Wie wir zukünftig bauen - Thomas Speeth und Matthias Saß stellen sich der Herausforderung - Schiffszimmerer-Genossenschaft
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FRÜHLING 2022 Wie wir zukünftig bauen Einfach nachhaltig Grüne Dächer Thomas Speeth und Matthias Saß So unkompliziert ist Ideen für mehr Lebensqualität stellen sich der Herausforderung Klimaschutz im Alltag und Artenvielfalt gibt es viele
2 I N H A LT 3 Die gute Fee vom Carpserweg Liebe Mitglieder, Interview zu nachbarschaftlichem Engagement in Ohlsdorf Aktuelles wie wollen wir in Zukunft leben? Grüner, 4 Ein Pakt für Biodiversität; gemeinschaftlicher, nachhaltiger, mobiler. In Zukunftstag für junge Menschen; steigende Nebenkosten den Hamburger Genossenschaften wird dieser Auf den Dächern ist was los gesellschaftliche Wandel längst aktiv verwirklicht. 6 Solarpaneele, Begrünungspläne Auch beim Thema Pflege denken wir mit. und EU-Gebäuderichtlinie Barrierefreie Neubauten, niedrigschwellige 7 Das zahlt sich aus Mitglieder wohnen günstiger Hilfsangebote für Demenzkranke und körperlich 8 Wie wir zukünftig bauen Beeinträchtigte: Wer genossenschaftlich wohnt, Matthias Saß und Thomas Speeth muss sich nicht alleingelassen fühlen mit den stellen sich der Herausforderung von Neubauprojekten und Klima- Herausforderungen neuer Lebensabschnitte. wandel Mehr zu diesen Themen finden Sie in der 10 Aus unserer Genossenschaft Zwei neue Prokuristen aktuellen Ausgabe der bei uns. 11 Maßnahmenkatalog Mit dem Frühling kommt die Stimmung für Geplante Instandhaltungen Neuanfänge und kreatives Ausprobieren – ob 12 Quartiere im Wandel Das Flair vom Moorkamp in der Küche, im Garten oder einfach im Kopf. Serie Einsamkeit: Teil 2 Die beste Zeit also, um ein neues Projekt zu 14 Fühlen Sie sich einsam? beginnen! Vielleicht gemeinsam mit Ihren 16 Wie wollen wir leben? Nachbarn? Denn ob alt oder jung, die Zukunft Einige Zukunftsvisionen sind bei den Genossenschaften zufriedenen Lebens liegt im Gemeinschaftlichen. schon Realität Daran glauben wir fest. Machen Sie mit! 22 Klimaschutz im Alltag Einen lebhaften Frühling wünscht Ihnen Was jeder von uns tun kann Ihre Genossenschaft 24 Lesevergnügen Eine Vorlesegeschichte von Irene Margil 25 Rätsel, Impressum Luxuriöse Kaffeemaschine von ZWILLING zu gewinnen 26 Ordnung im Chaos Hilfe für desorganisiert lebende Titelfoto & Foto: Robert Schlossnickel Menschen 27 Das frische Frühlingsrezept Tagliatelle mit Gemüse-Bolognese Charlotte Knipping & Julia Eble Redaktionsteam „bei uns“ redaktion@schiffszimmerer.de AUSGABE FRÜHLING 2022
SCHIFFSZIMMERER 3 N AC H B A R S C H A F T L I C H E S E N G AG E M E N T Die gute Fee vom Carpserweg Annelie Peters in ihrem blitzblanken Waschraum am Carpserweg 22a freut sich über den Strauß Blumen D er Frühling naht, die Natur Hand zu nehmen. Frau Peters fegt und erwacht wieder zum Leben und unsere Energie kehrt zu- Wir finden: wischt die Böden beider Räume und des Korridors, leert Mülleimer, reinigt Fenster- rück! Haben Sie Ihre Jahres- vorsätze schon in die Tat um- Das ist ein bretter und desinfiziert die Waschmaschi- nen. gesetzt oder suchen Sie noch Inspiration? Dann haben wir hier etwas für Sie: großartiger Für die Pensionärin ist es selbstverständ- lich, ihren Teil zu einer sauberen Waschan- In unserer Waschküche am Carpserweg 22a könnten Sie vom Boden essen. Die Einsatz für die lage beizutragen. „Ich will es einfach sau- ber haben“ lautet ihre Devise. Solange es Böden: wie geleckt. Die Mülleimer: immer Nachbarschaft! eben geht. Annelie Peters macht dies von leer. Die Waschmaschinen: wie neu. Herzen gerne und sieht ihren Putzvormit- Der Grund ist die 75-jährige Annelie Herzlichen tag auch als ihr fünfzigminütiges Sport- Peters. Seitdem ihre eigene Waschmaschi- programm: „Das ersetzt meine tägliche ne ausfiel, nutzt sie einmal wöchentlich Dank, Frau Laufrunde, und mein Buch von Nietzsche Foto: Schiffszimmerer-Genossenschaft eG unsere Mitglieder-Waschküche. Und ent- lese ich dann doch lieber zu Hause!