Migrationsbericht Jena 2018 - Stadt Jena

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Migrationsbericht Jena 2018 - Stadt Jena
Migrationsbericht
Jena 2018
Migrationsbericht Jena 2018 - Stadt Jena
Impressum:

Mai 2018

Herausgeber:
Stadtverwaltung Jena
Dezernat 1
Büro für Migration und Integration
Saalbahnhofstraße 9
07743 Jena

In Zusammenarbeit mit:
Stadtverwaltung Jena
Dezernat 2
Team Statistik
Am Anger 28
07743 Jena

Timourou Wohn- und Stadtraumkonzepte
Wilhelm-Kritzinger-Straße 11
06722 Droyßig

Sowie alle weiteren mitwirkenden Bereiche der Stadtverwaltung Jena und ihrer Eigenbetriebe.

Lektorat: pressebüro transit

Alle Rechte vorbehalten.
Vervielfältigungen, auch auszugsweise, sind nur mit Quellenangaben gestattet.

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Migrationsbericht Jena 2018 - Stadt Jena
Inhaltsverzeichnis

Einleitung ............................................................................................................................................... 4
1.     Migration in Jena im Vergleich .................................................................................................. 6
2.     Demographie ............................................................................................................................... 9
   2.1    Entwicklung der Anzahl der Migrant_innen ............................................................................. 9
   2.2    Altersstruktur der Migrant_innen ........................................................................................... 11
   2.3    Herkunftsländer der Ausländer_innen ................................................................................... 13
   2.4    Wanderungsbewegungen der Ausländer_innen ................................................................... 15
   2.5    Ausländer_innen nach Aufenthaltszwecken .......................................................................... 16
3.     Soziale und sozioökonomische Merkmale............................................................................. 19
   3.1    Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, in den Kindertageseinrichtungen .......... 19
   3.2    Schüler_innen, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, an den Schulen ........................ 20
   3.3    Ausländische Studierende an Universität und Hochschule ................................................... 22
   3.4    Beschäftigungsverhältnisse und Gewerbeanmeldungen von Ausländer_innen ................... 23
   3.5    Leistungsberechtigte Ausländer_innen nach Asylbewerberleistungsgesetz ........................ 26
   3.6    Leistungsberechtigte Ausländer_innen nach SGB II ............................................................. 28
4.     Planungsräume im Vergleich .................................................................................................. 31
   4.1    Planungsraum Lobeda .......................................................................................................... 36
   4.2    Planungsraum West/Zentrum ................................................................................................ 38
   4.3    Planungsraum Nord ............................................................................................................... 40
   4.4    Planungsraum Ost ................................................................................................................. 42
   4.5    Planungsraum Winzerla ........................................................................................................ 44
   4.6    Planungsraum Ortschaften .................................................................................................... 46
5.     Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Migrationsberichtes ................................... 48
6.     Anhang....................................................................................................................................... 49

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Migrationsbericht Jena 2018 - Stadt Jena
Einleitung
Die Familie Winogradow übersiedelte 1991                     als auch innerhalb der Gruppen der Einheimi-
aus der Russischen Föderation nach Jena und                  schen, der schon länger Ansässigen und den
sowohl die Eltern als auch die damals minder-                Neuhinzuziehenden Konflikte auftreten, die es
jährige Tochter Lenja tragen als Aussiedler_in-              aufzugreifen und zu diskutieren gilt.
nen die deutsche Staatsangehörigkeit. Lenja
ist inzwischen 30 Jahre alt und hat mit Harun                In den letzten Jahren nahm die Intensität der
eine eigene Familie gegründet. Harun kommt                   internationalen Wanderungsbewegungen stetig
ursprünglich aus Syrien und erhielt 2016 ge-                 zu und seit 2010 ziehen jährlich mehr Men-
meinsam mit seinen zwei Brüdern als Asylbe-                  schen über die Grenze nach Deutschland als
rechtigter eine Aufenthaltserlaubnis. Ein Blick              weg. Auch in Jena erlangt das Thema „Migra-
in die Zukunft zeigt, dass Harun nach drei Jah-              tion“ wachsende Bedeutung, der Anteil der
ren zuerst eine Niederlassungserlaubnis erhal-               Migrant_innen an der Gesamtbevölkerung
ten wird, zwölf Jahre später den Einbürge-                   stieg im Zeitraum von 2011 bis 2017 von 8,3 %
rungstest erfolgreich bestehen und somit eben-               auf 13,2 % an (siehe Kasten Wer wird als Mig-
falls die deutsche Staatsangehörigkeit anneh-                rant_in bezeichnet?). Durch den starken Zuzug
men wird. Seine Brüder ziehen jedoch wieder                  von Geflüchteten in den Jahren 2015 und 2016
nach Syrien zurück, sie stehen trotzdem in en-               gewann die Thematik noch einmal an Ge-
gem Kontakt zu Harun. Lenja selbst genießt                   wicht.1 Doch was wissen wir eigentlich über die
die europäische Freizügigkeit und verlagert vo-              neuen Mitbürger_innen? Warum haben sie ihr
rübergehend ihren Lebensmittelpunkt als                      Herkunftsgebiet verlassen? Warum sind sie
Künstlerin nach Italien.                                     nach Jena gekommen und nicht in eine andere
                                                             deutsche Gemeinde gezogen? Kamen sie al-
Dieses fiktive Beispiel verdeutlicht die Migra-              lein oder mit Verwandten, Freunden oder Be-
tion als einen Prozess mit eigener Dynamik                   kannten? Welche Erwartungen und Hoffnun-
und Sogwirkung. Der Prozesscharakter drückt                  gen verbinden sie mit Jena? Wie lange möch-
sich dabei in der räumlichen Dimension – von                 ten sie in Jena bleiben?
Syrien über Italien bis zur Russischen Födera-
tion – aus. Gleichzeitig kann der aufenthalts-               Um sich diesen und weiteren Fragen zu wid-
rechtliche Status wechseln – beispielsweise                  men und der zunehmenden Bedeutung von
von dem eines Asylbewerbers über den eines                   Migration in Jena, die sich auf alle ökonomi-
Asylberechtigten bis zum Eingebürgerten.                     schen, sozialen und gesellschaftlichen Berei-
Deutlich werden ferner unterschiedliche Migra-               che auswirkt, besser gerecht zu werden, wurde
tionsursachen und Handlungsmotive wie                        dieser Migrationsbericht erstellt. Mit dem Be-
Kriegszustände im Herkunftsgebiet, bessere                   richt werden drei wesentliche Ziele verfolgt:
berufliche Perspektiven, die Familienzusam-
menführung oder auch die persönliche Neugier                 • Bereitstellung einer umfassenden Daten-
und Abenteuerlust.                                             sammlung zu verschiedenen statistischen
                                                               Aspekten von Migration,
Hinter jeder Wanderungsbewegung steht ein                    • Erstellung einer Informationsgrundlage für
Individuum, dessen soziale Beziehungen sich                    die kommunale Politik sowie
mit der räumlichen Verschiebung entweder nur                 • Zusammenstellung allgemeiner Information
zeitlich begrenzt oder gar dauerhaft verändern.                für an der Thematik interessierte Bürger_in-
Die Migration ist ein Teil der Gesellschaft und                nen.
führt dazu, dass sich diese tagtäglich neu kon-
stituiert. Dieser gesellschaftliche Aushand-                 Aus diesen Zielen resultieren unterschiedliche
lungsprozess geschieht größtenteils unbe-                    Anforderungen an den Bericht. Der Schwer-
wusst und unscheinbar. So wird vor allem von                 punkt liegt auf der Darstellung empirischer
einer gelungenen Integration gesprochen,                     Fakten auf Grundlage vorhandener Datenquel-
wenn sie unauffällig bleibt. Gleichzeitig können             len der Statistikstelle der Stadt Jena, des Thü-
durch Interaktionsprozesse sowohl zwischen                   ringer Landesamtes für Statistik und weiteren

1   Aus diesem Grund wurden vertiefende Analysen zur Struktur und Dynamik der Geflüchteten durchgeführt und
    in einem kurzen gesonderten Bericht veröffentlicht. Siehe Stadt Jena: Aktuelle Situation der Flüchtlinge auf
    dem Jenaer Wohnungsmarkt, 2017.

