Frage: Wegen der Corona-                                    Schweiz änderte sich sogar fast nichts,       In China dagegen, wo die Zahl der
Pandemie haben sich die deutschen                                     der Warenwert der Exporte reduzierte      Corona-Neuinfektionen schon seit
Ausfuhren in den vergangenen Mona-                                    sich in den ersten fünf Monaten dieses    geraumer Zeit auf einem vergleichs-
ten in die meisten Länder reduziert.                                  Jahres gegenüber dem Vorjahreszeit-       weise niedrigen Niveau liegt, konnte
Allerdings fallen die Rückgänge je                                    raum nur um 0,3 Prozent.                  sich die Wirtschaft bereits etwas
nach Zielland ziemlich unterschied-                                       Die Ausfuhren in die vom Corona-      erholen: Nach einem Einbruch von
lich aus (Grafik):                                                    virus heftig gebeutelten USA – im         6,8 Prozent im ersten Quartal 2020
    Besonders stark brach der                                         Jahr 2019 Deutschlands wichtigster        wuchs das Bruttoinlandsprodukt
Export in das Vereinigte Königreich                                   Absatzmarkt mit Warenexporten von         dort im zweiten Quartal 2020 gegen-
ein – dorthin exportierten deut-                                      knapp 119 Milliarden Euro – brachen       über dem Vorquartal wieder um
sche Unternehmen von Januar bis                                       zuletzt um fast 16 Prozent ein. Bei       3,2 Prozent.
Mai 2020 fast 25 Prozent weniger                                      den Light Vehicles – Pkws und Nutz-           Diese schnelle Rückkehr zum
als im Vorjahreszeitraum.                                             fahrzeuge unter 3,5 Tonnen –, die zu      Wachstumspfad ist einer der Gründe
    Relativ wenig beeinträchtigt wurde                                den wichtigsten Exportgütern für den      dafür, warum die deutschen Exporte
bislang der Handel mit Polen: Die                                     US-Markt zählen, betrug das Minus         Richtung Volksrepublik in den ersten
deutschen Ausfuhren dorthin gingen                                    im April 2020 fast 90 Prozent gegen-      fünf Monaten des Jahres 2020 ledig-
um knapp 7 Prozent zurück. Richtung                                   über dem Vorjahresmonat.                  lich um rund 10 Prozent zurückgingen.
                                                                                                                    Wenn man davon ausgeht, dass
                                                                                                                sich das deutsche Exportgeschäft bis
Deutsche Exporte: China fast an der Spitze                                                                      zum Ende des laufenden Jahres
                                                                                                                weiter erholt, dann könnte es in der
So viele Milliarden Euro setzte Deutschland von Januar bis Mai 2020 in den fünf
wichtigsten Exportländern des Jahres 2019 um                                                                    Folge zu einer Verschiebung der
                                                                                                                Top 3 der deutschen Exportländer
    Veränderung in Prozent gegenüber Vorjahreszeitraum                                                          kommen:
                                                                                                                    Die USA könnten 2020 von
                           41,5                                                                                 China als größtem Abnehmer
                                             36,5              35,5                                             deutscher Waren abgelöst werden.
                                                                              34,2
                            USA                                                                                     Diese Entwicklung war zwar
                                                                                         26,3                   schon seit mehreren Jahrzehnten
                                         Frankreich            China         Nieder-                            abzusehen, doch die Corona-Krise
                                                                              lande
                                                                                       Vereinigtes
                                                                                                                hat sie noch einmal deutlich be-
                                                                                       Königreich               schleunigt.

                          -15,5             -20,8             -10,1          -12,7       -24,6
                                                                                                                 IW-Kurzbericht 84/2020
                                                                                                                 Galina Kolev: China steuert auf Exportzielland
                                                                                                                 Nummer eins zu
Quellen: Statistisches Bundesamt, Institut der deutschen Wirtschaft
                                                                                                                 iwkoeln.de/exportziellaender
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Verbrauchervertrauen                                                        14. August 2020 / #9 / Seite 7

In Schockstarre
                                                 Verbrauchervertrauen. Die Corona-Krise hat das Vertrauen der Verbraucher
                                                 in Deutschland in den Keller rutschen lassen. Vor allem die deutlich schlechteren
                                                 Beschäftigungsperspektiven verunsichern die Menschen.

    Mit dem Ausbruch der Corona-                                    Auch im Rest von Europa und in                      len Situation zufrieden sind, noch
Pandemie ist die Stimmung der                                       anderen Teilen der Welt sieht es                    immer rund 10 Prozentpunkte höher
Konsumenten in Deutschland                                          ähnlich aus. In Deutschland wirken                  als der Anteil der Unzufriedenen. Die
drastisch gesunken, das geht aus                                    sich vor allem die Sorgen um den                    Einkommensverluste scheinen sich
dem aktuellen TCB-IW-Verbraucher-                                   eigenen Job negativ aus (Grafik):                   also durch Kurzarbeit und Unterstüt-
vertrauen hervor – einem Index, den                                    Der Saldo zwischen positiven                     zungsleistungen des Staates in
das Institut der deutschen Wirtschaft                               und negativen Einschätzungen der                    Grenzen zu halten.
in Zusammenarbeit mit dem For-                                      eigenen Beschäftigungsaussichten                        Aufgrund der insgesamt unsiche-
schungsnetzwerk The Conference                                      lag im ersten Quartal 2020 noch bei                 ren Wirtschaftslage und der Sorge
Board vierteljährlich veröffentlicht.                               16 Prozentpunkten, fiel im zweiten                  um den Arbeitsplatz sehen aber nur
    Während der Index im ersten                                     Quartal aber auf minus 42 Prozent-                  noch 40 Prozent der befragten
Quartal 2020 auf einer Skala von                                    punkte.                                             Konsumenten derzeit einen guten
0 bis 200 noch bei 101,5 Punkten                                       Vergleichsweise positiv bewerten                 Zeitpunkt für Anschaffungen. Das
lag, sackte er im zweiten Quartal                                   die Bundesbürger die eigene Finanz-                 könnte dazu führen, dass vor allem
auf 86,8 Punkte ab.                                                 lage. Trotz eines leichten Abwärts-                 der Kauf von langlebigen Gebrauchs-
    Der Einbruch des Konsumklimas                                   trends ist der Anteil derjenigen                    gütern wie Autos oder Möbeln erst
in Deutschland ist kein Sonderfall.                                 Bundesbürger, die mit ihrer finanziel-              mal verschoben wird.
                                                                                                                            Mit ihrem Konjunkturprogramm
                                                                                                                        hat die Bundesregierung versucht,
                                                                                                                        den Konsum wieder anzukurbeln,
 Beschäftigungsperspektiven brechen ein                                                                                 unter anderem durch eine zeitlich
 So bewerten die Verbraucher in Deutschland diese Aspekte; Saldo aus positiven und                                      begrenzte Senkung der Mehrwert-
 negativen Wertungen in Prozentpunkten                                                                                  steuer.
                                                                                                                            Entscheidend für das künftige
                            Beschäftigungsperspektiven                        Finanzlage             Kaufgelegenheit    Verbrauchervertrauen wird aber die
        1. Quartal                                                   40                   28                       11   Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt
 2018

