Wie das Gehirn hören lernt - Gehörlosigkeit und das bionische Ohr
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Übersichtsartikel Neuroforum 2015 · 21:22–29 Andrej Kral · Thomas Lenarz DOI 10.1007/s12269-015-0001-9 Institut für Audioneurotechnologie (VIANNA), Hannover, Deutschland © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 Wie das Gehirn hören lernt – Gehörlosigkeit und das bionische Ohr Einführung 60–70 % der gehörlos geborenen Kinder trächtigt und warum sind sie so schwer zu lernen mit dem Cochlea-Implantat ihre überwinden? Die Hirnentwicklung ist ein komplexer Muttersprache auf einem Niveau, das ih- Schon Charles Darwin war aufgefal- Prozess von progressiven und regressiven nen später erlaubt, das Telefon zu nut- len, dass weiße Katzen mit blauen Au- Veränderungen, der zu einem funktions- zen (also ohne Lippenlesen und ohne den gen häufig gehörlos sind. Ihr Innenohr fähigen und adaptablen Gehirn führt. Sie groben Inhalt im voraus zu kennen), er- zeigt eine Scheibe-Dysplasie: Die Haarzel- erstreckt sich über lange Zeitfenster, die reichen also ein sog. „offenes Sprachver- len sind zwar nicht vorhanden (verlieren beim Menschen bis in die späten Jahre ständnis“ [4, 8, 17]. Damit wird die Bedin- sich vor dem Höranfang), die Stützzellen der zweiten Lebensdekade hinreichen. gung des sog. „verbotenen Experiments“, und die Hörnervfasern bleiben jedoch er- Die Entwicklung kombiniert die Zellge- in dem bei modifizierter Hörfähigkeit in halten. An diesem Gehörlosigkeitsmodell burt wie auch den programmierten Zell- unterschiedlichen Altersstufen die Hör- wurden viele Untersuchungen der letzten tod, die Entstehung wie auch die Elimi- und Sprachentwicklung untersucht wird, Jahre durchgeführt, da die feline Cochlea nierung von Synapsen, Änderungen de- nicht nur medizinisch relevant, sie wird mit einem humanen Cochlea-Implantat rer molekularer Zusammensetzung, Ver- sogar integraler Teil einer Therapie mit versorgt werden kann. änderungen der Leitungsgeschwindigkeit dem Ziel, gehörlosen Kindern zur Spra- von Axonen und vieles mehr. Manche che jenseits der Gebärde zu verhelfen. Juvenile synaptische Plastizität dieser Veränderungen sind durch die Ge- Durch moderne Technik können wir de- netik vorbestimmt, andere sind durch Er- ren Gehirn mit bildgebenden Verfahren Die synaptische Plastizität verändert sich fahrung mit geprägt („Nature“ und „Nur- untersuchen und mit besser kontrollier- während der postnatalen Entwicklung. ture“). Nur eine koordinierte Verzahnung ten und genaueren tierexperimentellen Sowohl die Rezeptoren wie die Ionenka- beider Prozesse führt zu einem Gehirn, Daten vergleichen. näle, die für die synaptische Übertragung das optimal funktionsfähig ist. Als anfänglich Cochlea-Implantate bei zuständig sind, unterlaufen entwick- Das Gehör entwickelte sich in den letz- von Geburt gehörlosen Erwachsenen ein- lungsbedingten Veränderungen. Auch ten Jahrzehnten zu einem Modell-Sinnes- gesetzt wurden, war der Erfolg sehr be- ihre Verbindung zu dem postsynapti- system, an dem Hirnentwicklung und de- scheiden. Im deutlichen Unterschied zu schen Verankerungsapparat („postsyn- ren Abhängigkeit von Erfahrung unter- spät Ertaubten konnten diese Patienten aptic density“) und dessen Zusammen- sucht werden kann. Im Unterschied zu kein Sprachverständnis erlangen, auch setzung ändern sich während der Ent- anderen Sinnessystemen besteht beim nicht nach Jahren der Nutzung des Im- wicklung. Die juvenilen postsynaptichen Gehör die Möglichkeit, auch hochgradi- plantats. Sie konnten akustische Reize Rezeptoren und ihre Ionenkanäle bedin- ge Gehörlosigkeit bei Menschen mit einer zwar wahrnehmen, aber diese nicht den gen eine längere Öffnungsphase und da- Neuroprothese, dem Cochlea-Implantat, komplexen Analysen unterwerfen, die mit ein länger andauerndes postsynapti- effektiv zu therapieren. Dafür wird ein mit für Sprachverständnis unerlässlich sind. sches Potenzial. Deswegen können sich bis zu 24 Elektroden bestückter Träger in Auch einfachere auditorische Aufgaben die postsynaptischen Potenziale leichter die scala tympani des Innenohres inseriert wie das Zählen von akustischen Reizen aufsummieren, auch bei nicht exakt syn- und von einem hinter dem Ohr platzier- war beeinträchtigt. Die (sensiblen) Pha- chronen Eingängen. Die Plastizität der ju- ten Prozessor kontaktlos mit Strom und sen, in denen das Gehirn optimal geeig- venilen Synapsen ist wegen all dieser Um- Steuersignalen ausgestattet (. Abb. 1). Et- net für den Spracherwerb und für das au- wa 350.000 Patienten nutzen ein Cochlea- ditorische Lernen ist, schließen und sind Unterstützt von der Deutschen Forschungsge- Implantat weltweit; bis August 2020 wird nicht einfach wieder zu öffnen (sind kri- meinschaft (Kr 3370 und Exzellenzcluster Hea- ring4all). Weitere Details, z. B. akustische Bei- der millionste Patient mit einem Cochlea- tisch). spiele für filling-in Phänomene und Originalpu- Implantat versorgt. Etwa 100.000 Kinder Welche Prozesse werden durch ange- blikationen sind auf der Webseite http://www. weltweit nutzen dieses Gerät schon heute. borene Gehörlosigkeit im Gehirn beein- neuroprostheses.com zu finden. 22 | Neuroforum 1 · 2015