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Migrationsbericht Jena 2018 - Stadt Jena
Institutionen. Erforderlich ist aber auch eine                Um die Entwicklungen und Besonderheiten der
fundierte Interpretation und Bewertung der Da-                Migration in Jena herauszuarbeiten, werden
ten, die in eine Empfehlung für die Weiterent-                zuerst Eckwerte auf gesamtstädtischer Ebene
wicklung des Migrationsberichtes mündet.                      dargestellt und interpretiert. In einem ersten
                                                              Schritt erfolgt dafür ein innerdeutscher Ver-
Die Aussagekraft der vorhandenen Daten ist                    gleich, um anschließend auf Teilbereiche in
jedoch begrenzt, da zu vielen Aspekten keine                  Jena genauer eingehen zu können. Dabei wer-
oder nur geringe beziehungsweise wenig diffe-                 den sowohl die demographischen als auch die
renzierte Informationen vorliegen, sodass nicht               sozialen und sozioökonomischen Merkmale
alle Fragen beantwortet werden können. Auch                   der Migrant_innen thematisiert, soweit im Zeit-
wenn in der Statistik zwischen Deutschen ohne                 verlauf möglich. Nachdem der gesamtstädti-
Migrationshintergrund und Migrant_innen un-                   sche Bogen aufgespannt wurde, erfolgt eine
terschieden wird und die folgenden Darstellun-                kleinräumige Analyse auf der Ebene der Pla-
gen auf dieser Unterteilung fußen, soll an die-               nungsräume. Am Ende münden die Ergeb-
ser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen                    nisse und Erkenntnisse in Empfehlungen für
werden, dass die Gruppe der Migrant_innen                     die Weiterentwicklung des Migrationsberichtes.
als ein Teil der Jenaer Gesellschaft verstanden
wird.
Wer wird als Migrant_in bezeichnet?

Eine allgemeingültige Definition von Mig-                     Von den Migrant_innen sind derzeit knapp
rant_innen beziehungsweise von Personen mit                   10.000 Personen beziehungsweise 70 % Aus-
Migrationshintergrund existiert nicht. Aus die-               länder_innen. Sie besitzen (noch) nicht die
sem Grund variieren begriffliche Abgrenzun-                   deutsche Staatsangehörigkeit. Derzeit liegt in
gen je nach Themenfeld.                                       Jena der Ausländeranteil an der Gesamtbevöl-
                                                              kerung bei 9,3 %.
Ob eine Person einen Migrationshintergrund                    Darüber hinaus leben rd. 4.300 Migrant_innen
hat oder nicht, wird in der Meldestatistik nicht              mit deutscher Staatsangehörigkeit in Jena. Sie
direkt aufgeführt und kann nur indirekt über ein              kamen entweder zuvor als Ausländer_in nach
Verfahren hergeleitet werden. Wie auch in an-                 Jena und wurden inzwischen eingebürgert o-
deren Städten arbeitet die Statistikstelle in                 der sie zogen als (Spät-)Aussiedler_in zu. Ak-
Jena seit 2012 mit dem Programm MigraPro                      tuell sind Eingebürgerte und (Spät-)Aussied-

                                                                                                                INFORMATION
und kann Daten bis 2009 rückwirkend berech-                   ler_innen gleichermaßen vertreten und neh-
nen.                                                          men jeweils einen Anteil von rd. 15,0 % an al-
                                                              len Migrant_innen beziehungsweise 2,0 % an
In Anlehnung an das Programm werden Perso-                    allen Jenaern ein.
nen dann als Migrant_innen bezeichnet, wenn
sie ihren Lebensmittelpunkt über die Staats-                  Neben dem Programm MigraPro können Da-
grenzen hinweg verlagert haben. Bei den Ein-                  ten zu Migrant_innen auch über andere Quel-
wohner_innen Jenas trifft dies auf 14.374 Per-                len generiert werden. So wird beispielsweise
sonen zu, was einem Anteil an allen Einwoh-                   der Migrationshintergrund beim Mikrozensus,
ner_innen von 13,2 % entspricht (Stand 2017).                 welcher auf einer Haushaltsstichprobe basiert,
Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass mit                      ebenfalls aus Angaben zur Zuwanderung,
86,8 % der Großteil der Jenaer keinen Migrati-                Staatsangehörigkeit und Einbürgerung abgelei-
onshintergrund aufweist.                                      tet. Die Definition und die Ergebnisse unter-
                                                              scheiden sich zwischen MigraPro und Mikro-
                                                              zensus nur geringfügig.
                                 2,0%   Eingebürgerte
          ohne                                                Im Gegensatz dazu unterliegt die Schul- sowie
       Migrations-               2,0%   (Spät-)Aus-
       hintergrund                      siedler_innen         Kinder- und Jugendhilfestatistik einer anderen
    86,8%       Migrant_innen                                 Herangehensweise: Von einem Migrationshin-
                       13,2%     9,3%   Ausländer_            tergrund wird dann gesprochen, wenn in der
                                        innen
                                                              Familie oder im häuslichen Umfeld des Kindes
                                                              beziehungsweise Jugendlichen nicht vorrangig
                                                              „Deutsch“ gesprochen wird. Die Ergebnisse
                                                              sind somit nicht mit den MigraPro-Daten ver-
                                                              gleichbar.

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Migrationsbericht Jena 2018 - Stadt Jena
1.      Migration in Jena im Vergleich

    Das Thema Migration gewinnt in Deutschland                Deutschland auf die Zuwanderung zurückzu-
    zunehmend an Bedeutung. Zogen von 1995                    führen – die Zahl der Deutschen ohne Migrati-
    bis 2010 pro Jahr durchschnittlich                        onshintergrund nahm in diesem Zeitraum um
    635.000 Ausländer_innen nach Deutschland                  1.700 Personen ab und die Zahl der Deut-
    zu, während 540.000 Ausländer_innen das                   schem mit Migrationshintergrund nahm um
    Land verließen, stieg in den Folgejahren das              3.850 Personen zu. Entsprechend stieg der
    Niveau spürbar an (siehe Abb. 1). Folglich ist           Anteil an Migrant_innen von 18 % auf 23 %. Im
    laut Mikrozensus von 2010 bis 2016 der drei-              Vergleich dazu lag der Anteil in Thüringen
    prozentige Anstieg der Bevölkerungszahl in                2016 bei nur 6 %.2

    ABB. 1 ZU- UND WEGZÜGE VON AUSLÄNDER_INNEN ÜBER DIE GRENZEN DEUTSCHLANDS

                  absolut
    2.250.000
    2.000.000                                                                                Zuzüge
    1.750.000
    1.500.000
    1.250.000
    1.000.000
                                                                                             Wegzüge
        750.000
        500.000
        250.000
              0

‚
    Datengrundlage: Statistische Ämter des Bundes und der Länder
    Darstellung und Berechnungen: Timourou

    Im Laufe der Zeit veränderten sich auch die               sowie auf die zunehmende Fluchtmigration zu-
    Herkunftsregionen und die Handlungsmotive                 rückzuführen ist. Trotzdem bestehen die
    der Migrant_innen. So kamen immer mehr Per-               stärksten Verflechtungen weiterhin mit europäi-
    sonen aus Asien, was im Wesentlichen auf                  schen Ländern.
    eine stärker international ausgerichtete Ver-
    flechtung von Wirtschafts- und Lebensräumen

    In ostdeutschen Gemeinden leben weniger Migrant_innen als in westdeutschen Gemeinden

    Die Anzahl der Migrant_innen in Deutschland               Dort lebende Migrant_innen sind häufig schon
    ist in den letzten Jahren angestiegen. In Ab-             länger und teilweise über mehrere Generatio-
    hängigkeit von der zeitlichen und räumlichen              nen in Deutschland, sodass der Anteil an Ein-
                                                                                                                FAZIT

    Entwicklung entstanden dabei unterschiedliche             gebürgerten höher liegt. Demzufolge liegt der
    Schwerpunkträume. Insgesamt nehmen Mig-                   Anteil an neu hinzugezogenen Ausländer_in-
    rant_innen in westdeutschen Gemeinden einen               nen in den ostdeutschen Gemeinden auf ei-
    höheren Anteil an der Einwohnerzahl ein als               nem höheren Niveau – sie können aus der
    beispielsweise in Jena, Leipzig, Erfurt oder              Migrationsgeschichte im früheren Bundesge-
    Potsdam.                                                  biet lernen.
    Die alten Bundesländer weisen eine längere
    und intensivere Zuwanderungsgeschichte auf.

