ÖKOLOGISCHER LANDBAU IN EUROPA - PERSPEKTIVEN UND ENTWICKLUNGEN 2016 - ifoam eu
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IFOAM EU, FiBL, Polytechnische Universität der Marken und Naturland ÖKOLOGISCHER LANDBAU IN EUROPA PERSPEKTIVEN UND ENTWICKLUNGEN 2016
VORWORT Es ist mir eine große Freude, Ihnen die zweite Ausgabe von Ökologischer Landbau in Europa: Perspektiven und Entwicklungen 2016 vorstellen zu können. Sie bietet einen wertvollen Überblick über die neuesten Entwicklungen und Zukunftsperspektiven der ökologischen Erzeugung und des Marktgeschehens in Europa in einem Jahr, das mit einem Umsatz von 24 Milliarden Euro in den Ländern der EU-28 (26 Mrd. Euro in ganz Europa) erneut ein nie dagewesenes Wachstum der europäischen Lebensmittelmärkte mit Bio-Produkten zu verzeichnen hatte. Doch schon in den letzten Jahrzehnten waren die Wachstumszahlen zweistellig – nicht nur hinsichtlich des europäischen Marktes sondern auch, was die ökologisch bewirtschaftete Anbaufläche betrifft, die nun 5,7 % des gesamten Agrarlands der Länder der EU-28 stellt (2,4 % in Europa). Gleichzeitig ist zu sehen, dass sich trotz der zunehmenden Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln bei den europäischen Verbraucherinnen und Verbrauchern das Wachstum der ökologisch bewirtschafteten Anbaufläche in der EU verlangsamt und in einigen Fällen stagniert oder sogar zurückgeht. Dies verwundert einfach, vor allem wenn man die zunehmenden und von der Öffentlichkeit stärker wahrgenommenen Herausforderungen, denen die Land- und Lebensmittelwirtschaft in Europa und der Welt hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit gegenübersteht, betrachtet. All diese aktuellen Entwicklungen in Europa zeigen nicht nur, dass es positiver politischer Rahmenbedingungen bedarf, in der Landwirte und Lebensmittelunternehmer wichtige Investitionsentscheidungen treffen können, sondern auch, wie wichtig es ist, zuverlässige Informationen zur Produktion und zum Markt finden zu können. Diese Entwicklungen berücksichtigend besteht dieses Buch aus zwei Teilen, die beide Themen behandeln. Das erste Kapitel setzt sich mit dem aktuellen Missverhältnis zwischen dem Angebot und der Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln in Europa auseinander und wie solche Lücken geschlossen werden sollten. Solche Reflexionen sind unabdingbar in Zeiten, in denen sich die Öko-Bewegung in Europa in ihrer „Organic Vision for Europa in 2030“ (Öko-Vision für Europa) zum Ziel gesetzt hat, dass innerhalb der nächsten 15 Jahre 50 % des Agrarlands in Europa auf der Grundlage der Prinzipien des Öko-Landbaus bewirtschaftet werden. Das zweite Kapitel behandelt die Produktions- und Marktentwicklungen bis 2014 und sucht nach Mustern von Angebot und Nachfrage, die sich in verschiedenen Teilen Europas abzeichnen. Wir freuen uns darüber, Ihnen diese Daten dieses Mal mit einer Reihe von interaktiven Grafiken vorstellen zu können, die Sie auf www.ifoam-eu.org finden. Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre und sind uns sicher, dass dieses Buch eine nützliche Informationsquelle für die unterschiedlichen Akteure des Öko-Sektors, die politischen Entscheidungsträger, Journalisten und andere Interessenträger darstellt, die daran arbeiten, die ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft in Europa zu stärken. Christopher Stopes Präsident der IFOAM EU März 2016 Ökologischer Landbau in Europa: Perspektiven und Entwicklungen 2016 5
INHALTSVERZEICHNIS VORWORT 5 DER ÖKO-SEKTOR IN EUROPA: ÜBERWINDUNG DES NISCHENDASEINS 12 Matthias Stolze, Raffaele Zanoli und Stephen Meredith Schöpft der Öko-Sektor trotz des dynamischen Marktwachstums sein Potenzial voll aus? 12 Wo steht die ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft in Europa heute? 13 Welche Hindernisse bestehen bei der Weiterentwicklung der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft? 15 Welche Lösungen gibt es, um es den Öko-Sektor voranzubringen? 18 WACHSTUMSTRENDS DER ÖKOLOGISCHEN LAND- UND LEBENSMITTELWIRTSCHAFT IN EUROPA 20 Helga Willer, Diana Schaack, Julia Lernoud und Stephen Meredith Entwicklungen des Marktes und der Erzeugung im Öko-Sektor im Jahr 2014 20 Der Markt für Bio-Erzeugnisse 23 Öko-Unternehmen 36 Ökologisch bewirtschaftete Anbauflächen 40 Ökologische Bodennutzung, Anbaukulturen und Tierhaltung 48 ANHÄNGE 62 LITERATURVERZEICHNIS 80 6 Ökologischer Landbau in Europa: Perspektiven und Entwicklungen 2016
Liste der Abbildungen zu Produktion und Markt Abb. 1: Zunahme der Umsätze mit Bio-Lebensmitteln in Europa, 2005–2014 24 Abb. 2: Umsätze mit Bio-Lebensmitteln in Europa nach Ländern, 2014 25 Abb. 3: A nteil der Umsätze mit Bio-Lebensmitteln am Gesamtmarkt 26 in Europa nach Ländern, 2014 Abb. 4a: Verteilung der Umsätze mit Bio-Lebensmitteln in den Ländern der EU-28, 2014 27 Abb. 4b: Verteilung der Umsätze mit Bio-Lebensmitteln in Europa, 2014 27 Abb. 4c: Weltweite Verteilung der Umsätze mit Bio-Lebensmitteln nach Binnenmärkten, 2014 27 Abb. 5: Wachstum des Pro-Kopf-Konsums in Europa, 2005−2014 28 Abb. 6: Pro-Kopf-Konsum von Bio-Lebensmitteln in Europa nach Ländern, 2014 29 Abb. 7: Einzelhandelsumsätze nach Absatzwegen in ausgewählten Ländern der EU-28, 2014 30 Abb. 8a: V erteilung der Umsätze mit Bio-Lebensmitteln in der 34 Tschechischen Republik nach Produktgruppen, 2013 Abb. 8b: Verteilung der Umsätze mit Bio-Lebensmitteln in 34 Frankreich nach Produktgruppen, 2014 Abb. 8c: Verteilung der Umsätze mit Bio-Lebensmitteln in 34 Deutschland nach Produktgruppen, 2014 Abb. 8d: Verteilung der Umsätze mit Bio-Lebensmitteln in 34 Schweden nach Produktgruppen, 2014 Abb. 9: Ökologische Erzeuger und Verarbeiter in Europa nach Ländern, 2014 37 Abb. 10: E ntwicklung der Anzahl von Erzeugern und Verarbeitern 38 in den Ländern der EU-28, 2005−2014 Abb. 11: Öko-Zertifizierung in Europa, 2014 39 Abb. 12: Ökologische Anbauflächen in Europa nach Ländern, 2014 41 Abb. 13a: Verteilung der ökologischen Anbauflächen in den Ländern der EU-28, 2014 42 Abb. 13b: Verteilung der ökologischen Anbauflächen in Europa, 2014 42 Abb. 13c: Verteilung der ökologischen Anbauflächen weltweit nach Ländern, 2014 42 Abb. 14: Anteil der ökologischen Anbauflächen in Europa nach Ländern, 2014 44 Abb. 15: Wachstum der ökologischen Anbauflächen in Europa, 1985−2014 45 Abb. 16: Umstellungsstatus der ökologischen Anbauflächen in Europa, 2014 46 Abb. 17: Umstellungsstatus der ökologischen Anbauflächen in Europa nach Ländern, 2014 47 Abb. 18a: Nutzung der ökologischen Anbauflächen in den Ländern der EU-28, 2014 49 Abb. 18b: Nutzung der ökologischen Anbauflächen in Europa, 2014 49 Abb. 18c: Nutzung der ökologischen Anbauflächen weltweit, 2014 49 Abb. 19: Wachstum der ökologischen Anbauflächen nach 50 Art der Bodennutzung in den Ländern der EU-28, 2005−2014 Abb. 20: Die 10 Länder mit den größten ökologischen Anbauflächen nach Art 50 der landwirtschaftlichen Nutzung in den Ländern der EU-28, 2014 Ökologischer Landbau in Europa: Perspektiven und Entwicklungen 2016 7
