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Aktuelle Forschungsergebnisse                       5

Wie funktioniert eigentlich der Länderfinanz-
ausgleich?
Joachim Ragnitz*

Der bundesstaatliche Finanzausgleich ist – wieder ein-            Württemberg, Bayern und Hamburg) mehr als 110 % sind.
mal – in die Kritik geraten. Bayern und Hessen haben              Gäbe es keinen Ausgleichsmechanismus, so müssten
Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht,               die ärmeren Länder auch ihre Ausgaben entsprechend
weil sie sich durch das geltende System überpropor-               anpassen – mit negativen Folgen nicht nur für die Bereit-
tional stark belastet sehen. Die Nehmerländer im Finanz-          stellung öffentlicher Güter, sondern auch für die Finan-
ausgleich wiederum verweisen darauf, dass nur ein weit-           zierung von Sozialleistungen und Maßnahmen der Wirt-
gehender Ausgleich von Finanzkraftunterschieden die               schaftsförderung. Die Gleichwertigkeit der Lebensverhält-
Erfüllung der grundgesetzlichen Forderung nach einer              nisse wäre insoweit eklatant verletzt.
„Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ ermögliche. Von              Wie stark der Finanzausgleich die unterschiedliche Fi-
Seiten der Wissenschaft wiederum wird das geltende                nanzkraft ausgleicht, wird anhand von Abbildung 1 verdeut-
Finanzausgleichsystem vor allem deshalb kritisiert, weil          licht: Selbst Länder mit einer sehr niedrigen Finanzkraft
damit keine ausreichenden Anreize zur Erhöhung der                erreichen nach Abschluss aller Ausgleichsmaßnahmen
Steuerkraft eines Landes einhergingen. Generell wird              eine Finanzkraft von rund 98,5 % des Länderdurchschnitts
zudem ein Mangel an Transparenz des Finanzausgleichs              (der sogenannten Ausgleichsmesszahl). Bei einer origi-
in seiner heutigen Ausgestaltung beklagt.1                        nären Finanzkraft von 120 % des Länderdurchschnitts
    Derzeit ist die Debatte – soweit sie in der Öffentlich-       würde hingegen nach Finanzausgleich lediglich noch
keit geführt wird – durch ein hohes Maß an Unverständ-            eine Finanzkraft von rund 112 % verbleiben. Die starke
nis über die Mechanismen des geltenden Regelwerks                 Nivellierungswirkung insbesondere bei niedriger Finanz-
des Finanzausgleichs geprägt. In diesem Beitrag wird des-         kraft ist dabei eigentlich Ziel des Ausgleichs – die (weni-
halb grundlegend dargestellt, wie der bundesstaatliche            ger starke) Abschöpfung bei den finanzstarken Ländern
Finanzausleich in seinen unterschiedlichen Stufen funk-           hingegen unvermeidbare Nebenwirkung eines Systems,
tioniert und über welche Mechanismen die empirisch                das in seinem Kern auf eine Umverteilung des Steuerauf-
feststellbaren hohen Abschöpfungsquoten zustande kom-             kommens zwischen den Ländern basiert.
men. Damit soll nicht nur ein Beitrag zur Versachlichung               Die folgende Übersicht 1 zeigt, wie groß die Finanz-
der Diskussion geleistet, sondern auch eine Grundlage für         ströme auf den verschiedenen Stufen des Finanzaus-
die anstehenden Verhandlungen um eine Neugestaltung               gleichs (Berichtsjahr 2011) tatsächlich sind. Erkennbar
des bundesstaatlichen Finanzausgleichs geschaffen wer-            wird, dass auf den eigentlichen Finanzausgleich zwi-
den, die wegen der Befristung des Finanzausgleichs-               schen den Ländern (LFA i. e. S.) nur ein verhältnismäßig
gesetzes (bis zum 31.12. 2019) in der kommenden Le-               kleiner Teil des gesamten Umverteilungsvolumens ent-
gislaturperiode geführt werden müssen. Ein eigener                fällt. Deutlich größer ist der Umverteilungseffekt, der sich
Vorschlag für eine Neuregelung des Finanzausgleichs               aus der Verteilung eines Teils der Umsatzsteuer nach
wird in einem Beitrag für den ifo Schnelldienst (Heft             Steuerkraft (anstatt nach Köpfen) ergibt. Zwar zählt die-
1/2014) präsentiert.2                                             ser sogenannte „Umsatzsteuervorwegausgleich“ formal-
                                                                  juristisch nicht zur „Verteilung“ des Steueraufkommens,
                                                                  sondern zu seiner „Zuordnung“; sachlich scheint es aber
Das empirische Bild                                               gerechtfertigt, diesen Vorwegausgleich nach den gleichen
                                                                  Kriterien zu beurteilen wie den Finanzausgleich im enge-
Dass es eines Ausgleichssystems bedarf, das einen Aus-            ren Sinne.
gleich unterschiedlicher hoher Steuereinnahmen zwischen                Man könnte einwenden, dass das Volumen des bun-
den einzelnen Ländern bewirkt, ist angesichts der regio-          desstaatlichen Finanzausgleichs gemessen an den Steuer-
nal stark divergierenden Steuerkraft wohl unstrittig, denn        einnahmen insgesamt relativ gering ist, die daraus resul-
das Niveau der (notwendigen) Ausgaben dürfte in den               tierenden Wirkungen also nicht weiter ins Gewicht fallen.
einzelnen Ländern annähernd gleich hoch sein. So liegt            Tatsächlich aber sind die Zuweisungen aus dem Finanz-
die originäre Steuerkraft (je Einwohner gerechnet) in den
ostdeutschen Bundesländern bei weniger als 70 % des
                                                                    * Prof. Joachim Ragnitz ist stellvertretender Geschäftsführer Niederlas-
gesamtdeutschen Durchschnitts, während es in den Ge-                  sung Dresden des ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
berländern im Finanzausgleich (aktuell: Hessen, Baden-                an der Universität München e. V.

                                                  ifo Dresden berichtet 6/2013
6   Aktuelle Forschungsergebnisse

    Abbildung 1: Wirkungsweise des bundesstaatlichen Finanzausgleichs

                                             4.000
                                                                                                                               Originäre Finanzkraft
          Finanzkraft nach Finanzausgleich

                                                                                                                               (mit Umsatzsteuer
                                                                                                                               nach Köpfen)
                                             3.500
                                                                                                                               Finanzkraft nach
                                                                                                                               Umsatzsteuer-
                                                                                                                               Ausgleich
                                             3.000                                                                             Finanzkraft nach
                                                                                                                               Länderfinanz-
                                                                                                                               ausgleich
                                                                                                                               Finanzkraft nach
                                             2.500                                                                             Fehlbetrags-BEZ
                                                                                                                               Ausgleichsmesszahl

                                             2.000
                                                 2.000          2.500           3.000            3.500             4.000
                                                                     Finanzkraft vor Finanzausgleich

    Quellen: Bundesministerium der Finanzen, Berechnungen des ifo Instituts.

    Übersicht 1: Finanzströme im bundesstaatlichen Finanzausgleich

                                                                         Finanzschwache Länder                USt-Vorweg-   Finanzstarke Länder
                                                                            vor USt-Verteilung                 ausgleich     vor USt-Verteilung
                                                                                                               7,2 Mrd.*
                                                                              BE, BB, MV, NI,                                 BW, BY, HB, HH,
                                                                              SL, SN, ST, TH                                  HE, NW, RP, SH

                                                                         Finanzschwache Länder
                                                                                                               LFA i.e.S.   Finanzstarke Länder
                                                                           nach USt-Verteilung
                                                                                                                            nach USt-Verteilung
                                                                                                               7,3 Mrd.
                                                                          BE, BB, HB, MV, NW, NI,
                                                                                                                              BW, BY, HH, HE
                                                                           RP, SL, SN, SH, ST, TH

                                                                         Finanzschwache Länder
                                                         Allg. BEZ
                                                                                nach LFA
                                  Bund                   2,6 Mrd.
                                                                            BE, BB, HB, MV, NI,
                                                                           RP, SL, SN, SH, ST, TH

       * Im Vergleich zur Verteilung nach Köpfen.

    Quellen: Bundesministerium der Finanzen, Darstellung des ifo Instituts.