    2    Weitere Informationen siehe Ergebnisse des Mikrozensus 2010 und 2016.

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Migrationsbericht Jena 2018 - Stadt Jena
Die Regionen in Deutschland sind in unter-                         Letztlich leben im Durchschnitt in den alten
schiedlichem Maß von der Migration betroffen.                      Ländern mehr Migrant_innen als in den neuen
Aufgrund verschiedener Rahmenbedingungen                           Ländern. Doch wie hoch liegen die jeweiligen
– von Politik über Wirtschaft bis hin zu gesell-                   Anteile in Jena im Vergleich? Weil für entspre-
schaftlichen Faktoren – entstanden und entwi-                      chende Veröffentlichungen von Kommunen zu-
ckeln sich unterschiedliche räumliche Schwer-                      nächst Auswertungen mit MigraPro notwendig
punkte. So weist das frühere Bundesgebiet                          sind, ist ein Vergleich auf der Gemeindeebene
eine längere und intensivere Migrationsge-                         nur für eine begrenzte Auswahl an Städten
schichte auf als die ostdeutschen Bundeslän-                       möglich. Verglichen wird mit den ostdeutschen
der, was Auswirkungen auch auf die aktuellen                       Städten Leipzig, Potsdam und Erfurt sowie mit
Migrationsbewegungen hat. Beispielsweise                           westdeutschen Universitätsstädten ähnlicher
schloss die Bundesrepublik Anfang der 1950er                       Größe wie Erlangen, Göttingen oder Münster.
Jahre mit Mittelmeeranrainerstaaten soge-
nannte Anwerbevereinbarungen ab, um neue                           Im Vergleich mit den westdeutschen Städten
Arbeitskräfte für das hohe Wirtschaftswachs-                       weisen Jena und die anderen drei ostdeut-
tum gewinnen zu können. In diesem Kontext                          schen Städte sowohl die geringsten Anteile an
kamen insgesamt bis zu 4 Millionen Auslän-                         Migrant_innen als auch an Ausländer_innen
der_innen in die Bundesrepublik zum Arbeiten,                      auf (siehe Abb. 2). Aufgrund der Zuwande-
darunter Italiener_innen, Spanier_innen,                           rungsgeschichte liegen die Anteile in den west-
Türk_innen, Marokkaner_innen. 1973 wurde                           deutschen Städten deutlich höher. Über ein
ein Anwerbestopp als Folge der Ölkrise ver-                        Drittel der Einwohner_innen sind in Darmstadt,
hängt, in den 1970er und 1980er Jahre erfolgte                     Erlangen und Mainz Migrant_innen.
ein Familiennachzug dieser sogenannten
„Gastarbeiter“. Als Arbeitskräfte kamen auch in                    In Westdeutschland leben die Migrant_innen
die neuen Bundesländer sogenannte „Ver-                            im Durchschnitt schon länger, unter ihnen sind
tragsarbeiter“ beispielsweise aus Ungarn,                          Eingebürgerte häufiger als in den neuen Län-
Mosambique, Kuba oder Vietnam. Im Gegen-                           dern. Aus diesem Grund liegt die Spanne zwi-
satz zu den alten Ländern wurde der Aufent-                        schen dem Anteil an Migrant_innen und Aus-
halt jedoch von vornherein zeitlich begrenzt,                      länder_innen bei den westdeutschen Gemein-
der Familiennachzug unterbunden und die Un-                        den höher als bei den ostdeutschen.
terbrindung erfolgte in der Regel in seperaten
Wohnheimen.

ABB. 2 ANTEIL DER MIGRANT_INNEN UND AUSLÄNDER_INNEN AN DER GESAMTBEVÖLKE-
       RUNG 2016

       Erfurt        9,8%                   Migrant_innen            Erfurt        6,7%             Ausländer_innen
   Potsdam           11,9%                                        Potsdam          7,5%
       Jena          12,4%                                           Jena           8,5%
     Leipzig         13,4%                                         Leipzig          8,9%
    Münster                 22,9%                                 Münster           10,1%
   Göttingen                23,2%                              Göttingen              13,1%
Regensburg                    30,3%                          Regensburg                   14,7%
      Mainz                    33,1%                               Aachen                  17,4%
   Erlangen*                   33,7%                              Erlangen                 17,8%
     Aachen                     36,5%                               Mainz                  18,1%
  Darmstadt                         38,8%                     Darmstadt                     19,9%
                0%      10%      20%          30%     40%                     0%     5%      10% 15%        20%   25%
                         Anteil in %                                                          Anteil in %
‚
 * 2015
 Datengrundlage: kommunale Statistiken der aufgeführten Gemeinden
 Darstellung und Berechnungen: Timourou

                                                            -7-
Migrationsbericht Jena 2018 - Stadt Jena
Im zeitlichen Verlauf stiegen Anzahlen und An-            Inzwischen werden in Deutschland wieder we-
    teile an Migrant_innen und Ausländer_innen in             niger Anträge gestellt. Die räumliche Verteilung
    allen Vergleichsstädten an; mit der Fluchtmig-            der Geflüchteten innerhalb Deutschlands er-
    ration 2015/2016 verstärkte sich diese Dyna-              folgt über den „Königsteiner Schlüssel“ propor-
    mik noch. Die Asylantragszahlen in Deutsch-               tional auf die Bundesländer. Indem allerdings
    land bilden diese Entwicklung ebenfalls ab –              in den ostdeutschen Gemeinden weniger Aus-
    seit ungefähr 2010 stieg die Anzahl der Erstan-           länder_innen leben, fällt dort rechnerisch der
    träge wieder an und erreichte 2015 mit fast               prozentuale Anstieg stärker aus als in den
    450.000 Anträgen und 2016 mit                             westdetuschen Gebieten.
    rd. 720.000 Anträgen den Höchststand.

    ABB. 3 ENTWICKLUNG DER ASYLANTRAGSZAHLEN BIS 1994 ERST_ UND FOLGEANTRÄGE
           UND AB 1995 NUR ERSTANTRÄGE IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND

              absolut
    800.000

    700.000

    600.000

    500.000

    400.000

    300.000

    200.000

    100.000

          0

‚
    * Januar und Februar
    Datengrundlage: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
    Darstellung und Berechnungen: Timourou

                                                        -8-
Migrationsbericht Jena 2018 - Stadt Jena
2.    Demographie

In Jena nahm in den letzten Jahren die Anzahl           woher sie kommen, wohin sie gehen und aus
der Migrant_innen deutlich zu. Wie sich die             welchen Gründen sie in Jena wohnen, ist Ge-
einzelnen Gruppen der Migrant_innen entwi-              genstand dieses Kapitels.
ckelt haben, wie alt die Migrant_innen sind,

2.1 Entwicklung der Anzahl der Migrant_innen

Die Zusammensetzung der Jenaer Bevölke-                 Ein Spezifikum dieser Zunahme ist, dass auch
rung ist in Bewegung und aufgrund internatio-           die Zuwanderungsdynamik selbst angestiegen
naler Wanderungsbewegungen steigt sowohl                ist. Während sich von 2009 bis 2012 die An-
die absolute Anzahl der Migrant_innen als               zahl der Migrant_innen um rd. 1.100 Personen
auch der prozentuale Anteil an der Bevölke-             erhöhte, war das Plus zwischen 2013 und
rung. Lebten 2009 knapp 8.000 Migrant_innen             2016 mit 3.400 Personen fast dreimal so groß.
in Jena, so sind es inzwischen fast 14.400 Per-         Im Wesentlichen ist der Niveauunterschied bei-
sonen – das sind 6.300 Menschen mehr                    der Phasen auf den stärkeren Zuzug von Ge-
(siehe Abb. 4). Da die Anzahl der Deutschen            flüchteten – vor allem in den Jahren 2015 und
ohne Migrationshintergrund im gleichen Zeit-            2016 – zurückzuführen.
raum um rd. 5.700 Personen gesunken ist,
stieg der Anteil der Migrant_innen an der Ge-
samtbevölkerung von 7,8 % auf 13,2 % an.

Vielfältig, jung und dynamisch

Inzwischen weisen 13,2 % der Jenaer einen               von Universität und Hochschule sowie der
Migrationshintergrund auf und der Großteil der          Fluchtmigration kommen mehr junge Personen
Migrant_innen sind Ausländer_innen. Jena                nach Jena. Die Vielfalt an Bevölkerungs-
                                                                                                            FAZIT

wird dabei aus unterschiedlichsten Gründen              gruppen beeinflusst derzeit verschiedene
zum neuen Lebensmittelpunkt gewählt. Von                Bereiche wie den Arbeits- und Wohnungsmarkt
den Europäer_innen kommen aufgrund der                  sowie die Bildungsinfrastruktur.
Freizügigkeit höchstwahrscheinlich mehr                 Noch sind unter den Ausländer_innen viele
Personen zum Arbeiten in die Stadt, während             neu Hinzugezogene. Einige von ihnen werden
unter den Asiat_innen der Anteil an                     in Jena für eine längere Zeit oder dauerhaft
Studierenden, Forschenden und seit 2015                 bleiben. Im Ergebnis wird längerfristig mit einer
auch der Geflüchteten höher liegen wird.                Zunahme an Eingebürgerten gerechnet, bisher
Aufgrund der Internationalisierungskampagnen            liegt ihr Anteil bei 2,0 %.

