White Collar & Compliance - Latham & Watkins LLP

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White Collar & Compliance - Latham & Watkins LLP
White
  Collar &
 Compliance
Academy
2021
White Collar & Compliance - Latham & Watkins LLP
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Die Zukunft
Compliance & Investigations im Jahr 2025

Die Verteidigung
Effektive Verteidigungsstrategien in Datenschutzkonflikten

Wege aus dem Labyrinth
Compliance in Matrix-Organisationen

Der Marathon
Compliance-Monitoring: vier Ratschläge für Unternehmen
Die Zukunft
Compliance & Investigations im Jahr 2025
Was ist für die Themen „Compliance & Investigations“ im Jahr 2025 zu erwarten?
Fünf Thesen von Prof. Dr. Thomas Grützner und Dr. Klaus Moosmayer*.

Von der EU-Hinweisgeberrichtlinie über das Finanzmarkt-             Verstärkt wird diese Notwendigkeit durch die zahlreichen neuen
integritätsstärkungsgesetz (FISG) bis hin zum Lieferkettengesetz:   Gesetze, die aus „Soft Law“ im Laufe der Zeit harte rechtliche
Auf die Wirtschaft rollt eine Welle von neuen regulatorischen       Vorgaben machen. Diese Entwicklung hin zu einer breit aufgestellten
Anforderungen zu, die Entscheider*innen vor erhebliche              „Assurance“-Funktion ist weder abgeschlossen noch für
Herausforderungen stellen. Zugleich hat die Corona-Krise die        Unternehmen einfach umzusetzen. Es wird jedoch zukünftig nicht
oftmals ohnehin bereits diffuse Erwartungshaltung gesetzlicher      mehr ausreichen, wenn sich verschiedene Abteilungen mit einzelnen
Anforderungen noch unübersichtlicher gemacht.                       Aspekten befassen – aber niemand einen Gesamtüberblick hat. Statt
                                                                    Erkenntnisse lediglich in Papierform zusammenzuführen, brauchen
Wie gehen die Unternehmen mit diesen Herausforderungen um?          Unternehmen Strukturen aus einem Guss.
Was muss, was wird sich in Sachen Compliance, Risiko- und
Krisenmanagement ändern? Darüber haben Thomas Grützner
und Klaus Moosmayer im Rahmen der „Virtual White Collar &           Zweitens: Transparentes Handeln gewinnt rasant an
Compliance Academy“ diskutiert – am Ende standen die folgenden      Bedeutung
fünf Thesen:                                                        Gesetzgeber, Regulierer und Investoren fordern immer
                                                                    entschiedener transparentes Handeln ein. Das gilt für die
                                                                    Auswirkungen unternehmerischer Aktivitäten auf das Klima genauso
Erstens: Compliance, Risikomanagement und Ethik
                                                                    wie für die Einhaltung der Menschenrechte in Lieferketten und vieles
wachsen zusammen
                                                                    mehr. Transparentes Handeln muss deshalb elementarer Bestandteil
Korruptionsprävention ist ein wichtiger, kann aber nicht der        der Führungs- und Unternehmenskultur werden.
einzige Baustein eines Compliance-Management-Systems sein.
Unternehmen müssen in Zukunft vermehrt ganzheitlich denken –        Die Compliance-Funktion kann hier eine zentrale Rolle einnehmen
und eine breit aufgestellte „Assurance“-Funktion mit integriertem   und Maßstäbe setzen. Um ihrer Bedeutung gerecht zu werden,
Risikomanagement schaffen. Ein ganzheitlicher Ansatz vermeidet      muss sie allerdings auch selbst messbarer werden. Deshalb ist
Insellösungen, die sich bisweilen widersprechen.                    es wichtiger denn je, für eine adäquate Datenbasis zu sorgen und
                                                                    aussagekräftige Indikatoren für die Messbarkeit der Compliance-
                                                                    Bemühungen zu entwickeln.
Drittens: Die Compliance-Kompetenz in Aufsichtsräten wird              sein und zumindest die für das Unternehmen mit den größten
steigen                                                                Risiken behafteten internen Untersuchungen maßgeblich mitsteuern.
Fachleute mit Compliance- und Krisenmanagement-Expertise
                                                                       Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass interne Untersuchungen
sind (vor allem im Vergleich zu Finanz- und Bilanzexpert*innen) in
                                                                       auch ressourcenschonend durchgeführt werden können: Auch
vielen Aufsichtsräten unterrepräsentiert. Das dürfte sich angesichts