                                                                                    ifo Dresden berichtet 6/2013
Aktuelle Forschungsergebnisse          7

ausgleich für einige finanzschwache Länder höchst be-                  jeweiligen Ländern selbst zu tragen sind, mindern die
deutsam. So beläuft sich das Volumen der Finanzaus-                    daraus resultierenden Steuermehreinnahmen die Zuwei-
gleichszahlungen in den Stadtstaaten Berlin und Bremen                 sungen im Finanzausgleich, sodass per saldo nur eine
jeweils auf mehr als ein Drittel ihrer originären Steuerein-           geringe Steigerung der Einnahmen resultiert. Zwar lässt
nahmen; in Ländern wie Sachsen oder Sachsen-Anhalt                     sich einwenden, dass die Maximierung der eigenen Ein-
sind es immerhin noch rund 10 %. Zudem ist für eine                    nahmen nur ein Nebenziel staatlicher Wirtschaftspolitik
Bewertung der allokativen Wirkungen des Verteilungs-                   darstellt (und mit Blick auf eine Erhöhung von Einkom-
systems nicht primär die Höhe der Zahlungen zwischen                   men und Beschäftigung durchaus ein erheblicher Anreiz
den Ländern relevant, sondern vielmehr eine marginale                  für wachstumsfördernde Maßnahmen besteht), doch ist
Betrachtung des Verbleibs von eigenen Steuermehrein-                   wohl unstrittig, dass dieser Anreiz noch verstärkt werden
nahmen. Dies soll daher auch im Mittelpunkt dieses Bei-                würde, wenn es auch einen unmittelbaren Einfluss auf
trags stehen.                                                          die öffentlichen Einnahmen gäbe.
    Ein wesentlicher Kritikpunkt am gegenwärtigen Finanz-                  Dass ein Finanzausgleichssystem, das auf eine Ver-
ausgleich ist es, dass infolge der hohen Nivellierungswir-             ringerung von Finanzkraftunterschieden abzielt, die An-
kung insbesondere für die finanzschwächeren Länder                     reize für eine Steigerung der eigenen Steuereinnahmen
nur ein geringer Anreiz bestehe, das eigene Steuerauf-                 verringert, ist zunächst einmal kein Argument gegen ein
kommen zu steigern: Während die Kosten für wachs-                      solches System – zumal Länder mit hoher und niedriger
tumsfördernde Maßnahmen im Wesentlichen von den                        Finanzkraft hiervon prinzipiell ja in gleicher Weise betrof-

Tabelle 1: Verbleibsquoten unterschiedlicher Steuerarten nach Finanzausgleich (Berichtsjahr 2011)

                                Lohn-                                                                              Durchschnitt
                                                                     Körper-
                                 und               Zins-                              Länder-       Gewerbe-       der genann-
                                                                     schaft-
                             Einkommen-          abschlag                             steuern        steuer        ten Steuern
                                                                     steuer
                                steuer                                                                              (gewichtet)

 Baden-Württemberg                25,7              24,4                19,3           38,6             57,5            22,4

 Bayern                           27,1              25,8                20,7           41,4             59,8            24,5

 Berlin                             8,9               7,7                  2,9           5,9            39,7             8,5

 Brandenburg                        7,7               6,5                  1,7           3,4            38,9             7,1

 Bremen                             6,6               5,4                  0,7           1,3            36,1             7,7

 Hamburg                          31,6              30,3                25,1           50,1             64,9            30,4

 Hessen                           23,0              21,8                16,9           33,7             54,7            21,6

 Meckl.-Vorpommern                  7,2               6,0                  1,2           2,3            37,9             5,1

 Niedersachsen                    11,7              10,5                   5,3         10,5             44,4            10,7

 Nordrhein-Westfalen              36,2              34,8                29,2           58,4             72,5            30,4

 Rheinland-Pfalz                    9,0               7,8                  2,7           5,5            40,9             9,5

 Saarland                           6,8               5,6                  0,8           1,6            36,9             6,8

 Sachsen                            8,7               7,5                  2,7           5,4            38,8             6,4

 Sachsen-Anhalt                     7,6               6,4                  1,6           3,2            38,1             5,8

 Schleswig-Holstein                 8,4               7,1                  2,0           4,1            40,7             8,7

 Thüringen                          7,5               6,3                  1,5           3,0            38,1             5,5
Quellen: Bundesministerium der Finanzen, Berechnungen des ifo Instituts.

                                                       ifo Dresden berichtet 6/2013
8   Aktuelle Forschungsergebnisse

    fen sein sollten. Wie die nachfolgenden Überlegungen                              ist auch ein Zusammenhang zur originären Steuerkraft
    zeigen, sind die Verbleibsquoten zusätzlicher Steuerein-                          vorhanden (vgl. Abb. 2); die (mit den jeweiligen Steuer-
    nahmen jedoch von Land zu Land höchst unterschied-                                anteilen gewichtete) Verbleibsquote liegt in den reicheren
    lich, sodass tatsächlich zu prüfen ist, ob das Postulat der                       Ländern deutlich höher als in den Ländern mit geringerer
    „Anreizkompatibilität“ in ausreichendem Maße erfüllt ist.                         Steuerkraft.
        Wie aus Tabelle 1 ersichtlich ist, verbleibt einem ein-                           Gerade letzteres verdient es, besonders hervorgeho-
    zelnen Land nur ein kleiner Teil der Mehreinnahmen, die                           ben zu werden. Betrachtet man nämlich die Verbleibs-
    in diesem Land originär erzielt werden. Der größere Teil                          quote in Abhängigkeit von der Steuerkraft (hier darge-
    der zusätzlichen Einnahmen wird über die vertikale Steu-                          stellt am Beispiel Sachsens sowie mit Bezug auf die
    erverteilung bzw. die Ausgleichsmechanismen der unter-                            Einkommensteuer), so ergibt sich der in Abbildung 3
    schiedlichen Stufen des Finanzausgleichs auf den Bund                             dargestellte Verlauf: Bei niedrigerer Steuerkraft liegt die
    bzw. die übrigen Länder aufgeteilt. Auffällig ist zudem,                          Verbleibsquote in etwa konstant bei einem Wert von
    dass die Verbleibsquote bei den einzelnen Steuerarten                             rund 7,5 %, erhöht sich dann bei einer Steuerkraft von
    höchst unterschiedlich ist. Dies ist vor allem – aber nicht                       mehr als 93 % des Länderdurchschnitts leicht, um dann
    nur3 – Folge der primären vertikalen Steuerverteilung zwi-                        bei einer Steuerkraft in gleicher Höhe wie der Länder-
    schen Bund und Ländern: Während die Landessteuern                                 durchschnitt sprunghaft auf rund ein Drittel anzusteigen.
    komplett bei den Ländern verbleiben, beläuft sich der                             Bei weiter zunehmender Steuerkraft hingegen reduziert
    Anteil der Länder und Gemeinden bei der Lohn- und Ein-                            sich die Verbleibsquote zunächst, steigt dann aber bei
    kommensteuer zusammengenommen nur auf 57,5 %,                                     einer Steuerkraft von mehr als 120 % des Länderdurch-
    bei der Körperschaftsteuer sogar nur auf 50 %. Weiterhin                          schnitts wieder an. Die Anreize, ihre eigenen Steuerein-
    hängt die Verbleibsquote auch von der Größe eines Lan-                            nahmen zu erhöhen, sind somit in Abhängigkeit von der
    des (gemessen an der Einwohnerzahl) ab: Größere Län-                              jeweiligen Steuerkraft höchst unterschiedlich. Anders als
    der weisen im Trend eine höhere Verbleibsquote auf als                            die Abhängigkeit der Verbleibsquote von der Einwohner-
    kleinere Länder, weil der für den Ausgleich maßgebliche                           zahl kann diese Implikation des Ausgleichstarifs auf den
    Finanzbedarf je Einwohner ermittelt wird. Und schließlich                         verschiedenen Stufen des Finanzausgleichs sachlich

    Abbildung 2: Verbleibsquote und originäre Steuerkraft

                                    35
                                                                                    NW                                  HH
                                    30

                                                                                                      BY
        Gewichtete Verbleibsquote

                                    25
                                                                                               BW
                                                                                                           HE
                                    20

                                    15
                                                                             NI
                                    10                                 BE           RP
                                                                BB           SH
                                                      SN                             HB
                                                 TH        ST           SL
                                     5
                                                      MV

                                     0
                                     1.500   2.000      2.500        3.000          3.500            4.000      4.500    5.000       5.500

                                                      Originäre Steuerkraft (Umsatzsteuer nach Köpfen)

    Quellen: Bundesministerium der Finanzen, Berechnungen des ifo Instituts.