Unsere in vivo Untersuchungen konn- ten im Kortex von gehörlosen Katzen, die früh mit einem Cochlea-Implantat chro- nisch stimuliert wurden und mehr als 700–1100 Std. effektiver Hörerfahrung sammeln konnten, eine zentrale Rei- fung und eine kortikale Reorganisation zum elektrischen Hören hin nachwei- sen (. Abb. 2a) [5, 13]. Zusätzlich zeigte sich, dass diese kortikale Reorganisation unterschiedliche sensible Phasen aufweist (. Abb. 2b und c, vergl. [13–15]). Im Fol- genden möchten wir die Mechanismen dieser Prozesse analysieren. Merkmalsempfindlichkeit Eine wesentliche Funktion eines Sinnes- systems ist die Extraktion von Merkma- len, die für die Unterscheidung biologisch Abb. 1 8 Schematische Illustration eines eingesetzten Cochlea-Implantats beim Kind (mit freundli- relevanter Reize notwendig ist. Dafür ist cher Genehmigung aus Kral und O'Donoghue [8]). Der Einsatz in der rechten unteren Ecke zeigt eine die grundsätzliche Funktionsweise gene- Fotografie eines Cochlea-Implantats, Bild von Cochlear Limited 2014, mit Erlaubnis zur Reproduk- tion. Der Sprachprozessor („speech processor“) besteht aus Batterien, einem Mikrofon und Elektronik. tisch vorgeprägt: Auch bei komplett ge- Er liegt in modernen Geräten hinter dem Ohr. Durch eine Spule werden sowohl Energie als auch die hörlosen Tieren ist die Hörbahn bis zum Steuersignale an die unter der Haut liegenden Spule des Implantats („receiver coil“) magnetisch (kon- auditorischen Kortex angelegt und zeigt taktfrei) vermittelt. Diese führt dann die Signale an die Elektrodenkontakte („intracochlear electrode eine rudimentäre Funktionsfähigkeit, array“) im Ohr. Mit denen werden überlebende Hörnervfasern stimuliert bis hin zur rudimentären Merkmalsre- präsentation (z. B. von cochleären Ort – stände höher als beim erwachsenen Tier spektive [6]: Nicht die Synapse lernt, das Cochleotopie – oder binauralen Eigen- (Übersicht in [6]). Das könnte leicht zu Gehirn lernt. Damit synaptische Ände- schaften). Die Fähigkeit der Merkmalsex- der Vorstellung führen, dass die erwähn- rungen sinnvoll in informationsverarbei- traktion ist jedoch im Vergleich zu hören- te sensible Phase für auditives Lernen nur tende neuronale Netze integriert werden, den Tieren deutlich reduziert (. Abb. 3; durch die postnatalen Veränderungen der müssen diese im Stande sein, sich in ein Übersicht in [9]). Dies beweist, dass we- synaptischen Plastizität bedingt ist. Diese komplexes, informationsverarbeitendes sentliche Funktionen der Sinnessysteme Schlussfolgerung wäre aber voreilig: Die Gefüge einzubinden um das Verhalten zwar genetisch angelegt sind, die Erfah- synaptische Plastizität ist auch beim er- zu kontrollieren. rung aber benötigen. Die Erfahrung er- wachsenen Tier in vielen Synapsen vor- In früher Entwicklung entstehen vie- möglicht dem Gehirn, die volle Leistungs- handen, nur ihr Ausmaß ist reduziert. le neuronale Schaltkreise unabhängig von fähigkeit zu erreichen, bzw. die genetisch Folglich würde die synaptische Plastizi- der Erfahrung. Im Hörsystem von Säu- durch die angeborene neuronale Struktur tät nur eine graduelle Reduktion der An- gern wird z. B. die Extraktion von inter- vorgegebene weiter zu verbessern. Sie ver- passungsfähigkeit erklären. Ein kongeni- auralen Zeit- und Lautheitsunterschieden hindert eine Degeneration und durch Er- tal ertaubter Erwachsener, der mit einen in der oberen Olive grundsätzlich funk- fahrung nicht gesteuerte Entwicklungs- Cochlea-Implantat versorgt wurde, müss- tional, wenn die Cochlea ihre Funktio- prozesse, die sich auch „degenerativ“ auf te dann grundsätzlich ähnliche sprachli- nalität gewinnt. Die Synapsen des Hirn- die Funktionalität auswirken können. In che Kompetenzen erreichen können, wie stamms sind bei Höranfang schon vor- der Entwicklung des „gehörlosen“ au- ein Kind, das frühzeitig implantiert wor- handen, zeigen aber bei Gehörlosigkeit ditorischen Kortex konnten veränderte den ist – der Erwachsene bräuchte le- Veränderungen in ihrer Morphologie Entwicklungssequenzen und degenera- diglich viel mehr Zeit dazu. Dies wider- und Funktion (Übersicht in [9]). Im au- tive Veränderungen im Tierexperiment spricht jedoch den oben erwähnten Daten ditorischen Kortex entstehen die meisten nachgewiesen werden [12]. von implantierten kongenital Gehörlosen Synapsen erst nach der Geburt und lan- Um Reize unterscheiden lernen zu [2, 4, 17]. Es müssen folglich zusätzliche ge nach dem Höranfang, bei Menschen in können, ist die Repräsentation der sie Prozesse an den sensiblen Phasen betei- den ersten 1–4 Jahren (Übersicht in [9]). unter-scheidendenden (distinktiver) ligt sein, die jenseits einzelner Synapsen Wie hoch ist also der Anteil dieser Syn- Merkmale unerlässlich. Eine Reduk- liegen [6]. apsen, die sich mit der Hörerfahrung ent- tion der Merkmalsextraktion im Gehirn Wesentlich bei der Betrachtung der wickeln, und wie viele sind davon unab- von gehörlos Geborenen verkompliziert kritischen Phasen ist die systemische Per- hängig? den Anfang des Lernvorgangs und ist Neuroforum 1 · 2015 | 23