“ Alle schloss sich kurzerhand, für die Dauer des Peters! Mitglieder haben etwas davon: einen sau- Waschgangs Putzlappen und Besen in die beren Ort zum Waschen. Haben Sie in letzter Zeit Nachbarschaftshilfe erlebt? Möchten Sie von Ihrem Schiffszimmerer des Monats berichten? Schreiben Sie uns eine E-Mail an redaktion@schiffszimmerer.de. Wir freuen uns auf Ihre Nachrichten! AUSGABE FRÜHLING 2022
4 U N T E R N E H M E N S N AT U R A K T I O N STAG Mehr Natur wagen Der Verband norddeutscher Wohnungs unternehmen hat sich dem Bündnis UnternehmensNatur angeschlossen und fördert so die Biodiversität. Keine Frage des Geschlechts Am 28. April 2022 können Mädchen und Jungen Berufe klischeefrei kennenlernen. Feuerwehrfrauen, Chemikantinnen oder Glasapparatebauerinnen begeg- net man in der Berufswelt eher selten. Ähnlich ist es mit Erziehern, Floristen oder Friseuren. Denn junge Menschen orientieren sich häufig an sogenannten „Frauen-“ beziehungsweise „Männerbe- rufen“. Obwohl viele Mädchen technisch begabt sind, streben sie kaum einen ent- sprechenden Beruf an. Und junge Männer Lebensqualität zu schaffen ist ein zentrales Anliegen der Wohnungsbauge- nutzen ihre kreative oder soziale Kompe- nossenschaften. Als soziale Vermieter wollen sie nicht nur für bezahlbaren tenz leider selten in den Bereichen Pflege, Wohnraum sorgen und in die soziale Entwicklung ihrer Quartiere investieren. Erziehung oder Gestaltung. Auch der Erhalt einer lebenswerten Umwelt und der Artenvielfalt steht auf Genau deswegen gibt es den bun- der Agenda der Genossenschaften. desweiten Girls’ Day und den entspre- Daher hat sich der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) chenden Boys’ Day – ein Aktionstag, der im November 2021 dem Projekt UnternehmensNatur angeschlossen. Die Initi- dem Nachwuchs eine klischeefreie Be- ative von Handelskammer, Umweltbehörde und NABU hat sich zum Ziel ge- rufsorientierung geben soll, indem die setzt, Firmen für eine naturnahe Gestaltung ihres Betriebsgeländes zu begeis Kinder und Jugendlichen vorurteilsfrei in tern, um so ökologisch wertvolle Lebensräume für Tiere und Pflanzen zu die unterschiedlichsten Berufe rein- schaffen. Gerade in Großstädten mit ihrer zunehmenden Flächenversiegelung schnuppern dürfen – ob direkt in den fehlen diese Räume. teilnehmenden Betrieben und Einrich- Seit Beginn des Projekts im Jahr 2014 haben bereits 80 Hamburger Unter- tungen oder durch digitale Angebote. nehmen teilgenommen und sich bei der naturnahen Umgestaltung ihrer Fir- mengelände fachkundig beraten lassen. Mit dem neuen Kooperationspartner Aktuelle Informationen zu den Ham- VNW sind nun auch die Freiflächen von Wohnungsgesellschaften und Woh- burger Zukunftstagen gibt es unter nungsgenossenschaften in den Blick gerückt, deren Naturwert durch gezielte www.girls-day.de und unter www. Maßnahmen deutlich gesteigert werden kann. Ob Nisthilfen für Vögel, Insek- boys-day.de. Teilnehmen können alle ten oder Fledermäuse, ob Dach- oder Fassadenbegrünung, Hochbeete, Klein- Schülerinnen und Schüler ab der 5. gewässer oder Wildsträucher: Die Förderung der Stadtnatur kommt auch den Klasse. Bewohnern zugute. Denn ist der Anblick einer bunten Wildblumenwiese nicht Foto: Gabriele Rohde – stock.adobe.com viel schöner als der einer eintönigen Rasenfläche? Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) vertritt in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein insgesamt 400 Wohnungsgenossenschaften und Wohnungsgesellschaften. In den von ihnen verwalteten 686.000 Wohnungen leben rund 1,5 Millionen Menschen. Der VNW ist der Verband der Vermieter mit Werten. AUSGABE FRÜHLING 2022