                                                                      ifo Dresden berichtet 6/2013
Aktuelle Forschungsergebnisse           9

Abbildung 3: Verbleibsquote der Einkommensteuer – Beispiel Sachsen

                    40

                    35

                    30
   Verbleibsquote

                    25

                    20

                    15

                    10

                     5

                     0
                     2.000   2.500              3.000               3.500             4.000           4.500             5.000
                                                     Originäre Steuerkraft

Quellen: Bundesministerium der Finanzen, Berechnungen des ifo Instituts.

nicht überzeugen, sondern ist wohl nur durch die Mehr-                 Funktionsweise des Länderfinanzausgleichs
heitsverhältnisse in den zuständigen Verhandlungskom-
missionen zu erklären.                                                 Der bundesstaatliche Finanzausgleich (als Teil der ge-
    Hinzu kommt, dass auch die abgeschöpften Erträge                   samten föderalen Finanzbeziehungen) zielt darauf ab,
keineswegs in systematischer Weise verteilt werden (vgl.               entsprechend den grundgesetzlichen Vorgaben die ein-
Tab. 2). Von Mehreinnahmen in einem beliebigen Land                    zelnen föderalen Ebenen in die Lage zu versetzen, die
profitieren die übrigen Länder unterschiedlich stark und               ihnen verfassungsgemäß zukommenden Aufgaben in adä-
zumindest dem ersten Anschein nach ist hier kein klares                quater Weise zu erfüllen. Konstitutiv hierfür ist zunächst
Muster erkennbar. Ebenso verhält es sich mit Blick da-                 Art. 106 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG), nach dem die
rauf, wie ein einzelnes Land an Mehreinnahmen in an-                   Einnahmeverteilung zwischen Bund und Ländern so aus-
deren Ländern partizipiert. Wie noch zu zeigen ist, rührt              zutarieren ist, dass die „Einheitlichkeit der Lebensverhält-
dies daher, dass bei der Verteilung der Mehreinnahmen                  nisse“ im Bundesgebiet gewahrt bleibt. Finanzkraftunter-
neben der Finanzkraft auch die Größe der einzelnen Län-                schiede zwischen den einzelnen Ländern sind gemäß
der (gemessen an Steuereinnahmen und gemessen an                       Art. 107 Absatz 2 GG in angemessener Weise auszuglei-
der Einwohnerzahl) eine Rolle spielt.                                  chen. Die Konkretisierung dieser allgemeinen Vorgaben
    Angesichts dieses eher diffusen Bildes soll im Folgen-             erfolgt im Finanzausgleichsgesetz (FAG): Zunächst wird
den genauer untersucht werden, wodurch die Vertei-                     (§ 1 FAG) die Verteilung der Umsatzsteuer zwischen
lungsergebnisse des Finanzausgleichs im Einzelnen de-                  Bund, Ländern und Gemeinden geregelt, in einem zwei-
terminiert sind. Anders als bisherige Studien, die hierzu              ten Schritt (§ 2 FAG) die Aufteilung des Länderanteils an
typischerweise Simulationsergebnisse heranziehen, wird                 der Umsatzsteuer zwischen den einzelnen Ländern vor-
dabei (erstmals) eine formelmäßige Darstellung gewählt.                genommen und hiernach (§§ 4-10) der eigentliche Finanz-
Nur auf diese Weise lässt sich zeigen, auf welcher Stufe               ausgleich zwischen finanzstarken und finanzschwachen
des Finanzausgleichs und in welchen Mechanismen die                    Ländern definiert. Darüber hinaus stellt der Bund finanz-
Ursachen für den wenig systematischen Verlauf der Ver-                 schwachen Ländern zusätzliche Mittel zur Aufstockung
bleibsquoten liegen.                                                   ihrer Einnahmen zur Verfügung (§ 11 Abs. 2 FAG). Ergän-

                                                       ifo Dresden berichtet 6/2013
10   Aktuelle Forschungsergebnisse

     Tabelle 2: Verteilung von Mehreinnahmen bei der Einkommensteuer in Höhe von 1 Mrd. € auf den Bund
     und die einzelnen Bundesländer, Berichtsjahr 2011 (in € je Einwohner)

                                                                                                                                                Nordrhein-Westfalen
                         Baden-Württemberg

                                                                                                            Meckl.-Vorpommern

                                                                                                                                                                                                                              Schleswig-Holstein
                                                                                                                                                                                                             Sachsen-Anhalt
                                                                                                                                                                      Rheinland-Pfalz
                                                                                                                                Niedersachsen
                                                               Brandenburg

                                                                                                                                                                                                                                                   Thüringen
                                                                                         Hamburg

                                                                                                                                                                                        Saarland

                                                                                                                                                                                                   Sachsen
                                                                             Bremen

                                                                                                   Hessen
                                             Bayern

                                                      Berlin

      Baden-
                  23,8                       5,1      5,7      5,6            5,7          2,5     5,1      5,6                 5,0             2,0                   5,2               5,5        5,6       5,6              5,1                  5,6
      Württemberg

      Bayern            5,8 21,6                      6,0      5,8            6,0          1,6     6,3      5,9                 4,9             0,8                   5,2               5,7        5,8       5,8              5,0                  5,8

      Berlin            8,0                  8,0 25,7          8,3            8,3          8,0     8,0      8,3                 8,3             8,0                   8,3               8,3        8,3       8,3              8,3                  8,3

      Brandenburg       6,0                  6,0      6,3 31,0                6,3          6,0     6,0      6,3                 6,3             6,0                   6,3               6,3        6,3       6,3              6,3                  6,3

      Bremen            8,0                  8,0      8,3      8,3 100,2                   8,0     8,0      8,3                 8,3             8,0                   8,3               8,3        8,3       8,3              8,3                  8,3

      Hamburg           3,5                  3,5      5,8      5,8            5,8      176,3       3,5      5,8                 5,7             2,9                   5,7               5,8        5,8       5,8              5,7                  5,8

      Hessen            5,8                  6,3      6,0      5,8            6,0          1,5 37,9         5,9                 4,9             0,8                   5,2               5,7        5,8       5,9              5,0                  5,9

      Meckl.-
                        6,0                  6,0      6,3      6,3            6,3          6,0     6,0 43,7                     6,3             6,0                   6,3               6,3        6,3       6,3              6,3                  6,3
      Vorpommern

      Nieder-
                        5,8                  5,8      6,4      6,4            6,4          5,8     5,8      6,4 14,8                            5,8                   6,4               6,4        6,4       6,4              6,4                  6,4
      sachsen

      Nordrhein-
                        1,9                  1,9      4,5      4,5            4,5          1,9     1,9      4,5                 4,5 20,3                              4,5               4,5        4,5       4,5              4,5                  4,5
      Westfalen

      Rheinland-
                        5,9                  5,9      6,3      6,3            6,3          5,9     5,9      6,3                 6,3             5,9 22,6                                6,3        6,3       6,3              6,3                  6,3
      Pfalz

      Saarland          5,9                  5,9      6,3      6,3            6,3          5,9     5,9      6,3                 6,3             5,9                   6,3 67,5                     6,3       6,3              6,3                  6,3

      Sachsen           6,0                  6,0      6,3      6,3            6,3          6,0     6,0      6,3                 6,3             6,0                   6,3               6,3 21,1             6,3              6,3                  6,3

      Sachsen-
                        6,0                  6,0      6,3      6,3            6,3          6,0     6,0      6,3                 6,3             6,0                   6,3               6,3        6,3 32,7                   6,3                  6,3
      Anhalt

      Schleswig-
                        5,8                  5,8      6,4      6,4            6,4          5,8     5,8      6,4                 6,4             5,8                   6,4               6,4        6,4       6,4 29,7                              6,4
      Holstein

      Thüringen         6,0                  6,0      6,3      6,3            6,3          6,0     6,0      6,3                 6,3             6,0                   6,3               6,3        6,3       6,3              6,3 33,8

      nachr.: Bund      4,8                  4,8      5,6      5,7            5,6          4,8     4,8      5,7                 5,9             4,8                   5,8               5,7        5,7       5,7              5,9                  5,7

      Werte in Spalten geben die Verteilung der Mehreinnahmen (in Höhe von 1 Mrd. €) in dem jeweiligen Land auf die übrigen Länder an.
      Werte in Zeilen stellen dar, in welchem Umfang ein Land von den Mehreinnahmen in genannter Höhe in einem beliebigen anderen Land
      profitiert. Fettgedruckte Werte auf der Diagonalen geben den Verbleib von Steuermehreinnahmen im Ursprungsland je Einwohner an.