        2. Quartal                                                   42                   22                       10   sein. Positive Signale können die
        3. Quartal                                                   38                   19                        4   Bürger dazu bewegen, ihre Zurück-
        4. Quartal                                                   35                   20                        7   haltung beim Konsum abzulegen.
        1. Quartal                                                   36                   16                        6   Die Regierung und die Tarifpartner
 2019

        2. Quartal                                                   33                   16                        7   müssen daher einen starken Anstieg
        3. Quartal                                                   28                   20                       13   der Arbeitslosigkeit unbedingt
        4. Quartal                                                   20                   18                        2
                                                                                                                        verhindern.
        1. Quartal                                                   16                   13                        5
 2020

        2. Quartal           -42                                                          10          -15                IW-Kurzbericht 83/2020
                                                                                                                         Hubertus Bardt, Michael Grömling,
 Kaufgelegenheit: Bewertung, ob es derzeit eine gute Zeit für die Anschaffung von Waren und Dienstleistungen ist
                                                                                                                         Ilaria Maselli, Bart van Ark: Verbraucher-
 Quellen: The Conference Board, Institut der deutschen Wirtschaft                                                        vertrauen im Keller
 © 2020 IW Medien / iwd                                                                                                  iwkoeln.de/verbraucherindex
14. August 2020 / #9 / Seite 8                                             Metall- und Elektro-Industrie

Kurzarbeit sichert Beschäftigung
                                 Metall- und Elektro-Industrie. Die M+E-Unternehmen in Deutschland kommen aus
                                 dem Rezessionsjahr 2019 und werden durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie in
                                 einen noch erheblich tieferen Abschwung gezwungen. Dabei waren und sind sie durch welt-
                                 wirtschaftliche Faktoren und die Kombination aus Rezession und Strukturwandel ohnehin
                                 tief verunsichert.

    Am deutlichsten zeigen sich die                           Immerhin: Der Anstieg von                ihre Arbeitsplätze so weit wie
Krisenfolgen der Corona-Pandemie                          Auftragseingang und Produktion im            möglich gesichert (Grafik):
im Rückgang wichtiger konjunkturel-                       Mai 2020 nährt die Hoffnung auf eine             Obwohl die Produktion bis Mai
ler Indikatoren wie Auftragseingang                       Besserung der Lage im zweiten                2020 um mehr als 30 Prozent
und Produktion. Beide sind im                             Halbjahr. Die gestiegene Kapazitäts-         gegenüber dem Wert von 2018
Vergleich zu den noch positiven                           auslastung im Juli (plus 7 Prozent-          eingebrochen ist, gab es bei der
Daten von Januar/Februar 2020 bis                         punkte gegenüber April) und ein              M+E-Beschäftigung nur ein Minus
April um jeweils rund 40 Prozent                          positiveres Wirtschaftsklima unter-          von weniger als 1 Prozent.
eingebrochen. Wichtigster Grund                           streichen diese Entwicklung: Der ifo             Das liegt vor allem an der hohen
dafür ist die fehlende Nachfrage, wie                     Geschäftsklimaindex für die M+E-             Zahl der Kurzarbeiter. Nach vorläufi-
eine Befragung des ifo Instituts                          Industrie hat sich von 78,8 Punkten          gen Hochrechnungen der Bundes-
München im Juli zeigt:                                    im Juni 2020 auf 84,7 Punkte im Juli         agentur für Arbeit befanden sich in
    Rund 56 Prozent der M+E-Unter-                        weiter verbessert. Im April war der          der M+E-Industrie im April 2020 etwa
nehmen geben fehlende Aufträge                            Index regelrecht abgestürzt – auf            1,3 Millionen Beschäftigte in Kurz-
als Grund für Produktionsbehinde-                         68,8 Punkte.                                 arbeit (Grafik Seite 9).
rungen an, aber nur noch knapp                                In dieser historisch schwierigen             Der Arbeitgeberverband Gesamt-
10 Prozent Materialknappheit und                          Lage haben die Unternehmen der               metall hatte in einer ersten Blitz-
7 Prozent fehlende Fachkräfte.                            Metall- und Elektro-Industrie bislang        umfrage Anfang April dieses Jahres

  M+E-Industrie: Beschäftigung bleibt trotz Krise weitgehend stabil
  Entwicklung von Beschäftigung und Produktion in der Metall- und Elektro-Industrie, 2018 = 100

  110                                                                                                          Beschäftigung    Produktion
            101,2
  100
                                                                                                                                    99,1
    90       98,6

    80

    70
                                                                                                                                 69,4

    60

    50
              1.1.2018                         1.7.2018             1.1.2019                1.7.2019              1.1.2020
  Quellen: Statistisches Bundesamt, Gesamtmetall
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Metall- und Elektro-Industrie                                         14. August 2020 / #9 / Seite 9