5 KO ST E N ST E I G E R U N G E N Womit müssen wir rechnen? Corona hat unser (Arbeits-)Leben auf den Kopf gestellt. Diejenigen, die seit 2020 im Homeoffice arbeiten, dürften schon jetzt die erhöhten Betriebs- und Heizkosten spüren. Aber auch alle anderen werden die Preiserhöhungen im Energiebereich und die Auswirkung manch einer Gesetzesänderung bemerken. und Kunden weitergeben. Seit Oktober 2020 hat sich beispielsweise der Groß- handelspreis für Erdgas verfünffacht, beim Strom hat sich der Einkaufspreis binnen Jahresfrist verdreifacht. Exper- ten zufolge sind die europäischen Gas- speicher aktuell leerer als zu Beginn der Heizsaison üblich. Erdgas spielt auch eine wichtige Rolle bei der Stromerzeu- gung, außerdem ist die Windstromaus- beute in Europa gegenüber dem Vor- jahr um ein Viertel gesunken. Novelle des Telekommunika- tionsgesetzes (TKG) Das sogenannte Telekommunikations- modernisierungsgesetz ist am 1. Dezem- ber 2021 in Kraft getreten. Es besagt unter anderem, dass die derzeitige Um- lageregelung von Kabelanschlüssen im Rahmen der Betriebskostenabrechnung Verändertes auch die Preise von Erdgas, Heizöl, Ben- zum 30. Juni 2024 auslaufen wird. Das Verbrauchsverhalten zin oder Diesel beeinflusst, sollen für heißt, dass Vermietende keine diesbe- den Ausbau von erneuerbaren Energien züglichen Kosten mehr umlegen dürfen. Mit der dauerhaften Anwesenheit in eingesetzt werden – auch um unabhän- Stattdessen ist – ähnlich wie beim Strom den Wohnräumen während Lockdown giger von Gas und Öl zu werden. War – vorgesehen, dass sich Nutzerinnen und und Homeoffice hat sich das Konsum- der CO2-Preis 2021 noch auf 25 Euro pro Nutzer selbst einen TV-Versorger suchen verhalten verändert. Nicht nur die ar- Tonne festgelegt, sind es 2022 schon und einen Vertrag abschließen. Kosten- beitsbedingten Stromkosten wurden in 30 Euro, und er wird weiterhin steigen, günstige Sammelverträge über die Ge- die Höhe getrieben, auch Haushalts- bis es 2025 schließlich 55 Euro sind. Bei nossenschaft darf es dann nicht mehr und Unterhaltungselektronik sind ver- Wohnanlagen, die mit Erdgas oder geben. mehrt zum Einsatz gekommen. Gleich- Heizöl beheizt werden, wird sich der zeitig sind der private Wasserbedarf CO2-Preis zu einem spürbaren Anteil Es gibt aber auch eine gute Nachricht: sowie die Abwasserkosten gestiegen. der Heizkosten entwickeln. Seit Januar 2021 entlastet die Bundesre- gierung zahlreiche Haushalte. Zeitgleich CO2-Bepreisung Preisentwicklungen bei mit der Einführung der CO2-Bepreisung Strom und Gas hat sie das Wohngeld um rund zehn Foto: sorbetto – iStock.com Dem Klimaschutz wird zum Glück Prozent erhöht, um soziale Härten zu immer mehr Beachtung geschenkt. Viele Energielieferanten klagen über ei- vermeiden. Im Durchschnitt betrug das Deutschland soll bis zum Jahr 2045 kli- ne eskalierende Entwicklung der Groß- zusätzliche Wohngeld 2021 rund 15 Euro maneutral sein. Einnahmen durch eine handelspreise, weswegen sie diese ge- monatlich. Für jedes weitere Haushalts- CO2-Bepreisung, die unter anderem steigerten Kosten an ihre Kundinnen mitglied kamen bis zu 3,60 Euro hinzu. AUSGABE FRÜHLING 2022