     Quellen: Bundesministerium der Finanzen, Berechnungen des ifo Instituts.

                                                                                      ifo Dresden berichtet 6/2013
Aktuelle Forschungsergebnisse            11

zend sind außerdem das Zerlegungsgesetz (ZerlG,                   Anrechnung der kommunalen Finanzkraft. Es ist daher
Vorschriften zur Verteilung des Länderanteils an der              auch angemessen, Landes- und Gemeindeebene mit
Lohnsteuer4, der Abgeltungssteuer5 und der Körper-                Blick auf den Länderfinanzausgleich in zusammengefass-
schaftsteuer6 auf die einzelnen Länder), das Gewerbe-             ter Form zu behandeln.10 Die Verteilung der Gesamt-
steuergesetz (Vorschriften zur Verteilung der Gewerbe-            einnahmen von Land und Kommunen auf die beiden
steuer bei Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten)7             Ebenen ist dann letzten Endes eine Frage, die landes-
und das Gemeindefinanzreformgesetz (Verteilung des                gesetzlich zu klären ist (Art. 106 Abs. 7 GG); hier haben
Umsatzsteueranteils der Gemeinden auf die Länder so-              die einzelnen Bundesländer teilweise deutlich voneinan-
wie Bestimmung der Gewerbesteuerumlage) ausgleichs-               der abweichende Regelungen gefunden.11
relevant.8                                                             Ausgangsbasis des Finanzausgleichs ist das „eige-
    Entscheidend für die Funktionsweise des bundes-               ne“ Steueraufkommen der Länder (und ihrer Gemein-
staatlichen Finanzausgleichs sind letzten Endes alle vier         den). Was hierzu zu zählen ist, ergibt sich aus den ver-
Stufen, nämlich die vertikale Steuerzuordnung auf Bund,           fassungsrechtlichen Vorgaben der Art. 106, 106b und
Länder und Gemeinden, der Umsatzsteuervorwegaus-                  107 GG. Grundsätzlich gilt dabei das Prinzip des „ört-
gleich, der horizontale Finanzausgleich zwischen den              lichen Aufkommens“ (was durch die Wirtschaftskraft eines
Ländern und die ergänzenden Zuweisungen des Bun-                  Landes determiniert ist), doch wird dieses Prinzip in
des an finanzschwache Länder. Zusätzlich gewährt der              mehrfacher Weise durchbrochen. Zum einen wird die
Bund zum Ausgleich von Sonderbedarfen einzelner Län-              Lohnsteuer dem Land zugewiesen, in dem der Steuer-
der zusätzliche Bundesergänzungszuweisungen (BEZ)                 pflichtige seinen Wohnsitz hat. Dahinter steht die Vorstel-
zum Ausgleich überproportionaler Kosten politischer               lung, dass die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen
Führung an „kleine“ Länder (§ 11 Abs. 4 FAG) sowie zur            überwiegend am Wohnsitzort erfolgt. Gleiches gilt auch
Deckung teilungsbedingter Sonderlasten aus dem infra-             für die Kapitalertragsteuer. Zum anderen wird die Körper-
strukturellen Nachholbedarf und zum Ausgleich unter-              schaftsteuer dem Ort der Gewinnentstehung zugerech-
proportionaler kommunaler Finanzkraft (§ 11 Abs. 3 FAG)           net, was mittels Aufteilung nach den Vorschriften des § 2
einerseits und zum Ausgleich von Sonderlasten durch               ZerlG erfolgt. Mangels hinreichender statistischer Daten
strukturelle Arbeitslosigkeit (§ 11 Abs. 3a FAG) anderer-         zur regionalen Herkunft der Gewinne von Unternehmen
seits an die ostdeutschen Länder, die hier jedoch un-             mit Standorten in mehreren Bundesländern erfolgt die
berücksichtigt bleiben können.                                    Zerlegung hier nach dem Maßstab der Lohnsumme in
    Grundsätzlich wird bei der (Um)Verteilung des Steuer-         den einzelnen Betriebsteilen – was in der Tendenz solche
aufkommens davon ausgegangen, dass die Zahl der                   Länder benachteiligt, bei denen der Anteil der Arbeits-
mit öffentlichen Leistungen zu versorgenden Einwohner             entgelte an der gesamten Bruttowertschöpfung verhält-
den Finanzbedarf der einzelnen Länder determiniert.               nismäßig gering ist (weil entweder die Löhne niedrig
Dieser Maßstab findet nicht nur bei der primären Vertei-          oder die Kapitalintensität hoch ist). Hiervon dürften ins-
lung der Gemeinschaftsteuern (die eben nicht dem „ört-            besondere die ostdeutschen Länder negativ betroffen
lichen Aufkommen“, sondern zu einem wesentlichen                  sein, bei denen das Körperschaftsteueraufkommen
Teil dem Wohnsitzlandprinzip folgt), sondern auch bei             selbst nach Zerlegung gemessen am Bruttoinlandspro-
den nachfolgenden Regelungen des Finanzausgleichs                 dukt deutlich niedriger ausfällt als im gesamtdeutschen
Anwendung. „Abstrakte“ Mehrbedarfe werden jedoch                  Durchschnitt.12
bei den Stadtstaaten und einigen dünn besiedelten                      Aber auch die Aufteilung der Lohnsteuer entsprechend
Flächenländern anerkannt, was durch eine unter-                   dem Wohnsitz der Steuerpflichtigen führt nicht immer zu
schiedlich hohe „Einwohnerveredelung“ berücksichtigt              einer überzeugenden Umverteilung des Gesamtsteuer-
wird.9 Darüber hinausgehende Unterschiede in den                  aufkommens.13 Kritisch ist insbesondere zu sehen, dass
Bedarfen gelten hingegen als nicht ausgleichsrelevant.            die Zuordnung der Lohnsteuer zum Wohnsitzland dazu
Gleiches gilt für vergangenheitsbedingte Lasten (Zins-            führen kann, dass Bundesländer mit einem hohen Ein-
zahlungen, Pensionslasten), die in den Ländern unter-             pendleranteil nur geringe Steuereinnahmen erzielen, ob-
schiedlich groß sind und divergierende Ausgabenbelas-             wohl die von ihnen angebotenen Leistungen zumindest
tungen auslösen können.                                           teilweise von eben jenen Einpendlern in Anspruch ge-
    Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass die Gemein-          nommen werden. Dies trifft insbesondere für die Stadt-
den im Geflecht der föderalen Finanzbeziehungen der               staaten zu, denen nicht zuletzt deshalb bei der Ermitt-
Bundesrepublik Deutschland keine eigenständige Ebene              lung des Finanzbedarfs im Länderfinanzausgleich i. e. S.
darstellen, sondern quasi Bestandteil ihrer jeweiligen Län-       ein erhöhter Bedarf zugestanden wird. Dass dieser
der sind (Art. 106 Abs. 9 GG). Nur folgerichtig erfolgt da-       erhöhte Bedarf freilich dann von allen Ländern (und nicht
her im Finanzausgleich auch eine wenigstens teilweise             nur den unmittelbar angrenzenden Nachbarländern, von