                                                  -9-
Migrationsbericht Jena 2018 - Stadt Jena
ABB. 4 ENTWICKLUNG DER ANZAHLEN VON DEUTSCHEN OHNE MIGRATIONSHINTER-
           GRUND UND MIGRANT_INNEN

                                  Deutsche ohne MH*                        Migrant_innen
                                  Anteil Deutsche ohne MH*                 Anteil Migrant_innen
              absolut                                                                                 Anteil in %
               92,2%     91,9%      91,7%     91,2%    90,6%             89,8%                                      100%
                                                                                  88,7%     87,6%        86,8%
    100.000

     80.000                                                                                                         75%

     60.000
                                     95.417

                                              95.337

                                                       95.342
                         95.312

                                                                                                                    50%
                94.938

                                                                                   94.943
                                                                         94.902

                                                                                             94.619

                                                                                                         94.348
     40.000
                                                                                                                    25%
     20.000                                                                       11,3%     12,4%        13,2%
                7,8%     8,1%        8,3%     8,8%     9,4%              10,2%

               8.068     8.402      8.673     9.214    9.940             10.806   12.105    13.364      14.374
          0                                                                                                         0%

‚
    * Migrationshintergrund
    Datengrundlage: Stadt Jena
    Darstellung und Berechnungen: Timourou

    Entsprechend deutlich fiel der Zuwachs an                             Während die Gruppe der (Spät-)Aussiedler_in-
    Ausländer_innen aus (siehe Abb. 5). Erkenn-                          nen in Jena kleiner geworden ist, nahm die der
    bar ist eine Verdoppelung gegenüber 2009 und                          Eingebürgerten relativ kontinuierlich um
    ein erhöhter Anstieg seit 2014/2015, wobei                            rd. 5 % pro Jahr zu. Aufgrund der Länge des
    sich die Dynamik 2017 wieder etwas abmil-                             Einbürgerungsprozesses steht die Anzahl der
    derte. Aus welchen Gründen die Personen im                            Eingebürgerten in positivem Zusammenhang
    Einzelnen nach Jena gekommen sind, ist nicht                          mit der Aufenthaltsdauer – der Jenaer Statistik
    bekannt. Die Herkunftsländer der Auslän-                              nach lebte knapp ein Drittel aller im Jahr 2016
    der_innen bieten jedoch einen Anhaltspunkt:                           eingebürgerten Personen seit 15 Jahren und
    Demnach ist der Anstieg im Wesentlichen auf                           länger in Deutschland. Ungefähr 40 % sind seit
    die Personengruppe aus Asien und somit auf                            8 bis 14 Jahren in der Bundesrepublik ansäs-
    die Kontexte Flucht sowie Studium/Forschung                           sig und etwas weniger als ein Viertel weniger
    zurückzuführen (siehe Kapitel 2.3).                                  als 8 Jahre. Indem seit einigen Jahren zuneh-
                                                                          mend mehr Ausländer_innen in Jena leben,
    In den letzten Jahren war der Zuzug von                               nimmt folglich auch die Möglichkeit der Einbür-
    (Spät-)Aussiedler_innen nach Deutschland                              gerung und letztlich die Anzahl der Eingebür-
    marginal und die Anzahl der hier lebenden                             gerten zu. Aufgrund des überproportionalen
    (Spät-)Aussiedler_innen blieb somit relativ                           Anstiegs der Ausländer_innen in jüngster Zeit
    konstant. Innerhalb von Deutschland führt die                         kann in den nächsten Jahrzehnten auch von
    Binnenwanderung dieser Bevölkerungsgruppe                             einem stärkeren Anstieg an Einbürgerungen
    allerdings zu Veränderungen. Im Ergebnis                              ausgegangen werden.
    nahm in Jena seit 2009 die Anzahl ab, wäh-
    rend beispielsweise in Erfurt ein Anstieg fest-
    gestellt werden konnte.

                                                                - 10 -
ABB. 5 VERTEILUNG UND ENTWICKLUNG DER VERSCHIEDENEN GRUPPEN VON MIG-
       RANT_INNEN

            absolut                                                              14.374    Migrant_innen
14.000                                                                  13.364
                                                               12.105
12.000                                                10.806
                                              9.940
10.000                                9.214
                      8.402   8.673                                              10.060
            8.068                                                       9.195
    8.000                                                      8.008
                                                      6.415
                                              5.766                                       Ausländer_innen
                              4.653   5.119
    6.000   4.293     4.465

    4.000                                                                                 (Spät-)
                                                      2.607             2.180    2.181    Aussiedler_innen
                      2.514   2.504   2.490   2.483            2.198
            2.421
    2.000                                                                                 Eingebürgerte
                      1.423   1.516   1.605   1.691   1.784    1.899    1.989    2.133
            1.354
       0
                                                                                          Migrant_innen
‚
 Datengrundlage: Stadt Jena
 Darstellung und Berechnungen: Timourou

2.2 Altersstruktur der Migrant_innen

Migrant_innen sind im Durchschnitt jünger als                     höhere Aufenthaltsdauer auf, was sich auch in
Deutsche ohne Migrationshintergrund und be-                       der Altersstruktur niederschlägt.
wirken somit eine Verjüngung der Jenaer Be-
völkerung. Dieser Effekt verstärkt sich, wenn                     Im Vergleich zu den Eingebürgerten und Aus-
der Anteil der Migrant_innen an der Bevölke-                      länder_innen liegen die Anteile an der Gruppe
rung zunimmt. Überdurchschnittlich stark sind                     „45 Jahre und älter“ bei den (Spät-)Aussied-
alle Altersgruppen unter 45 Jahre vertreten,                      ler_innen am höchsten. Markant ist insbeson-
insbesondere die der jungen Erwachsenen (18-                      dere die Gruppe der Senior_innen.
bis unter 27-Jährige; siehe Abb. 6).
                                                                  Eine Besonderheit der Eingebürgerten ist hin-
Bei den Ausländer_innen werden hinter die-                        gegen der ausgesprochen hohe Anteil an Min-
ser Altersgruppe im hohen Maße Studierende                        derjährigen, darunter vor allem 6- bis unter 18-
und Geflüchtete stehen sowie Personen im                          Jährige. Schätzungsweise wird ungefähr ein
Kontext der Arbeitsmigration.                                     Viertel der Minderjährigen keine eigene Migra-
                                                                  tionserfahrung haben, jedoch wird mindestens
Im Vergleich zu den Ausländer_innen weisen                        ein Elternteil eine solche aufweisen.3 Insge-
aufgrund der Migrationsgeschichte und der                         samt finden sich unter den Eingebürgerten
Einbürgerungspolitik die (Spät-)Aussiedler_in-                    demnach häufiger Familien mit Kind(ern).
nen und Eingebürgerten im Durchschnitt eine

3    Diese Einschätzung fußt auf den Ergebnissen des Mikrozensus 2016 für Deutschland.

                                                         - 11 -
ABB. 6 ALTERSSTRUKTUR 2017 IM VERGLEICH

        Anteil in %                             Altersgruppe                           Migrant_innen
 100%                                                                                                        3%
                                  5%                                          6%
                                                65 und mehr                                 13%             11%
  90%                             12%
                  24%                                                        12%
  80%                                           45 bis unter 65                             21%
                                                                             18%
  70%
                                  34%                                                                       39%
                  25%                           27 bis unter 45
  60%
                                                                             20%            25%
  50%                                           18 bis unter 27
  40%             26%
                                  28%           6 bis unter 18                              12%
  30%                                                                        26%                            33%

  20%             11%                                                                       16%
                                                3 bis unter 6
                                  13%                                         8%
  10%          9%                                                                           5%               9%
                  3%              4%                                         10%                             3%
                                  5%            unter 3                                     8%               4%
   0%          3%
          Deutsche ohne     Migrant_innen                                darunter         darunter         darunter
           Migrations-                                                Eingebürgerte     (Spät-)Aus-          Aus-
           hintergrund                                                                 siedler_innen     länder_innen

Datengrundlage: Stadt Jena
Darstellung und Berechnungen: Timourou

Abbildung 7 zeigt die im Zeitverlauf zuneh-                         schrumpfte als einzige Altersgruppe von 2009
mende Dominanz der Altersgruppen zwischen                           bis 2017. Trotz dieser Dynamiken konnte der
18 und unter 45 Jahren. Eine Besonderheit                           Alterungsprozess in Jena insgesamt nicht aus-
stellt die Gruppe der Senior_innen dar, diese                       geglichen werden.

ABB. 7 ENTWICKLUNG DER ALTERSSTRUKTUR DER MIGRANT_INNEN

        absolut
6.000
                                                                   2009             2013          2017
5.000

4.000

3.000

2.000

1.000

    0
          unter 3         3 bis         6 bis         18 bis               27 bis      45 bis        65
                          unter         unter         unter                unter       unter      und mehr
                            6            18            27                   45          65
                                                                   Jahre
‚
 Datengrundlage: Stadt Jena
 Darstellung und Berechnungen: Timourou                                               Link zur Tabelle

                                                          - 12 -
Die dargestellte Altersstruktur wirkt sich vielfäl-            einflusst. Die Auswirkungen auf dem Woh-
    tig aus: So werden die Integrationsprozesse in                 nungsmarkt zeigen sich in einer erhöhten
    den Kindertagesstätten, das Bildungswesen                      Nachfrage nach preiswertem Wohnraum o-
    mit den Schulen, Hochschulen und For-                          der/und größerem Wohnraum für Familien. Im
    schungseinrichtungen sowie der Arbeitsmarkt                    Gegensatz dazu spielen jedoch die Themen
    sowohl bezüglich der Ausbildungs- und Weiter-                  Altersvorsorge und Wohnen im Alter noch eine
    bildungsplätze als auch der Arbeitslosigkeit be-               untergeordnete Bedeutung.

