Wie kommt die Farbe in das rasterelektronenmikroskopische Bild?
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MIKROKOSMOS 367 Wie kommt die Farbe in das rasterelektronenmikroskopische Bild ? Stefan Diller Rasterelektronenmikroskope (REM) sind als Hilfsmittel der modernen Wissenschaften unersetzlich geworden. Die mit einem REM erzeugten Bilder sind Abbildungen der Objektoberflächen und weisen eine gegenüber dem Lichtmikroskop etwa tausend- fach größere Schärfentiefe bei inzwischen circa 0,1 Nanometer Auflösung (Helium- Ionen-Mikroskop) auf. Ein REM-Bild gibt die Intensität der detektierbaren Elektronen eines abgerasterten Bildpunktes in Form eines Grauwertes wieder. Wo kommt nun die Farbe her bei vielen in Zeitschriften – so auch im MIKROKOSMOS – veröffentlich- ten Bildern? Z ur Elektronenmikroskopie kam ich über Detector Color Synthesizing System“, das in die Fotografie, als ich 1984 über Wald- Deutschland nach einiger Zeit kommerziell er- sterben arbeitete und an der Erstellung hältlich war (Scharf und Biel, 1994). Aufgrund einer elektronenmikroskopischen Aufnahme des nahezu fünfstelligen DM-Betrags blieb mir eines Borkenkäfers interessiert war. An der nur der Eigenbau. In den Jahren von 1995 bis Freien Universität Berlin war ein Elektronenmi- 2005 betrieb ich eines der letzten auf Röhren- kroskop zu verschenken, wie sich später her- technik basierenden REM in Deutschland, ein ausstellte, jedoch ein Transmissions-EM, das Cambridge S4-10 (Abb. 1). Durch die modu- ich trotz zu erwartender präparativer Schwie- lare Bauweise des Gerätes war es einfach, aus rigkeiten holte. Im Folgenden begann ich mich einem Ein-Detektor-REM ein Vier-Detektor- intensiv mit der Elektronenmikroskopie ausein- REM zu machen – die Voraussetzung für eine anderzusetzen. sinnvolle Kolorierung der Motive. Die Bildsig- nale dieser vier Detektoren wurden durch eine aktive Bildeinzugselektronik (Point Electronic, Farbe in die graue Mikrowelt Halle) im maximalen Format von 40964096 Pixel digitalisiert. Es gibt zwei Kategorien farbi- ger REM-Bilder: Zum einen die mit viel Aufwand in Pho- toshop oder ähnlichen Bildbe- arbeitungsprogrammen nach- kolorierten Schwarzweißbil- der, zum anderen Farbbilder, denen mehrere Schwarzweiß- bilder unterschiedlicher De- tektoren zugrundeliegen. Mehrere Detektoren verwen- dete erstmals der kaliforni- sche Elektronikingenieur Da- vid Scharf in seinem „Multi- Abb. 1: Cambridge REM S4-10, Baujahr circa 1970. Mikrokosmos 99, Heft 6, 2010 www.elsevier.de/mikrokosmos
368 S. Diller Grundlagen der Detektorsignale Lichtwellenlängen. Deswegen sind die wissen- schaftlich korrekten REM-Bilder schwarzweiße Elektronen haben keine für den Menschen Bilder der Intensitätsverteilung der rückge- wahrnehmbare Farbe. Ihre aufgrund der de- streuten Elektronen. Ausführlich beschäftigt Broglie-Gleichung vorhandene Wellenlänge ist sich Peter F. Schmidt (1994) mit den techni- je nach Beschleunigungsspannung etwa 1.000- schen Grundlagen der Rasterelektronenmikro- bis 40.000fach geringer als die sichtbaren skopie. Abb. 2: Ein Blatt des Gemeinen Beifuss, Abbildungen unter verschiedenen Beschleunigungsspannungen: 1 Kilovolt (KV), 2 KV, 5 KV, 10 KV, 20 KV, 30 KV.