 M+E-Industrie: Mehr Kurzarbeiter als in der Finanzkrise
 So viele Beschäftigte der Metall- und Elektro-Industrie waren im April des jeweiligen Jahres in Kurzarbeit, in 1.000

                                                                                                                                  1.305,6

                950,5

                               363,8

   6,9                                 44,6    33,3       52,0       30,3     27,7     30,4      14,9        3,8        22,7
   2008          2009           2010   2011     2012      2013       2014     2015     2016      2017       2018        2019         2020
 2020: Hochrechnung

 Quelle: Bundesagentur für Arbeit
 © 2020 IW Medien / iwd

herausgefunden, dass zu diesem                   Juli haben die M+E-Unternehmen               M+E-Unternehmen insgesamt rund
Zeitpunkt bereits ungefähr 1,2 Mil-              noch für 71.000 Beschäftigte Kurzar-         94.000 Arbeitsplätze abbauen und
lionen M+E-Beschäftigte in Kurz-                 beit angezeigt, nach 120.000 im Juni.        zählten saisonbereinigt 2,3 Prozent
arbeit waren.                                        Allerdings: Da die einmal ange-          Mitarbeiter weniger als im Vorjahres-
    Für den Monat Mai hat die                    zeigten Beschäftigten über mehrere           monat. Die aktuellen Beschäfti-
Bundesarbeitsagentur Hochrechnun-                Monate in Kurzarbeit sein können,            gungspläne lassen zunächst auch
gen für die Zahl der Kurzarbeiter                kann daraus nicht unmittelbar auf            noch keine Besserung erwarten.
insgesamt vorgelegt – aber noch                  einen Rückgang der Kurzarbeit ab                 Der Konjunktureinbruch durch
nicht für einzelne Branchen. Dem-                Jahresmitte geschlossen werden. Es           die Corona-Krise zeigt sich inzwi-
nach könnte die Kurzarbeit im Mai                bedeutet aber doch, dass nicht mehr          schen auch sehr deutlich auf dem
noch einmal um etwa 10 Prozent                   so viele zusätzliche Personen vor der        Arbeitsmarkt: Die Bundesagentur für
höher gewesen sein als im April. Für             Kurzarbeit stehen.                           Arbeit zählte im Juli saisonbereinigt
die M+E-Industrie würde das eine                     Die unmittelbaren Auswirkungen           183.200 Arbeitslose in den M+E-Beru-
Zahl von bis zu 1,5 Millionen Kurz-              der Corona-Krise auf die Beschäfti-          fen, rund 59.800 mehr als im Vorjah-
arbeitern im Mai 2020 bedeuten.                  gung in der M+E-Industrie waren              resmonat. Gleichzeitig waren knapp
                                                 bislang vergleichsweise moderat:             102.700 ungeförderte offene Stellen
                                                 Von März bis Mai sind etwa 40.000            gemeldet, ein Rückgang um 56.000
                                                 Arbeitsplätze verloren gegangen.             gegenüber dem Vorjahresmonat.
     Für 55,7 Prozent der                        Allerdings hat schon die schwere                 Die Rezession 2019 und die
 M+E-Unternehmen mit ein-                        Rezession des Jahres 2019 die                Corona-Pandemie haben den
  geschränkter Produktion                        Beschäftigung verringert:                    jahrelang erfolgreichen Weg der
                                                     Im Mai 2019 mussten die                  M+E-Industrie unterbrochen. Hinzu
 ist der Auftragsmangel das
                                                 M+E-Unternehmen zum ersten Mal               kommen die Herausforderungen des
      größte Hindernis                           seit neun Jahren die Zahl der                Strukturwandels, die mit dem Abbau
                                                 Mitarbeiter reduzieren.                      von Arbeitsplätzen in betroffenen
                                                     Im Aufschwung nach der Krise             Bereichen und dem Aufbau von Jobs
                                                 2008/09 hatte die Branche 621.000            in neu entstehenden Produktionen
    Die Anzeigen zur Kurzarbeit                  Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen          einhergehen.
hatten im April mit rund 1,7 Millionen           und dadurch die Verluste in der Krise            Das gelingt aber nur, wenn auf
in der M+E-Industrie einen Höchst-               mehr als wettgemacht. Seit Mai 2019          dem Arbeitsmarkt die notwendige
stand erreicht. Seitdem gehen sie                ist dieser positive Trend allerdings         Flexibilität für den Wechsel in der
Monat für Monat wieder zurück: Im                gebrochen: Bis Mai 2020 mussten die          Beschäftigung gesichert ist.
14. August 2020 / #9 / Seite 10                                         Tarifpolitik

Löhne im Zeichen von Corona

                           Tarifpolitik. Die Tarifverhandlungen im ersten Halbjahr 2020 liefen nicht so wie gewöhn-
                           lich. Durch die Corona-Krise mussten Gewerkschaften und Arbeitgeber kurzfristig umdenken
                           und ihre Ziele neu definieren. In der Metall- und Elektro-Industrie haben sich die Sozialpart-
                           ner schnell geeinigt und damit eine Blaupause für andere Branchen geschaffen.