    2.3 Herkunftsländer der Ausländer_innen

    Hinsichtlich der Herkunftsländer liegen derzeit                spielsweise aus Kasachstan, dem Iran oder Af-
    auf kommunaler Ebene nur Daten für die                         ghanistan. Ein Blick auf die Ergebnisse von
    Gruppe der Ausländer_innen vor. Aufgrund                       2010 zeigt im Detail leichte Veränderungen
    historischer Ereignisse kommen (Spät-)Aus-                     auf, wobei fast alle Länder als Herkunftsge-
    siedler_innen jedoch meist aus Polen, Rumä-                    biete an Bedeutung gewonnen haben. Absolut
    nien, Kasachstan oder der Russischen Födera-                   betrachtet stieg die Anzahl der Eingebürgerten
    tion. Bei den Eingebürgerten entsteht ein he-                  aus der Türkei am stärksten, gefolgt von Men-
    terogenes Bild: Den Ergebnissen des Mikro-                     schen aus dem Kosovo, der Ukraine, Italien
    zensus von 2016 zufolge kommen von allen in                    und Vietnam (siehe Anhang Abb. 3).
    Deutschland lebenden Eingebürgerten zwei
    Drittel ursprünglich aus einem europäischen                    Die Vielfalt an Herkunftsländern ist bei den
    Land, schwerpunktmäßig aus der Türkei, aus                     Ausländer_innen im Vergleich am höchsten,
    Polen oder der Russischen Föderation. Fast                     wobei auch hier der Schwerpunkt auf den eu-
    ein Viertel stammt ursprünglich aus Asien, bei-                ropäischen und asiatischen Ländern liegt
                                                                   (siehe Abb. 8).

    ABB. 8 AUSLÄNDER_INNEN NACH HERKUNFTSGEBIETEN IM ZEITVERLAUF

            absolut
    5.000
                                                                                            Asien
    4.500

    4.000                                                                                   Europa

    3.500
                                                                                            Afrika
    3.000

    2.500                                                                                   Amerika

    2.000
                                                                                            ungeklärt
    1.500

    1.000
                                                                                            Australien und
                                                                                            Neuseeland
     500

        0                                                                                   staatenlos

‚
    * 30.09.2017
    Datengrundlage: Stadt Jena
    Darstellung und Berechnungen: Timourou

                                                          - 13 -
Inzwischen kommen die Ausländer_innen zur                  rd. 100 Personen ursprünglich aus Syrien, so
Hälfte aus Asien, 40 % aus Europa und jeweils              waren es Ende 2015 bereits knapp 890 Perso-
rd. 5 % aus Afrika und Amerika sowie nur                   nen und am Stichtag 30.09.2017 rd. 1.600 Per-
0,3 % aus Australien und Neuseeland. Im                    sonen. Demnach kommen derzeit rd. 17 % der
Laufe der Zeit zeigt sich ein stetiger Anstieg             Ausländer_innen aus Syrien (siehe Abb. 9).
der Personen aus europäischen und asiati-
schen Ländern und von 2014 bis 2015 kam der                Zwar kommen auch Personen aus Syrien oder
sprunghafte Anstieg mit der Flüchtlingswande-              Afghanistan zum Studieren und Forschen nach
rung hinzu.                                                Jena, doch der Kontext der Bildungsmigra-
                                                           tion wird vorrangig mit Personen aus China
Obwohl die einzelnen Beweggründe für ein Le-               und Indien sowie aus den europäischen Län-
ben in Jena statistisch nicht erfasst werden,              dern verbunden (siehe Kapitel 3.3). Auch hier
lassen sich über die Herkunftsländer Vermu-                zeichnet sich ein kontinuierlicher Anstieg ab,
tungen und Annahmen ableiten. Der erste und                wonach Jena als Wissenschafts- und For-
augenfälligste Kontext wurde mit der Flucht-               schungsstandort international an Bedeutung
migration bereits benannt. Im Besonderen                   gewinnt. Anhand der Karte ist erkennbar, dass
spiegelt sich dies in der Anzahl der Auslän-               zum Beispiel 7 % der Ausländer_innen aus
der_innen aus Syrien: Kamen Ende 2013 noch                 China und 5 % aus Indien kommen.

ABB. 9 ANZAHL UND ANTEIL DER AUSLÄNDER_INNEN NACH HERKUNFTSGEBIETEN AM
       30.09.2017

Datengrundlage: Stadt Jena
Darstellung und Berechnungen: Timourou

Die Arbeitsmigration kann ebenfalls auf Per-               Frage kommen etwa Neugier, Interesse oder
sonen aus unterschiedlichen Ländern zutref-                soziale Bindungen. Diesbezüglich bieten die
fen. Aufgrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit in-            Herkunftsländer jedoch keinerlei Anhalts-
nerhalb der EU wird die wirtschaftliche Ver-               punkte. Inwelchem Maße solche Motive zur
flechtung untereinander erleichtert und die Ar-            Migration führten, kann nicht abgeschätzt wer-
beitsmigration befördert. Auf der Ebene der                den.
EU-Mitgliedstaaten kommen mit einem Anteil
von 3 % die meisten Ausländer_innen aus Ita-               Insgesamt wird der Migration nicht selten ein
lien, gefolgt von Polen, Spanien, Bulgarien und            Mix an Handlungsmotiven zugrunde liegen.
Griechenland mit jeweils 2 %.                              Vor allem aber steht hinter jeder Migration im-
                                                           mer ein individueller Abwägungs- und Ent-
Weiterhin spielen individuelle Gründe bei der              scheidungsprozess, der nur bedingt kategori-
Migrationsentscheidung eine wichtige Rolle, in             siert und in Zahlen ausgedrückt werden kann.

                                                  - 14 -
2.4 Wanderungsbewegungen der Ausländer_innen

Im Jahr 2016 kamen insgesamt 7.900 Perso-                      Wanderungssaldo von 762 Ausländer_innen
nen nach Jena, 7.150 Personen zogen weg;                       ausgewiesen werden (siehe Abb. 10). Bei den
der Saldo lag demnach bei einem Plus von                       Wanderungsbewegungen entsteht ein analo-
rd. 750 Menschen. 40 % der Zugezogenen wa-                     ges Bild zu der in Kapitel 2.3 dargestellten Un-
ren Ausländer_innen, unter den Weggezoge-                      tergliederung der Ausländer_innen nach Her-
nen waren es jedoch nur 30 %, sodass sich die                  kunftsländern. Die meisten Zuzüge und Ge-
Anzahl der Ausländer_innen erhöhte und die                     winne konnten gegenüber asiatischen Ländern
der Deutschen ohne Migrationshintergrund                       verzeichnet werden und in diesem Kontext
verringerte. Zudem sind Ausländer_innen im                     wird es sich vorrangig um Flucht- und Bil-
Durchschnitt deutlich mobiler als Deutsche                     dungsmigration handeln. An zweiter Stelle fol-
ohne Migrationshintergrund. So betrug die Zu-                  gen die europäischen Länder, darunter vor al-
zugsquote4 bei den Ausländer_innen 36 % und                    lem EU-Mitgliedsstaaten. Wanderungsverluste
bei den Deutschen ohne Migrationshintergrund                   treten hingegen in erster Linie gegenüber Eu-
nur 5 %. Ein weiterer Unterschied kommt bei                    ropa auf und weniger gegenüber Asien. Dies
der räumlichen Dimension zum Tragen: Aus-                      liegt in der stärkeren wirtschaftlichen Verflech-
länder_innen ziehen erwartungsgemäß häufi-                     tung zwischen Jena und den europäischen
ger über die Bundesgrenze nach Jena, wäh-                      Ländern, die zu einem stärkeren Austausch
rend bei den Deutschen ohne Migrationshinter-                  führt. Im Gegensatz dazu handelt es sich bis-
grund die innerdeutschen Wanderungsbewe-                       her bei der Fluchtmigration um eine einseitige
gungen stärker ausgeprägt sind.                                Wanderungsbewegung. Inwieweit in Zukunft
                                                               eine Rückwanderung in nennenswertem Maß
Im Hinblick auf die Außenwanderung – damit                     einsetzen wird, hängt vor allem von der In-
ist hier die Wanderung über die Grenzen des                    tegration der Geflüchteten in Jena und der Si-
Bundesgebietes gemeint – konnte ein positiver                  tuation in den Herkunftsgebieten ab.

ABB. 10 AUSSENWANDERUNG DER AUSLÄNDER_INNEN 2016

            absolut                 Zuzüge             Wegzüge               Saldo
    2.500

    2.000

    1.500
                                                                                                1.971
    1.000                                                                                           762
                                     553
     500                                        536
                75                              155                        8
                        -149         914                       244 16
              92                                                         20          21
       0                                                                                -61
                         144        -361                        -228      -12
                -17                            -381
                          -5                                                          -40
     -500                                                                                       -1.209

-1.000

  -1.500
‚            Afrika    Amerika    Asien         EU         nicht-EU     Ozeanien unbekannt      gesamt
 Datengrundlage: Stadt Jena
 Darstellung und Berechnungen: Timourou

4     Die Zuzugsquote berechnet sich aus dem Anteil der zugezogenen Personen einer Bevölkerungsgruppe an
      allen Personen dieser Gruppe.