Wie kommt die Farbe in das rasterelektronenmikroskopische Bild ? 369 Unterschiedliche Beschleunigungsspannung Das Spiel mit den Detektoren Das Aussehen eines REM-Bildes ist sehr von Die Farbgebung in meinen Bildern wird durch der verwendeten Beschleunigungsspannung der zwei bis vier das Objekt gleichzeitig „sehende“ Elektronen abhängig. Niederenergetische Elek- SE- oder RE-Detektoren erreicht. Jeder Detek- tronen bilden mehr Oberflächenstrukturen ab, torkanal erhält direkt während der Aufnahme höher energetische Elektronen dringen bis zu im DISS-Scanprogramm oder später in der mehrere Mikrometer in das Präparat ein und Bildbearbeitung mit Photoshop eine Farbe zu- „tunneln“ an anderer Stelle unter großem gewiesen; wo sich Detektorsignale überschnei- Energieverlust wieder heraus (Abb. 2). den, entstehen entsprechende Mischfarben (Abb. 3). Generell kann man sich die Kolorierung im Sekundärelektronenkontrast REM mit einer Analogie aus der bildmäßigen Als meistgenutzte Informationsquelle dienen Fotografie vorstellen: Verschiedenfarbige die von den Elektronen des Strahls (Primärelek- Lichtquellen beleuchten das Präparat aus der tronen) in Wechselwirkung mit den Atomen jeweiligen Detektorrichtung. Die Lichtrichtung des zu untersuchenden Objekts erzeugten Se- kommt vom Detektor, das Präparat wird aus kundärelektronen (SE). Sie haben eine Energie der Achse des Elektronenstrahls gesehen. Auf- von meist nur wenigen eV und können von ei- grund der Größe der Detektoren und ihrer Ent- nem Everhart-Thornley-Detektor mit Hilfe ei- fernung zum Präparat einerseits (erfassbarer ner positiven Saugspannung erfasst werden. Raumwinkel) und ihren physikalischen Eigen- Flächen, die zum Detektor geneigt sind, er- schaften andererseits, bestimmte Arten von scheinen heller als Flächen, die vom Detektor abgewandt sind (Flächenneigungskontrast). Daneben gibt es weitere Kontrastmechanismen wie den Kantenkontrast. Er erzeugt die in REM-Bildern sehr bekannten hellen Kanten an Haaren oder ähnlich dünnen Strukturen. Rückstreuelektronenkontrast Ein weiteres häufig genutztes Abbildungsverfah- ren ist die Nutzung von zurückgestreuten Elek- tronen (RE). Diese vom Objekt reflektierten Primärelektronen haben eine typische Energie von einigen tausend Elektronenvolt. Die Inten- sität des Signals ist in erster Linie von der mittle- ren Ordnungszahl des Materials abhängig. Schwere Elemente sorgen für eine starke Rück- streuung, so dass entsprechende Bereiche hell er- scheinen. Bereiche mit leichteren Elementen werden dunkler wiedergegeben. Das RE-Bild wird daher als Materialkontrastbild bezeichnet und ermöglicht Rückschlüsse auf die chemische Natur des Objektmaterials. Erfasst werden diese Elektronen meist mit Halbleiter-Detektoren. Charakteristisches Merkmal eines RE-Bildes ist der Schattenwurf von Strukturen. In der bildmäßigen Fotografie kommt dies der Ver- wendung eines Beleuchtungsspots gleich. Ich Abb. 3: Sprossachse der Frauenminze (Tanacetum verwende drei RE-Detektoren, die in ihren balsamita); Bildfeldgröße 588828 µm. Positionen um das Präparat veränderbar und Zweikanalige REM-Aufnahme, Hintergrund in zwei SE-/RE-Detektoren, die fest installiert sind. Photoshop mit Hilfe eines Pfades auf grün geändert.