    Eigentlich sollte 2020 verglichen               Nach drei Sondierungsrunden im
mit den Vorjahren ein eher kleines              Februar wurden die wirtschaftlichen        Konjunktur in Deutschland:
Tarifjahr mit wenigen Verhandlungen             Auswirkungen der Corona-Pandemie           Historischer Einbruch
werden. Eigentlich.                             aber offensichtlich. Die Tarifparteien     Veränderung in Prozent
    Doch die Corona-Krise hat dazu              reagierten schnell und einigten sich
geführt, dass nicht nur planmäßige              am 19. März auf einen Pilotabschluss                                              Mai 2020
                                                                                                                                 gegenüber
Tarifverhandlungen im ersten                    in NRW, der auch in anderen Tarif-                                                 Februar
Halbjahr stattfanden – darunter in              gebieten weitgehend übernommen                                                        2020
der Metall- und Elektro-Industrie und           wurde (Grafik Seite 11):
                                                                                           Auftragseingänge Industrie                 –30,8
im Baugewerbe –, sondern auch in                    Die Entgelte bleiben in der
vielen weiteren Branchen Gespräche              M+E-Industrie bis Ende 2020                Industrieproduktion                        –22,5
geführt wurden. Eines hatten die                unverändert. Um mittels Kurzar-            Warenexporte                               –26,8
Verhandlungen branchenübergrei-                 beit Entlassungen zu vermeiden,
fend gemeinsam: Es ging sowohl für              wurden gleichzeitig der Tarifver-          Umsatz gewerbliche
                                                                                                                                      –9,6
                                                                                           Wirtschaft
die Gewerkschaften als auch für die             trag Zukunft in Arbeit (TV ZiA) reak-
Arbeitgeber darum, mit gezielten                tiviert und ein Solidartarifvertrag                                              Zweites
Maßnahmen möglichst gut durch die               abgeschlossen.                                                               Quartal 2020
                                                                                                                               gegenüber
Krise zu kommen und Arbeitsplätze                   Er sieht Erleichterungen bei der                                          Vorquartal
zu sichern.                                     Kurzarbeit vor, indem die Remanenz-
                                                                                           Bruttoinlandsprodukt                       –10,1
    In der Metall- und Elektro-Indus-           kosten durch Umlage der tariflichen
trie hatte die IG Metall bereits Ende           Sonderzahlungen gesenkt werden             Umsatz: Juni 2020 gegenüber Februar 2020
Januar 2020 – also noch vor der                 können, wenn dafür Beschäftigungs-         Quelle: Statistisches Bundesamt
Corona-Pandemie – angekündigt, in               sicherung gewährt wird. Darüber hi-        © 2020 IW Medien / iwd

der Tarifrunde auf eine konkrete                naus kann nach mindestens sechs
Lohnforderung zu verzichten, wenn               Monaten Kurzarbeit auf dieser Basis
die Arbeitgeber im Gegenzug Perso-              eine Art Kurzarbeit auf tarifrecht-      handlungen in diesem Jahr hatten,
nalabbau, Standortschließungen,                 licher Basis für weitere zwölf Monate    wie etwa die Chemische Industrie.
Ausgliederungen oder Verlagerungen              – mit Teilentgeltausgleich statt         Hier wurden neben Regelungen zur
ausschließen. Die Gewerkschaft                  Kurzarbeitergeld – vereinbart            Kurzarbeit auch Vereinfachungen für
forderte, Beschäftigung und Unter-              werden.                                  das mobile Arbeiten beschlossen.
nehmensstandorte durch Investitio-                  Die M+E-Industrie diente mit            Dass viele Branchen kurzfristig
nen und Qualifizierung zu sichern               ihrem Abschluss als Vorbild. Auch in     auf die Pandemie reagiert haben,
und Perspektiven zu entwickeln. Die             anderen Branchen wurde die Kurzar-       war ein richtiger und wichtiger
Arbeitgeber griffen das Gesprächs-              beit zum zentralen Thema – selbst in     Schritt, wie ein Blick auf die aktuel-
angebot auf.                                    denen, die keine regulären Tarifver-     len Wirtschaftsdaten zeigt (Grafik):
Tarifpolitik                                                          14. August 2020 / #9 / Seite 11

    Im zweiten Quartal 2020 sank                         in Form von Kurzarbeit und Umsatz-                   in den einzelnen Branchen darüber
das Bruttoinlandsprodukt im                              einbußen werden die Tarifverhand-                    diskutieren, wie die mit der Krise
Vergleich zum ersten Quartal um                          lungen auch in naher Zukunft                         zusammenhängenden Lasten
mehr als 10 Prozent.                                     beeinflussen. Dabei wird das Thema                   – Lohnverzicht auf Arbeitnehmersei-
    Auftragseingänge und Produktion                      Beschäftigungssicherung weiter im                    te, Umsatzverluste auf Unterneh-
in der Industrie sowie die Warenex-                      Mittelpunkt stehen.                                  mensseite – von beiden Parteien zu
porte fielen noch stärker.                                   Langfristig drohen indes neue                    schultern sind. Die Stunde der
    Zwar scheint sich die Wirtschaft                     Verteilungskonflikte. Je mehr die                    Sozialpartnerschaft schlägt deshalb
allmählich zu erholen, doch die                          Corona-Krise überwunden wird,                        nicht nur in der Krise, sondern auch
Auswirkungen der Corona-Pandemie                         desto eher werden die Tarifparteien                  danach.