Abb. 21: Entwicklung ausgewählter, ökologisch angebauter Kulturgruppen 53 in den Ländern der EU-28, 2005−2014 Abb. 22: E ntwicklung der ökologischen Tierhaltung in den Ländern 56 der EU-28 nach Tierart, 2007−2014 Abb. 23: Entwicklung der Produktion von ökologisch erzeugter Kuhmilch 56 in den Ländern der EU-28, 2006−2014 Abb. 24: Selbstversorgungsgrad mit Kraftfutter und Rohprotein in ausgewählten 58 europäischen Ländern, 2011 Liste der Tabellen zu Produktion und Markt Tabelle 1: Kennzahlen des Bio-Marktes und der Öko-Erzeugung in Europa nach 21 Ländergruppen, 2014 Tabelle 2: E ntwicklungen der Einzelhandelsumsätze mit Bio-Lebensmitteln in 23 Europa nach Ländergruppen, 2014 Tabelle 3: A nteile der Bio-Produktgruppen am Gesamtmarkt in ausgewählten 31 europäischen Ländern, 2014 Tabelle 4: Ökologische Erzeuger, Verarbeiter und Importeure in 36 Europa nach Ländergruppen, 2014 Tabelle 5: Entwicklung der ökologischen Anbauflächen in Europa nach Ländergruppen, 2014 40 Tabelle 6: Ökologische Anbauflächen nach Art der Bodennutzung 48 in Europa nach Ländergruppen, 2014 Tabelle 7: Die 10 meistangebauten Nutzpflanzen in Europa nach Ländergruppen, 2014 51 Tabelle 8: Ökologische Tierhaltung nach Tierart und Gesamtanteil in Europa, 2014 55 Tabelle 9: Produktion und Nachfrage nach Öko-Kraftfutter in ausgewählten 57 Ländern Europas, 2011 Liste der Anhänge zu Produktion und Markt Anhang 1: Entwicklungen der Einzelhandelsumsätze mit Bio-Lebensmitteln 62 in Europa nach Ländern, 2014 Anhang 2: Ökologische Erzeuger, Verarbeiter und Importeure in Europa nach Ländern, 2014 64 Anhang 3: Entwicklung der ökologischen Anbauflächen in Europa nach Ländern, 2014 66 Anhang 4: Nutzung der ökologischen Anbauflächen in Europa nach Ländern, 2014 68 Anhang 5: Die 5 meistangebauten Nutzpflanzen in Europa nach Ländern, 2014 74 8 Ökologischer Landbau in Europa: Perspektiven und Entwicklungen 2016
Der Öko-Sektor in Europa: Überwindung des Nischendaseins 9
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Der Öko-Sektor in Europa: Überwindung des Nischendaseins 11
01 DER ÖKO-SEKTOR IN EUROPA: ÜBERWINDUNG DES NISCHENDASEINS Matthias Stolze,1 Raffaele Zanoli2 und Stephen Meredith3 SCHÖPFT DER ÖKO-SEKTOR TROTZ DES DYNAMISCHEN MARKTWACHSTUMS SEIN POTENZIAL VOLL AUS? In den letzten drei Jahrzehnten ist die ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft in ganz Europa Jahr für Jahr gewachsen. Allein in der Europäischen Union (EU) ist die gesamte ökologische Anbaufläche seit Mitte der 1980er-Jahre stetig auf 10,3 Mio. Hektar gewachsen (Stand 2014). Gleichzeitig war über die letzten zehn Jahre hinweg ein reges Marktwachstum zu verzeichnen, denn zwischen 2005 und 2014 hat sich der Gesamtwert des Einzelhandelsmarktes mit Bio-Produkten von 11,1 Mrd. Euro auf 24 Mrd. Euro verdoppelt. Weitere Einzelheiten zu den aktuellen Entwicklungen der Öko-Erzeugung und des Bio-Marktes in Europa im Jahr 2014 sind in Kapitel 2 zu finden.4 Diese Entwicklungen zeigen den dynamischen und innovativen Charakter der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft und entsprechen den Erwartungen der politischen Entscheidungsträger und der Nachfrage der Konsumenten in der Europäischen Union nach einer qualitativ hochwertigen Lebensmittelerzeugung, welche für den Umweltschutz, eine artgerechte Tierhaltung und die Entwicklung des ländlichen Raums eintritt. In jüngster Zeit setzte sich die Öko-Bewegung vermehrt für den Wechsel hin zu einem gerechteren, umweltbewussteren und gesünderen Lebensmittel- und Landwirtschaftssystem bis 2030 ein. Die Zielsetzung umfasst, dass 50 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Europa nach den Prinzipien des Ökolandbaus – Gesundheit, Ökologie, Gerechtigkeit und Sorgfalt – bewirtschaftet werden.5 Trotz des noch nie dagewesenen Wachstums besteht jedoch weiterhin ein beträchtliches Ungleichgewicht zwischen dem aktuellen Angebot und der wachsenden Nachfrage nach Bio-Erzeugnissen. Wenn man das aktuelle Marktwachstum, die zunehmende Öko-Erzeugung in den letzten Jahrzehnten und die Zielsetzung der Europäischen-Öko-Bewegung betrachtet, so besitzt der Öko- Sektor noch viel Potenzial, um als Vorbild für eine kluge, nachhaltige und integrative Entwicklung 12 Ökologischer Landbau in Europa: Perspektiven und Entwicklungen 2016
der gesamten Landwirtschaft zu agieren. Wenn es dem Sektor jedoch nicht gelingt, die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage zu schließen, könnte Europa die Chance vergeben, aus dem nachhaltigen Wachstums- und Investitionspotenzial des Öko-Sektors Nutzen zu ziehen. In dieser Hinsicht können sowohl die politischen Entscheidungsträger als auch der Öko- Sektor bei der Förderung der fortschreitenden Entwicklung der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft in Europa eine wichtige Rolle spielen. WO STEHT DIE ÖKOLOGISCHE LAND- UND LEBENSMITTELWIRTSCHAFT IN EUROPA HEUTE? Der Bio-Markt entwickelt sich in jedem Land unterschiedlich schnell Beim Wachstum des Marktes für Bio-Lebensmittel zeichnen sich in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Unterschiede ab. Während im Jahr 2014 der Einzelhandelsumsatz mit Bio-Lebensmitteln in Schweden (+45 %) und Frankreich (+10 %) ein zweistelliges Wachstum zu verzeichnen hatte, lagen die Wachstumsraten in Ländern wie Belgien (+3,8 %) und dem Vereinigten Königreich (+4 %) unter dem Durchschnitt. In ähnlicher Weise bestehen zwischen einigen Mitgliedstaaten enorme Unterschiede beim Pro-Kopf-Konsum von Bio-Lebensmitteln, wobei hier Luxemburg und Dänemark führend sind und die Slowakei und Bulgarien am unteren Ende vertreten sind. Trotz dieser Unterschiede gaben die EU-Bürger