                                                      - 15 -
Ein Vergleich der Außenwanderung mit der in-                       der Zuweisung und Wohnstandortwahl der Ge-
nerdeutschen Wanderung (siehe Abb. 10 und                         flüchteten.5
11) verdeutlicht das geringere Wanderungsplus
und die geringe Dynamik bei der innerdeut-                         Den Wanderungsgewinnen aus Ostdeutsch-
schen Wanderung. Der positive Saldo von                            land stehen Verluste nach Westdeutschland
389 Personen resultiert aus den Wanderungs-                        gegenüber, der negative Saldo beträgt
gewinnen gegenüber Thüringen. Dies ist einer-                      192 Personen. Als Wegzugsgründe sind unter-
seits auf die Funktion und Wirkung von Jena                        schiedliche Aspekte denkbar, beispielsweise
als Metropole in Thüringen zurückzuführen und                      bestehende soziale Netzwerke in westdeut-
steht anderseits auch in Zusammenhang mit                          schen Großstädten oder ein höheres Lohnni-
                                                                   veau.

ABB. 11 INNERDEUTSCHE WANDERUNG DER AUSLÄNDER_INNEN 2016

            absolut
    2.500                               Zuzüge           Wegzüge          Saldo

    2.000

    1.500

    1.000
                                                                    647
                                                                                                  389
     500
                                                   53               777
                 355            47           133                                     3             1.315
       0
              -547                    -76          -80                                     -93
                                -29                                -130              -90
     -500        -192                                                                             -926

-1.000

-1.500
                West-          Berlin            Ost-          Thüringen          unbekannt      gesamt
             deutschland                     deutschland
‚                                           ohne Thüringen
 Datengrundlage: Stadt Jena
 Darstellung und Berechnungen: Timourou

2.5 Ausländer_innen nach Aufenthaltszwecken

Reist eine ausländische Person nach Deutsch-                       Jeweils im Dezember eines Jahres waren in
land beziehungsweise Jena ein und möchte                           den letzten Jahren in Jena durchschnittlich
sich dort länger aufhalten, so muss ein Antrag                     500 Anträge in Bearbeitung (siehe Abb. 12).
gestellt werden, um einen Aufenthaltstitel er-                     Den Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis müs-
halten zu können.6 Von dieser Regelung aus-                        sen Studierende, die aus einem Nicht-EU-Land
genommen sind Bürger_innen aus einem EU-                           kommen, stellen. Indem häufig im Oktober das
Mitgliedstaat oder einem anderen Mitgliedstaat                     Studium begonnen wird, nimmt im Zeitverlauf
des Europäischen Wirtschaftsraums sowie                            eines Jahres zu jedem Wintersemester die An-
Diplomaten – für sie gilt die Freizügigkeit.                       zahl zu. Zudem stieg mit dem stärkeren Zuzug
                                                                   von Geflüchteten im Jahr 2015 die Anzahl

5     In Thüringen gilt das Wohnortzuweisungsgesetz, wonach Geflüchtete innerhalb des Bundeslandes ihren
      Wohnsitz frei wählen können.
6     In Deutschland werden die Einreise und der Aufenthalt im Wesentlichen im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ge-
      regelt. Der Aufenthalt von Ausländer_innen wird in Form und Dauer immer an einen Aufenthaltszweck gebun-
      den.

                                                          - 16 -
durch Verzögerungen bei der Antragsbearbei-                     2017auch die Anzahl abgelehnter Asylbewer-
    tung kurzfristig auf 1.215 Anträge an.                          ber_innen und damit ausreisepflichtiger Aus-
                                                                    länder_innen auf 109 Personen. In der Jah-
    Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge                     ressumme haben 2017 rd. 62 Personen, die
    (BAMF) prüft die Anträge der Asylbewerber_in-                   durch Ablehnung oder Rücknahme der Asylan-
    nen. Die Anzahl der Jenaer Asylbewerber_in-                     träge ausreisepflichtig geworden sind, die
    nen im Verfahren stieg von 36 Personen im                       Stadt verlassen. Im Jahr zuvor waren es knapp
    Jahr 2012 auf 510 Personen im Jahr 2016                         180 Personen. Weitere 65 Personen haben
    deutlich an und sank 2017 auf 322 Personen                      durch einen Erfolg vor der Thüringer Härtefall-
    (siehe Abb. 12 und Anhang Abb. 4). Nach der                    kommission den Status „ausreisepflichtiger ab-
    Bearbeitung erhalten Asylbewerber_innen ent-                    gelehnter Asylbewerber“ verloren.
    weder einen positiven oder negativen Be-
    scheid. Den Ergebnissen nach stieg im Jahr

    ABB. 12 AUSLÄNDER_INNEN NACH AUFENTHALTSZWECK

              absolut                                                         5.372
                                                                                         mit befristetem
    5.000                                                                                Aufenthalt
                                                                   4.726

    4.000                                                                                mit unbefristetem
                                                                              3.438      Aufenthalt
                                                         3.273       3.239
                                                 2.889
    3.000                               2.674
                              2.419                                                      mit aktuellen Anträgen
                    2.275                        2.872     2.912
    2.134                                                                                (in Bearbeitung)
    2.000                               2.479
                    2.040     2.149
    1.873                                                  1.215                         Asylbewerber_innen im
                                                                              819        Verfahren
    1.000                                                               589
                               494       521      468       529
        435             314                                           510      322
                              21 36    29 63    53 133      79         131     109       abgelehnte
          0
                                                                                         Asylbewerber_innen/
                                                                                         ausreisepflichtige
                                                                                         Ausländer_innen
‚
    Datengrundlage: Stadt Jena
    Darstellung und Berechnungen: Timourou

    Asylbewerber mit einem positiven Bescheid er-                   der Ausländer_innen mit einer befristeten Auf-
    halten in aller Regel eine befristete Aufent-                   enthaltserlaubnis schätzungsweise zwei Drittel
    haltserlaubnis.7 Aufgrund der Bearbeitungs-                     ohne einen Fluchtkontext nach Jena. Neben
    zeit erfolgte der Anstieg zeitlich versetzt erst im             den Geflüchteten stellen die Studierenden und
    Jahr 2016. Ende 2017 waren in Jena                              Auszubildenden mit 36 % eine größere Gruppe
    5.372 Ausländer_innen mit einer befristeten                     dar. Auch wenn der Anteil im Jahr 2010 bei
    Aufenthaltserlaubnis gemeldet, darunter                         46 % lag, ihre Anzahl ist deutlich von 861 Per-
    1.874 Personen (35 %) aus humanitären be-                       sonen auf 1.910 Personen im besagten Zeit-
    ziehungsweise politischen Gründen (siehe                       raum angestiegen. Absolut betrachtet wuchs
    Abb. 12 und Abb. 13). Weiterhin stieg die Anzahl                auch die Anzahl der Erwerbstätigen, wobei mit
    der aus familiären Gründen zugezogenen Aus-                     dem deutlichen Anstieg der Geflüchteten der
    länder_innen auf 1.117 Personen, was unter                      Anteil bezogen auf alle Personen mit einer be-
    anderem auf den Familiennachzug zurückzu-                       fristeten Aufenthaltserlaubnis auf 9 % sank.
    führen ist. Im Ergebnis kamen aus der Gruppe

    7     Eine Aufenthaltserlaubnis gilt je nach Herkunft und entsprechenden Umständen entweder drei Jahre oder ein
          Jahr, in der Regel aber immer mindestens ein Jahr (vgl. BAMF: Ablauf eines Asylverfahrens, Stand Oktober
          2016).

                                                          - 17 -
ABB. 13 AUSLÄNDER_INNEN MIT BEFRISTETER AUFENTHALTSERLAUBNIS 2010 UND 2017

                    2010                                                                  2017

                                             Studium oder
                  9%                         Ausbildung
                                             Erwerbstätigkeit                                36%
                             46%                                                    35%

              33%                            familiäre Gründe

                                                                                                 9%
                                             humanitäre,                               21%
                       12%
                                             politische Gründe

‚
    Datengrundlage: Stadt Jena
    Darstellung und Berechnungen: Timourou

    Ausländer, die eine Niederlassungserlaubnis                  tete Personen, die zuvor eine befristete Aufent-
    erhalten, können sich unbefristet in Deutsch-                haltserlaubnis erhalten hatten und nach einer
    land aufhalten. Dies traf in Jena Ende 2017                  bestimmten Zeit und anhand gewisser Kriterien
    auf 3.438 Ausländer_innen, rd. 34 % aller Aus-               inzwischen eine Niederlassungserlaubnis be-
    länder_innen, zu; 2010 waren es noch knapp                   kommen haben. Ausländer_innen, darunter so-
    1.000 Personen weniger. Unter ihnen sind fast                genannte Konventionsflüchtlinge (Anerken-
    zwei Drittel EU-Bürger_innen, Schweizer_in-                  nung gemäß der Genfer Flüchtlingkonvention),
    nen oder Familienangehörige. Auch die Anzahl                 können aus humanitären oder politischen
    der übrigen Ausländer_innen mit einer Nieder-                Gründen direkt eine unbefristete Aufenthaltser-
    lassungserlaubnis ist auf 861 Personen gestie-               laubnis erhalten – ihre Anzahl ist in Jena je-
    gen. Darunter zählen auch nach Jena geflüch-                 doch auf 387 Personen leicht gesunken.