Tarifverhandlungen: Corona wirbelt alles durcheinander

Branche                                            Branche                    Gewerkschaft                    Branche
Metall- und Elektro-Industrie                      Druckindustrie             ver.di                           Öffentlicher Dienst (Sozial- und Erziehungs-
                                                                                                               dienst)
Gewerkschaft
IG Metall                                                                                                     Gewerkschaft
                                                                                                               Tarifgemeinschaft aus ver.di, GEW und
                                                             Reform des Manteltarifvertrags;                   Beamtenbund
                                                         ver.di: Allgemeinverbindlichkeit ausge-
                                                       wählter Tarifregelungen; Arbeitgeberbeitrag
     „Moratorium für einen fairen                        zur Altersvorsorge in Höhe von 100 Euro
    Wandel“: Verzicht auf Kündigun-                    monatlich; individuelle Arbeitszeitverkürzung
    gen, Produktionsverlagerungen,                        mit Teillohnausgleich; Tarifvertrag zur
     Werksschließungen; Stärkung                         Altersteilzeit; Altersfreischichten; bvdm:
    der Kaufkraft der Beschäftigten                    Öffnungsklauseln für längere (zuschlagfreie)                 Verbesserung der Eingruppierungs-
                                                            Wochenarbeitszeit; Absenkung der                       merkmale; Anpassung der Stufenlauf-
                                                                     Sonderzahlungen                                zeiten; Verbesserung der Bewertung
                                                                                                                    der Leitungstätigkeit; Anerkennung
                                                                                                                   der Berufserfahrung; Rechtsanspruch
Abschluss / Stand der Verhandlungen                                                                                           auf Qualifikation
Keine Tabellenerhöhung; einmalig 350 Euro pro
„Vollzeitäquivalent“, zur Minderung sozialer Härten,   Abschluss / Stand der Verhandlungen
betriebliche Zuschüsse anrechenbar, differenzierbar,
                                                       Verlängerung des Manteltarifvertrags um ein Jahr bis
ggf. Auszahlung mit betrieblicher Sonderzahlung;
fünf bezahlte freie Tage bei Betreuungsproblemen       30.04.2022; Wiederaufnahme der Verhandlungen im
für Kinder bis zur Vollendung des zwölften Lebens-     September 2020                                         Abschluss / Stand der Verhandlungen
jahres – nachrangig zu staatlich und arbeitnehmer-
finanzierten Freistellungsmöglichkeiten; Erweiterung                                                           Nach einer Verhandlungsrunde im März 2020
der Freistellungstage auf Eltern mit Kindern bis zur                                                           wurde die Verhandlungsrunde pandemie-
Vollendung des zwölften Lebensjahres; kollektive                                                               bedingt auf unbestimmte Zeit ausgesetzt
Anordnungsmöglichkeit der Freistellungstage per
freiwilliger Betriebsvereinbarung (acht bzw. sechs
Tage). TV ZiA aus 2010 neu: u. a. Möglichkeit der
Zwölftelung der tariflichen Sonderzahlungen ab           Kündigung des Manteltarifvertrags,
dem ersten Tag der Kurzarbeit durch freiwillige          des Vergütungstarifvertrags und des
Betriebsvereinbarung                                      Tarifvertrags Saisonalitätstabelle                  Gerechte und wertschätzen-
                                                          Kabine durch UFO; 5 Prozent mehr                    de Teilhabe der Beschäftig-
Branche                                                  Lohn (für 24 Monate); Erhöhung der                    ten an den guten Konzern-
                                                                Zulagen und Zuschläge                            ergebnissen mit einer
Lufthansa (Kabine)
                                                                                                                 sozialen Komponente
Gewerkschaft
UFO
                                                                                Branche
Abschluss / Stand der Verhandlungen                                                                      Abschluss / Stand der Verhandlungen
                                                                                 Deutsche Telekom
Nach gescheiterten Verhandlungen, Urabstimmung und Streik:                                               01.07.2020: 2,6/2,8/3,0 Prozent (je nach Entgelt-
Schlichtung, Mediation und außergerichtliches Güteverfahren;                    Gewerkschaft
                                                                                                         gruppe); 01.07.2021: 2,0 Prozent; Laufzeit: 24 Monate;
Teillösung im Rahmen des zweiten „Tarifpartnergipfels“                           ver.di                  Verlängerung Kündigungsschutz bis Ende 2023

Branchenauswahl

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft
© 2020 IW Medien / iwd
14. August 2020 / #9 / Seite 12                                             Bildungsmonitor

Stillstand im
Bildungssystem

Bildungsmonitor. Wie gut die             Bildungsmonitor: Das Ranking 2020
Bildungssysteme der einzelnen
                                         Der Bildungsmonitor untersucht die Bildungssysteme der Bundesländer anhand von
Bundesländer aufgestellt sind,           93 Einzelindikatoren in zwölf Handlungsfeldern. Das Land, welches im Jahr 2013 bei
untersucht das Institut der deut-        einem Indikator den schlechtesten Wert erzielte, bekam 0 Punkte und das Land mit
                                         dem besten Ergebnis 100 Punkte. Seither werden die Punkte basierend auf diesen
schen Wirtschaft (IW) seit 17 Jah-       Ausgangswerten fortgeschrieben.
ren. Viele Jahre verbesserten sich
die Bedingungen in Kitas, Schulen           Durchschnittliche
                                            Punktzahl 2020
und Hochschulen, doch nun gibt              Veränderung gegenüber                                    45,0
es im dritten Jahr hintereinander           2019 in Punkten
                                                                                      56,8                             46,3
kaum noch Fortschritte. Ver-                                                                         –1,0
schärft wird die Lage zusätzlich                                                                   Schleswig-
                                                                     42,5              1,1          Holstein           –1,3
durch die Corona-Krise.                                                              Hamburg                Mecklenburg-Vorpommern
                                                                     –0,7
   Wie viel Geld gibt ein Bundesland                               Bremen                   47,2                         43,9
pro Schüler aus, wie groß sind die
                                                                                                                41,2                    42,8
Klassen und wie viele Schüler                                                                0,7                          0,5
verlassen die Schule ohne Ab-                           44,0                          Niedersachsen
                                                                                                                         Berlin
                                                                                                                –4,0                    0,7
schluss? Dies und mehr bemisst der
                                                                                                        Sachsen-Anhalt            Brandenburg
Bildungsmonitor, den das IW regel-                       0,4
mäßig veröffentlicht. Die Gewinner          Nordrhein-Westfalen
und Verlierer im Jahr 2020 (Grafik):                                                 48,9                                       66,9
                                                                                                      58,4
   Sachsen steht mit 66,9 von                            45,6
100 Punkten an der Spitze und be-                                                    1,2                                        –1,3
                                                                                                       1,5
legt damit zum 15. Mal Platz eins.                       –2,7                    Hessen                                       Sachsen
                                                                                                    Thüringen
   Das zweitplatzierte Bayern hat
                                                 Rheinland-Pfalz
sich 2020 im Vergleich zum Vorjahr
mit einem Plus von 2,4 Punkten am
                                             52,5                              52,7                             63,1
deutlichsten verbessert. Mit etwas
Abstand folgen Thüringen, Hamburg,
Baden-Württemberg und das Saar-              –2,1                              –0,2                             2,4
land. Schlusslicht ist Sachsen-Anhalt.    Saarland                  Baden-Württemberg                        Bayern
Das ostdeutsche Bundesland
verschlechtert sich mit einem Minus
von 4 Punkten am meisten. Damit
sind die Unterschiede in den Bil-
dungssystemen der Bundesländer           Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft
                                         © 2020 IW Medien / iwd
groß:
Bildungsmonitor                                                  14. August 2020 / #9 / Seite 13