                                                                       interne Ermittlungen sind – je nach Risikoprofil der Vorwürfe und
wachsender Risiken zunehmend ändern. Denn es wird immer
                                                                       je nach Sachlage – jedenfalls bei Sachverhalten mit niedrigeren
wichtiger, dass Überwachungsgremien fachlich wie persönlich
                                                                       Risiken für das Unternehmen im Einzelfall „remote“ möglich.
in der Lage sind, Unternehmen in Krisensituationen, die durch
Fehlverhalten hervorgerufen wurden, angemessen und richtig zu
beaufsichtigen – und sie professionell zu begleiten.                   Fünftens: Anwaltsprivileg und Beraterhaftung werden neu
                                                                       gedacht
                                                                       Nach den jüngsten Skandalen dürften auch Unternehmens-
„Aufsichtsräte brauchen mehr persönliche und
                                                                       berater*innen, Wirtschaftsprüfer*innen und Kanzleien stärker in den
fachliche Expertise in Sachen Compliance und                           Fokus rücken und deren Tätigkeiten im Zusammenhang mit der
Krisenmanagement.“                                                     entsprechenden Krisensituation. Der Umstand, dass Compliance
                                                                       insgesamt ganzheitlicher gedacht werden wird, hat nicht nur die
Thomas Grützner
                                                                       beschriebenen Auswirkungen auf den ganzheitlichen Ansatz von
                                                                       Compliance, Risikomanagement und Ethik in Unternehmen und
Viertens: Die 20er werden das Jahrzehnt der Whistleblower              die Professionalisierung der Aufsichtsräte. Ein ganzheitliches
und Investigations-Abteilungen                                         Verständnis von Compliance erfordert vielmehr auch, dass die
Unternehmen werden in den nächsten Jahren noch stärker daran           Tätigkeit der genannten Berater*innen von Unternehmen und deren
arbeiten, Hinweisgeber*innen zu ermutigen und maßgeschneiderte         Arbeit bei der Analyse eines möglichen Fehlverhaltens genauer
Kanäle für Meldungen bereitzustellen. Das ist nicht nur getrieben      betrachtet werden. Sie werden von Unternehmen beauftragt, beraten
von regulatorischen Vorgaben wie der EU-Hinweisgeberrichtlinie,        und bezahlt. Die Überprüfung ihres Verhaltens auf eine etwaige
sondern auch von Mitarbeiterbefragungen. Denn sie zeigen immer         Haftung gegenüber Unternehmen ist daher in Krisensituationen nur
wieder: Vielerorts ist die Angst vor negativen Konsequenzen für        logisch.
Hinweisgeber*innen noch immer groß – selbst in Unternehmen mit
                                                                       Die zunehmende Internationalisierung rechtlicher Vorgaben und
moderner Compliance-Kultur.
                                                                       die Komplexität zu untersuchender (internationaler) Sachverhalte
Zudem werden sich in Unternehmen eigene Expert*innen oder              werden dazu führen, dass sich die gesetzlichen Grenzen des
gar Abteilungen für „Internal Investigations“ durchsetzen, um          Anwaltsprivilegs in die Richtung eines „Attorney-Client-Privilege“
mögliches Fehlverhalten der Mitarbeiter*innen zu überprüfen. Diese     verschieben. Der Einzug, den interne Untersuchungen in die
Expert*innen werden außerhalb der Revisionsabteilung angesiedelt       Tätigkeit von Unternehmen genommen haben, verdeutlicht dies.
Wer hätte vor 15 Jahren schon gedacht, dass es einmal zu einer
Diskussion um die Einführung gesetzlicher Vorgaben für interne                                         Weiterführende Informationen
Untersuchungen kommen könnte.
                                                                                                       “Under Investigation: A GC Guide to White Collar and
                                                                                                       Sanctions Trends in 2021”
„Entscheider*innen müssen Compliance,
                                                                                                       Wachsende Bedeutung der Unternehmenskultur
Risikomanagement und Ethik
zusammenführen.“                                                                                       Are Changes in Store for US White Collar Enforcement?