6 KLIMASCHUTZ Wo Häuser das Klima schützen EU-Gebäuderichtlinie, Gründach- und Solardachpflicht: Die Herausforderungen für mehr Klimaschutz sind immens – die Kosten auch. Es gibt viele Möglichkeiten für Klimaschutz. Nur müssen sie auch von jemandem bezahlt werden. H amburgs Wohnungsgenossenschaften steht in glieder über höhere Nutzungsgebühren tragen müssen. Viele den kommenden Jahren eine Gratwanderung Wohngebäude in Hamburg stammen aus den 50er- und 60er- bevor. Zum einen müssen sie staatliche Vorga- Jahren. Diese Gebäude klimaneutral zu machen ist kaum be- ben für mehr Klimaschutz umsetzen. Zum ande- zahlbar. Schätzungen gehen von bis zu zehn Milliarden Euro ren gilt es, auf die Bezahlbarkeit ihrer Woh- aus, die allein Hamburgs Wohnungsgenossenschaften in den nungen zu achten. Die Herausforderung, dieses Ziel in diesem kommenden neun Jahren aufbringen müssten. Zum Vergleich: Jahrzehnt zu erreichen, ist immens. Hamburgs Wohnungsge- Zwischen 2012 und 2020 investierten die Genossenschaften nossenschaften haben dabei drei politische Großprojekte im rund drei Milliarden Euro in die energetische Modernisierung Blick zu behalten. ihres Wohnungsbestandes. Erstens: In Brüssel wurde Mitte Dezember 2021 der Ent- Zweitens: Hamburg hat eine Gründachstrategie entwi- wurf einer EU-Gebäuderichtlinie vorgestellt. Auch wenn noch ckelt und will Gebäudeeigentümer zur Umsetzung verpflich- Änderungen zu erwarten sind: Im Kern geht es darum, dass ten. Ziel ist es, mindestens 70 Prozent der Neubauten und bis zum Jahr 2030 Wohngebäude, die besonders viel Energie geeignete zu sanierende Dächer zu begrünen. Zwar stellt die verbrauchen, klimaneutral sein müssen. Die EU-Kommission Umweltbehörde bis 2024 rund 3,5 Millionen Euro an Förder- schlägt daher eine Sanierungspflicht für diese Gebäude vor. mitteln bereit. Die Kosten dürften aber deutlich höher liegen. In Hamburg betrifft das, so erste Berechnungen, fast 40.000 Drittens: Hinzu kommt, dass der Hamburger Senat eine Bauten. Von 2030 an müssen zudem alle Neubauten klima- Solardachpflicht beschlossen hat. Diese sieht vor, dass vom neutral sein. Sie dürfen keine Treibhausgase mehr ausstoßen. kommenden Jahr an auf Dächern von Neubauten Photovol- Experten fürchten, dass Zeit, Fachkräfte, Material und Bau taikanlagen installiert werden müssen. Für bestehende Ge- kapazitäten fehlen, diese Ziele zu erreichen. Sie kritisieren bäude, bei denen das Dach erneuert wird, gilt die Pflicht von Foto: René Notenbomer – stock.adobe.com zudem, dass Erfahrungen von Genossenschaften zu wenig 2025 an. Inwieweit die Kombination mit einer Dachbegrünung berücksichtigt wurden. Konkret geht es darum, bei der Redu- funktioniert, muss am konkreten Objekt herausgefunden wer- zierung des Ausstoßes von Treibhausgasen nicht allein das den. Aber auch hier ist eines bereits klar: Es wird teuer. Gebäude, sondern das Quartier zu betrachten. Wenn Wärme Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher und Energie klimaneutral erzeugt werden, spielt der energe- Wohnungsunternehmen, fordert, dass sich die Politik „ehrlich“ tische Zustand eines Wohngebäudes eine untergeordnete macht: „Das heißt, zu wissen, dass jedes Mehr an Klimaschutz Rolle. Das ist wichtig, weil umfangreiche Sanierungen enorme viel Geld kostet. Wer mehr Klimaschutz will, muss den Men- Kosten verursachen, die am Ende die Genossenschaftsmit- schen sagen, dass sie ihn über die Miete (mit-)bezahlen müssen.“ AUSGABE FRÜHLING 2022