370 S. Diller Abb. 4: Der Autor vor seinem Philips 525 REM, Baujahr 1987, modernisiert 2006. Elektronen (Sekundär- und/oder Rückstreu- Mit diesem Trick lassen sich einzelne Objekt- Elektronen) abzubilden, entstehen charakte- teile (Haare, Flächen, etc.) selektiv hervor- ristisch unterschiedliche Grauwertbilder des heben und bekommen später ohne viel Nach- Präparates bei der Signalverarbeitung der De- bearbeitung ästhetisch sinnvolle Farben zuge- tektorsignale. wiesen. Abb. 5: Bildschirmkopie des verwendeten Scanprogramms DISS 5 für den mehrkanaligen Bildeinzug am REM. Das Bildbeispiel zeigt die Klaue der Honigbiene.
Wie kommt die Farbe in das rasterelektronenmikroskopische Bild ? 371 Um dem erhöhten Platzbedarf eines Multi- Detektor-Systems in der Probenkammer Rech- nung zu tragen, verwende ich zur Zeit ein Philips Großkammer-REM 525 (Abb. 4), das mit einer LaB6-Kathode und einem modernen DISS 5 Scansystem ausgerüstet ist. Die Abbil- dungseigenschaften nähern sich dem Bereich ei- nes Feldemissions-REM. Dies ist sehr wichtig bei großen Scans. Gescannt wird mit mindes- tens 4.000 5.600 Pixel, überwiegend aber in 5.000 7.000 Pixel mit einem Zeitaufwand von bis zu vier Stunden pro Scan. Die Auflö- sungsgrenze des REM liegt bei etwa 7 Nano- metern, das heißt das größte erfassbare Bild- feld, ohne in eine „leere“ Vergrößerung zu kommen, beträgt 35 49 Mikrometer bei ei- nem hochauflösenden Scan. Ein Beispiel aus der Praxis In Abbildung 5, einer Bildschirmkopie des Scanprogrammes, sind links die vier verwende- ten Detektorkanäle gezeigt. Ein SE- und drei RE-Detektoren tragen zum Bildaufbau bei. Ge- rade die rückgestreuten Elektronen verleihen durch ihre Spot-Charakteristik dem Bild einen etwas knackigen Charakter, die einzelnen Abb. 6: Kesselstein (Calciumcarbonat) aus einem Haare trennen sich gut und sind damit leicht Würzburger Wasserkessel; Bildfeldgröße kolorierbar. Rechts werden im Kanalmixer die 4690 µm. Zweikanalige REM-Aufnahme, selek- einzelnen Detektorsignale mit ausgewählten tive Farb- und Kontraständerungen in Photoshop. Farben gemischt. Eine Annäherung der Farbig- keit an das Original ist das Ziel, eine Nachbe- arbeitung ist dennoch mit Hilfe von Ebenen, Pfaden und Masken in Photoshop möglich oder notwendig. Literaturhinweise Die Farbe in der Elektronenmikroskopie hat für mich eine überwiegend ästhetische Kompo- Scharf, D., Biel, M.: Quälgeister im Scharfblick. nente. Sinnvoll angewendet, hebt sie Strukturen GEO, September-Heft, 118–126 (1994). leichter hervor und hinterlässt oftmals einen Schmidt, P. F.: Praxis der Rasterelektronenmikrosko- pie und Mikrobereichsanalyse, Band 444. expert tieferen Eindruck beim Betrachter (Abb. 6). Verlag, Renningen 1994. Der an mehrkanaligen REM-Scans Interessierte Joachimi, W.: DISS 5, Digital Image Scanning sei auf die Webseiten www.eyeofscience.de System, Point Electronic, Halle 2005; www.point- und www.kage-mikrofotografie.de verwiesen. electronic.de Pflanzliche Oberflächen aus meiner Wander- Verfasser: Stefan Diller, ausstellung „Die Ästhetik des Unsichtbaren“ Wissenschaftliche Photographie, finden sich unter www.elektronenmikrosko- Arndtstraße 22, 97072 Würzburg, pie.info/ausstellungen/ E-Mail: diller@stefan-diller.com
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