Klaus Moosmayer                                                                                        A comprehensive anti-bribery policy is essential, but not
                                                                                                       enough
*Dr. Klaus Moosmayer ist einer der führenden europäischen Compliance-Experten. Er arbeitete
mehr als zehn Jahre bei Siemens, zuletzt als Chief Compliance Officer. Seit 2019 ist er Mitglied der
Konzerngeschäftsleitung und Chief Ethics, Risk and Compliance Officer bei der Novartis AG.             Now is the perfect time to expand the role of compliance
                                                                                                       officers
Die Verteidigung
Effektive Verteidigungsstrategien in Datenschutzkonflikten
Unternehmen drohen bei möglichen Datenschutzverstößen mittlerweile hohe Bußgelder und
Schadensersatzklagen. Mit welchen Strategien und Argumenten können sich Verantwortliche erfolgreich verteidigen
– und was sollten sie jetzt vorbeugend auf den Weg bringen?
Von Tim Wybitul und Dr. Isabelle Brams

Es begann vergleichsweise harmlos: Die ersten Bußgelder für            welche sich in der Summe zu erheblichen Gesamtbeträgen
Verstöße gegen die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)              summieren können. Die damit verbundenen finanziellen Risiken sind
bewegten sich meist im niedrigen fünfstelligen Bereich. Doch           nicht zu unterschätzen.
inzwischen mussten etliche Unternehmen deutlich höhere Summen
zahlen, wiederholt waren zweistellige Millionen-Bußgelder fällig –     Angesichts dieser Entwicklungen gewinnen effektive
und das nicht nur in Deutschland.                                      Verteidigungsstrategien gegen Bußgeldbescheide und
                                                                       Schadensersatzforderungen erheblich an Bedeutung. Ebenfalls
Zugleich steigt das Risiko hoher Schadensersatzforderungen             wichtiger werden interne Prozesse, die das Risiko von
wegen tatsächlicher oder behaupteter DSGVO-Verstöße. So                Datenschutzverstößen minimieren und Verantwortliche zugleich vor
rufen beispielsweise Datenpannen vermehrt kommerzielle                 dem Vorwurf einer Aufsichtspflichtverletzung schützen.
Prozessfinanzierer*innen und spezialisierte Verbraucher-
Anwält*innen auf den Plan, die Betroffene unterstützen, Ansprüche      Entscheider*innen sollten deshalb …
geltend zu machen und gerichtlich durchzusetzen. Einige dieser
Anbieter agieren sehr professionell und werben über verschiedene       … die Schwächen der gegnerischen Argumentation kennen
Medienkanäle aktiv für ihre Leistungen.
                                                                       Klägeranwält*innen bewegen sich in juristischer Hinsicht nicht selten
Zudem beobachten wir bei den Gerichten eine Tendenz zu                 auf eher dünnem Eis. So begründen sie Schadensersatzforderungen
durchaus hohen Schadensersatzsummen. Zwar bewegen sich die             oftmals mit der angeblich „abschreckenden Wirkung“ von DSGVO-
zugesprochenen Summen pro Fall meist im drei- oder vierstelligen       Schadensersatz. Einige Gerichte sind dieser Argumentation
Bereich (siehe dazu unsere DSGVO-Schadensersatztabelle mit einer       zuletzt gefolgt, und das, obwohl die DSGVO lediglich mit Blick auf
Übersicht über die aktuelle Rechtsprechung). In der Praxis betreffen   Bußgelder auf eine „abschreckende Wirkung“ abzielt. Dieser Hinweis
Datenschutzverstöße jedoch häufig eine Vielzahl von betroffenen        hat sich in der Praxis als gutes Verteidigungsargument gegen
Personen. In derartigen Fällen wächst das Risiko von Massenklagen,     überzogene Schadensersatzforderungen erwiesen.
Zudem konnten wir Gerichte bislang in der Regel davon überzeugen,          es – sozusagen als vorbereitende Verteidigung – interne Prozesse
den Schadensbegriff eng auszulegen. Wir meinen: Eine Haftung               auf den Prüfstand zu stellen.
von Unternehmen für unbedeutende oder nur subjektiv empfundene