7 MIETENSPIEGEL energetisch sanierte 60er-Jahre-Wohnung wird teurer wieder- vermietet werden müssen.“ Breitner fürchtet, dass die Mieten wegen hoher Baukos ten und des Mangels an Baugrundstücken auch künftig stei- gen werden. „Die Umsetzung des Baulandmobilisierungsge- setzes wird dringlicher. Nur wenn ausreichend öffentliche Grundstücke zur Verfügung gestellt werden, ist es möglich, einen weiteren Anstieg der Baulandkosten abzumildern.“ Nach den Worten von Stadtentwicklungssenatorin Doro- Mitglieder thee Stapelfeldt (SPD) liegt der Mietenanstieg in der weiter- hin hohen Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt begründet. Zudem seien aufgrund der regen Bautätigkeit in den ver- wohnen gangenen sechs Jahren überdurchschnittlich viele Neuver- tragsmieten bei der Berechnung des Mietenspiegels berück- günstiger Die Mieten steigen zwar weiter an. Aber in Hamburg Wer in einer Genossenschaftswohnung wohnt man immer lebt, zahlt im Durchschnitt mehr als noch günstiger als in München oder einen Euro weniger pro Quadratmeter. Stuttgart. Das ergibt sich aus dem jüngst veröffent lichten Hamburger Mietenspiegel. T rotz des Baus Tausender neuer Wohnungen sind die Mieten in Hamburg in den vergangenen bei- den Jahren deutlich gestiegen. Dem Mietenspie- gel 2021 der Hansestadt zufolge hat sich die durchschnittliche Netto-Kaltmiete pro Quadrat- meter seit 2019 um 63 Cent auf nunmehr 9,29 Euro erhöht. Das entspricht einem Anstieg von 7,3 Prozent. Für die Nutzerinnen und Nutzer von Genossenschafts- wohnungen stellt sich die Lage allerdings deutlich besser dar. Dort müssen derzeit bei Neuvermietungen im Durchschnitt 8,18 Euro pro Quadratmeter gezahlt werden. Der Vorteil wird noch deutlicher, wenn man alle Wohnungen – also auch die mit laufenden Mietverträgen – berücksichtigt. Betrachtet man die 133.000 von Hamburger Genossenschaften angebo- sichtigt worden. Ferner müssten derzeit deutlich mehr tenen Wohnungen, liegt die durchschnittliche Netto-Nut- Wohngebäude modernisiert werden als in den Jahren zuvor. zungsgebühr pro Monat bei 7,03 Euro pro Quadratmeter. Sowohl bei neuen Mietverträgen als auch nach Modernisie- „Eine Genossenschaft setzt auf die Prinzipien der Selbst- rungen liegen die Mieten meist höher als zuvor. hilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung“, sagt Ale- Der Hamburger Mietenspiegel wird seit 1976 alle zwei Jah- xandra Chrobok, Vorsitzende des Vereins Hamburger Woh- re erhoben. Er bildet jedoch nur Wohnungen ab, deren Mie- nungsbaugenossenschaften und Vorstand des Eisenbahnbau- te sich in den vergangenen sechs Jahren verändert hat. Nicht vereins Harburg. „Statt Umsatz und Gewinn bilden Solidarität, enthalten sind Sozialwohnungen und bestehende Verträge gesellschaftliche Verantwortung und demokratische Entschei- ohne Mietänderung. dungsfindungen die Säulen der Unternehmensethik. Eine Senatorin Dorothee Stapelfeldt und Verbandsdirektor Wohnungsbaugenossenschaft ist nicht nur Wirtschaftsunter- Andreas Breitner verteidigen den Wohnungsneubau. Seit 2011 nehmen, sondern auch Sozialgemeinschaft.“ seien in Hamburg fast 114.000 Wohnungen errichtet worden. Foto: Eliza – photocase.de Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Ohne dieses Engagement befände sich die Stadt in einer an- Wohnungsunternehmen, mahnt die Stadt, bei Anforderungen deren Situation. Eines wird durch den aktuellen Mietenspiegel an den Klimaschutz umsichtig vorzugehen, um die Bezahlbar- nämlich auch deutlich: In Hamburg wohnt es sich günstiger keit von Wohnraum nicht zu gefährden. „Jede umfangreich als in München, Stuttgart oder Frankfurt/Main. AUSGABE FRÜHLING 2022