im Durchschnitt wesentlich mehr für Bio-Lebensmittel aus und der Bio-Markt stellt in der Europäischen Union einen wichtigen Wachstumsbereich des Lebensmitteleinzelhandels dar. Aktuelle Entwicklungen des Bio-Marktes in der Europäischen Union • Dynamischer Einzelhandelsmarkt: Der Markt für Bio-Produkte verzeichnet ein konstantes Wachstum und nahm 2014 um 7,4 % zu, was angesichts einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (2006–2012) im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel von ca. 2–3 % ei- nen außerordentlichen Wert darstellt.6 • Konsumentinnen und Konsumenten geben mehr für Bio-Lebensmittel aus: Zwischen 2005 und 2014 nahm der Pro-Kopf-Konsum von Bio-Lebensmitteln von 22,40 Euro auf 47,40 Euro um 110 % zu. Im selben Zeitraum blieb der Haushaltskonsum von Lebensmitteln und alkoholfreien Getränken mit einem Wachstum von nur 13 % fast konstant.7 • Verbrauchernachfrage nach qualitativ hochwertigen Erzeugnissen: Bestimmte Bio- Produktgruppen erzielen überdurchschnittliche Marktanteile - Bio-Eier haben in Österreich, Belgien, Finnland, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden einen Marktanteil von 11–22 %. - Milchprodukte haben in Österreich, Deutschland und den Niederlanden einen Marktanteil zwischen 5 und 10 %. Milch allein kann sogar noch höhere Anteile erzielen, z. B. 15,7 % in Österreich. - Obst und Gemüse hat in vielen nationalen Märkten für Bio-Erzeugnisse einen Marktanteil von rund 20 %, wie beispielsweise in Italien, Irland, Frankreich, Deutschland und Schweden. Der Öko-Sektor in Europa: Überwindung des Nischendaseins 13
Das Potenzial des Marktes für Bio-Erzeugnisse ist noch nicht vollständig ausgeschöpft Aktuelle Studien, die sich auf Verbraucher in den USA und Westeuropa stützen, zeigen, dass Frauen, Liebhaber guten Essens und jüngere Menschen eher an Bio-Produkten interessiert sind.8 Während sich fast alle Verbraucher über die Existenz von Bio-Erzeugnissen bewusst sind, ist die Kommunikation jedoch verbesserungswürdig. Zum Beispiel kennt nur ungefähr die Hälfte der Verbraucher den Unterschied zwischen ökologischen und nichtökologischen Erzeugnissen oder die spezifischen Voraussetzungen der Bio-Siegel für die Bio-Produktion. In den USA denken zum Beispiel 92 % der Verbraucher, dass Bio-Produkte so gut wie konventionelle Produkte schmecken, während in Westeuropa die Erwartung eines besseren Geschmacks einer der Hauptgründe für den Kauf von Bio-Lebensmitteln zu sein scheint. Professionelle Köchinnen und Köche teilen übrigens diese Erwartungen.9 Trotz des dynamischen Marktwachstums bleibt die Öko-Erzeugung in der EU zurück Wie entwickelt sich in der Europäischen Union das Marktwachstum im Vergleich zu den ökologisch bewirtschafteten Anbauflächen? Im Jahr 2014 wurden 10,3 Mio. Hektar ökologisch bewirtschaftet, was 5,7 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in der EU entspricht. Das jährliche Wachstum der ökologisch bewirtschafteten Anbaufläche sank jedoch auf 1,1 %. Obwohl in den letzten 10 Jahren die Anzahl von ökologischen Erzeugern um fast 60 % zunahm, war 2014 in verschiedenen Ländern kaum Wachstum und in der gesamten EU sogar ein leichter Rückgang von 0,2 % zu verzeichnen. In einigen Vorreiterländern der Öko-Erzeugung, wie Österreich, Dänemark, Deutschland und dem Vereinigten Königreich, stagniert die ökologisch bewirtschaftete Anbaufläche und die Anzahl von Öko-Höfen und nimmt sogar teilweise ab. Man könnte argumentieren, dass diese langsameren Wachstumsraten und -rückgänge ein Indiz für die Konsolidierung der Entwicklung ökologischer Anbaugebiete sind. In anderen Mitgliedstaaten steht das positive Wachstum diesem Trend jedoch entgegen: In Ländern wie Belgien, Frankreich, Italien, Portugal, Spanien, Bulgarien, Kroatien und der Slowakei nahm 2014 die ökologische Anbaufläche im Vergleich zu 2013 beispielsweise um mehr als 5 % zu. In einigen dieser Länder, wie Portugal, Spanien und Bulgarien, ging dieses Wachstum mit einer steigenden Anzahl von Öko-Höfen einher. Im Gegensatz zur Entwicklung von Öko-Höfen in der EU nahm 2014 die Anzahl von ökologischen Verarbeitern gegenüber 2013 mit ca. 8 000 neuen Verarbeitern deutlich zu. Bio- Lebensmittel stellen für Landwirte, Importeure, Einzelhändler und Verarbeiter ein attraktives Geschäftsfeld dar, weshalb das dynamische Wachstum des Marktes für Bio-Erzeugnisse dazu führt, dass immer mehr Importeure und Einzelhändler in den Öko-Sektor einsteigen oder ihr Engagement für Bio-Lebensmittel erweitern. Die Öko-Erzeugung entwickelt sich jedoch nicht überall mit derselben Geschwindigkeit. In der Europäischen Union bleibt sie hinter dem Wachstum des Marktes für Bio-Produkte zurück, so besteht die reelle Gefahr, dass die zunehmende Nachfrage durch Importe gedeckt wird und die Landwirtinnen und Landwirte der EU davon nicht profitieren. 14 Ökologischer Landbau in Europa: Perspektiven und Entwicklungen 2016
WELCHE HINDERNISSE BESTEHEN BEI DER WEITERENTWICKLUNG DER ÖKOLOGISCHEN LAND- UND LEBENSMITTELWIRTSCHAFT? Es existieren einige Hürden, welche es Landwirtinnen und Landwirten sowie Lebensmittelunter- nehmen erschweren, aus der zunehmenden Nachfrage nach Bio-Erzeugnissen hinsichtlich des Einkommens und der Schaffung von Arbeitsplätzen Nutzen zu ziehen. Mitgliedstaaten messen dem ökologischen Landbau unterschiedliche Prioritäten bei In den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterscheidet sich die flächenbezogene Förderung des ökologischen Landbaus (Maßnahme 11: Umstellung und Beibehaltung der ökologischen Wirtschaftsweise) im Rahmen der neuen Programme des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) beträchtlich.10 Die jüngsten Zahlen hinsichtlich der EU-Ausgaben für Beihilfen zur Umstellung und Beibehaltung des ökologischen Landbaus reichen anteilig an den gesamten EU-Ausgaben für die ELER- Programme von 0,2 % in Malta bis 13,2 % in Dänemark, wodurch die Möglichkeiten zur Ausweitung der ökologischen Anbaufläche beschränkt sind (siehe folgende Abbildung). Die Niederlande stellen im Rahmen ihrer neuen ELER-Programme keine gezielten Maßnahmen für den Ökolandbau bereit. Die Gesamtzuwendungen des ELER für 2014–2020 für den ökologischen Landbau betragen 6,286 Mrd. Euro bzw. 6,4 % des gesamten ELER-Budgets (98 958 Mrd. Euro). Somit entsprechen die an den EU-Ausgaben für die ländliche