    Zwischen dem Ergebnis von                Die Corona-Pandemie könnte nun             hapert es noch immer an der techni-
Sachsen und jenem von Sachsen-           dazu führen, dass sich diese Proble-           schen Ausstattung der Lehrer und
Anhalt liegt eine Spannweite von         me weiter verschärfen. Denn durch              Schulen sowie an geeigneten
fast 26 Punkten.                         die Schulschließungen bleiben vor              Unterrichtsstrategien, um einen
    Unterm Strich stagnieren die         allem Kinder aus bildungsfernen                guten digitalen Schulunterricht zu
Ergebnisse seit einigen Jahren: Von      Familien, von Alleinerziehenden oder           gestalten.
2014 bis 2020 haben sich die Bundes-     aus Familien mit Migrationshinter-
länder nur um jahresdurchschnittlich     grund auf der Strecke. Ihnen fehlt es
0,1 Punkte verbessert – von 2010 bis     zu Hause oft an einem eigenen
                                                                                          IW-Gutachten
2013 waren es noch 2,6 Punkte.           Computer, ruhigen Arbeitsplätzen
                                                                                          Christina Anger, Axel Plünnecke:
    Diese gegensätzlichen Entwick-       und Unterstützung durch die Eltern.              INSM-Bildungsmonitor 2020 – Schuli-
lungen werden auch deutlich, wenn        Mit einem guten Fernunterricht                   sche Bildung in Zeiten der Corona-Krise
man die Ergebnisse der einzelnen         könnten all diese Mängel zwar                    iwkoeln.de/bildungsmonitor2020
Handlungsfelder von 2020 mit denen       abgemildert werden. Allerdings
von 2013 vergleicht – damals wurde
erstmals die aktuelle Methodik und
Indikatorenauswahl verwendet             Bildungsmonitor 2020: Tops und Flops
(Grafik):                                Der Bildungsmonitor untersucht die Bildungssysteme der Bundesländer anhand von
    Im Handlungsfeld Internationa-       93 Einzelindikatoren in zwölf Handlungsfeldern. Das Land, welches im Jahr 2013 bei
lisierung haben die Bundesländer         einem Indikator den schlechtesten Wert erzielte, bekam 0 Punkte und das Land mit dem
                                         besten Ergebnis 100 Punkte. Seither werden die Punkte basierend auf diesen Ausgangs-
die größten Fortschritte gemacht,        werten fortgeschrieben.
am stärksten verschlechtert haben
sie sich dagegen bei der Schul-             Durchschnittliche Punktzahl 2020         Veränderung gegenüber 2013 in Punkten
qualität.
    Dass sich die Internationalisie-
rung der Schulen mit einem Plus von           Internationalisierung                                              64,1        18,6
18,6 Punkten derart intensiviert hat,
                                                 Förderinfrastruktur                                      56,0               16,8
liegt an den verbesserten Englisch-
kenntnissen der Schüler und dem
gestiegenen Anteil ausländischer         Betreuungsbedingungen                                            56,9               13,8
Studenten. Auch die Förderinfra-
struktur (plus 16,8 Punkte) hat unter      Ausgabenpriorisierung                                   46,1                       4,5
anderem durch mehr Ganztagsplätze
an Grundschulen stark gewonnen                            Inputeffizienz                              52,8                      0
und die Betreuungsbedingungen
(plus 13,8 Punkte) sind durch den                           Zeiteffizienz                                         65,4       –1,1
Ausbau der Betreuungszeiten in
frühkindlichen Bildungseinrichtun-                Berufliche Bildung                               46,2                      –1,8
gen im bundesweiten Durchschnitt
besser geworden.                          Forschungsorientierung                                      51,7                   –2,2
    Allerdings gibt es auch große
Problemfelder im Bildungssystem.             Hochschule und MINT                          36,3                               –3,6
Dass die Bundesländer seit 2013 die
größten Einbußen (minus 18 Punkte)
                                                       Bildungsarmut                                       57,9              –3,9
bei der Schulqualität haben, liegt vor
allem an dem schlechten Abschnei-
                                                             Integration                       42,5                         –15,7
den der Schüler in Bildungstests.
Auch der Trend in Sachen Integration
(minus 15,7 Punkte) und Bildungs-                         Schulqualität                     38,3                            –18,0
armut (minus 3,9 Punkte) ist unbe-
                                         Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft
friedigend.                              © 2020 IW Medien / iwd
14. August 2020 / #9 / Seite 14                                                                      Bürobeschäftigung

Das neue alte Homeoffice
               Bürobeschäftigung. Der Lockdown bedeutete für viele Erwerbs­tätige, dass sie ihren Job erstmals
               von zu Hause aus erledigen m
                                          ­ ussten. Eine neue IW-Studie zeigt allerdings, dass das Home­office
               schon vor Corona-Zeiten gang und gäbe war. Allerdings gab es r­ egional sehr große Unterschiede.