                                                  ifo Dresden berichtet 6/2013
12   Aktuelle Forschungsergebnisse

     denen die in den Stadtstaaten angebotenen öffentlichen           Kasten 1: Ableitung der Verbleibsquoten im
     Leistungen am ehesten in Anspruch genommen werden)               Umsatzsteuervorwegausgleich
     zu tragen sind, ist in diesem Zusammenhang allerdings
     nicht überzeugend.
          Auch der den Ländern14 zustehende Anteil an den                 Formal ergibt sich somit bei einer Erhöhung der
     Einnahmen aus der Umsatzsteuer – die ebenfalls zu                    originären17 Einnahmen Tj in Land j für die Zu-
     den „eigenen“ Einnahmen zählt – wird grundsätzlich                   weisungen Zi aus dem Umsatzsteuervorwegaus-
     nach der Einwohnerzahl auf die einzelnen Länder ver-                 gleich:
     teilt.15 Bereits hier greift jedoch die zweite Stufe des             für ƒi < 0,97:
     Finanzausgleichs, nämlich der Umsatzsteuervorweg-
     ausgleich.16 Hierbei werden bis zu 25 % des Länder-                  (1)    dZi        3.779 Ei T            19 Ti
                                                                                        =                     –
     anteils am Umsatzsteueraufkommen nach Maßgabe
                                                                                 dTj        4.000 E Tj            20 Tj
     der Steuerkraft auf jene Länder verteilt, deren Einnah-              und für 0,97  ƒi < 1
     men aus Länder- und Gemeinschaftsteuern (ohne Um-
     satzsteuer) unter dem Länderdurchschnitt liegen. Zwar                (2)    dZi
                                                                                 dTj
                                                                                       =
     handelt es sich hierbei formaljuristisch noch um den
     Bereich der Steuerzuordnung; faktisch muss der Um-
     satzsteuervorwegausgleich jedoch dem Bereich der                           (    193 Ei 35
                                                                                     30 E
                                                                                           – ƒi Ti
                                                                                            6   T         ) –(
                                                                                                             T
                                                                                                             Tj
                                                                                                                      184 35
                                                                                                                      15
                                                                                                                         –
                                                                                                                           3
                                                                                                                                 ƒi   )   Ti
                                                                                                                                          Tj
     Steuerverteilung zugeordnet werden und ist daher auch
                                                                                      Ti E
     nach den dort anzuwendenden Kriterien zu beurteilen.                 mit ƒi =         ,
                                                                                      T Ei
     Anders als auf den folgenden Stufen des Finanz-
     ausgleichs bleiben die Gemeindesteuern hier unbe-                    wobei Ei die Einwohnerzahl im Land beschreibt.
     rücksichtigt; auch die Förderabgabe (die in einzelnen
     Ländern eine durchaus nicht unbedeutende Einnahme-                   Dabei stellt der jeweils erste Term die Zunahme der
     quelle darstellt) wird dabei nicht einbezogen. Syste-                dem Ausgleich zugrundeliegenden Messzahl (die
     matisch ist dies nicht unproblematisch, weil damit dem               durchschnittlichen Steuereinnahmen der Länder-
     Ausgleich von Finanzkraftunterschieden (unter Ein-                   gesamtheit) dar. Zu beachten ist, dass dieser Wert
     schluss der Gemeindesteuern sowie der Förderabgabe),                 auch dann zunimmt, wenn die originäre Zunahme
     der dem Länderfinanzausgleich i. e. S. zugrunde liegt,               des Steueraufkommens in einem finanzstarken
     hier ein Ausgleich von Steuerkraftunterschieden (d. h.               Land stattfand – in diesem Fall profitieren sämtli-
     ohne Gemeindesteuern und Förderabgabe) vorgela-                      che finanzschwachen Länder von einer Zunahme
     gert ist.                                                            ihrer Zuweisungen aus dem Umsatzsteuervor-
          Der Ausgleichstarif im Umsatzsteuervorwegausgleich              wegausgleich. Der zweite Term hingegen stellt die
     besteht aus zwei Stufen, nämlich einem linearen Aus-                 Verringerung der Zuweisungen aufgrund einer Er-
     gleichstarif für Länder mit einer Steuerkraft von weniger            höhung der eigenen Einnahmen dar; dieser Term
     als 97 % des Länderdurchschnitts und einem über-                     nimmt den Wert 0 an für alle Länder i j und ist
     proportional steigenden Tarif für Länder mit einer Steuer-           negativ für i = j.
     kraft zwischen 97 % und 100 % des Durchschnitts aller
                                                                                               dZi                   Zi
     Länder. Ein Zuwachs der Steuereinnahmen eines aus-                   Es gilt daher            < 0 für i = j und     > 0 für i        j.
                                                                                               dTj                   Tj
     gleichsberechtigten Landes führt insoweit zu einer Ver-
     ringerung seiner Umsatzsteuerergänzungsanteile und                   Jede Veränderung der Zahlungen im Umsatzsteuer-
     damit zu einer marginalen Verbleibsquote zusätzlicher                vorwegausgleichs verändert nun auch den verblei-
     Steuereinnahmen kleiner Eins. Dabei ist freilich zu be-              benden Rest, der nach Einwohnerzahl verteilt wird.
     achten, dass ein Zuwachs der originären Steuereinnah-                Insoweit geben die Gleichungen (1) und (2) noch
     men eines Landes gleichbedeutend ist mit einem Anstieg               nicht den Gesamteffekt wieder. Da sich das nach
     der durchschnittlichen Steuerkraft der Ländergesamt-                 Köpfen zu verteilende Umsatzsteueraufkommen
     heit, was über die unmittelbaren Wirkungen hinaus die                (UKöpfe) aus der Differenz zwischen dem (als kon-
     Zuweisungen an alle ausgleichsberechtigten Länder                    stant angenommenen) Umsatzsteueraufkommen ins-
     erhöht. Dies hat zur Folge, dass von Steuermehreinnah-               gesamt und der Summe der für alle Länder k zu
     men in einem beliebigen Bundesland alle ausgleichs-                  zahlenden Ergänzungsanteile (Zk) ergibt, folgt für die
     berechtigten Länder profitieren. Dieser Effekt kann je-              Veränderung dieser Größe
     doch die Wirkung geringerer Ergänzungsanteile nicht
     ausgleichen.

                                                      ifo Dresden berichtet 6/2013
Aktuelle Forschungsergebnisse                        13

(3)
       dUKöpfe
        dTj
               =–    ZT  k
                                j
                                 k
                                            =
                                                 19
                                                 20
                                                      –
                                                             3.779
                                                             4.000    EE > 0
                                                                         k
                                                                               k
                                                                                                   (8)
                                                                                                         dAi 3.779 Ei
                                                                                                            =
                                                                                                         dTj 4.000 E           ( – )
                                                                                                                                  1
                                                                                                                                               k
                                                                                                                                                       Ek
                                                                                                                                                       E

      falls j steuerschwaches Land (fj < 0,97) bzw.                                                      wenn ursprüngliche Steuererhöhung in einem
                                                                                                         finanzstarken Land (fj  1).

                            4.000  (E )
       dUKöpfe
(4)
        dTj
               =–    dZ
                      dT
                         =–
                            3.779
                            k
                                    j
                                     E  k
14   Aktuelle Forschungsergebnisse

     Abbildung 4: Verbleibsquoten in der Umsatzsteuerverteilung

                          1,2

                          1,0

                          0,8
         Verbleibsquote

                          0,6

                          0,4

                          0,2

                          0,0
                             0,65   0,75               0,85                  0,95             1,05             1,15             1,25
                                           Steuerkraft in % der durchschnittlichen Steuerkraft

                                                Einwohner-Anteil 5%                          Einwohner-Anteil 10%

     Quelle: Berechnungen des ifo Instituts auf Basis des FAG.