Zusammenfassung · Abstract aus unserer Sicht mit ein Grund für das Neuroforum 2015 · 21:22–29 DOI 10.1007/s12269-015-0001-9 Schließen von sensiblen Phasen für audi- © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 tives Lernen. A. Kral · T. Lenarz Deprivationseffekte in Wie das Gehirn hören lernt – Gehörlosigkeit der kortikalen Säule und das bionische Ohr Zusammenfassung Kortikale Interaktionen zeigen deutlich In der Geschichte der Neurowissenschaft bie- Vielzahl von Veränderungen in auditiven und mehr Abhängigkeit von der Erfahrung als tet das Hören die einmalige Gelegenheit, die nicht-auditiven Funktionen. Diese passen das die allgemeine Verschaltung des afferen- menschliche Hirnentwicklung mit und oh- Gehirn an den Zustand der Gehörlosigkeit ten Hörsystems. Einerseits ist zwar die ge- ne sensorische Reize zu untersuchen. Dies optimal an, reduzieren aber den späteren Er- nerelle Funktion der kortikalen Säule im ist durch eine Neuroprothese, das Cochlea- folg der prothetischen Therapie des Hörens Implantat, möglich. Das Implantat kann das und schließen sensible Entwicklungsphasen. primären auditorischen Kortex gehörlo- nicht funktionierende Innenohr ersetzen. In Solche kritische Phasen sind nicht nur die Fol- ser Tiere erhalten, zeigt aber eine signifi- den letzten Jahren wurden so die Grundla- ge einer reduzierten synaptischen Plastizität, kante Desynchronisation der evozierten gen vom Lernen, sensiblen Entwicklungspha- sondern auch eine Folge von Veränderungen Aktivität und eine Dysfunktion der tiefen sen und cross-modaler Reorganisation paral- der integrativen Funktionen des Hörens und Schichten V und VI (. Abb. 3; [12, 13]). lel bei Menschen und im Tiermodell mit hoch der höheren kognitiven Funktionen. Da diese Schichten die Ausgangsschich- konsistenten Ergebnissen untersucht. Da- durch lernten wir, dass das gehörlose Gehirn Schlüsselwörter ten des auditorischen Kortex repräsen- nach der Geburt eine komplexe Anpassung Entwicklung · Plastizität · Deprivation · tieren, wurde vermutet, dass eine Kon- an die Gehörlosigkeit durchläuft, mit einer Gehörlosigkeit · Cochlea-Implantat sequenz die Reduktion der Funktion von thalamokortikalen Schleifen ist – was eine Verbindung zum Kurzzeitgedächtnis ha- How the brain learns to listen: deafness and the bionic ear ben könnte. Zusätzlich empfangen die- Abstract se Schichten modulatorische efferente For the first time in the history of neurosci- ganize the brain optimally to cope with deaf- Eingänge von höheren kortikalen Area- ence, hearing allows to systematically inves- ness, but they negatively interfere with a lat- len, die dann den primären auditorischen tigate brain development with and without er prosthetic therapy of hearing. They even- sensory experience in humans. This is giv- tually close the sensitive developmental pe- Kortex in der Funktion modulieren. Die en by the clinical success of the cochlear im- riods. The critical nature of sensitive periods Gehörlosigkeit würde folglich diese Funk- plant, a neuroprosthesis that can replace the is not only a consequence of a developmen- tion beeinträchtigen. Tatsächlich konnte non-functional inner ear. In recent years audi- tally-reduced synaptic plasticity. It is due to eine Reduktion solcher Feedback-Projek- tory neuroscience investigated the neuronal the consequences of changes in central inte- tionen anatomisch bei gehörlosen Tieren mechanisms of learning, sensitive develop- grative functions and cognitive adaptations nachgewiesen werden [1]. mental periods and cross-modal reorganiza- to deafness. tion in parallel in humans and animal models, Beim Fehlen der Hörerfahrung ist Keywords with highly consistent outcomes. We learned der Entwicklungsprozess von funktiona- that the brain undergoes a complex adapta- Development · Plasticity · Deprivation · len Synapsen im Kortex dramatisch be- tion to deafness, both within and outside of Deafness · Cochlearimplant einflusst (. Abb. 4), sowohl in der Ent- the auditory system. These adaptations reor- stehung als auch in der späteren Abbau- phase („Pruning“, [6]). Das beweist, dass die Etablierung von kortikalen Schalt- torischen Objekten, also komplexeren im größeren neuronalen Netz im Kor- kreisen durch