Verletzungen des Rechts auf Datenschutz wäre nicht angemessen.             … Datenschutz-Management-Systeme verbessern
Eine solche Haftung für Bagatellverstöße ginge auch mit einem
                                                                           Aber was macht ein gutes Datenschutz-Management-System aus?
erheblichen Missbrauchsrisiko einher.
                                                                           Wann gilt eine Datenschutz-Organisation als effektiv und hinreichend
In Bußgeldverfahren wiederum vertreten Datenschutzaufsichts-               ausgestattet? Dazu gibt es bisher kaum Urteile. Unternehmen
behörden mehrheitlich die Auffassung, dass Unternehmen pauschal            können sich jedoch an der Rechtsprechung zur Reichweite von
für Verstöße ihrer Beschäftigten haften müssen. Demnach träfe              Aufsichtspflichten nach § 130 des Ordnungswidrigkeitengesetzes
sie auch dann eine Haftung, wenn Vorstandsmitglieder und                   (OWiG) orientieren.
Geschäftsführer*innen weder von dem Verstoß wussten noch ihre
                                                                           Unabdingbar ist demnach unter anderem eine unternehmens-
Aufsichtspflicht verletzt haben. Doch auch diese Argumentation ist
                                                                           spezifische Risikoanalyse, eine sorgfältige Auswahl, Instruktion und
nach unserer Auffassung von der DSGVO nicht gedeckt.
                                                                           Kontrolle von Mitarbeiter*innen und die tatsächliche Durchsetzung
                                                                           dieser Vorgaben.
… stringente Verteidigungsstrategien entwickeln
– auch vorbeugend                                                          Doch Vorsicht: All das bringt Entscheider*innen wenig, wenn sie die
Die weitreichende Auffassung vieler Behörden ist eine Steilvorlage         Einhaltung der genannten Vorgaben vor Gericht nicht nachweisen
für die Verteidigung. Denn es steht nicht im Einklang mit dem              können. Sie sollten deshalb dafür sorgen, dass sämtliche Strukturen
Schuldprinzip, wenn Unternehmen für Verstöße geradestehen                  und Prozesse sorgfältig dokumentiert werden.
müssen, die auch durch „gehörige“ Aufsicht nicht zu verhindern
gewesen wären. Zudem führt die Rechtsauffassung der Behörden
zu Bußgeldbescheiden, die Täter*innen und Tat nicht klar umreißen.               Weiterführende Informationen
Das ist rechtsstaatlich hochgradig fragwürdig. Denn gegen vage                   Strategien zur erfolgreichen Verteidigung gegen
Vorwürfe kann man sich bekanntlich nur schwer verteidigen.                       DSGVO-Bußgelder

Die Rechtsprechung vertritt zu dieser Rechtsfrage bislang noch                   Das Bundesverfassungsgericht ebnet den Weg für
keine einheitliche Linie. Wir gehen dennoch davon aus, dass                      Schadensersatzklagen wegen Datenschutzverstößen
Gerichte in Zukunft höhere Anforderungen an die Wirksamkeit von
Bußgeldbescheiden stellen werden. Insbesondere könnten Behörden                  Data Privacy Litigation und kein Ende?
verpflichtet sein, nachzuweisen, dass der gerügte Verstoß gerade
                                                                                 Latham-DSGVO-Schadensersatztabelle
durch eine Aufsichtspflichtverletzung verursacht wurde.
                                                                                 Lathams globaler und deutscher Datenschutzblog
Entscheider*innen sollten daher im „Ernstfall“ nachweisen können,
dass sie ihre Aufsichtspflichten hinreichend erfüllt haben. Deshalb gilt
Wege aus dem Labyrinth
Compliance in Matrix-Organisationen
In Matrix-Organisationen stehen Compliance-Verantwortliche vor besonderen Herausforderungen. Wie sich diese
meistern lassen, haben Dr. Tobias Larisch und Dr. Julia Schenkel mit hochkarätigen Expert*innen aus
Dax-Konzernen diskutiert. Hier ausgewählte Statements ...