     Der Verlauf der Verbleibsquote im Umsatzsteuervorweg-                    willkürlich gesetzt.20 Letzten Endes benachteiligt die nur
     ausgleich ist in der nachfolgenden Abbildung 4 darge-                    teilweise Einbeziehung der kommunalen Steuerkraft
     stellt. Es zeigt sich, dass diese bei den steuerschwachen                Länder, deren Gemeinden nur geringe Steuereinnah-
     Ländern in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl nur in ei-                 men erzielen; Profiteure dieser Regelung sind die Ge-
     ner Größenordnung von 15 bis 20 % liegen, während bei                    berländer im Finanzausgleich sowie der Bund, da die
     den steuerstarken Ländern, die keine Ergänzungsanteile                   Ausgleichszahlungen geringer ausfallen als es bei voll-
     im Umsatzsteuervorwegausgleich erhalten, eine Ver-                       ständiger Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft
     bleibsquote nahe 1 erreicht wird.19                                      der Fall wäre.21
         Auf der dritten Stufe des Finanzausgleichs (dem                           Nicht überzeugend ist es in diesem Zusammenhang
     Länderfinanzausgleich im engeren Sinne) werden die                       außerdem, dass die Konzessionsabgaben, die Länder
     verbleibenden Unterschiede in der Finanzkraft der ein-                   und insbesondere die Gemeinden z. B. für die Durch-
     zelnen Länder durch Ausgleichszahlungen zwischen                         leitung von Strom erheben, im Finanzausgleich unbe-
     finanzstarken und finanzschwachen Ländern weiter ein-                    rücksichtigt bleiben, obwohl diese inzwischen einen nicht
     geebnet. Anders als beim Umsatzsteuervorwegaus-                          unbeträchtlichen Anteil der kommunalen Einnahmen aus-
     gleich werden hierbei auch die Förderabgabe sowie die                    machen.
     Gemeindesteuern einbezogen, letztere allerdings nur zu                        Der Finanzausgleich i. e. S. zielt im Grundsatz auf den
     64 %. Die Finanzkraft ist insoweit anders definiert als                  Ausgleich von Finanzkraftunterschieden zwischen den
     die Steuerkraft im Rahmen des Umsatzsteuervorweg-                        Ländern ab. Unterschiedliche Einnahmebedarfe sind in-
     ausgleichs, bei der die Gemeindeebene unberücksich-                      soweit irrelevant (wenn man vom Verweis auf den kom-
     tigt blieb. Da die Länder letzten Endes verpflichtet sind,               munalen Finanzbedarf in Art. 107 Abs. 2 GG absieht).
     ihren Gemeinden eine ausreichende Finanzausstattung                      Vielmehr wird davon ausgegangen, dass der Finanzbedarf
     zu gewähren, ist die nur teilweise Einbeziehung der Ge-                  in allen Ländern gleich ist und sich durch die durch-
     meindesteuern allerdings als nicht sachgerecht einzu-                    schnittliche Pro-Kopf-Finanzkraft aller Länder approxi-
     schätzen; zudem scheint der Anrechnungssatz eher                         mieren lässt. Dieses Prinzip wird allerdings durchbrochen

                                                              ifo Dresden berichtet 6/2013
Aktuelle Forschungsergebnisse                     15

Kasten 2: Ableitung der Verbleibsquoten im
Länderfinanzausgleich i. e. S.
                                                                                  der Einwohnerzahl             ()
                                                                                                                 Ei
                                                                                                                 E ,

   Im Folgenden wird abgeleitet, wie die marginalen
   Veränderungen der Finanzausstattung in den ein-
                                                                                  der Finanzkraft vor Finanzausgleich                  (ƒ = )
                                                                                                                                           i
                                                                                                                                                   Ti E
                                                                                                                                                   Ei T

   zelnen Ländern ausfallen, wenn sich die Steuer-
   einnahmen Tj vor Finanzausgleich in einem belie-
                                                                                  und dem Gesamtanteil am Steueraufkommen                   ()            Ti
                                                                                                                                                          T

   bigen Land j verändern. Zu beachten ist, dass Tj                               des jeweiligen Landes ab.
   hier als Steuereinnahmen nach vertikaler Steuer-                               Zudem impliziert der Ausgleichstarif, dass die Ver-
   verteilung und Umsatzsteuerausgleich definiert ist.                            bleibsquote der vom Land j zusätzlich erzielten
   Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Finanz-                              Einnahmen – wenn man von höheren Zahlungen
   kraft fj (und damit auch die Ausgleichsmesszahl)                               aufgrund einer Zunahme der Ausgleichsmesszahl
   wegen der teilweisen Einbeziehung der Gemeinde-                                einmal absieht – auf dieser Stufe des Finanzaus-
   steuern hier anders definiert ist als beim Umsatz-                             gleichs im Bereich einer Finanzkraft kleiner als
   steuervorwegausgleich.                                                         80 % des Länderdurchschnitts konstant bei 25 %
       Eine Erhöhung der finanzausgleichsrelevanten                               liegt, bei höherer Finanzkraft dann aber progressiv
   Einnahmen Tj in Land j führt entsprechend dem                                  auf Werte bis zu 56 % ansteigt.
   Ausgleichstarif des Länderfinanzausgleichs zu fol-
   genden Veränderung der Ausgleichszuweisungen                                   Für die Verbleibsquote ergibt sich für die ausgleichs-
   an die empfangsberechtigten Länder                                             berechtigten Länder:

                                                                                                 1 14.683 Ei
                                                                                  (15) Vi =       +
        dZi              3 Ti     14.683 Ei T                                                  4 20.000 E
   (12)         =–               +
        dTj              4 Tj     20.000 E Tj
                                                                                            falls fi < 0,8
          falls fi < 0,8,
                                                                                  (16) Vi =
                                                                                                (   10
                                                                                                    26
                                                                                                       ƒi   –   3
                                                                                                                52   ) +(   222.879 Ei
                                                                                                                            260.000 E
                                                                                                                                               –   5 Ti
                                                                                                                                                     ƒi
                                                                                                                                                   26 T    )
   (13)
          dZi
          dTj
                =
                    (   10
                        26
                           ƒi –
                                     )
                                55 dTi
                                52 dTj                                                      falls 0,8  fi < 0,93

                            222.879 Ei         T
                    +
                        (               5
                                       – ƒi Ti
                            260.000 E 26 T Tj           )                        (17) Vi =
                                                                                                (   26
                                                                                                     7
                                                                                                       ƒi –
                                                                                                             52
                                                                                                            175       ) +(    402 Ei
                                                                                                                              175 E
                                                                                                                                       –
                                                                                                                                               13 Ti
                                                                                                                                                7
                                                                                                                                                  ƒi
                                                                                                                                                     T   )
          falls 0,8  fi < 0,93                                                             falls 0,93  fi < 1

                                                                                  Sieht man von Veränderungen der Ausgleichs-
                            727              Ti
   (14) dZi
        dTj
                =
                    (
                    26
                     7
                       ƒi – 175
                                         )   Tj
                                                                                  messzahl ab, so ist der Tarifverlauf für finanz-
                                                                                  schwache und finanzstarke Länder symmetrisch
                                                       T                         aufgebaut: Die Verbleibsquote bei gegebener
                    +
                        (   402 Ei
                            175 E
                                     –
                                         13
                                          7
                                               T
                                            ƒi i
                                               T   )   Tj                        Ausgleichsmesszahl reduziert sich im Bereich
                                                                                  einer Finanzkraft zwischen 100 % und 120 % des
          falls 0,93  fi
16   Aktuelle Forschungsergebnisse