Erfahrung stark geprägt ist neuronalen Repräsentationen, die Sub- tex stattfindet, wahrscheinlich im Ver- und schon die Veränderungen von nicht jekte einer Vordergrund/Hintergrund – bund mehrerer kortikaler Felder. Unse- funktionalen Synapsen in funktionsfähi- Unterscheidung sein können: Habe ich re Wahrnehmung ist im Allgemeinen ge z. T. durch den sensorischen Eingang ein Miauen einer Katze gehört, das Rau- auf Objekte fokussiert. Häufig sind wir bedingt ist. schen eines Wasserfalls, das Geräusch uns nicht bewusst, welche Merkmale der einer Glasflasche, die auf den Boden fiel? Objekte zu deren Unterscheidung heran- „Bottom-Up“ und „Top-Down“ Solche Objekte werden durch wiederhol- gezogen werden (distinktiv sind). Wel- bei Gehörlosigkeit te aktive Erfahrung im Gehirn aus senso- ches Merkmal distinktiv ist, kann situ- rischen Merkmalen synthetisiert und ba- ationsabhängig sein, d. h. es hängt auch Informationen werden im Gehirn auf sieren auf den individuellen Erfahrungen davon ab, welche die anderen Objekte in unterschiedlichen Verarbeitungsstufen und Bedürfnissen des Subjekts, sind kon- der gegebenen Situation von dem gegebe- analysiert und gespeichert. Einerseits sind text- und handlungsbezogen. nen zu unterscheiden sind. Um das zu er- auditorische Merkmale der Reize wie Fre- Bis heute wissen wir nicht, wie und wo möglichen, müssen Merkmalsrepräsen- quenz oder räumliche Position in topolo- auditorische Objekte im Gehirn reprä- tationen und Objektrepräsentationen in gischen Karten abgespeichert. Weiterhin sentiert sind; wir nehmen an, dass dies ständiger Interaktion stehen, sodass sich arbeitet das Gehirn aber auch mit audi- in einer distribuierten Repräsentation die Objektwahrnehmung und die Merk- 24 | Neuroforum 1 · 2015
Abb. 2 8 a Resultate von kortikalen Kartierungsexperimenten, bei denen kortikale Feldpotenziale an der Oberfläche des Fel- des A1 mit hoher räumlicher Auflösung registriert wurden. „No implantation“ bezeichnet einen Datensatz von einem gehör- losen Tier, welches keinerlei Hörerfahrung hatte. X-Y Koordinaten entsprechen der Position der Ableitung in rostrocaudaler (X) und dorsomedialer (Y) Richtung. Amplitude (Z-Achse) ist die Amplitude der ersten positiven Komponente des Feldpoten- zials (Pa). Auch ein gehörloses Tier zeigt im primären auditorischen Kortex Antworten auf elektrische Stimulation des Hör- nervs, was die grundlegende Funktionalität des Hörsystems ohne Hörerfahrung beweist. „Implantation age ~3 mo.“ bezeich- net die Gruppe der gehörlosen Tiere, die mit ca. 3 Monaten ein Cochlea-Implantat bekommen haben und 2-5 Monate lang stimuliert und trainiert wurden. Diese Tiere zeigten mit steigender Stimulationsdauer eine langsame Expansion des aktiven Areals und eine Vergrößerung der Amplituden der Feldpotenziale. Bei Tieren, die spät implantiert wurden („Implantation age 6 mo.“) haben sich zwar die Feldpotenziale durch die Stimulation verändert, aber die Expansion des aktiven Areals war gerin- ger. Bild mit freundlicher Genehmigung aus Kral und Sharma [9]. b, c Als Beispiel quantitative Analyse der Antworten mit Ver- gleichen zwischen dem stimulierten und nichtstimulierten Ohr am Kortex ipsilateral zum implantierten Ohr, mit freundlicher Genehmigung aus Kral et al. [15], mit Erlaubnis zur Reproduktion. Gezeigt sind Amplitudenvergleiche (b) und Latenzverglei- che (c). Einseitig hörende (grüne Farbe) und einseitig implantierte gehörlose Tiere (rötliche Farbe) zeigen sowohl in Latenzen als auch in Amplituden eine Verschiebung zum hörenden Ohr (kürzere Latenzen, größere Amplituden) und auch eine Abhän- gigkeit vom Alter, bei dem das einseitige Hören einsetzte. Bei später Versorgung (6 Monate) zeigten sich nur geringe Verände- rungen zu gehörlosen Tieren ((rote Rechtecke) malswahrnehmung gegenseitig beein- tionen in die bottom-up Informations- der kortikalen Felder. Wir erkennen erst flussen. Interessanterweise sind kortika- verarbeitung einzugliedern. Im Falle vom den Wald, dann die Bäume; den Baum le Areale asymmetrisch miteinander ver- Feld A1 bedeutet es, den kortikalen Ein- (das Objekt, wofür wahrscheinlich höhe- bunden, sodass man von „feedforward“ gang (bottom-up) mit dem top-down re Areale verantwortlich sind), bevor wir und „feedback“ Mustern sprechen kann Eingang von höheren kortikalen Arealen die Details der Farbe der Blätter des Bau- – bei funktionalen Interaktionen dann zu verbinden. Dies erfolgt im Schaltkreis mes betrachten (wofür frühe Areale ver- von „bottom-up“ und „top-down“ Inter- der kortikalen Säule. antwortlich sind); wir erkennen erst die aktionen. Nimmt man nun eine hierar- Im Verhalten beziehen sich top-down Gesamtsituation der visuellen Szene und chische Struktur der Repräsentationen Effekte z. B. auf die Fähigkeit, kontextbe- erst dann ihre Details, eingegliedert in die als gegeben, kommt es zu Interaktionen dingt die Verarbeitungsweise im Kortex Gesamtsituation [3]. in bottom-up Form (von Merkmal zum zu modulieren [7]. Eine solche Modula- Die Fußspuren der Existenz von sen- Objekt) und top-down Form (von Ob- tion findet zusätzlich durch Aufmerksam- sorischen Objekten und von top-down jekt zum Merkmal). Ein wesentlicher Be- keitsprozesse statt. Die Verarbeitung der Effekten findet man bei sogenannten standteil kortikaler Netzwerke ist die Fä- afferenten Reize erfolgt dort in der um- „filling-in“ (oder Kontinuitätsillusions-) higkeit, sogenannte top-down Informa- gekehrten Reihenfolge der Hierarchie Phänomenen, wie z. B. wenn ein Objekt Neuroforum 1 · 2015 | 25