    Als die Ausbreitung von Covid-19                               vor der Corona-Krise. Doch die                         können, war schon vor Corona noch
Deutschland im März in den Lock-                                   Ergebnisse zeigen, dass das Arbeiten                   viel größer. Denn nur etwas mehr als
down zwang, waren viele überrascht,                                von zu Hause aus in Deutschland bei                    15 Prozent der befragten Büro-
wie reibungslos der Wechsel ins                                    Weitem nicht so neu ist, wie es                        beschäftigten gaben an, dass sie ihre
Homeoffice funktionierte. Betrachtet                               derzeit oft den Anschein hat (Grafik):                 Arbeit nicht aus dem Homeoffice
man jedoch die Daten der Erwerbstä-                                    Fast jeder zweite Bürobeschäf-                     erledigen können. Das bedeutet im
tigenbefragung des Bundesinstituts                                 tigte – knapp 46 Prozent – arbeite-                    Umkehrschluss:
für Berufsbildung und der Bundes-                                  te in den Jahren 2017 und 2018                             Rund 85 Prozent aller Büro-
anstalt für Arbeitsschutz und Arbeits-                             zumindest gelegentlich von zu                          angestellten können potenziell
medizin, dann ist die Überraschung                                 Hause. Das waren fast 9 Prozent-                       von zu Hause aus arbeiten. Bei
nicht mehr ganz so groß.                                           punkte mehr als noch 2006.                             etwa 14,8 Millionen Bürobeschäf-
    Diese Befragungen fanden zwar                                      Und die Zahl derer, die theore-                    tigten ist das eine gewaltige Zahl.
2006, 2012 und 2018 statt, also weit                               tisch von zu Hause aus arbeiten                            Im Zeitraum von 2012 bis 2018
                                                                                                                          hat die Zahl der Büroarbeitnehmer
                                                                                                                          von 11,9 auf 14,8 Millionen zugenom-
                                                                                                                          men. Anders gerechnet:
  Homeoffice: Nur die wenigsten wollen nicht                                                                                  Die Zahl der Bürobeschäftigten
  Prozentualer Anteil der Bürobeschäftigten im Jahr 2018, …                                                               in Deutschland hat sich binnen
                                                                                                                          sechs Jahren um fast 25 Prozent
                                                                                                                          erhöht.
  … die zumindest
                                                                                                                              Ein Grund dafür ist natürlich
    gelegentlich
    von zu Hause
                                                                    15,4                                                  auch, dass sich die hiesige Wirtschaft
                                                                                                   … weil es die Tätig-
    aus arbeiten                                                                                                          bis zum Lockdown prächtig entwi-
                                                                                                   keit nicht zulässt
                                                                                                                          ckelt hatte und generell mehr
                                                                                     11,2          … weil sie es nicht    Menschen in den vergangenen
                                                                                                   möchten                Jahren einen Job gefunden haben.
                                                           … die nicht von
                                  45,9                       zu Hause aus                                                     Allerdings ist der Anteil der
                                                                                                   … die es aber gerne
                                                             arbeiten, …                           tun würden             Büroarbeiter an allen Erwerbstätigen
                                                                                                                          seit 2012 ebenfalls merklich gestie-
                                                                                                                          gen: von 35,2 auf 36,7 Prozent; im
                                                                                27,6                                      Jahr 2006 hatte der Anteil erst
                                                                                                                          33,3 Prozent betragen.
                                                                                                                              Bei der Antwort auf die Frage, in
                                                                                                                          welchen Branchen besonders viele
  Quellen: Bundesinstitut für Berufsbildung, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin,
                                                                                                                          Menschen im Büro arbeiten, gibt es
  Institut der deutschen Wirtschaft
  © 2020 IW Medien / iwd
                                                                                                                          wenig Überraschungen – allerdings
                                                                                                                          durchaus Veränderungen.
Bürobeschäftigung                                                                                             14. August 2020 / #9 / Seite 15

    So sind in der IT (84,5 Prozent)                         wirtschaftsstarken Bayerns: Um                                                 aus, dass dies nicht zur Ausweitung
sowie im Bereich Werbung und                                 78,4 Prozent ist die Zahl der Büro-                                            der Büroflächen führen wird.
Marktforschung (85,2 Prozent)                                beschäftigten von 2012 bis 2019 im                                                 Im Gegenteil: Durch die Erfahrun-
besonders viele Mitarbeiter im Büro                          fränkischen Schwabach gestiegen,                                               gen in der Corona-Pandemie dürften
tätig, während sich im Fahrzeugbau                           dicht gefolgt vom niederbayerischen                                            viele Firmen dem Homeoffice viel
(36,0 Prozent), im Einzelhandel                              Regen mit 78,3 Prozent.                                                        offener gegenüberstehen als früher.
(26,4 Prozent) und im Gesundheits-                               In absoluten Zahlen gemessen                                                   Weil gleichzeitig auch immer
wesen (19,7 Prozent) nur relativ we-                         hat allerdings die Hauptstadt die                                              mehr Beschäftigte Gefallen daran
nige Büroangestellte tummeln. Doch:                          Nase vorn (Grafik):                                                            finden, könnte der Bedarf an Büroflä-
    In fast allen Erwerbstätigen-                                In Berlin arbeiteten 2019 gut                                              chen dauerhaft sinken. Damit fallen
gruppen gab es im Jahr 2018                                  640.000 sozialversicherungspflich-                                             nicht nur die Mieten für Büroimmobi-
prozentual mehr Büroangestellte                              tig Beschäftigte im Büro – rund                                                lien, sondern auch die Kaufpreise.
als noch 2012.                                               190.000 oder 42 Prozent mehr als
    Fragt man nach Hochburgen der                            im Jahr 2012.
Bürobeschäftigung oder nach                                      Wahrscheinlich wird sich der                                                   Aus IW-Trends 3/2020
                                                                                                                                                Andrea Hammermann, Michael
Kreisen und Städten, in denen fast                           Anteil der Bürobeschäftigten an allen
                                                                                                                                                ­Voigtländer: Bürobeschäftigte in
niemand hinterm Schreibtisch sitzt,                          Erwerbstätigen weiter erhöhen.                                                      Deutschland – Eine Regionalanalyse
zeigen sich enorme Unterschiede:                             Allerdings geht das IW, aber auch                                                   iwkoeln.de/buerobeschäftigte
    Die Bürobeschäftigungsquoten                             andere Forschungsinstitute, davon
reichen von 7,2 Prozent im Kreis
Kusel in Rheinland-Pfalz bis zu
49,7 Prozent in der Bankenmetro-
pole Frankfurt am Main.                                          Entwicklung der Bürobeschäftigung
    Neben dem Spitzenreiter Frank-                               Sozialversicherungspflichtige Bürobeschäftigte in den sieben größten deutschen Städten
furt finden sich in den Top Ten sechs
weitere Großstädte: Düsseldorf
                                                                      2012             2019                                                                                            Insgesamt
(47,8 Prozent), München (47,3 Pro-
zent), Bonn (46,1 Prozent), Stuttgart                                                                                 165.274
(45,1 Prozent), Köln (44,8 Prozent)                               Düsseldorf
                                                                                                                        203.194
und Wiesbaden (44,5 Prozent).
                                                                                                                      162.671
    Die anderen drei Spitzenplätze                                Stuttgart                                                                                                          1.878.450
                                                                                                                        206.458
gehen an den Main-Taunus-Kreis,
                                                                                                                          199.033
den Landkreis München und den                                     Köln
                                                                                                                            257.270
Hochtaunuskreis. Denn nicht nur in
                                                                                                                             230.730
den Großstädten, sondern auch in                                  Frankfurt am Main
                                                                                                                                301.358
ihrem direkten Umfeld gibt es häufig
                                                                                                                     341.434
viele Bürojobs – schließlich sind in                              Hamburg
                                                                                                                         419.830
diesen Regionen die Lebenshal-
                                                                                                                    328.880
                                                                                                                                                                                  2.453.634
tungskosten und die Büromieten oft                                München
                                                                                                                        424.712
niedriger als in der nahen Metropole.
                                                                                                                                450.428
    Damit lässt sich auch erklären,                               Berlin
                                                                                                                                                 640.812
dass die größten Zuwächse an
Bürobeschäftigung nicht in den
                                                                 Quellen: Bundesagentur für Arbeit, Institut der deutschen Wirtschaft
Großstädten stattfanden, sondern                                 © 2020 IW Medien / iwd