8 SCHIFFSZIMMERER I Vertieft in die Baupläne für die neue Geschäftsstelle m neuen Jahr steht die digitale Weiter- entwicklung unserer Genossenschaft sowie die Reduzierung des CO2-Aus- stoßes unserer Wohnanlagen weiter im Fokus. Herr Saß, die Pandemie bleibt uns auch im neuen Jahr erhalten. Für uns alle per- sönlich sowie für Teile der Wirtschaft sind die Auswirkungen enorm. Wie war das vergangene Jahr für unsere Genos- senschaft? Matthias Saß: Ich persönlich wünsche mir für das Jahr 2022, dass wir endlich zur Nor- malität zurückkehren. Während einige Wirtschaftszweige stark gelitten haben, können wir trotz aller Umstände mit dem vergangenen Geschäftsjahr sehr zufrieden sein. Wir haben durch unsere Neubautä- tigkeit ein gesundes Wachstum verzeich- net, und die Genossenschaft steht wirt- schaftlich auf einem soliden Fundament. Unsere Bilanzsumme liegt jetzt bei 468 Millionen Euro. Leerstände gibt es nur, wenn wir Wohnungen bei Mieterwechsel modernisieren oder zum Abbruch vorse- hen. Zudem konnten wir die anhaltend hohe Nachfrage nach unseren Woh- nungen mit weiteren 113 Neubauwoh- nungen bedienen. Planen Sie im kommenden Jahr weitere Neubauprojekte? Thomas Speeth: Ja. Unser aktuell größtes Projekt ist unser Haus der Genossenschaft am Rübenkamp, das voraussichtlich im Sommer 2023 fertiggestellt wird. Darüber hinaus bebauen wir den Südteil unseres Grundstücks am Petunienweg in Sasel. Dort entsteht eine Wohnanlage mit 38 frei finanzierten Zwei- bis Vierzimmer- wohnungen und zwei Tiefgaragen. Den Nordteil des Grundstücks haben wir be- reits bebaut und vor mehr als einem Jahr 47 Neubauwohnungen an unsere Mit- glieder übergeben. Neubauprojekte unterstützt auch die neue Bundesregierung unter Olaf Scholz. Bundesweit sollen jährlich 400.000 neue Wohnungen entstehen. Fotos: Robert Schlossnickel Ein Plan, der aber auch den Klimazielen schadet: Denn jeder Neubau geht mit enormem Material-, Energie- und Flä- chenverbrauch einher. Wie begegnen Sie diesem Dilemma? AUSGABE FRÜHLING 2022
SCHIFFSZIMMERER 9 I N T E RV I E W M I T D E M V O R STA N D Z U M J A H R E S A U F TA K T Wieder auf vielen Baustellen unterwegs Vertreterversammlung im Livestream, runde Geburtstage zweier Wohn anlagen und die Fertigstellung des sechsten Bauabschnitts in Ohlsdorf: Das Jahr 2021 hat uns zahlreiche positive Momente beschert. Matthias Saß: Jetzt Neubauprojekte ein- es Möglichkeiten zur Fassadenbegrünung. zustellen würde für Hamburg und unsere In diesem Jahr beschäftigen wir uns einge- Mitglieder bedeuten, weniger bezahlbaren hender mit dem Thema. Da sie CO2 bin- Wohnraum zu schaffen. Die Nachfrage ist den, sorgen Grünfassaden für eine spürbar jedoch ungebrochen, und somit setzen bessere Luftqualität. Aktuell prüfen wir wir uns mit voller Überzeugung für die im außerdem den Ausbau von Elektromobi- Bündnis für das Wohnen getroffenen Ver- lität. Zur Bedarfsermittlung haben wir eine einbarungen ein. Hinzu kommen die ge- Umfrage unter eintausend unserer Stell- meinsamen Klimaziele. Wir sehen uns in platznutzerinnen und -nutzer durchge- der Verantwortung, den Bau neuer Woh- führt. Daraus können wir schließen, dass nungen in einem möglichst klimafreund- wir in den nächsten fünf Jahren 15 Prozent lichen Rahmen zu planen, zum Beispiel unserer Stellplätze für Elektromobilität indem wir umweltschonendes Baumateri- vorrüsten müssen. Gemeinsam mit einem al verwenden und technische Vorausset- Ingenieurbüro erarbeiten wir nun ein Kon- zungen für Elektromobilität schaffen. Und zept zur Elektroladeinfrastruktur für un- darüber hinaus bei unseren bestehenden Thomas Speeth und Matthias Saß seren gesamten Wohnungsbestand. Es Wohnanlagen den CO2-Ausstoß zu redu- begrüßen das neue Jahr auf unserer sollen Ladestationen mit einheitlichen zieren. Baustelle am Rübenkamp Standards für unsere