Entwicklung anteiligen Zuwendungen für den Ökolandbau ungefähr der Größe der ökologischen Anbaufläche im Jahr 2014, die 5,7 % der gesamten Anbaufläche der EU betrug. Wenn man die Größe der ökologisch bewirtschafteten Anbaufläche und die Wichtigkeit, die jeder Mitgliedstaat der Unterstützung des ökologischen Landbaus beimisst, miteinander vergleicht, ist kein gemeinsames Muster erkennbar. Länder wie Belgien, Bulgarien, Zypern, Dänemark, Deutschland oder beispielsweise Griechenland scheinen der Förderung des ökologischen Landbaus im Rahmen der neuen ELER-Programme eine größere Wichtigkeit beizumessen als Länder wie Estland, Finnland, Portugal, Slowenien, die Slowakei und das Vereinigte Königreich. Zwischen den Mitgliedstaaten bestehen auch Unterschiede in der Höhe der Beihilfen, die auf Faktoren wie Differenzierungen von Zahlungen nach Art der Bodennutzung, unterschiedliche ökonomische Annahmen und auf unterschiedliche Komponenten für die Kosten- und Einkommensverluste bei den Zahlungsberechnungen zurückzuführen sind. Entsprechend kann das Ausmaß, in dem die Mitgliedstaaten dem ökologischen Landbau und den entsprechenden Budgetvergaben und -Beschränkungen Priorität beimessen, die Zahlungsraten und das politische Umfeld für die Entwicklung des ökologischen Landbaus bedingen. Ob sich der Öko-Sektor aktiv entwickelt oder nicht, hängt nicht nur von entsprechenden Flächen- zahlungen ab, sondern ist auch von unterschiedlichen staatlichen Fördermaßnahmen, einschließ- lich solcher für die Beibehaltung und Umstellung, für das Marketing und für die Aus- und Weiter- bildung11, abhängig. Der Öko-Sektor in Europa: Überwindung des Nischendaseins 15
Nicht alle nationalen oder regionalen Förderungen des ökologischen Landbaus basieren auf ei- ner klaren Strategie zur Weiterentwicklung des Öko-Sektors. Zum Beispiel werden nationale und regionale Aktionspläne für den ökologischen Landbau als ein Mechanismus zur Erreichung einer integrierten und ausgewogeneren Herangehensweise an die den Öko-Sektor betreffenden poli- tischen Entscheidungen in den unterschiedlichen europäischen Ländern und auf EU-Ebene mit unterschiedlichen Wirkungsgraden verwendet.12 Österreich Belgien Bulgarien Zypern Kroatien Tschechische Republik Dänemark Estland Finnland Frankreich Griechenland Deutschland Ungarn Irland Italien Lettland Litauen Luxemburg Niederlande Malta Polen Portugal Rumänien Slowakei Slowenien Spanien Schweden Vereinigtes Königreich 0% 5% 10 % 15 % 20 % Anteil der ELER-Förderung des ökologischen Landbaus (Maßnahme 11) nach Mitgliedstaaten (2014–2020) Anteil der ökologischen Anbaufläche an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche (2014) [%] Anteil der Förderung des ökologischen Landbaus (Maßnahme 11) des gesamten ELER (2014–2020) Abb.: Beitrag der ELER-Förderung zur Maßnahme 11 im Rahmen der GAP 2014–2020 im Vergleich zur gesamten ökologisch bewirtschafteten Anbaufläche im Jahr 2014 nach Mitgliedstaaten Quelle: GD Landwirtschaft und ländliche Entwicklung 2016 und eigene Berechnungen von Willer et al. 2016 16 Ökologischer Landbau in Europa: Perspektiven und Entwicklungen 2016
Schwächen in den Lieferketten des Öko-Sektors Lieferketten weisen Lücken zwischen Angebot und Nachfrage, Fehler in der Logistik und/oder andere Schwächen auf, die eine Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage erschweren. Die meisten Studien zu Lieferketten im Öko-Sektor zeigen eine Reihe von Problemen hinsichtlich ihrer Struktur und Leistungsfähigkeit auf: • hohe Betriebskosten • mangelnde Angleichung von Angebot und Nachfrage • mangelhafte Zuverlässigkeit des Angebots • fehlende Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern der Lieferkette • unterschiedliche Werte und Motivationen unter den verschiedenen Akteuren innerhalb der Lieferkette • mangelnder Informationsfluss Aktuell besteht hinsichtlich dieser Problematiken eine große Wissenslücke. Aus Sicht der Mitglieder der Lieferketten und der Endverbraucher mangelt es der Wertschöpfungskette und dem Wertschöpfungsnetzwerk im Bio-Lebensmittelsystem zudem oft an Transparenz. Zwar hat sich das Angebot an Bio-Erzeugnissen in der Vergangenheit als äußerst anpassungsfähig an sich wandelnde Anforderungen gezeigt, jedoch muss sich die Lieferkette zukünftig an sich schnell verändernde demographische Faktoren und Vorlieben der Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch an ein zunehmend komplexeres und globales Geschäftsumfeld anpassen. Um mit dieser zunehmenden, globales Komplexität Schritt halten zu können, bedarf es einer verbesserten Rückverfolgbarkeit und verbesserten Sicherungssystemen. Gemeinsam mit gerechteren und kürzeren Lieferketten sind diese Systeme für die Sicherung der Integrität der Bio-Lieferkette und gleichzeitiger Aufrechterhaltung bzw. einer weiteren Stärkung des Vertrauens der Konsumentinnen und Konsumenten unverzichtbar. Zudem gibt es einige Anzeichen dafür, dass trotz der im Allgemeinen kooperativen Haltung der Unternehmen im Öko-Sektor noch Verbesserungspotenzial besteht.13 Der ökologische Landbau hat sich hauptsächlich auf der Ebene der Primärproduktion entwickelt Diese Tatsache spiegelt sich in der Forschung, in den Innovationen und in den Regulierungen des Öko-Sektors wider. Während die Verbraucher oft fertig verarbeitete Produkte erwarten, ist die ökologische Verarbeitung insgesamt weniger entwickelt und reguliert als die Primärproduktion. Zur Bindung aktueller und zukünftiger Kundinnen und Kunden sind im Öko-Sektor deshalb Investitionen in sorgfältige Verarbeitungsmethoden und nachhaltige und wiederverwendbare Verpackungen sowie ein besseres Verständnis von Qualitäts- und Sicherheitsfragen in Lieferketten in Kombination mit Regulierungen von höchster Bedeutung. Weitere Herausforderungen, die hinsichtlich der Bio-Lieferketten bestehen, sind die Minimierung der Transportwege von Lebensmitteln und der Auswirkungen des Klimawandels, sowie die Notwendigkeit, die Logistik des Netzwerks der ökologischen Erzeugung zu optimieren. Der Öko-Sektor in Europa: Überwindung des Nischendaseins 17