     durch die Einwohnergewichtung, die den Stadtstaaten               Kasten 3: Ableitung der Verbleibsquote bei den
     (bei Landes- und Gemeindeausgaben) und den am dünn-               Allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen
     sten besiedelten Bundesländern (bei den Gemeinde-
     ausgaben) einen höheren Finanzbedarf zugesteht. Da-
     hinter steht offenkundig die Vorstellung, dass bei einer               Die Höhe der marginalen Zuweisungen für die
     „mittleren“ Einwohnerdichte (definiert durch den Mittel-               ausgleichsberechtigten Länder ergibt sich als
     wert aller Bundesländer) die öffentliche Leistungserstel-
     lung zu den geringstmöglichen Kosten erfolgen kann,
                                                                                                        T
     während bei starken Abweichungen nach oben oder                        (18) dZi   = 0,77125 Ei           – 0,775 Ti ,
                                                                                 dTj                  E Tj           Tj
     nach unten zusätzliche Kosten anfallen. Ob dies tatsäch-
     lich so ist (und weshalb dies beispielsweise in Bundes-
     ländern mit sehr dünn besiedelten Teilregionen einerseits              wobei Tj hier als Steuereinnahmen nach Umsatz-
     und dicht besiedelten Agglomerationsräumen anderer-                    steuervorwegausgleich, aber vor Finanzausgleich
     seits keine Rolle spielen soll), kann nur empirisch geklärt            i. e. S. definiert sind.
     werden.
                                                                            Der erste Term gibt auch hier wieder die Verän-
     Die Bemessung der Ausgleichszahlungen im Länder-
                                                                            derung der Ausgleichsmesszahl infolge einer
     finanzausgleich im engeren Sinne erfolgt nach einem
                                                                            Erhöhung der Steuereinnahmen in einem beliebi-
     dreistufigen Tarif, der für ausgleichsberechtigte und aus-
                                                                            gen Land an. Zu beachten ist, dass die finanz-
     gleichsverpflichtete Länder prinzipiell symmetrisch auf-
                                                                            schwachen Länder ebenso wie auf den vorange-
     gebaut ist (§ 10 FAG). Da ein Anstieg der (finanzaus-
                                                                            henden Stufen des Finanzausgleichs wiederum
     gleichsrelevanten) Einnahmen in einem Land immer auch
                                                                            auch davon profitieren, wenn in anderen (finanz-
     die durchschnittliche Finanzkraft (d. h. die Ausgleichs-
                                                                            starken) Ländern Steuermehreinnahmen erzielt
     messzahl) verändert, ergeben sich dabei auch hier Rück-
                                                                            werden.
     wirkungen auf alle beteiligten Länder.
     Für die Verbleibsquote insgesamt ergibt sich der in                    Für die Verbleibsquote folgt hieraus
     Abbildung 5 gezeigte Tarifverlauf. Deutlich wird, dass
                                                                                                 Ei
     größere Länder (gemessen an Einwohnerzahl und/oder                     (19) Vi = 0,77125         + 0,225    für fi < 0,995
     Anteil am gesamtwirtschaftlichen Steueraufkommen)                                           E
     über den gesamten Tarifbereich hinweg in stärkerem                           Vi = 1 sonst
     Maße von einer Erhöhung ihrer Finanzkraft profitieren
     als kleinere Länder. Zudem ist die Verbleibsquote um so                Auch hier stellt der erste Term wiederum die Ver-
     niedriger, je geringer/höher die Finanzkraft des jeweili-              änderung der Zuweisungen an alle begünstigten
     gen Landes ist: Liegt die Verbleibsquote bei „sehr ar-                 Länder als Folge einer Erhöhung der Ausgleichs-
     men“ und „sehr reichen“ Ländern nur in einer Größen-                   messzahl nach einer Erhöhung der Steuereinnah-
     ordnung von 30 %, erhöht sie sich bei Ländern mit einer                men des Landes j dar, während der zweite Term
     durchschnittlichen Finanzkraft auf Werte von bis zu                    die Reduktion der Zuweisungen infolge der eigenen
     60 %. Auf dieser Stufe des Finanzausgleichs „belohnt“                  Mehreinnahmen im Land i = j angibt.
     der Tarifverlauf damit Länder, die ein in etwa durch-
     schnittliches Finanzkraftniveau aufweisen. Als anreiz-
     kompatibel wäre hingegen eher eine über den gesam-
     ten Tarifverlauf konstante Verbleibsquote anzusehen.              ergänzungszuweisungen bei finanzschwachen Ländern
         Auf der letzten Stufe des Finanzausgleichs werden             nur in einer Größenordnung von 30 % liegt, während
     „leistungsschwachen“ Ländern nach § 11 Abs. 2 FAG                 sie bei finanzstarken Ländern – die keine BEZ erhalten –
     durch den Bund Allgemeine Bundesergänzungszuwei-                  naturgemäß einen Wert von 1 erreicht. Auch hier ist wie-
     sungen (BEZ) zur Aufstockung ihrer Einnahmen zur Ver-             der ein Zusammenhang mit den Einwohnerzahlen fest-
     fügung gestellt. Als leistungsschwach gelten dabei Län-           stellbar.
     der, deren Einnahmen nach Länderfinanzausgleich i. e. S.          Formal erfolgt die Zuweisung von Bundesergänzungs-
     unter 99,5 % der durchschnittlichen Einnahmen der Län-            zuweisungen zwar aus Mitteln des Bundes; da diese
     dergesamtheit liegen; der Fehlbetrag wird dabei durch             jedoch dessen Anspruch auf Einnahmen in der primä-
     BEZ zu 77,5 % ausgeglichen.                                       ren (vertikalen) Steuerverteilung nach Art. 106 Abs. 3 GG
         Die resultierende Verbleibsquote von Steuermehrein-           (Deckungsquotenprinzip) erhöhen, erfolgt die Finanzie-
     nahmen ist in Abbildung 6 dargestellt. Es zeigt sich, dass        rung letzten Endes auch hier aus Mitteln der Länder-
     die Verbleibsquote wegen der verringerten Bundes-                 gesamtheit.

                                                       ifo Dresden berichtet 6/2013
Aktuelle Forschungsergebnisse       17

Abbildung 5: Verbleibsquote im Länderfinanzausgleich i. e. S.

                       0,7

                       0,6

                       0,5
   Verbleibsquote

                       0,4

                       0,3

                       0,2

                       0,1

                       0,0
                             0,65          0,75            0,85               0,95            1,05              1,15               1,25           1,35
                                                          Finanzkraft in % der Ausgleichsmesszahl
                                                                   Anteil Einwohner, Steuern
                                                                    5%                       10 %

Quelle: Berechnungen des ifo Instituts auf Basis des FAG.

Abbildung 6: Verbleibsquoten in der dritten Stufe des Finanzausgleichs (Allgemeine BEZ)

                       1,2

                       1,0

                       0,8
      Verbleibsquote

                       0,6

                       0,4

                       0,2

                       0,0
                                0

                                       5

                                              0

                                                     5

                                                            0

                                                                   5

                                                                          0

                                                                                  5

                                                                                         0

                                                                                                5

                                                                                                          0

                                                                                                                 5

                                                                                                                        0

                                                                                                                               5

                                                                                                                                      0

                                                                                                                                             5

                                                                                                                                                    0
                             95

                                    95

                                           96

                                                  96

                                                         97

                                                                97

                                                                       98

                                                                               98

                                                                                      99

                                                                                             99

                                                                                                       00

                                                                                                              00

                                                                                                                     01

                                                                                                                            01

                                                                                                                                   02

                                                                                                                                          92

                                                                                                                                                 03
                         0,

                                    0,

                                         0,

                                              0,

                                                     0,

                                                            0,

                                                                   0,

                                                                            0,

                                                                                     0,

                                                                                           0,

                                                                                                  1,

                                                                                                          1,

                                                                                                                 1,

                                                                                                                        1,

                                                                                                                               1,

                                                                                                                                      1,

                                                                                                                                             1,

                                                         Finanzkraft nach Länderfinanzausgleich i.e.S.

                                                            Einwohner-Anteil 5%                         Einwohner-Anteil 10%

Quelle: Berechnungen des ifo Instituts auf Basis des FAG.