… zur Herausforderung für Entscheider*innen
Dr. Tobias Larisch (Latham Watkins): „Compliance in Matrix-Organisationen ist ein komplexes Thema, weil wir bei globalen Konzernen häufig
nicht nur über Landesorganisationen, Tochter- und Enkelgesellschaften gestaffelte Matrixstrukturen sehen: In der Regel sind auch einzelne
Unternehmensfunktionen (z. B. HR, Internal Audit etc.) als Matrix organisiert. Das stellt Praktiker regelmäßig vor große Herausforderungen –
gerade, was Verantwortlichkeiten und Berichtswege angeht.“

                                                   Muttergesellschaft                                                         Compliance

                                                      Dokumentation
                                                                                                                                Personal
                          Interne
            Hinweis                   Interviews    Datenerhebung   Bericht   Behördenkontakt   Ahndung   Remediation
                       Untersuchung

                                                                                                                                  Recht

        R
        E
        G             Tochtergesellschaft            Tochtergesellschaft           Tochtergesellschaft                          Revision
        I
        O
        N             Enkelgesellschaft                Enkelgesellschaft            Enkelgesellschaft
        E                                                                                                                       Finanzen
        N
… zum Umgang mit Hinweisen                                                                                     … zur Einschaltung der Behörden
Annette Kraus (Siemens)*: „Egal, auf welchem Kanal und aus                                                     Hinzmann: „Ob und wann wir Kontakt zu den zuständigen Behörden
welcher Region eine Meldung eingeht: Bei Siemens ist ein zentrales                                             aufnehmen, ist eine Tandem-Entscheidung von Compliance- und
Team dafür zuständig, Meldungen zu prüfen und über das weitere                                                 Rechtsabteilung. Das Vorgehen hängt stark von der Region ab:
Vorgehen zu entscheiden. Im Rahmen der Plausibilisierung ziehen                                                In einigen Ländern ist es sinnvoll, Behörden möglichst frühzeitig
wir gegebenenfalls Compliance-Kolleg*innen vor Ort hinzu.“                                                     einzubinden – in anderen kann das dagegen riskant sein. Das
                                                                                                               wägen wir sehr genau ab und nutzen dabei oft auch die Expertise
Hanno Hinzmann (SAP)**: „Für uns ist die Vertraulichkeit und                                                   lokaler Kanzleien.“
die Integrität der Untersuchung extrem wichtig. Wir versuchen,
gerade am Anfang möglichst wenig Personen einzubinden, um die
Reputation der Betroffenen zu schützen.“                                                                       … zu disziplinarischen Maßnahmen und persönlichen
                                                                                                               Konsequenzen
                                                                                                               Hinzmann: „Bei SAP fällt die Entscheidung in einem Dreiklang:
… zu Untersuchungen & Befragungen
                                                                                                               ein*e Vertreter*in der Personal- und der Compliance-Abteilung
Hinzmann: „Auch hier verfolgen wir einen zentralen Ansatz:                                                     sowie der*die Vorgesetzte der*des Betroffenen stimmen sich ab
Hauptakteur*innen sind diejenigen Mitarbeiter*innen des                                                        und sprechen eine gemeinsame Empfehlung aus. Im Fall von
Untersuchungsteams, die im Rahmen unserer Hub-Struktur für die                                                 Unstimmigkeiten hat die Chief Compliance Officerin das letzte Wort.
jeweilige Region zuständig sind. Da die Komplexität von Befragungen                                            Sollte es um hochrangige Führungskräfte gehen, wird der CEO
ein hohes Maß an Konsistenz erforderlich macht, ziehen wir nur noch                                            einbezogen.“
selten Kolleg*innen aus anderen Abteilungen hinzu.“
                                                                                                               Kraus: „Wenn es um hochrangige Führungskräfte oder schwere
Kraus: „Wir haben ein weltweit gültiges Rundschreiben erarbeitet,                                              Regelverstöße geht, entscheidet bei Siemens ein Komitee, das
das klare Verantwortlichkeiten definiert. In klassischen Compliance-                                           aus zwei Vorstandsmitgliedern, dem Chief Compliance Officer und
Fällen ist in aller Regel ein zentrales Team für die Durchführung der                                          der*dem jeweiligen disziplinarischen Vorgesetzten besteht. Über
weltweiten Untersuchung zuständig.“                                                                            andere Fälle entscheiden lokale Komitees. Die Compliance hat ein
                                                                                                               Veto-Recht, von dem wir aber in aller Regel nicht Gebrauch machen
… zur Datenerhebung                                                                                            müssen.“
Kraus: „Zunächst wägen wir sorgfältig ab, ob die Datenerhebung
voraussichtlich einen Mehrwert bringt. Schließlich gelten zunehmend
strenge Regularien und bisweilen ist es unwahrscheinlich, dass wir
überhaupt Zugriff auf kritische Informationen haben. In klassischen
Compliance-Fällen entscheiden wir uns aber typischerweise für eine
Datenerhebung. Das Ziel ist dann stets, Daten Daten zu unseren
E-Discovery-Tools zu übertragen. Dafür haben wir einen klaren,
transparenten und rechtssicheren Prozess entwickelt.“