Schlechte Markttransparenz führt zu unzureichenden Informationen für zukünftige Investitionen Positive Rahmenbedingungen für die Entwicklung des Öko-Sektors erfordern nicht nur eine zuverlässige Unterstützung von Landwirtinnen und Landwirten und Lebensmittelunternehmen von Seiten der Politik, sondern auch ein zuverlässiges Informationssystem. Trotz der Bemühungen von privaten Institutionen des Öko-Sektors und der Tatsache, dass die EU-Gesetzgebung zum ökologischen Landbau die Sammlung relevanter statistischer Informationen als ein Werkzeug für Marktbeteiligte und politische Entscheidungsträger fordert, sind die Daten zum Markt für Bio-Erzeugnisse eindeutig nicht so detailliert und zuverlässig wie die Statistik der konventionellen Landwirtschafts- und Lebensmittelindustrie. Dies trifft sogar auf Länder mit relativ gut entwickelten Bio-Märkten zu. Tatsächlich sind die Bio-Marktdaten in den meisten Ländern sehr lückenhaft und in den meisten Ländern der EU existieren keinerlei Daten zum Binnenmarkt, zum internationalen Handel und zu Verbraucherpreisen oder Produktionsvolumina. Unvollständige Aufschlüsselungen nach Nutzpflanzen oder Produkten geordnete Aufstellungen sind Informationen, die für Unternehmen kaum nützlich sind. Noch schlimmer ist, dass es keine einheitliche Vorgehens- weise bei der Sammlung dieser Daten gibt.14 Schließlich sind auch zu wenige Informationen zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Öko-Höfen in der EU verfügbar. Bulgarien, Malta und Rumänien integrieren beispielsweise keine Öko-Betriebe in das Informationsnetz landwirtschaft- licher Buchführungen (INLB) der Europäischen Union. Bei etwa der Hälfte der Mitgliedstaaten ist die Erfassung von Öko-Höfen im INLB mangelhaft und die wenigen Stichproben lassen keine zu- verlässigen Rückschlüsse auf ihre Wettbewerbsfähigkeit zu. Demzufolge besteht auf dem Markt für Bio-Erzeugnisse ein Mangel an Transparenz, was ihn wenig attraktiv für Investitionen macht. WELCHE LÖSUNGEN GIBT ES, UM DEN ÖKO-SEKTOR VORANZUBRINGEN? Wie können wir diese Hürden überwinden, damit der gesamte Landwirtschafts- und Lebensmit- telsektor die Dynamik des ökologischen Marktwachstums besser für sich nutzen kann? Sowohl die politischen Entscheidungsträger als auch der Öko-Sektor selbst spielen eine wichtige Rolle beim Überwinden der Hindernisse, welche die Landwirtinnen und Landwirte und Unternehmen daran hindern, in die Weiterentwicklung der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft zu investieren. Es gibt verschiedene Bereiche, in denen die politischen Entscheidungsträger Verbes- serungen der aktuellen politischen Rahmenbedingungen vornehmen könnten: • Die Mitgliedstaaten sollten eine klare Strategie für den Öko-Sektor verfolgen. Die Unterstüt- zung der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft sollte so konzipiert sein, dass relevante Weiterentwicklungsengpässe überwunden werden. Da es keine Patentlösung gibt, müssen die Unterstützungen sowohl die Entwicklung von Angebot und Nachfrage auf den Märkten in Be- tracht ziehen als auch an nationale und regionale Umstände angepasst werden. Zudem muss bei der Gestaltung der Öko-Politik berücksichtigt werden, dass es Konflikte und Synergien zwi- schen der Förderung des ökologischen Landbaus und anderen Fördermaßnahmen geben könnte. Daher ist ein in sich stimmiger Politikansatz zur Förderung des ökologischen Landbaus erforderlich. 18 Ökologischer Landbau in Europa: Perspektiven und Entwicklungen 2016
• Kürzere Lieferketten im Öko-Sektor, welche in ökologischer und sozialer Sicht Vor- teile bergen, sollten besser unterstützt werden. Infolgedessen müssen nationale und regionale ELER-Programme lokale Lebensmittelmärkte (Wochenmärkte) und das Supply Chain Management (Lieferkettenmanagement) stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken. Dadurch wird ein besseres Gleichgewicht zwischen dem lokalen, regionalen und internationalen Angebot von Bio-Erzeugnissen erreicht. • Zur Verbesserung der Genauigkeit der Datensammlung zum Markt für Bio-Erzeug- nisse sind bessere statistische Verfahren notwendig. Um zu vermeiden, dass das aktu- elle dynamische Bio-Marktwachstum unterdrückt wird, bedarf es zuverlässiger Markt- und Wirtschaftsdaten – vor allem was die Öko-Höfe betrifft. Die EU sollte das institutionelle Rah- menwerk für die Sammlung, Analyse und Weitergabe der entsprechenden Daten stärken. Aussagekräftige und zuverlässige Informationen zur Wettbewerbsfähigkeit und zur wirt- schaftlichen Leistungsfähigkeit von Öko-Höfen in der EU sind unerlässlich, weshalb die Wirt- schaftsdaten der Öko-Betriebe eines jeden Mitgliedstaates mithilfe einer Stichprobengröße in das INLB der EU aufgenommen werden sollten, wodurch eine zuverlässige Analyse und fundierte Entscheidungsfindung ermöglicht wird. Der Öko-Sektor kann selbst mehr dafür tun, um die Fortentwicklung der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft in der Europäischen Union zu unterstützen. Die EU-Öko-Bewe- gung hat dazu in ihrer „Organic Vision for Europa“ (Öko-Vision für Europa) bereits viele wichtige Aspekte festgehalten. Dazu zählen: • Das Besinnen auf die transformative Natur der ökologischen Land- und Lebensmit- telwirtschaft ist für den weiteren Erfolg des ökologischen Landbaus von entscheidender Bedeutung. Dies erfordert eine Momentaufnahme dessen, was „Bio“ heute ist und wie es sich proaktiv den neuen politischen, umweltbezogenen und sozioökonomischen Heraus- forderungen, denen der Agrar- und Nahrungsmittelsektor gegenübersteht, stellen kann. • Die Wertschöpfungskette muss fest an das Prinzip der Gerechtigkeit gekoppelt sein; dies basiert auf der Kooperation zwischen allen Akteuren des Öko-Sektors – vom Landwirt, Arbeiter und Verarbeiter bis hin zum Lieferanten, Händler und Konsumenten. Solche Entwicklungen müs- sen transformativ und kollaborativ bleiben, wobei gleichzeitig eine maßvolle Herangehensweise an lokale, regionale und internationale Entwicklung gewährleistet sein muss, anstatt nur mit be- stehenden Agrar- und Nahrungsmittelsystemen konform zu sein oder sich an diese anzupassen. • Es sollte ein Paradigmenwechsel in der Bildung und beim Lernen implementiert werden, um die umfangreichen Erfahrungen und das Know-How zu nutzen, die bereits in den letz- ten Jahrzehnten von der Öko-Gemeinschaft gesammelt wurden. • Die größten Herausforderungen des Öko-Sektors müssen gemeistert werden. Dazu sind Verbesserungen der modernen Agrar- und Nahrungsmittelsysteme und beim Wissenstransfer notwendig, die von weiteren privaten und staatlichen Investitionen in die Forschung und in Innovationen im agrarökologischen Bereich unterstützt werden müssen. Ein von Unterstützung geprägter politischer Rahmen und Investitionen des privaten Sektors, die auf den ökologischen Prinzipien basieren, können gemeinsam dabei helfen, der Entwicklung einer dynamischen und innovativen, ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft den Weg in die Zukunft zu ebnen. Dabei könnten die politischen Entscheidungsträger und der Öko-Sektor das Potenzial der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft erschließen, indem der wach- sende Bio-Markt in Europa positiv genutzt wird und der Sektor sein Nischendasein überwindet. Der Öko-Sektor in Europa: Überwindung des Nischendaseins 19