Mitglieder entste- hen. Was bedeutet das konkret? beit an Lösungen und Finanzierungsstrate- Matthias Saß: Eine unserer umfangreichs- gien zur Erreichung der Klimaziele. Da bleiben größere Investitionen ver- ten Maßnahmen ist und bleibt die ener- mutlich nicht aus. getische Modernisierung. Im vergangenen Der grüne Verkehrssenator Hamburgs Thomas Speeth: Richtig. Allein die Instal- Jahr investierten wir dafür 4,3 Millionen pocht vor allem auf autofreie Innen- lation eines neuen Hausanschlusses kostet Euro. Wir dämmen die Fassaden, tauschen städte, den Ausbau des öffentlichen uns mehrere Zehntausend Euro pro Tief- Fenster aus, gestalten Balkone und Nahverkehrs und Radnetzes. Wie stehen garage. Die Umsetzung klimafreundlicher Hauseingänge neu und nehmen einen hy- Sie dazu? Projekte bedeutet auch immer einen draulischen Abgleich des Heizungssystems Thomas Speeth: Wir wollen den Umstieg enormen Kostenaufwand. vor. Sofern die Möglichkeiten vorhanden auf das Fahrrad unterstützen. Ein erstes sind, stellen wir zudem Schritt für Schritt Testmodell mit Elektrofahrrädern starten Hat das auch Auswirkungen auf unsere bei der Energiegewinnung auf Fernwärme wir in unserer Wohnanlage am Rüben- Genossenschaft? Auf dem freien Woh- um und ermöglichen unseren Mitgliedern kamp. In Kooperation mit dem Lastenrad- nungsmarkt kennen die Mietpreise seit dadurch eine starke Energie- und CO2-Re- Anbieter sigo stellen wir unseren Mitglie- Jahren nur eine Richtung. Der aktuelle duzierung. Um Synergien in der Zusam- dern zwei Lastenräder mit Elektroantrieb Mietenspiegel liegt bei einer durch- menarbeit mit weiteren Wohnungsunter- zur Verfügung. Wenn unsere Idee ange- schnittlichen Kaltmiete von 9,29 Euro nehmen zu schaffen, sind wir vor Kurzem nommen wird, setzen wir sie in weiteren pro Quadratmeter. 2019 waren es noch zudem der Initiative Wohnen.2050 e.V. Wohnanlagen um. 8,66 Euro … beigetreten. Ein Zusammenschluss enga- Matthias Saß: Das liegt an den hohen gierter Wohnungsbauunternehmen für Planen Sie weitere Projekte zur Errei- Kosten für Neubau und energetische Mo- den Wissensaustausch, die gegenseitige chung der Klimaziele? dernisierungen. Die Bau- und Instandhal- Unterstützung und die gemeinsame Ar- Thomas Speeth: In der inneren Stadt gibt tungskosten sind in den vergangenen drei AUSGABE FRÜHLING 2022
10 SCHIFFSZIMMERER Jahren um 14,5 Prozent angestiegen. Mit leider immer noch schwer. Wie funktio- Matthias Saß: 2022 möchten wir wieder unserer durchschnittlichen Grundnut- nierte dies im letzten Jahr? das erleben, was unsere Genossenschaft zungsgebühr von 7,40 Euro pro Quadrat- Thomas Speeth: Immerhin konnten wir un- auszeichnet: das nachbarschaftliche Mit- meter für unsere frei finanzierten Woh- sere neu gewählten Vertreterinnen und Ver- einander! Daher ermöglichen wir mit un- nungen liegen wir weiterhin deutlich unter treter im vergangenen Herbst endlich per- seren Engagierten in unseren Gemein- dem Mietenspiegel. Aber natürlich wirken sönlich kennenlernen. Unter Berücksichti- schaftsräumen und Quartierstreffs wieder sich die hohen Kosten auch auf die Be- gung der Hygienemaßnahmen haben wir Angebote. Wir entwickeln derzeit ein wirtschaftung und Erhaltung unseres uns mit 100 von ihnen persönlich treffen Schutz- und Maßnahmenkonzept, das in Wohnungsbestandes aus. Auch wir wer- können, weitere waren über einen Live diesem Jahr hoffentlich in Kraft treten den unsere Wohnwertmiete deshalb wei- stream wenigstens virtuell dabei. Wir hoffen, kann. Dann können sich unter 2G-Plus-Be- terhin anpassen. dass persönliche Treffen in den kommenden dingungen wieder Menschen in unseren