* Annette Kraus Kraus ist Chief Compliance Officerin und Leiterin der Compliance Organisation der Siemens AG
** Hanno Hinzmann ist Global Field Compliance Officer bei der SAP Group
Fünf Thesen von Dr. Tobias Larisch und Dr. Julia Schenkel

                                                                 Weiterführende Informationen
               Matrixstrukturen haben sich bei großen und
                                                                 “Under Investigation: A GC Guide to White Collar and
               grenzüberschreitend tätigen Unternehmen in
                                                                 Sanctions Trends in 2021”
               der Praxis bewährt.

               Es gibt rechtssichere Wege durch das
               „Labyrinth“ der mehrdimensionalen
               Matrixstrukturen, die effektive Compliance-
               Strukturen und wirksame interne
               Untersuchungen gewährleisten.

               Entscheider*innen müssen allerdings
               berücksichtigen, dass die Delegation von
               Compliance-Aufgaben Grenzen hat. Der
               konzernweiten Risikoanalyse kommt hier eine
               bedeutende Scharnierfunktion zu.

               Unternehmen müssen die Delegation
               von Compliance-Aufgaben sorgfältig
               dokumentieren, um Haftungsrisiken zu
               vermeiden. Zudem sind klare Berichtswege
               einzuhalten, um sicherzustellen, dass die
               Geschäftsleitung ausreichend informiert wird.

               Auch in Matrixstrukturen gibt es Bereiche, in
               denen es die rechtliche Selbstständigkeit einer
               Konzerngesellschaft gebietet, diese gesondert
               einzubeziehen.
Der Marathon
Compliance-Monitoring: vier Ratschläge für Unternehmen
Wenn die US-Justiz eine*n Kontrolleur*in einsetzt, wird es für alle Beteiligten anstrengend. Wie ein Compliance-
Monitoring abläuft – und worauf es dabei ankommt. Ein Gespräch mit Dr. Kurt Michels, Group Chief Compliance
Officer des Volkswagen-Konzerns.
Von Prof. Dr. Thomas Grützner