02 WACHSTUMSTRENDS DER ÖKOLOGISCHEN LAND- UND LEBENS- MITTELWIRTSCHAFT IN EUROPA Helga Willer,15 Diana Schaack,16 Julia Lernoud17 und Stephen Meredith18 ENTWICKLUNGEN DES MARKTES UND DER ERZEUGUNG IM ÖKO-SEKTOR IM JAHR 2014 Die Entwicklung des Öko-Sektors im Jahr 2014 war durch zwei gegenläufige Trends gekennzeichnet: Der Markt wuchs in der Europäischen Union mit einem Einzelhandelsumsatz von 24 Mrd. Euro (26,2 Mrd. Euro in Europa) schneller als in den zwei vorangehenden Jahren, was einer Wachstumsrate von ca. 7,4 % (7,6 % in Europa) gegenüber 2013 entspricht. Während in der EU die Anzahl der Verarbeiter und Importeure, um 19 % beziehungsweise 17 % zunahm (18,6 % und 16 % in Europa), verlangsamten sich das Wachstum und die Entwicklung der ökologischen Anbaufläche in der EU jedoch mit einem Wachstum von 1,1 % (2,3 % in Europa) und einer Abnahme der Anzahl von Erzeugern von 0,2 % (in Europa war eine leichte Zunahme von 1,4 % zu verzeichnen). In diesem Kapitel werden die neuesten Entwicklungen des Jahres 2014 in der Erzeugung19 und auf dem Markt20 in Europa aufgezeigt.21 Dabei liegt der Schwerpunkt auf den 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-28)22 und den Kandidaten- und potenziellen Kandidatenländern23 sowie den Mitgliedern der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA).24 Eine Analyse der aktuellen Markttrends im europäischen Öko-Sektor und deren Auswirkungen auf die Fortentwicklung der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft sind in Kapitel 1 zu finden. 20 Ökologischer Landbau in Europa: Perspektiven und Entwicklungen 2016
Tabelle 1: Kennzahlen des Bio-Marktes und der Öko-Erzeugung in Europa nach Ländergruppen, 2014 Länder- Umsatz mit Pro- Erzeuger Ökologische Anteil der gruppe Bio- Kopf-Konsum Anbaufläche ökologischen Lebensmitteln (EUR) (Mio. Hektar) Anbaufläche (Mrd. EUR) EU-28 24 47,4 257 525 10,3 5,7 % Europa 26,2 35,5 339 824 11,6 2,4 % Weltweit 62,6 8,3 2 260 361 43,7 1,0 % EU-15 23,5 58 194 979 7,8 6,1 % EU-13 0,5 4 62 546 2,4 4,7 % Kandidaten- 0,005 0,1 73 375 0,5 1,5 % und poten- zielle Kandi- datenländer EFTA 2,1 154 8 500 0,2 4,4 % Andere 0,1 1 424 0,7 0,2 % europäische Länder Quelle: FiBL-AMI-Erhebung 2016 auf der Grundlage von nationalen Datenquellen Tabelle 1 gibt einen Gesamtüberblick über die neuesten Entwicklungen des Marktes und der Erzeugung im Bereich der ökologischen Land- und Lebensmittelwirtschaft in Europa. Ein genauerer Überblick nach Ländern ist in den Anhängen 1 bis 5 erhältlich. Kennzahlen des Marktes • In der EU betrug der Einzelhandelsumsatz 24 Mrd. Euro (26,2 Mrd. Euro in Europa); damit ist die EU nach den USA (27,1 Mrd. Euro) der zweitgrößte Binnenmarkt für Bioerzeugnisse. • Der Markt der EU hatte eine Wachstumsrate von ca. 7,4 % (7,6 % in Europa) zu verzeichnen. Die größte Zunahme registrierte Schweden mit über 40 %. Im letzten Jahrzehnt hat sich der Marktwert in Europa und in der Europäischen Union mehr als verdoppelt. • Die Verbraucherinnen und Verbraucher der EU gaben ca. 47,40 Euro pro Person für Bio- Lebensmittel aus. In Europa waren dies 35,50 Euro, wobei die Schweizer die größten Summen ausgaben (221 Euro pro Kopf). Die Pro-Kopf-Ausgaben für Bio-Lebensmittel haben sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. In den Vereinigten Staaten lagen die Pro- Kopf-Ausgaben im Jahr 2014 bei 85 Euro. • Weltweit gesehen ist der Anteil des Umsatzes mit Bio-Lebensmitteln am jeweiligen Lebensmittelmarkt in den Ländern Europas am höchsten. Dänemark steht hier an der Spitze (7,6 %), wobei einzelne Produkte und Produktgruppen sogar noch höhere Anteile erreichen: Bio-Eier machen in einigen Ländern zum Beispiel mehr als 20 % aller verkauften Eier aus. Wachstumstrends der ökologischen Land- und Lebensmit-telwirtschaft in Europa 21
Kennzahlen der Erzeugung • In der EU gab es 2014 fast 260 000 ökologische Erzeuger (fast 340 000 in Europa); die meisten davon in Italien (fast 49 000) und der Türkei (mehr als 71 000). In den letzten zehn Jahren hat die Anzahl der Erzeuger in der EU um 57 % (81 % in Europa) zugenommen. • In der EU gab es fast 50 000 Verarbeiter (fast 51 000 in Europa) und fast 1 700 Importeure (ca. 1 900 in Europa). Die Anzahl der Verarbeiter und Importeure nahm in der EU um 19 % beziehungsweise 17 % zu (18,6 % und 16 % in Europa). In fast allen Ländern war eine bedeutende Zunahme zu verzeichnen. Das Land mit der größten Anzahl von Verarbeitern war Italien (mehr als 12 000), während Deutschland die meisten Importeure (326) hatte. • In der EU macht die ökologische Anbaufläche 5,7 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche aus (2,4 % in Europa). In der EU ist das Land mit dem größten Anteil an ökologisch bewirtschafteter Anbaufläche Österreich (19,4 %), in Europa hingegen hat Liechtenstein den größten Anteil (31 %). • In der EU nahm die ökologisch bewirtschaftete Anbaufläche zwar um nur 1,1 % zu (2,3 % in Europa), im letzten Jahrzehnt war dieses Wachstum um fast 60 % seit 2005 jedoch enorm. • In den letzten Jahren verlangsamte sich das Wachstum überall, vor allem in Griechenland oder im Vereinigten Königreich. Eine Stagnation war beispielsweise in Österreich, Dänemark, Deutschland und Ungarn zu verzeichnen. In anderen Ländern, wie Frankreich, Italien, der Slowakei und Slowenien, nahm die Fläche jedoch zu. • Grünland hatte in der EU mit 4,6 Mio. Hektar den größten Anteil an der ökologischen Anbaufläche (4,8 Mio. Hektar in Europa), gefolgt von 4,1 Mio. Hektar Ackerland (5,1 Mio. Hektar in Europa) und 1,2 Mio. Hektar Dauerkulturland (1,4 Mio. Hektar in Europa). Nach Grünfutter war die größte Kulturgruppe in der EU Getreide, das auf einer Fläche von 1,5 Mio. Hektar angebaut wurde (1,9 Mio. Hektar in Europa). 22 Ökologischer Landbau in Europa: Perspektiven und Entwicklungen 2016