                                                                        ifo Dresden berichtet 6/2013
18   Aktuelle Forschungsergebnisse

     Fazit                                                           Literatur

     Die vorangegangenen Ausführungen zielten darauf ab,             BUNDESMINISTERIUM DER FINANZEN (Hrsg.): Abrechnung des
     die Funktionsweise des bundesstaatlichen Finanz-                  Finanzausgleichs für das Jahr 2011, Berlin.
     ausgleichs unter besonderer Berücksichtigung seiner             FUEST, C. und M. THÖNE: Reform des Finanzföderalismus
     Anreizeffekte (ausgedrückt durch die marginale Ver-               in Deutschland, Berlin 2009.
     bleibsquote) zu erklären. Deutlich wird daran zweier-           FEHR, H. und M. TRÖGER: Die Anreizwirkungen des Län-
     lei: Zum einen ist das gesamte System in sich nicht               derfinanzausgleichs: Reformanspruch und Wirklichkeit,
     konsistent. So werden auf den einzelnen Stufen des                in: DIW-Vierteljahreshefte 3/2003, S. 391–406.
     Finanzausgleichs unterschiedliche Definitionen steuer-          ECK, A. und C. THATER: Elemente kommunaler Finanzaus-
     licher Leistungsfähigkeit verwendet und der Tarifverlauf          gleichssysteme in Deutschland, ifo Dresden berichtet
     folgt keiner einheitlichen Systematik. Zum anderen                02/2013, S. 33–35.
     greift eine alleinige Betrachtung des Länderfinanzaus-
     gleichs i. e. S. zu kurz, wenn man die Verteilungs- und
     Anreizwirkungen des Finanzausgleichs analysieren will.
     Einzubeziehen sind vielmehr sämtliche Stufen von der
     primären Steuerverteilung bis hin zu Gewährung von
     allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen, da alle
     diese Stufen aufeinander aufbauen und die Ergebnisse
     der jeweils vorangehenden Stufe die Bedingungen der
     Verteilung auf der nächsthöheren Stufe mitbestimmen.              1    Vgl. exemplarisch FEHR und TRÖGER (2003) oder FUEST und THÖNE (2009).
     Eine Reform, die diesen Namen verdient, müsste daher              2    In der genannten Ausgabe des ifo Schnelldienstes werden eine Reihe
                                                                            von Beiträgen zur Reform des Finanzausgleichs veröffentlicht, die an-
     das gesamte System der föderalen Finanzverfassung
                                                                            lässlich der Festveranstaltung zum 20-jährigen Bestehen der Nieder-
     umfassen.                                                              lassung Dresden des IFO INSTITUTS präsentiert wurden. Die in diesem Auf-
          Der oben (vgl. Abb. 3) exemplarisch dargestellte                  satz veröffentlichten Ergebnisse wurden in Auszügen ebenfalls auf dieser
                                                                            Veranstaltung vorgestellt.
     Verlauf der Verbleibsquote bei der Einkommensteuer                3    Ein zweiter Grund liegt darin, dass auf den einzelnen Stufen des Finanz-
     (am Beispiel Sachsens) erklärt sich durch die                          ausgleichs unterschiedliche Bemessungsgrundlagen angewandt wer-
                                                                            den; siehe hierzu weiter unten.
     unterschiedlichen Tarifverläufe auf den drei Stufen des           4    Die am Arbeitsort abgeführte Lohnsteuer wird dabei dem Land zugeord-
     Finanzausgleichs: Da bei geringen Steuereinnahmen                      net, in dem der jeweilige Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat.
                                                                       5    Die am Sitz des jeweiligen Vermögensanlageinstituts im Quellenabzugs-
     ein hoher Teil von Mehreinnahmen durch niedrigere                      verfahren abgeführte Kapitalertragsteuer wird hierbei entsprechend dem
     Zahlungen im Umsatzsteuervorwegausgleich und ver-                      Wohn- bzw. Unternehmenssitz des Empfängers der Kapitalerträge auf-
                                                                            geteilt.
     ringerte Zuweisungen des Bundes (Allgemeine BEZ)                  6    Die am Unternehmenssitz anfallende Körperschaftsteuer wird bei Unter-
     „abgeschöpft“ wird, ergibt sich hier eine niedrige Ver-                nehmen mit Betriebsstätten in mehreren Ländern entsprechend der
                                                                            Lohnsumme (als Approximation der Bruttowertschöpfung) auf die ein-
     bleibsquote. Diese steigt – wegen des Tarifverlaufs im
                                                                            zelnen Länder verteilt. Diese Verteilung wird nachfolgend durch die am
     Länderfinanzausgleich i. e. S. – bei steigender Steuer-                Einwohnermaßstab ansetzenden Regelungen des Finanzausgleichs kor-
     kraft zwar zunächst an, verringert sich dann aber wie-                 rigiert.
                                                                       7    Hier erfolgt die Zerlegung unter Berücksichtigung divergierender Hebe-
     der. Bei hoher Steuerkraft schließlich wird wegen der                  sätze entsprechend der Lohnsumme in den einzelnen Betriebsteilen.
                                                                       8    Darüber hinaus sind die Regelungen der Feuerschutzsteuergesetzes
     hohen Verbleibsquoten (nahe 1) im Umsatzsteuervor-
                                                                            und des Rennwett- und Lotteriegesetzes relevant.
     wegausgleich eine insgesamt hohe Verbleibsquote                   9    Diese beläuft sich auf einheitlich 135 % bei den Stadtstaaten und Werte
     erreicht.                                                              zwischen 1,02 und 1,05 in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklen-
                                                                            burg-Vorpommern, wobei bei letzteren jedoch lediglich die Gemeinde-
          Zu vermuten ist, dass diese Implikationen des                     steuern entsprechend gewichtet werden.
     Finanzausgleichssystems den politischen Akteuren bei              10   Insoweit ist auch die Vorgehensweise nicht überzeugend, Verbleibsquo-
                                                                            ten im Finanzausgleich allein für die Landesebene zu berechnen.
     Verabschiedung des geltenden Finanzausgleichsgeset-               11   Vgl. ECK und THATER (2013)
     zes nicht umfänglich bewusst waren – anders lässt sich            12   Statistische Angaben über die Herkunft der Zerlegungsbeträge werden
                                                                            allerdings nicht veröffentlicht – was insbesondere deswegen problema-
     jedenfalls ein System, das keiner wirklichen Rationalität
                                                                            tisch ist, weil dieser Posten im Zeitablauf ungewöhnlich stark volatil ist.
     zu folgen scheint, kaum erklären. Umso wichtiger sind             13   Vgl. zur Kritik z. B. FUEST und THÖNE (2009).
                                                                       14   Besonderheiten gelten für die Verteilung des Umsatzsteueranteils der
     die jetzt anstehenden Verhandlungen um eine Nach-
                                                                            Gemeinden nach §§ 5a-c Gemeindefinanzreformgesetz. Hierauf wird im
     folgeregelung für den Finanzausgleich. Es ist zu hoffen,               Folgenden jedoch nicht näher eingegangen.
                                                                       15   Gedacht ist dies in erster Linie als Approximation der Verteilung des
     dass dabei eine Lösung gefunden wird, die zumindest
                                                                            privaten Verbrauchs als Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer; da
     die gröbsten Ungereimtheiten des geltenden Regel-                      bei der nachfolgenden Umverteilung der Steuereinnahmen aber ohnehin
     werks beseitigt.                                                       der Einwohnermaßstab angewandt wird, kann die Ermittlung des länder-

                                                     ifo Dresden berichtet 6/2013
Aktuelle Forschungsergebnisse                        19

     spezifischen Anteils an der Umsatzsteuer „nach Köpfen“ gleichzeitig                  steueranteile bei einer ausschließlichen Verteilung nach Köpfen. Insoweit
     auch als Ausdruck einer am Bedarf orientierten Verteilung angesehen                  können auch diese Länder zu den Geberländern im Umsatzsteuervor-
     werden. Es ist unübersehbar, dass allein das schon zu einer gewissen                 wegausgleich gerechnet werden.
     (wenngleich kaum quantifizierbaren) Verringerung von Steuerkraftunter-          20   Die nur teilweise Einbeziehung der gemeindlichen Steuerkraft lässt sich
     schieden führt.                                                                      als Interpretation der Vorgabe des Art. 107 Abs. 2 GG auffassen, dass
16   Aus diesem Grund ist es nicht unproblematisch, die Umsatzsteuer juris-               nicht nur die Finanzkraft, sondern auch der Finanzbedarf der Kommunen
     tisch als „eigene Einnahme“ der Länder zu betrachten.                                bei der Ausgestaltung des Finanzausgleichs zu berücksichtigen ist. Die-
17   Zu beachten ist, dass die vertikale Steuerverteilung zwischen Bund und               ser unabweisbare und deshalb nicht dem Ausgleichsmechanismus un-
     Ländern hier nicht abgebildet ist. Tj bezieht sich insoweit allein auf die           terliegende Finanzbedarf wird offenkundig pauschal auf 36 % der kom-
     Steuern der Länder nach Abzug der auf den Bund entfallenden Beträge.                 munalen Einnahmen beziffert. Die Klage Bayerns und Hessens gegen
18   Die Verbleibsquote ist hier auf die Steuereinnahmen des Landes nach                  den geltenden Finanzausgleich verweist demgegenüber darauf, dass
     vertikaler Steuerverteilung bezogen. Vgl. auch Fußnote 18.                           dieser bedarfsgerechte Anteil der kommunalen Einnahmen eher höher
19   Auf der Stufe der Umsatzsteuerverteilung erhielten im Berichtsjahr 2011              sein dürfte, weshalb die kommunale Finanzkraft mit einem geringeren
     außer Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg (den Geber-                      Gewichtungssatz in den Finanzausgleich eingehen müsse.
     ländern im Länderfinanzausgleich i. e. S.) alle Länder Ergänzungsanteile        21   Mit aus diesem Grund sind die Sonderbedarfs-Bundesergänzungs-
     im Umsatzsteuervorwegausgleich. Diese fielen allerdings in einigen Län-              zuweisungen an die ostdeutschen Länder (einschließlich Berlin) nach
     dern (Rheinland-Pfalz, Bremen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-West-                § 11 Abs. 3 FAG explizit auch mit dem Erfordernis eines Ausgleichs der
     falen) geringer aus als die auf sie rechnerisch entfallenden Umsatz-                 unterproportionalen kommunalen Finanzkraft begründet.

                                                                   ifo Dresden berichtet 6/2013
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