Übersichtsartikel ein top-down Einfluss nicht stattfinden. Nach einer Theorie ändert sich während der postnatalen Entwicklung die Ver- arbeitung von Informationen von einen bottom-up getriebenen Prozess in einen kombinierten bottom-up und top-down Prozess [7]. Gehörlosigkeit wird mit die- sem Prozess stark interferieren, da sie die Entwicklung von höheren kognitiven Re- präsentationen verhindert. Das neurophysiologische Substrat eines top-down Einflusses sind Projektio- nen, die von höheren sensorischen Area- len in die hierarchisch untergeordneten Areale zielen. Hierbei ist zu beachten, dass die hierarchische Anordnung von kortika- len Arealen faktisch eher einer funktiona- len Einheit vieler Areale entspricht. Den- noch ist eine hierarchische Betrachtung wegen der unterschiedlichen Funktio- nen dieser Areale sinnvoll. Die Projektio- nen, die von sekundären in die primären sensorischen Areale gerichtet sind, sind schichtspezifisch und zielen hauptsäch- lich in Schicht I/II und die infragranulären Schichten V und VI (. Abb. 2). Die infra- granulären Schichten projizieren dann in die supragranuläre und granuläre Schicht (Schichten II, III und IV) und wirken dort Abb. 3 8 Auditorische Sensitivität im auditorischen Kortex (primäres Feld A1) im Erwachsenenalter untersucht mit elektrischer Stimulation des Hörnervs und elektrophysiologischen Untersuchungen oder modulierend (nicht „treibend“ wie der mit histologischen Analysen mit retrograden Tracern. a Die Anzahl der kortikalen Neurone, die im best- Thalamus). Der Einfluss dieser Schichten aktivierten Bereich des primären auditorischen Kortex nicht auf die Stimulation mit einem Cochlea-Im- könnte eine wesentliche Rolle bei der Ver- plantat antworten, ist bei Gehörlosigkeit erhöht. b Die Feuerrate der Neurone, die auf die Reizung ant- mittlung der top-down Information spie- worten, ist bei gehörlosen Tieren signifikant reduziert. c: Der Dynamikbereich der Antworten ist bei ge- len (sog. kognitive Modulation, [7]). hörlosen Tieren auf nur wenige dB reduziert. d : Die Konvergenz/Divergenz der Projektion von Thalamus in den Kortex war bei gehörlosen Tieren erhöht, d.h. die Cochleotopie war „verwaschen“. e: Die kortika- Ein wesentlicher Effekt der Gehörlo- len Antworten zeigten in einigen Parametern geringere Schwelle bei gehörlosen Tieren, wobei die Erre- sigkeit im primären auditorischen Kortex gungsschwelle der Hirnstammantworten nicht unterschiedlich zu hörenden Tieren war. Dies zeigt eine liegt in den infragranulären Schichten, die zentrale Hypersensitivität bei Gehörlosigkeit. f: Auch Merkmale, die im zentralen auditorischen System eine geringere synaptische Aktivität auf- aus dem Höreingang extrahiert werden, waren betroffen: Die kortikale Empfindlichkeit auf interaura- weisen [10]. Infragranuläre Aktivität ist bei le Zeitdifferenzen („interaural time differences“, ITDs), die von der oberen Olive im Kortex „vererbt“ wird, war bei Gehörlosigkeit deutlich reduziert. Diese Daten belegen eine reduzierte Empfindlichkeit des ge- hörenden Tieren zum ersten Mal zwischen hörlosen Hörsystems auf Merkmale der auditiven Reize wie Intensität, Position der Erregung in der dem 2. und 3. Lebensmonat zu beobach- Cochlea und Position der Schallquelle in Raum. Abbildung modifiziert mit freundlicher Genehmigung ten, wobei diese strukturiert erst im 3. Le- aus Barone et al. [1] und Kral und Sharma [9] bensmonat auftritt. Ihr Ausmaß verstärkt sich bis ins Erwachsenenalter (. Abb. 4; von einem anderen zeitlich oder räum- geblich beteiligt sind [7]. Top-down Ver- [12]). Bei Gehörlosigkeit kann man infra- lich teilweise überdeckt ist. Wenn man im arbeitung wird auch beim gezielten Ler- granuläre Aktivität um den 2.