vor allem in den Landkreisen des

                                                                                         Impressum
                 Herausgeber: Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. · Präsident: Arndt Günter Kirchhoff · Direktor: Prof. Dr. Michael Hüther · Mitglieder: Verbände und Unternehmen in Deutschland · Redaktions-
                 leiter: Jork Herrmann (verantwortlich) · Redaktion: Berit Schmiedendorf (stellv.), Andreas Wodok (Textchef), Lara Blankenberg, Carsten Ruge, Alexander Weber · Grafik: IW Medien GmbH
                 E-Mail: iwd@iwkoeln.de · Bezugspreis: € 11,89/Monat inkl. Versand und MwSt., Erscheinungsweise vierwöchentlich · Abo-Service: Friederike Ennsberger, Telefon: 0221 4981-450, ennsberger@iwkoeln.de
                 Verlag: Institut der deutschen Wirtschaft Köln Medien GmbH, Postfach 10 18 63, 50458 Köln · Telefon: 0221 4981-0 · Druck: Henke GmbH, Brühl · Rechte für Nach­druck oder elektronische Verwertung
                 über: lizenzen@iwkoeln.de · Zur Abwicklung des Vertriebs erforderliche Daten werden nach den Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes verwaltet, E-Mail: datenschutz-iwd@iwmedien.de.
14. August 2020 / #9 / Seite 16

                                                                                                 Zahl der Woche

                                                                                                         272
                                                                                                       Milliarden
                                                                                                 Kilowattstunden Strom
                                                                                                 hat Deutschland im ersten Halbjahr
                                                                                                 2020 verbraucht – 26 Milliarden
                                                                                                 Kilowattstunden weniger als im
                                                                                                 Vergleichszeitraum 2019. Das erga-
                                                                                                 ben vorläufige Berechnungen des
                                                                                                 Bundesverbands der Energie- und
                                                                                                 Wasserwirtschaft. Der Verband führt
Top-Liste: Scheidungen in der EU                                                                 den Rückgang auf den gesunkenen
                                                                                                 Strombedarf der Industrie aufgrund
In manchen Dingen ist Deutschland ziemlich durchschnittlich, so auch bei                         der Corona-Pandemie zurück. Deut-
den Scheidungsraten. Da kam die Bundesrepublik im Jahr 2017 – das ist der                        lich gestiegen ist dagegen der Anteil
jüngste verfügbare Wert – auf 1,9 amtlich dokumentierte Trennungen je 1.000                      der erneuerbaren Energien: Windrä-
Einwohner. Das entspricht genau dem EU-Durchschnitt des Jahres 2016; eine                        der und Solaranlagen konnten im
aktuellere Zahl gibt es auch hier nicht. Deutlich scheidungsfreudiger sind die                   ersten Halbjahr 2020 erstmals mehr
Einwohner der beiden baltischen EU-Mitglieder Lettland und Litauen, die                          als die Hälfte des Bruttostromver-
jeweils auf mehr als 3 Scheidungen pro 1.000 Einwohner kommen. Demge-                            brauchs abdecken. Derweil ist Strom
genüber führt das Leben auf einer Insel allem Anschein nach zur ehelichen                        aus Kohle immer weniger gefragt:
Harmonie: Irland und Malta stehen mit einer Quote von jeweils 0,7 am Ende                        Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum
des europäischen Scheidungsrankings.                                                             wurde mehr als ein Drittel an Braun-
                                                                                                 kohle eingespart, bei der Steinkohle
                                                                                                 waren es sogar über 40 Prozent.
  Top-Liste: Wenn nicht der Tod scheidet
                                                                                                                                Neu
  So viele Scheidungen je 1.000 Einwohner gab es 2018 in diesen EU-Ländern
                                                                                                 Neu auf iwd.de:

                                                                                                 Britische
      3,1                              3,1                       2,6       …       1,9       …
                                                                                                 Industrie unter
                                                                                                 ferner liefen
       1. Lettland                      2. Litauen           3. Dänemark       13. Deutschland   Nur noch 10 Prozent steuerte die
                                                                                                 britische Industrie 2018 zur Wert-
                                                                                                 schöpfung des Landes bei. Zum
                                                                                                 Vergleich: In Deutschland waren es
            1,1                        0,7             0,7                                       23 Prozent. Dennoch würde es einige
                                                                                                 Industriebranchen im Vereinigten
     25. Slowenien                26. Irland         27. Malta                                   Königreich hart treffen, wenn sich
                                                                                                 die Briten mit der EU nicht auf ein
  Deutchland, Irland: Werte von 2017                                                             Freihandelsabkommen einigen. Wel-
  Quelle: Eurostat                                                                               che Probleme im Einzelnen drohen,
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