Derzeit laufen weltweit neun US-Monitorships, von denen drei           deren Herausgabe zu dokumentieren. Angesichts der Vielzahl
deutsche Unternehmen betreffen. Das zeigt, dass das Thema für          von Dokumenten, die ein Monitor anfordert, lässt sich das nur mit
Entscheider*innen hochrelevant ist. Aber was genau geschieht           ausgereifter Technik organisieren.
bei einem Compliance-Monitoring? Und vor allem: Wie sorgen
Verantwortliche dafür, dass es reibungslos und erfolgreich verläuft?   Entwickeln Sie klare eigene Vorstellungen zu Ihrem CMS!
Im Austausch mit Dr. Kurt Michels haben sich vier Ratschläge           Ein Monitor erwartet nicht, dass Ihr Compliance-Management-
herauskristallisiert, die betroffene Entscheider*innen beherzigen      System und Ihre Governance schon perfekt sind. Aber sie*er
sollten.                                                               erwartet eine ehrliche und fundierte Analyse, ein klares Zielbild
                                                                       sowie eine realistische Roadmap, wie dieses Zielbild erreicht
                                                                       werden soll. Zu einer guten Vorbereitung gehört deshalb auch, klare
Verschenken Sie keine Zeit!
                                                                       Vorstellungen von der angestrebten unabhängigen Compliance-
Viele entscheidenden Weichen werden gleich am Anfang eines             Organisation, deren Zuständigkeiten sowie deren Strukturen
Monitoring-Verfahrens gestellt. Deshalb gilt es, so schnell wie        zu entwickeln. Denn je fundierter und strukturierter der eigene
möglich mit den Vorbereitungen zu beginnen und frühzeitig für          Vorschlag ist, desto größer sind die Erfolgsaussichten, dass mit
ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen zu sorgen.          der Unterstützung des Monitors die für das Unternehmen beste
                                                                       Compliance-Struktur entwickelt und umgesetzt wird.
Einer der wichtigsten ersten Schritte ist der Aufbau einer Projekt-
Management-Organisation, die den US-Monitor und ihr*sein               Wer ohne eigene Vorstellungen auf Initiativen des Monitors wartet,
Team betreut. Dazu gehören neben einem IT-System eine im               riskiert dagegen Zeitverlust sowie einen nicht optimalen Verlauf
Unternehmen vernetzte Organisation von Expert*innen, dies es           des Monitorships. Als unternehmensfremde*r Dritte*r benötigt jeder
erlauben, dem Monitor die benötigten Informationen und Dokumente       Monitor Zeit, das Unternehmen und seine Kultur kennenzulernen.
zeitnah in der erforderlichen Qualität zur Verfügung zu stellen und
Zudem ist es nicht die Aufgabe des Monitors, das Compliance-           Denn nur auf dieser Basis können tragfähige und zukunftsorientierte
Management-System eines Unternehmens zu konzipieren und zu             Vorschläge bzw. Konzepte entstehen, die durch die kritische
implementieren.                                                        objektive Begleitung und Bewertung durch das Monitoring-Team
                                                                       noch besser werden. Das gilt etwa für den Auf- bzw. Ausbau von
                                                                       Hinweisgeber-Systemen, die US-Expert*innen erfahrungsgemäß
Kommunizieren Sie transparent!
                                                                       besonders wichtig sind. Zudem haben Monitoring-Teams
Eine intensive, transparente und strukturierte Kommunikation mit
                                                                       Unternehmen zuletzt ermutigt, umfassende Compliance-
dem Monitoring-Team ist essentiell für den Erfolg des Monitorships.
                                                                       Risikoanalysen vorzunehmen und es nicht bei Insellösungen zu
Entscheider*innen sollten deshalb sicherstellen, dass klare
                                                                       einzelnen klassischen Compliance-Themenfeldern (wie z. B. Anti-
Kommunikationsregeln und Kommunikationsstrukturen aufgesetzt
                                                                       Bribery/-Corruption) oder Bereichen zu belassen.
und eingehalten werden. Wichtig ist insbesondere, offen und proaktiv
mit dem Monitor zu reden und keine Scheu zu haben, eigene              Solche ganzheitlichen Betrachtungen sind wichtig und die Erfahrung
Konzepte und Argumente vorzutragen. Zudem gilt das Prinzip:            zeigt, dass gerade hier der Rückenwind und die Unterstützung von
Lieber sich einmal zu oft als einmal zu wenig auszutauschen, um        unabhängigen Dritten hilft, das Unternehmen wetterfest aufzustellen
Missverständnissen und Überraschungen vorzubeugen.                     und gestärkt in eine bessere Zukunft zu führen.