–3. Lebens- Sprachsignal ein einzelnes Phonem durch nen, fokussiert auf bestimmte sensorische monat beobachten, danach schwindet sie Rauschen ersetzt, ist es normalhörenden Reize, eingesetzt. Lernen beim Erwachse- jedoch (ibid.). Frühe chronische elektri- Probanden gar nicht möglich, die Posi- nen wird auf diese Weise gesteuert. sche Reizung bei gehörlosen Tieren konn- tion des ersetzten Phonems zu identifizie- Beim Neugeborenen ist dies alles je- te diese Aktivität erhalten, bzw. entstehen ren („phonemic restoration effect“). Statt doch nicht möglich: Kinder müssen erst lassen [13]. Die deutliche Reduktion der dessen füllen die Probanden die „Lücken“ die Repräsentationen auf hohen hierar- infragranulären Aktivität durch das Feh- sinnvoll, ohne sich dabei des Effekts be- chischen Ebenen (die sensorischen Ob- len von Hörerfahrung ließ uns vermuten, wusst zu sein. Es gibt eine ganze Vielzahl jekte) konstruieren. Sie müssen erst ler- dass einerseits die Grundlage für Kurtzeit- von weiteren dokumentierten Phänome- nen, was eine Katze ist, was ein „Miau“ gedächtnis-relevante Schaltkreise durch nen, bei denen top-down Einflüsse maß- ist, was ein Wasserfall. Bei ihnen kann Gehörlosigkeit beeinträchtigt ist, anderer- 26 | Neuroforum 1 · 2015
Abb. 4 8 Funktionale Entwicklung des auditorischen Kortex mit und ohne Hörerfahrung. a Stromquellendichteanalysen von Feldpotenzialen können synaptische Prozesse um die Messelektrode bestimmen. Vor dem 10. Lebenstag, wenn Hörschwellen unter 100 dB SPL fallen, konnten trotz vorhandener auditorisch (elektrisch) evozierten Hirnstammantworten nur geringe kor- tikale Antworten mit langen Latenzen ab Tag 8 nach Geburt gemessen werden. Diese nahmen mit dem Alter bei hörenden Tieren zu, deren Latenz verkürzte sich. Die evozierten Amplituden erreichten ein Maximum zwischen der 4. und 6. Woche, da- nach folgte ein Abfall auf das Erwachsenenalter um den 3. Lebensmonat. Auch das Muster der Aktivität veränderte sich, die Aktivität nahm besonders spät in den tiefen Schichten V und VI zu. Bei gehörlosen Tieren war dieser Prozess deutlich anders: Die Zunahme der Erregbarkeit war verlangsamt und die Abnahme war verstärkt. b Mittelwerte von Peak-Amplituden der Stromquellendichten bei einzelnen Tieren im Vergleich; im Erwachsenenalter zeigen die Markierungen einen Mittelwert von jeweils 4 Tieren. Pfeil (1) zeigt die verzögerte funktionale Synaptogenese, Pfeil (2) auf die Reduktion der evozierten Aktivität im Erwachsenenalter. Abbildung nach Kral und Sharma [9] Abbildung mit freundlicher Genehmigung aus Kral und Sharma [9]) Neuroforum 1 · 2015 | 27
Übersichtsartikel seits die kongenitale auditorische Depri- tion zugeordnet werden [16]. Diese Daten Lesen vielleicht die wichtigste: Angeboren vation zu einer Entkopplung der frühen belegen also, dass die cross-modale Re- gehörlose 18-Jährige zeigen im Vergleich Areale von kognitiven top-down Einflüs- organisation bei Gehörlosigkeit eine hohe zu altersgleichen Hörenden im Mittel eine sen führt [7, 12, 13]. Spezifizität für das betroffene Areal zeigt. Verzögerung der Lesefähigkeit von mehr Eine solche Entkopplung der primären Die cross-modale Reorganisation als 7–8 Jahren (Übersicht in [8]). auditorischen Areale von den höheren kann ein weiterer Grund für die Schlie- Die angeborene Hörstörung, die jedes Arealen führt zur Unfähigkeit einer kogni- ßung der sensiblen Phasen sein, weil sie 1000. Neugeborene betrifft, ist zusam- tiven Modulation der frühen sensorischen neuronale Ressourcen des Hörsystems men mit angeborenen Herzfehlern und Aktivität. Ein Abfall der synaptischen Plas- umwidmet. Diese experimentellen Daten der Trisomie 21 die häufigste angebore- tizität mit steigendem Alter führt gleich- belegen aber auch, dass die cross-moda- ne Störung. Der Erfolg der Therapie von zeitig zu einer Reduktion der (ungesteu- le Reorganisation des Gehirns bei sensori- Hörschäden ist kritisch abhängig vom Al- erten) bottom-up Plastizität. Im Komplex scher Deprivation spezifischer ist als frü- ter [4, 17], die Therapie der Hörstörung entsteht so ein kortikales Areal, welches her angenommen. sollte innerhalb der ersten 3,5 Jahre, op- nicht genug Plastizität besitzt, um höhere timal aber innerhalb des ersten Lebens- Repräsentationen auszubilden, und kei- Kognitive Konsequenzen jahres erfolgen. Die möglichen therapeu- ne top-down Modulation besitzt, um kor- tischen Maßnahmen beinhalten vor al- tikale Plastizität kognitiv zu steuern. Die Die umfangreichen Veränderungen, die lem die Versorgung mit Hörgeräten und Fähigkeit gezielt zu lernen wird dadurch kongenitale Gehörlosigkeit im Kortex neuroprothetischer Therapie mit Coch- stark vermindert. Wir denken, dass dar- mit sich bringt, hat Folgen nicht nur für lea-Implantaten. Für die wenigen Pa- in ein weiterer Grund für die finale Schlie- sensorische Funktionen. Der sensorische tienten, bei denen ein Cochlea-Implan- ßung von sensiblen Phasen liegt [6]. Kortex dient der Kognition als Tor für tat nicht eingesetzt werden kann, sind die sensorische Informationen. Der auditori- Hirnstammimplantate eine mögliche Al- Cross-modale Reorganisation sche Kortex hat aber auch die Funktion ternative. Unterstützung bei der kogniti- bei Gehörlosigkeit als eine Art Tafel mit