                                                       - 18 -
3.    Soziale und sozioökonomische Merkmale

Die Zunahme an Personen mit Migrationshin-                  Themenkomplexe zu vertiefen, wird die Situa-
tergrund hat zahlreiche ökonomische, soziale                tion in sozialen Einrichtungen, Bildungseinrich-
und gesellschaftliche Auswirkungen. Um diese                tungen und auf dem Arbeitsmarkt untersucht.

3.1 Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, in den Kindertagesein-
    richtungen

Der Integrationsprozess beginnt bereits im Kin-             Die Bedeutung dieses Themas hat in den letz-
desalter, weshalb hier auch die Entwicklungen               ten Jahren zugenommen, denn in den Jenaer
in den Kindertageseinrichtungen analysiert                  Kindertageseinrichtungen stieg der Anteil der
werden. Informationen zum Integrationsverlauf               Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch
liegen nicht vor, jedoch existieren Angaben zu              ist, von 7,8 % im Jahr 2009 auf 10,4 % im Jahr
den Anzahlen der Kinder in Jenaer Kinderta-                 2016 (siehe Abb. 14). Damit verändern sich
geseinrichtungen, deren Herkunftssprache                    die Anforderungen an die frühkindliche Erzie-
nicht Deutsch ist beziehungsweise die einen                 hung und Bildung.
Migrationshintergrund aufweisen. Wichtig ist
an dieser Stelle, dass bei der Schul- sowie Kin-            Absolut betrachtet waren Ende 2016 insge-
der- und Jugendhilfestatistik von einem Migra-              samt 572 Kinder mit Migrationshintergrund in
tionshintergrund gesprochen wird, wenn in der               den Einrichtungen gemeldet. Seit 2009 nahm
Familie oder im häuslichen Umfeld des Minder-               die Anzahl pro Jahr um durchschnittlich 30 Kin-
jährigen nicht vorrangig „deutsch“ gesprochen               der zu, was insgesamt einem Anstieg um 66 %
wird. Diese Angabe wird bei der Anmeldung                   entspricht.
des Kindes erfasst.

Bildung und Arbeit als Grundvoraussetzung für eine gelingende Integration

Migrant_innen und darunter Ausländer_innen                  Darüber hinaus findet an der Universität und
sind im Durchschnitt jünger als Deutsche ohne               an der Hochschule verstärkt ein internationaler
Migrationshintergrund. Da ihre absolute Zahl                Wissenstransfer statt. Ausländische Studie-
und ihr prozentualer Anteil in den letzten Jah-             rende und Forschende sind jedoch überwie-
                                                                                                               FAZIT

ren zugenommen haben, gewinnt dieses                        gend zeitlich befristet in Jena.
Thema in den Kindertages- und Bildungsein-                  Auf dem Arbeitsmarkt ist die Stellung der Aus-
richtungen an Bedeutung. Räumlicher Schwer-                 länder_innen ungünstiger als die der Deut-
punkt ist der Planungsraum Lobeda mit einem                 schen – sie sind häufiger von Arbeitslosigkeit
überdurchschnittlich hohen Anteil an ausländi-              betroffen und folglich abhängig von sozialen
schen Schüler_innen und entsprechenden Er-                  Leistungen. Aufgrund des Mengeneffektes
fahrungen.                                                  stieg allerdings ihre Bedeutung auf dem Ar-
                                                            beitsmarkt.

                                                   - 19 -
ABB. 14 KINDER, DEREN HERKUNFTSSPRACHE NICHT DEUTSCH IST, IN DEN KINDERTA-
        GESEINRICHTUNGEN

                                    Kinder mit deutscher Herkunftssprache
            absolut                 Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist                                   Anteil in %
    6.000                                                                                                                               12,0%
                                    Anteil Kinder, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist
                                                                                                                                10,4%
                                                                                                                9,6%
    5.000                                                                                        9,1%                                   10,0%

                                    8,1%                                          7,8%
                     7,8%                          7,8%           7,9%
    4.000                                                                                                                               8,0%

    3.000                                                                                                                               6,0%

                                                                                                                        4.918
                                                                                                        4.833
                                                                                         4.787
                                                                          4.678
                                                          4.534
                                           4.396
                            4.195
             4.074

    2.000                                                                                                                               4,0%

    1.000                                                                                                                               2,0%

                     345             370           374            389              396            477           515              572
       0                                                                                                                                0,0%
            2009      2010      2011                        2012            2013           2014           2015            2016
Datengrundlage: Stadt Jena
Darstellung und Berechnungen: Timourou

3.2 Schüler_innen, deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, an den Schulen

Nach Angaben des Thüringer Ministeriums für                                         Alter (6 bis unter 18 Jahren) jeweils bei
Bildung, Jugend und Sport gingen am 2. De-                                          rd. 38 %. Aus diesem Grund liegt die Vermu-
zember 2016 rd. 9.000 Schüler_innen in aus-                                         tung nahe, dass in den Grundschulen die er-
gewählte Jenaer Schulen8, darunter 11 % be-                                         höhte Präsenz der Schüler_innen, deren Her-
ziehungsweise 1.000 Personen mit nicht-deut-                                        kunftssprache nicht Deutsch ist, auf unter-
scher Herkunftssprache.9                                                            schiedliche Fähigkeiten – insbesondere
                                                                                    Sprachkenntnisse – und Möglichkeiten der Kin-
Eine Auswertung nach der Schulart ergibt,                                           der und Jugendlichen sowie auf die Zugangs-
dass die Jenaer Schüler_innen zu jeweils fast                                       voraussetzungen in den Schulen zurückzufüh-
einem Drittel eine Grundschule, Gemein-                                             ren ist. Im Umkehrschluss führt die Zugangs-
schaftsschule oder Gymnasium besuchen.                                              bedingung der Gymnasien, dass Schüler_in-
Schüler_innen, deren Herkunftssprache nicht                                         nen im Fach Deutsch mindestens die Note
Deutsch ist, sind mit fast 40 % in den Grund-                                       „gut“ erreicht haben, zu einer Unterrepräsenta-
schulen überrepräsentiert und mit rd. 20 % auf                                      tion von Schüler_innen, deren Herkunftsspra-
den Gymnasien unterrepräsentiert. Diese Dif-                                        che nicht Deutsch ist. Darüber hinaus kommt
ferenz kann jedoch nicht über eine unter-                                           für sie auf Gymnasien das Erlernen einer zwei-
schiedliche Altersstruktur erklärt werden. Denn                                     ten Fremdsprache ab der 8. Klasse erschwe-
relativ unabhängig vom Migrationshintergrund                                        rend hinzu.
lag den Ergebnissen von MigraPro zufolge der
Anteil der Kinder im Grundschulalter (6 bis un-                                     Für eine Verbesserung der Sprachstände wer-
ter 10 Jahre) an allen Kindern im schulfähigen                                      den entsprechende Kurse angeboten, darunter

8     Die Schüler_innenzahlen an Berufs- und Privatschulen wurden in dieser Statistik nicht erfasst.
9     Nach den Ergebnissen von MigraPro waren Ende 2016 insgesamt 1.690 Personen im Alter von 6 bis unter
      18 Jahren in Jena gemeldet. Auch unter der Berücksichtigung, dass nicht alle Kinder und Jugendliche mit Mig-
      rationshintergrund in Jena zur Schule gehen, fallen die Anzahlen in der Schul- sowie Kinder- und Jugendhil-
      festatistik geringer aus.

                                                                         - 20 -
Vor-, Grund- und Aufbaukurse.10 Der Anteil der                beda zur Schule (426 Schüler_innen, bezie-
Schüler_innen, die einen Förderungsbedarf                     hungsweise 43 %) und andererseits liegt dort
haben, liegt erwartungsgemäß in den Grund-                    der Anteil der Schüler_innen mit nicht-deut-
schulen und Gemeinschaftsschulen am höchs-                    scher Herkunftssprache an allen Schüler_in-
ten.                                                          nen am höchsten (17 %). Einzelne Schulen
                                                              verfügen dort bereits über langjährige Erfah-
Im Folgenden wird der Frage nachgegangen,                     rungen mit der Beschulung von Kindern nicht-
welche Schulen die Schüler_innen mit nicht-                   deutscher Herkunftssprache, was die teilweise
deutscher Herkunftssprache besuchen. Das                      höheren Anteile von Schüler_innen nicht-deut-
räumliche Muster hängt dabei zum einen von                    scher Herkunftssprache erklärt. Nach den Er-
den Schulstandorten und den jeweiligen Bil-                   gebnissen von MigraPro wohnen 41 % der 6-
dungsprofilen ab und zum anderen von den                      bis unter 18-jährigen Migrant_innen in Lobeda;
Wohnstandorten der Schüler_innen. Im Ergeb-                   43 % der Schüler_innen mit nicht-deutscher
nis wird der Planungsraum Lobeda als                          Herkunftssprache gehen dort zur Schule. Die-
Schwerpunktraum deutlich (siehe Abb. 15). Ei-                ser geringe Unterschied zwischen beiden An-
nerseits gehen die meisten Schüler_innen, de-                 teilen weist darauf hin, dass es im Saldo in Lo-
ren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, in Lo-                beda nicht zu einer zusätzlichen Konzentration
                                                              im Bildungsbereich kommt.