DER MARKT FÜR BIO-ERZEUGNISSE Tabelle 2: Entwicklungen der Einzelhandelsumsätze mit Bio-Lebensmitteln in Europa nach Ländergruppen, 2014 Ländergruppe Umsatz mit Bio- Pro-Kopf-Konsum Wachstum Lebensmitteln (EUR) 2013–2014 (Mio. EUR) EU-28 23 963 47,4 7,4 % Europa 26 203 35,5 7,6 % Weltweit 62 631 8,7 EU-15 23 491 58 7,6 % EU-13 472,4 4 Kandidaten- und potenzielle 4 0,1 Kandidatenländer EFTA 2 099,7 154 10,7 % Andere europäische Länder 134,5 0,9 Quelle: FiBL-AMI-Erhebung 2016 auf der Grundlage von nationalen Datenquellen Tabelle 2 gibt einen Gesamtüberblick über die Einzelhandelsumsätze im Jahr 2014 in Europa. Ein genauerer Überblick über die Entwicklungen des Einzelhandels mit Bio-Produkten nach Ländern ist in Anhang 1 erhältlich. Zunahme der Einzelhandelsumsätze und Marktanteile Im Jahr 2014 stieg der Umsatz mit Bio-Erzeugnissen in der EU um 7,4 % auf 24 Mrd. Euro an (26,2 Mrd. Euro in Europa, 7,6 %)25 (siehe Abbildung 1). Alle Länder, für die neue Daten zur Verfügung standen, zeigten ein positives Wachstum. Deutschland hatte als der größte Markt in Europa eine Wachstumsrate von 4,8 % zu verzeichnen. Einige Länder mit sehr gut entwickelten Märkten, wie beispielsweise Norwegen (25 %) und Frankreich (10 %), zeigten zweistellige Wachstumsraten. Schweden (45 %) erzielte bei der Verbrauchernachfrage ein noch nie dagewesenes Wachstum.26 Im Vereinigten Königreich, wo der Einzelhandelsumsatz vier aufeinanderfolgende Jahre lang abnahm und erst 2013 wieder zunahm, war eine Gesamtwachstumsrate von 4 % zu verzeichnen. Der Gesamtumsatz im Einzelhandel mit Bio-Produkten variiert in den unterschiedlichen Ländern Europas, wobei Dänemark (7,6 %), die Schweiz (7,1 %) und Österreich (6,5 % im Jahr 2011) weiterhin die höchsten Marktanteile aufweisen (siehe Abbildung 3). Wachstumstrends der ökologischen Land- und Lebensmit-telwirtschaft in Europa 23
30 26,2 24,4 25 22,7 24,0 21,4 19,5 22,3 20 20,8 18,1 19,8 16,6 18,1 Mrd. EUR 15,0 16,9 15 13,5 15,5 11,9 14,1 12,6 10 11,1 5 0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Europa EU-28 Abb. 1: Zunahme der Umsätze mit Bio-Lebensmitteln in Europa, 2005–2014 Quelle: FiBL-AMI-Erhebungen 2006−2016 und OrganicDataNetwork-Erhebungen 2013−2015 24 Ökologischer Landbau in Europa: Perspektiven und Entwicklungen 2016
Deutschland 7 910,0 Frankreich 4 830,0 Vereinigtes Königreich 2 307,3 Italien 2 145,2 Schweiz 1 817,1 Schweden 1 402,1 Österreich (2011) 1 064,7 Spanien (2013) 1 018,0 Niederlande 965,0 Dänemark 912,0 Belgien 435,0 Norwegen 277,8 Finnland 225,0 Polen (2011) 120,0 Irland 105,5 Kroatien 99,3 Luxemburg 90,0 Rumänien (2011) 80,0 Tschechische Republik 77,0 (2013) Griechenland(2010) 60,0 Slowenien(2013) 48,6 Ungarn (2009) 25,0 Portugal (2011) 21,0 Bulgarien (2010) 7,0 Litauen (2011) 6,0 Liechtenstein 4,8 Slowakei (2010) 4,0 Lettland (2011) 4,0 Türkei (2009) 3,6 Montenegro (2010) 1,7 Zypern (2006) 1,5 Bosnien - Herzegowina (2013) 0,3 0 1 000 2 000 3 000 4 000 5 000 6 000 7 000 8 000 Mio. EUR Abb. 2: Umsätze mit Bio-Lebensmitteln in Europa nach Ländern, 2014 Quelle: FiBL-AMI-Erhebung 2016 auf der Grundlage von nationalen Datenquellen Wachstumstrends der ökologischen Land- und Lebensmit-telwirtschaft in Europa 25
Dänemark 7,6 % Schweiz 7,1 % Österreich (2011) 6,5 % Schweden 6,0 % Deutschland 4,4 % Luxemburg 3,4 % Niederlande 3,0 % Frankreich 2,5 % Kroatien 2,2 % Italien 2,2 % Belgien 1,8 % Slowenien (2013) 1,8 % Finnland 1,7 % Norwegen 1,5 % Spanien (2013) 1,0 % Tschechische 0,7 % Republik (2013) Irland (2011) 0,7 % Rumänien (2011) 0,7 % Ungarn (2009) 0,3 % Lettland (2011) 0,2 % Litauen (2011) 0,2 % Polen (2011) 0,2 % Portugal (2011) 0,2 % Slowakei (2010) 0,2 % 0% 1% 2% 3% 4% 5% 6% 7% 8% Abb. 3: Anteil der Umsätze mit Bio-Lebensmitteln am Gesamtmarkt in Europa nach Ländern, 2014 Quelle: FiBL-AMI-Erhebung 2016 auf der Grundlage von nationalen Datenquellen 26 Ökologischer Landbau in Europa: Perspektiven und Entwicklungen 2016
Verteilung der Einzelhandelsumsätze Hinsichtlich der Verteilung bleibt Deutschland (7,9 Mrd. Euro) der größte Bio-Markt in der Europäischen Union und in Europa und weltweit der zweitgrößte nach den USA. Mit seiner sehr dynamischen Marktentwicklung in den letzten Jahren lag Frankreich (4,8 Mrd. Euro) auf dem zweiten Platz.27 Das Vereinigte Königreich (2,3 Mrd. Euro) lag auf dem dritten Platz, darauf folgte Italien (2,1 Mrd. Euro) (siehe Abbildung 4a). Die Schweiz bleibt nach Italien der fünftgrößte Markt in Europa (siehe Abbildung 4b). Weltweit gesehen waren die USA der stärkste (43 % der Weltweiten Einzelhandelsumsätze) und die EU der zweitstärkste (38 %) Binnenmarkt (siehe Abbildung 4c). Andere Niederlande 10 % 4% Deutschland Spanien 33 % 4% Österreich 4% Schweden 6% Frankreich Italien 20 % 9% Vereinigtes Königreich 10 % Abb. 4a: Verteilung der Umsätze mit Bio-Lebensmitteln in den Ländern der EU-28, 2014 Andere Andere Niederlande 11 % Schweiz Spanien 4 % 6% Deutschland 3% USA 4% 30 % Kanada 43 % Österreich 4% China 4% 6% Schweden 5% Schweiz 7% Frankreich EU-28 Italien 18 % 38 % 8% Vereinigtes Königreich 9% Abb. 4b: Verteilung der Umsätze mit Bio- Abb. 4c: Weltweite Verteilung der Lebensmitteln in Europa, 2014 Umsätze mit Bio-Lebensmitteln nach Binnenmärkten, 2014 Quelle: FiBL-AMI-Erhebung 2016 auf der Grundlage von nationalen Datenquellen Wachstumstrends der ökologischen Land- und Lebensmit-telwirtschaft in Europa 27
Pro-Kopf-Konsum 2014 gaben die Verbraucherinnen und Verbraucher der EU für Bio-Lebensmittel ca. 47 Euro pro Person aus (36 Euro in Europa, wobei die Schweizer hier am meisten aufwendeten (221 Euro)). In Europa hatten nach der Schweiz Luxemburg (164 Euro), Dänemark (162 Euro) und Schweden (145 Euro) den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch von Bio-Lebensmitteln (siehe Abbildung 5). Bei der Auswertung dieser Daten muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Lebenshaltungskosten in den einzelnen Ländern stark variieren. Doch auch nach Kaufkraftbereinigung belegte die Schweiz den Spitzenplatz, woraufhin erneut Luxemburg, Dänemark und Schweden folgten. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Bio-Lebensmitteln hat sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt (siehe Abbildung 6). 50 47,4 44,0 45 41,3 39,1 40 36,0 33,7 35 31,0 35,5 28,3 33,0 30 25,5 30,8 22,4 29,1 25 EUR 26,5 24,7 20 22,7 20,6 15 18,5 16,3 10 5 0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Europa EU-28 Abb. 5: Wachstum des Pro-Kopf-Konsums in Europa, 2005−2014 Quelle: FiBL-AMI-Erhebungen 2006−2016 und OrganicDataNetwork-Erhebungen 2013−2015 28 Ökologischer Landbau in Europa: Perspektiven und Entwicklungen 2016