hoher zeitlicher Auf- ven und sprachlichen Entwicklung nach lösung, die die Kognition als „Schreib- der Kompensation der Hörstörung ist we- Hirnareale, die in frühen Phasen der post- brett“ nutzen kann (Übersicht in [6]). gen der oben erwähnten kognitiven Fol- natalen Entwicklung nicht genutzt wer- Eine Reduktion des top-down Zugrif- gen sensorischer Deprivation unerlässlich. den, werden zum Teil neuen Funktio- fes auf diese Tafel, verbunden mit seiner nen zugeführt. Falls die neue Funktion abnormalen Funktionalität, könnte folg- Die Zukunft mit einem anderen Sinnessystem zusam- lich zeitliche Verarbeitung im Allgemei- menhängt, sprechen wir von cross-moda- nen beeinträchtigen. Defizite im visuellen Hören über ein Implantat ermöglicht ler Plastizität. Sequenzlernen bei kongenital Gehörlosen zwar die Kommunikation, ersetzt aber Viele Neurowissenschaftler nehmen bestätigen diese Hypothese. Das Hörsys- das Innenohr nicht vollständig. Das Hö- an, dass kein Teil des Gehirns langfris- tem hat weiterhin wichtige Funktionen ren in komplexen Umgebungen mit vie- tig ohne Funktion bleibt. Diese Annahme bei der Aufmerksamkeitssteuerung – es len Schallquellen, die Wahrnehmung von ist jedoch falsch. Bei Gehörlosigkeit kön- kann z. B. den Aufmerksamkeitsschwer- Musik und einiges mehr bleiben offene nen umfangreiche degenerative Verän- punkt auch jenseits des Blickfeldes ver- Forschungsthemen, um die erfolgreichste derungen im auditorischen Hirnstamm lagern und warnt auch vor unsichtbaren Neuroprothese weiter zu verbessern. Die und Mittelhirn beobachtet werden, die Schallquellen. Ein Ausfall des Hörsinns Zukunft muss vor allem die interindivi- auf ein Fehlen adäquater Eingänge schlie- führt zur Reduktion der Konzentrations- duellen Unterschiede im Erfolg der Ver- ßen lässt. Obwohl supranormale visuel- fähigkeit auf einen Sachverhalt oder Ort sorgung aufklären: Etwa 30 % der frühzei- le Fähigkeiten bei Gehörlosen lange be- im Raum („sustained attention“) und ver- tig implantierten Kinder ohne zusätzliche kannt sind, konnte im primären audi- lagert die (visuelle) Aufmerksamkeit in Behinderung erreichen die erwarteten torischen Kortex (Feld A1) keine visuelle die Peripherie des Gesichtsfeldes, um so- Sprachergebnisse nicht; die Gründe dafür Reorganisation neurophysiologisch [11], zusagen die Umgebung auf Gefahren „ab- sind unklar. Die Aufklärung der Schlüs- anatomisch [1] und behavioral [16] nach- zuscannen“. Das reduziert beim Kind die selfaktoren dieser Variabilität ist der Auf- gewiesen werden. Dies war jedoch für das Zeitspanne der gemeinsamen Aufmerk- trag unserer Forschung in der Zukunft. sekundäre Areal DZ anders: Hier konn- samkeit mit der Mutter auf den gleichen ten anatomisch eine visuelle und somato- Gegenstand („joint attention“) und beein- Korrespondenzadresse sensorische Reorganisation nachgewiesen flusst dadurch lernbasierte Entwicklungs- werden [1]. Auch konnte mit behaviora- prozesse. Viele weitere kognitive Verän- A. Kral len Experimenten bewiesen werden, dass derungen konnten als Folge der angebo- Institut für dieses Areal für eine supranormale visuel- renen Gehörlosigkeit identifiziert werden, Audioneurotechnologie (VIANNA) le Bewegungsdetektion verantwortlich ist die mit den hier vorgestellten neuronalen Feodor-Lynen-Str. 35 [16]. Dem sekundären Areal PAF konnten Befunden im Einklang stehen. Vom klini- 30625 Hannover visuelle Aufgaben bei räumlicher Lokalisa- scher Relevanz ist die Konsequenz für das kral.andrej@mh-hannover.de 28 | Neuroforum 1 · 2015
Prof. Dr.med. Thomas Lenarz. ist durch zahlreiche 2. Busby PA, Tong YC, Clark GM (1992) Psychophysi- 10. Kral A, Hartmann R, Tillein J, Heid S, Klinke R (2000) Beiträge zur Hörforschung, insbesondere auf dem cal studies using a multiple-electrode cochlear im- Congenital auditory deprivation reduces synaptic Gebiet der auditorischen Implantate und der plant in patients who were deafened early in life. activity within the auditory cortex in a layer-speci- Audiologie ausgezeichnet, deren Großteil an der Audiology 31(2):95–111 fic manner. Cereb Cortex 10(7):714–726 Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), Klinik für 3. Hochstein S, Ahissar M (2002) View from the top: 11. Kral A, Schroder JH, Klinke R, Engel AK (2003) Ab- Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, erarbeitet wurde, hierarchies and reverse hierarchies in the visual sence of cross-modal reorganization in the prima- die er seit 1993 leitet und zu einer Institution von system. Neuron 36:791–804 ry auditory cortex of congenitally deaf cats. Exp Weltrang führte. Er ist durch wichtige Forschungen 4. Illg A, von der Haar-Heise S, Goldring JE, Lesins- Brain Res 153(4):605–613 auf dem Gebiet der Cochlea-Implantate, des ki-Schiedat A, Battmer RD, Lenarz T (1999) Speech 12. Kral A, Tillein J, Heid