ABB. 15 SCHÜLER_INNEN, DEREN HERKUNFTSSPRACHE NICHT DEUTSCH IST, AM
        02.12.2016

‚
 Datengrundlage: Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport
 Kartengrundlage: Stadt Jena
 Darstellung und Berechnungen: Timourou

In den Planungsräumen West/Zentrum und
Winzerla liegen die Anteile nicht-deutscher

10   Vorkurse zielen auf die Alphabetisierung sowie die Vermittlung von Grundkenntnissen der deutschen Sprache
     gemäß A 1. Im Grundkurs geht es um Deutschkenntnisse gemäß B 1 sowie um eine Hinführung zu Fachspra-
     chen. Der Aufbaukurs vermittelt Deutschkenntnisse gemäß B 2 sowie Grundkenntnisse in Fach- und Bil-
     dungssprachen.

                                                     - 21 -
Schüler_innen an allen Schüler_innen bei je-                     Die Planungsräume Ost und Nord weisen un-
weils rd. 10 %. Dies entspricht in etwa dem ge-                  terdurchschnittliche Anteile an Schüler_innen,
samtstädtischen Durchschnitt.                                    deren Herkunftssprache nicht Deutsch ist, auf.

3.3 Ausländische Studierende an Universität und Hochschule

Möchte ein Studierender aus dem Ausland ent-                     samt 21.836 Personen. Ausschlaggebend da-
weder an der Friedrich-Schiller-Universität                      für ist der Rückgang deutscher Studierender –
(FSU) oder an der Ernst-Abbe-Hochschule                          seit dem Wintersemester 2009/2010 um 22 %.
(EAH) in Jena studieren, so wird dies von den                    Gleichzeitig hat sich die Anzahl der ausländi-
jeweiligen Einrichtungen erfasst und veröffent-                  schen Studierenden mehr als verdoppelt
licht. Angaben über Migrant_innen insgesamt                      (+103 %), was den Rückgang jedoch nicht
liegen jedoch nicht vor. Der Erfassung liegen                    ausgleichen konnte. Im Ergebnis stieg der An-
jedoch unterschiedliche Stichtage zugrunde:                      teil ausländischer Studierender von 6 % auf in-
Bei der FSU zählt der 31.10. und bei der EAH                     zwischen 15 % an (siehe Abb. 16).11 Beson-
der 4. und 6.11. eines Jahres.                                   ders stark war die Zunahme an der EAH um
                                                                 230 % (FSU 79 %), auch liegt der Anteil von
Generell hat die Gesamtzahl der Studierenden                     Ausländer_innen mit 19 % bei der EAH höher
in den letzten Jahren stetig abgenommen und                      als mit 14 % bei der FSU, absolut betrachtet ist
lag im Wintersemester 2017/2018 bei insge-                       es jedoch umgekehrt.

ABB. 16 ENTWICKLUNG DER ANZAHL DER AUSLÄNDISCHEN STUDIERENDEN

                           Deutsche an der FSU                   Deutsche an der EAH
                           Ausländer_innen an der FSU            Ausländer_innen an der EAH
                           Anteil Ausländer_innen
             Studierende                                                       Anteil Ausländer_innen
 40.000                                                                                                 18%

 35.000                                                                                        15%      16%
                                                                                    14%
                                                                            13%                         14%
 30.000                                                            12%
               255       249       262                                                                  12%
                                             344         10%
 25.000       1.334     1.477     1.586             406       514           603
                                            1.776                                    741       841
              4.713     4.511                        1.994                                              10%
 20.000                           4.436     4.261            2.177         2.264    2.336
                                   7%                4.193                                    2.390
                           7%                                4.012         3.878    3.807               8%
               6%                            9%                                               3.672
 15.000
                                                                                                        6%
 10.000       19.173   19.267    18.760                                                                 4%
                                           17.913    17.042      16.078   15.540   15.236     14.933
     5.000                                                                                              2%
         0                                                                                              0%
              2009/     2010/     2011/     2012/     2013/       2014/    2015/    2016/     2017/
              2010      2011      2012      2013      2014        2015     2016     2017      2018
                                                    Wintersemester
‚
 Datengrundlage: Friedrich-Schiller-Universität und Ernst-Abbe-Hochschule
 Darstellung und Berechnungen: Timourou

An der EAH studiert ungefähr die Hälfte der                      ist bei den ausländischen Studierenden deut-
Ausländer_innen den Studiengang SciTec                           lich variabler – gewählt werden sowohl Fächer-
(Präzision-Optik-Materialien-Umwelt). Deut-                      gruppen der Mathematik/Naturwissenschaften
sche Studierende wählen diesen Studiengang                       als auch der Rechts-, Wirtschafts-, Sozial- und
nur zu 15 %. Die Studienfachwahl an der FSU                      Geisteswissenschaften. Jeweils kommen die

11    Im Vergleich dazu lag der Anteil ausländischer Studierender beispielsweise in Göttingen 2016 bei 13 %, die
      Westfälische Wilhelms-Universität in Münster wies 2015 rd. 8 % auf.

                                                        - 22 -
meisten Studierenden aus Asien nach Jena                       eingeschrieben. Studierende aus europäischen
(EAH 70 % und FSU 54 %) (siehe Abb. 17).                      Ländern verbleiben in etwa auf dem Niveau
An der EAH sind allerdings in erster Linie Stu-                von rd. 980 Personen.
dierende aus Indien und an der FSU aus China

ABB. 17 ENTWICKLUNG DER ANZAHL DER AUSLÄNDISCHEN STUDIERENDEN NACH HER-
        KUNFTSKONTINENTEN

           Studierende
 3.500                                                                            3.231        insgesamt
                                                                         3.072
 3.000                                                           2.867
                                                       2.691
                                                                                               Asien
                                              2.400
 2.500
                                     2.120

 2.000                       1.848                                                1.876        Europa
                    1.726                                                1.758
            1.589                                                1.536
                                                       1.466
 1.500                                        1.268                                            Afrika
                                     1.064
                     852     909
 1.000      775
                                                        961       991     970      947         Amerika
                                      831      891
     500             687     750
            660

                                                                                               sonstige
       0
            2009/   2010/    2011/    2012/   2013/    2014/     2015/   2016/    2017/
            2010    2011     2012     2013    2014     2015      2016    2017     2018
‚
 Datengrundlage: Friedrich-Schiller-Universität und Ernst-Abbe-Hochschule
 Darstellung und Berechnungen: Timourou

3.4 Beschäftigungsverhältnisse und Gewerbeanmeldungen von Auslän-
    der_innen

Die Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht die                Zugang zum Arbeitsmarkt). Die zunehmende Be-
Anzahl sozialversicherungspflichtig Be-                        deutung ist jedoch nur ein Ergebnis des Men-
schäftigter in Jena nach Staatsangehörigkeit.                  geneffektes und nicht einer besseren Integra-
Im Zeitraum von Dezember 2013 bis Septem-                      tion der Ausländer_innen in den Arbeitsmarkt.
ber 201712 verbesserte sich in Jena die Ar-                    Bei Ausländer_innen ist angesichts der zahlrei-
beitsplatzsituation und sowohl bei den Deut-                   chen Studierenden, Asylbewerber_innen und
schen als auch bei den Ausländer_innen nahm                    teilweise eingeschränkten Arbeitsberechtigun-
die Anzahl sozialversicherungspflichtig Be-                    gen allgemein von einer geringeren Beschäfti-
schäftigter zu (siehe Abb. 18). Ausländer_in-                 gungsquote13 auszugehen. Der deutliche Un-
nen gewinnen für den Arbeitsmarkt zuneh-                       terschied zwischen einer Beschäftigungsquote
mend an Bedeutung, denn ihre Anzahl ist stär-                  von 89 % bei Deutschen und 37 % bei Auslän-
ker gestiegen als die der Deutschen, womit der                 der_innen im September 2017 weist allerdings
Anteil an allen Beschäftigten von 3 % auf 5 %                  auch auf eine geringe Integration der Auslän-
zunahm (siehe Kasten Voraussetzungen für den                  der_innen in den Arbeitsmarkt hin.

12   Aktuelle Daten für Dezember 2017 lagen zum Bearbeitungszeitpunkt nicht vor. Im Vergleich zum Dezember
     fallen die Ergebnisse im September in der Regel etwas positiver aus.
13   Die Beschäftigungsquote errechnet sich über den Anteil sozialversicherungspflichtig Beschäftigter an allen
     Personen im Alter von 18 bis unter 65 Jahren.

                                                      - 23 -
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