Schweiz 221,5 Luxemburg 163,7 Dänemark 162,1 Schweden 145,4 Liechtenstein 130,1 Österreich (2011) 127,0 Deutschland 96,6 Frankreich 73,4 Norwegen 54,4 Niederlande 57,3 EU-28 47,4 Finnland 41,3 Belgien 38,8 Vereinigtes Königreich 35,9 Italien 35,3 Slowenien (2013) 26,6 Kroatien 23,4 Irland 22,8 Spanien (2013) 21,7 Tschechische 7,3 Republik (2013) Griechenland (2010) 5,3 Rumänien (2011) 3,7 Polen (2011) 3,1 Ungarn (2009) 2,5 Portugal (2011) 2,0 Litauen (2011) 2,0 Lettland (2011) 2,0 Zypern (2006) 1,9 Bulgarien (2010) 0,9 Slowakei (2010) 0,7 Montenegro (2010) 0,2 Bosnien- 0,1 Herzegowina (2013) Türkei (2009) 0,1 0 50 100 150 200 250 EUR Abb. 6: Pro-Kopf-Konsum von Bio-Lebensmitteln in Europa nach Ländern, 2014 Quelle: FiBL-AMI-Erhebung 2016 auf der Grundlage von nationalen Datenquellen Wachstumstrends der ökologischen Land- und Lebensmit-telwirtschaft in Europa 29
Absatzwege Die Übersicht (siehe Abbildung 7) über unterschiedliche Absatzwege in ausgewählten Ländern Europas zeigt ihre jeweilige Bedeutung für den Umsatz mit Bio-Lebensmitteln. Der Anteil dieser Absatzwege variiert in den einzelnen Ländern. Frankreich, Italien und Deutschland sind gute Beispiele für Länder mit einem starken Marktwachstum. Hier spielen Fachgeschäfte mit einem zunehmenden Grad an Professionalisierung und mehr Verkaufsfläche eine sehr wichtige Rolle. Länder mit etablierten Lebensmitteleinzelhändlern, meist Supermärkte, haben schon früher im Öko-Sektor ein stetiges Wachstum verzeichnet (z. B. Österreich, Dänemark, Schweden, Schweiz und das Vereinigte Königreich). Die Wirtschaftskrise zeigte jedoch, am Beispiel des Marktrückgangs im Vereinigten Königreich zwischen 2008 und 2013, dass eine starke Abhängigkeit von Supermärkten auch Gefahren bergen kann. Gleichzeitig hat in Ländern, wie Deutschland, die Anzahl der Fachhändler stark zugenommen, während die Umsätze in den Supermärkten zeitweise stagnierten, im Jahr 2014 jedoch wieder begannen, zu steigen. Österreich (2011) Belgien (2013) Kroatien Tschechische Republik (2013) Dänemark Frankreich Deutschland Italien Luxemburg (2013) Niederlande Slowenien (2009) Vereinigtes Königreich (2013) 0% 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 % Anteil der Absatzwege (Mio. EUR) Lebensmitteleinzelhandel Naturkostfachhandel Direktverkauf Andere Absatzwege Abb. 7: Einzelhandelsumsätze nach Absatzwegen in ausgewählten Ländern der EU-28, 2014 Quelle: FiBL-AMI-Erhebung 2016 auf der Grundlage von nationalen Datenquellen 30 Ökologischer Landbau in Europa: Perspektiven und Entwicklungen 2016
Produktabsatz In vielen Ländern ist eine Übersicht des Absatzes nach Produkten oft nur von Lebensmitteleinzelhändlern erhältlich, da die Daten auf Handelspanelen basieren und keine anderen Absatzwege in Betracht gezogen werden. In Ländern, in denen solche Daten verwendet werden, weisen Supermärkte einen Marktanteil von 80 % bis 90 % auf.28 Tabelle 3: Anteile der Bio-Produktgruppen am Gesamtmarkt in ausgewählten europäischen Ländern, 2014 Deutschland Niederlande Frankreich Norwegen Österreich Finnland Schweiz Belgien (2013) Produktgruppe Getränke 0,9 %1 0,6 % 3,0 %2 1,7 % 0,1 % 2,7 % Brot und Backwaren 1,7 % 1,2 % 2,5 % 3 7,1 % 4 3,2 % 1,0 % 4,6 % Käse 8,5 % 1,7 % 0,9 % 1,2 % 3,6 % 0,5 % 6,0 % Eier 17,2 % 11,2 % 12,0 % 22,1 % 16,7 % 12,7 % 7,5 % 22,7 % Obst 10,7 % 3,5 % 4,3 % 6,7 % 1,7 % 5 10,1 % Fleisch und Fleischprodukte 3,5 %6 1,3 % 0,6 % 1,6 % 2,1 % 2,8 % 0,3 % 4,8 %7 Milch 15,7 % 3,0 % 3,2 % 10,8 % 8,1 % 4,0 % 18,9 % Milch und Milchprodukte 2,1 % 3,2 % 8,6 % 4,8 % 1,8 % 11,0 % Gemüse 12,6 % 5,4 % 3,2 %8 4,0 % 8,6 % 3,9 %8 3,6 % 14,6 % 1 Fruchtsäfte, Wein und Bier - 2 Getränke auf pflanzlicher Basis, Frucht- und Gemüsesäfte, Wein und Alkohol - 3 In vorangehenden Daten war Mehl eingeschlossen; von den neuen Berechnungen, zu denen auch frische Backwaren zählen, ist es ausgeschlos- sen. Aufgrund dessen sind diese Daten mit denen des Jahres 2013 nicht direkt vergleichbar. - 4 Nur Brot - 5 Früchte, Beeren und Nüsse - 6 Nur Fleisch - 7 Einschließlich Fisch - 8 Obst und Gemüse Quelle: FiBL-AMI-Erhebung 2016 auf der Grundlage von nationalen Datenquellen Tabelle 3 zeigt eine Übersicht der Anteile der Bio-Produktgruppen am Gesamtmarkt wert in ausgewählten europäischen Ländern.22 Wachstumstrends der ökologischen Land- und Lebensmit-telwirtschaft in Europa 31
PRODUKTANTEILE AM NATIONALEN LEBENSMITTELEINZELHANDEL Es gibt eine Reihe von Einzelprodukten, die hinsichtlich des Umsatzes beträchtliche Anteile an ihrem jeweiligen Gesamtmarkt gewonnen haben: • In vielen Ländern sind Bio-Eier innerhalb des Gesamtmarktes eine der Erfolgsgeschichten. Tabelle 3 zeigt, dass beispielsweise die Schweiz und Frankreich hier Marktanteile von über 20 % erreichen. In den meisten anderen Ländern, in denen Daten erhältlich sind, erzielen sie 12 % und mehr. • Bei den europäischen Verbraucherinnen und Verbrauchern erfreuen sich Bio-Obst und Bio-Gemüse weiterhin großer Beliebtheit. Nach den Eiern erzielt letzteres mit 9 bis 15 % des gesamten in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland verkauften Gemüses die höchsten Marktanteile. Frische Karotten haben in Deutschland zum Beispiel einen Marktanteil von 30 %. • In einigen Ländern erreichen Bio-Milchprodukte Marktanteile von ca. 5 % des Umsatzes mit Milchprodukten, in der Schweiz sogar 10 %. • Einzelne Produkte können viel höhere Marktanteile erzielen; gute Beispiele dafür sind Bio- Säuglingsnahrung (über 40 %) oder Bio-Fleischersatz (60 %) in Deutschland. • Dahingegen weisen Produkte wie Bio-Getränke (außer Wein) und Bio-Fleisch (vor allem Geflügel) im Allgemeinen geringe Marktanteile auf. Oft sind diese Produkte auf dem konventionellen Markt stark verarbeitet und/oder haben sehr niedrige Preise. 32 Ökologischer Landbau in Europa: Perspektiven und Entwicklungen 2016
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