S, Hartmann R, Klinke R (2005) Neugeborenen-Hörscreenings, der implantierbaren perception results for children implanted with the Postnatal cortical development in congenital audi- Hörgeräte, der Biomaterialien für medizinische CLARION cochlear implant at the medical univer- tory deprivation. Cereb Cortex 15:552–562 Implantate und der Audiobionik bekannt. sity of hannover. Ann Otol Rhinol Laryngol Suppl 13. Kral A, Tillein J, Heid S, Klinke R, Hartmann R (2006) Zukunftsweisende Arbeiten entstanden auch auf 177:93–98 Cochlear implants: cortical plasticity in congenital dem Gebiet der elektroakustischen Stimulation, 5. Klinke R, Kral A, Heid S, Tillein J, Hartmann R (1999) deprivation. Prog Brain Res 157:283–313 des Local Drug Delivery in der Cochlea sowie Recruitment of the auditory cortex in congenitally 14. Kral A, Heid S, Hubka P, Tillein J (2013a) Unilateral zentral auditorischer Prothesen. Lenarz baute das deaf cats by long- term cochlear electrostimulati- hearing during development: hemispheric specifi- Cochlea-Implantat- Programm in Hannover zu dem on. Science 285(5434):1729–1733 city in plastic reorganizations. Front Syst Neurosci weltweit führenden Zentrum aus. 2003 wurde das 6. Kral A (2013) Auditory critical periods: a review 7:93 Deutsche Hörzentrum Hannover zur integrierten from system’s perspective. Neuroscience 247:117– 15. Kral A, Hubka P, Heid S, Tillein J (2013b) Single-si- Versorgung von Patienten mit Schwerhörigkeiten und 133 ded deafness leads to unilateral aural preference für die klinische Forschung gegründet. 2009 eröffnete 7. Kral A, Eggermont JJ (2007) What’s to lose and within an early sensitive period. Brain 136:180– er das Verbundinstitut für Audioneurotechnologie what’s to learn: development under auditory de- 193 und Nano-Biomaterialien Hannover (VIANNA). privation, cochlear implants and limits of cortical 16. Lomber SG, Meredith MA, Kral A (2010) Cross-mo- Er ist Sprecher des Sonderforschungsbereiches plasticity. BrainRes Rev 56(1):259–269 dal plasticity in specific auditory cortices under- 599 „Biomedizintechnik“ und stellvertretender 8. Kral A, O’Donoghue GM (2010) Profound deafness lies visual compensations in the deaf. Nat Neurosci Sprecher des Exzellenzclusters „Hearing4all“. in childhood. N Engl J Med 363(15):1438–1450 13(11):1421–1427 Thomas Lenarz hat mehr als 400 wissenschaftliche 9. Kral A, Sharma A (2012) Developmental neuroplas- 17. Niparko JK, Tobey EA, Thal DJ, Eisenberg LS, Wang Publikationen verfasst und mehrere Millionen Euro ticity after cochlear implantation. Trends Neurosci NY, Quittner AL et al (2010) Spoken language de- für Projekte eingeworben. Seine Aktivitäten wurden 35(2):111–122 velopment in children following cochlear implan- durch Preise und zahlreiche Präsidentenämter tation. JAMA 303(15):1498–1506 in verschiedenen Gesellschaften gewürdigt. Prof. Dr. Andrej Kral. studierte Allgemeinmedizin an der Comenius Universität, Bratislava (Promotion summa cum laude 1993, Approbation als Arzt 1993, PhD in pathologischer Physiologie 1998). Er arbeitete am Institut für pathologische Physiologie, Comenius Universität (1992–1995, Prof. I. Hulin) und am Mathematischen Institut der Akademie der Wissenschaften (Prof. V. Majernik). Sein Fachgebiet waren künstliche neuronale Netzwerke. 1995 wechselte er zum Institut für sensorische Physiologie und Neurophysiologie (J.W.Goethe – Universität, Frankfurt am Main, Direktor: Prof. R. Klinke), um auf dem Gebiet der Neurophysiologie von Cochlea-Implantaten und auditorischen Plastizität Hier steht eine Anzeige. zu arbeiten. Er habilitierte im Fach Physiologie (J.W.Goethe – Universität) 2002. 2004 folgte er einem Ruf auf die C3– Professor für Neurophysiologie, Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf (Institut für Neurophysiologie). 2009 folgte er dem Ruf auf die W3-Professur für auditorische Neurophysiologie an die Medizinische Hochschule Hannover. Er ist Direktor für Forschung der HNO-Klinik der MHH (DUO-Konzept), Direktor des Instituts für Audioneurotechnologie (VIANNA) und der Abteilung für experimentelle 1 Springer Otologie der HNO-Klinik. Seit 2004 ist er „adjunct professor of neuroscience and cognition“ an der Universität Texas, Dallas, USA. Seine Interessensgebiete sind Neurophysiologie von Gehörlosigkeit, Cochlea-Implantate, auditorische Entwicklung, neuronale Plastizität und neuroprothetische Stimulation des Gehirns. Seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen erschienen unter anderen in New Engl J Med, Science, Nat Neuroscience, Trends Neurosci, Brain, J Neurosci und Cereb Cortex. Literatur 1. Barone P, Lacassagne L, Kral A (2013) Reorganizati- on of the connectivity of cortical field DZ in conge- nitally deaf cat. PLoS ONE 8(4):e60093 Neuroforum 1 · 2015 | 29
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