Auch unternehmensintern ist eine umfassende, regelmäßige und
transparente Kommunikation und Hilfestellung angezeigt. So
sollten Mitarbeiter*innen möglichst früh erfahren, was ein US-              Weiterführende Informationen
Monitor ist, was sie*er erwartet und wie sie*er agiert. Zudem gilt
                                                                            “Under Investigation: A GC Guide to White Collar and
es, alle Stakeholder und insbesondere Vorstände und Aufsichtsräte
                                                                            Sanctions Trends in 2021”
regelmäßig zu informieren. Das schafft Vertrauen, Akzeptanz und
vermeidet Missverständnisse.                                                Wirtschafts- und Steuerstrafrecht – Handbuch für
                                                                            Unternehmens- und Anwaltspraxis
Begreifen Sie das Monitorship als Chance!
                                                                            Are Changes in Store for US White Collar Enforcement?
Entscheider*innen sollten das Monitorship nicht als ärgerliche
Auflage, sondern als einzigartige Chance und wichtige                       Aktuelle Entwicklungen in den USA – Jahresrückblick
externe Unterstützung für einen tiefgreifenden Wandel der                   2020 und Ausblick für 2021
Unternehmenskultur und der Compliance-Systeme begreifen
und akzeptieren. Als unabhängige*r Partner*in hilft der Monitor             Aktuelle Entwicklungen in den USA – Zweite Auflage des
unternehmensinterne Prozesse zu verbessern sowie wichtige                   FCPA-Guide
kulturelle und strukturelle Veränderungen anzugehen und
diese nachhaltig mit hoher Geschwindigkeit im Unternehmen
voranzutreiben. Deshalb darf die Leitfrage nicht lauten: Was
erwartet der Monitor von uns? Sondern: Was ist das Beste für das
Unternehmen und seine Beschäftigten?
Kontakte

Latham & Watkins                                                                                                      Externe Referent*innen
               Prof. Dr. Thomas Grützner                                                                               Hanno Hinzmann
               Partner, Latham & Watkins, München                                                                      Global Field Compliance Officer, SAP SE

               Dr. Isabelle Brams                                                                                      Annette Kraus
               Associate, Latham & Watkins, Frankfurt                                                                  Chief Compliance Officerin und Leiterin der
                                                                                                                       Compliance Organisation, Siemens AG
               Dr. Tobias Larisch
               Partner, Latham & Watkins, Düsseldorf                                                                   Dr. Kurt Michels
                                                                                                                       Chief Compliance Officer, Volkswagen AG
               Dr. Julia Schenkel
               Associate, Latham & Watkins, Düsseldorf                                                                 Dr. Klaus Moosmayer
                                                                                                                       Member of the Executive Committee and Chief Ethics,
                                                                                                                       Risk and Compliance Officer, Novartis AG
               Tim Wybitul
               Partner, Latham & Watkins, Frankfurt

Latham & Watkins ist weltweit als Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Haftung (LLP) nach dem Recht des Staates Delaware (USA) tätig, wobei die Niederlassungen in Großbritannien,
Frankreich, Italien und Singapur als LLPs und die Niederlassungen in Hongkong und Japan als Partnerschaften angeschlossen sind. Zudem verfügt Latham & Watkins über eine Repräsentanz
(Foreign Legal Consultant Office (FLC Office)) in Seoul. Für unsere Praxis in Saudi-Arabien sind wir mit der Kanzlei Salman M. Al-Sudairi assoziiert. © Copyright 2021 Latham & Watkins. Alle
Rechte vorbehalten.
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