Monaten wieder normal für uns alle werden. Quartieren zum Kaffeetrinken und zum Lassen Sie uns noch einen Blick auf un- Klönschnack treffen. sere Engagierten werfen: Die Pandemie Worauf können wir uns im kommenden Darauf freuen wir uns schon jetzt – macht den persönlichen Austausch ja Jahr freuen? vielen Dank für das Interview! AUS UNSERER GENOSSENSCHAF T Ergänzung der Geschäftsleitung Unsere Genossenschaft steht vor schiedeten wir unseren langjäh- senschaft Prokura erteilt. Als einer Vielzahl an Aufgaben, die rigen Prokuristen Holger Müller in Prokuristen übernehmen beide unser Vorstand künftig in einem den Ruhestand. Im November haben zusätzlich zu ihren Aufgaben in größeren Team bearbeiten möchte. Vorstand und Aufsichtsrat zwei ihren jeweiligen Fachbereichen Im vergangenen Frühjahr verab- Führungskräften unserer Genos- weitere übergeordnete Tätigkeiten. Norman Motl, Leiter unserer Abteilung Julia Eble, Leiterin unseres Stabsbereichs Vermietung, erhält mit Wirkung Kommunikation und Personal, erhält mit zum 1. Januar 2022 Prokura. Wirkung zum 1. April 2022 Prokura. Norman Motl ist ein erfahrener und langjähriger Julia Eble kam vor fünf Jahren als Kommunikations- Mitarbeiter, der seit Beginn seiner Ausbildung zum referentin in unsere Genossenschaft. Sie absolvierte Immobilienkaufmann (IHK) im Jahr 2006 in unserer ein Hochschulstudium der Sprach-, Literatur- und Genossenschaft tätig ist. Er hat zudem einen Bache- Medienwissenschaften an der Universität Trier und lorabschluss im Bereich Wirtschaft und Management arbeitete 15 Jahre in der Unternehmenskommunika- Foto: Robert Schlossnickel erworben und erfolgreich eine Weiterbildung zum tion verschiedener Hamburger Unternehmen. Seit Immobilienökonom absolviert. Seit Anfang letzten August 2019 leitet Julia Eble unseren Stabsbereich Jahres ist Norman Motl Abteilungsleiter unserer Ver- Kommunikation und Personal. mietung. AUSGABE FRÜHLING 2022
SCHIFFSZIMMERER 11 M A S S N A H M E N K ATA LO G Unsere fleißige Handwerksarbeit für Sie! Im vergangenen Jahr haben wir rund 23 Millionen Euro für die Pflege unserer Wohnanlagen ausgegeben. Auch in diesem Jahr planen wir wieder eine Vielzahl an Modernisierungs- und Instandhaltungsarbeiten. Unsere größten geplanten Instandhaltungsmaßnahmen zeigen wir Ihnen in dieser Übersicht. Darüber hinaus finden täglich weitere kleinere Arbeiten statt, die wir hier nicht alle auflisten. Über Sie persönlich betreffende Baumaßnahmen informieren wir Sie rechtzeitig in unseren Rundschreiben. Geplante Instandhaltungen im Jahr 2022 Ammersbek Langenkoppel, Georg-Sasse-Straße: Überarbeitung der Warmwasserbereitung Barmbek-Süd Bachstraße: Balkoninstandsetzungsarbeiten Dehnhaide: Anstrich der Treppenhäuser und Instandhaltungsarbeiten an der Fassade Elsässer Straße und Memeler Straße: Waschküche und Kellersanierung, Dulsberg Erneuerung der Schmutzwasser-Sielleitung Eilbek Eilbeker Weg: Balkoninstandsetzung und Schallschutzverglasung erneuern Auenstraße: Balkonkonstruktion überarbeiten Mümmelmannsberg Heideblöck: Erneuerung eines Aufzugs Neustadt Breiter Gang: Anstrich der Treppenhäuser und Erneuerung des Bodenbelages Ohlsdorf Wolkausweg: Hauseingangstüren inklusive Briefkastenanlage erneuern Buekweg: Erneuerung eines Kinderspielgerätes Rübenkamp Zweiter Bauabschnitt: Außenanlagen überarbeiten Poppenbüttel Windröschenweg: Terrassen instand setzen Heublink, Strengesweg und Windröschenweg: Erneuerung der Schmutzwasser-Sielleitung Rahlstedt Nydamer Weg: Mauerwerk-Giebelwände instand setzen Sasel Saselbergring: Fassadenreinigungsarbeiten Schnelsen Riekbornweg 17a-b und 19a-b: Instandhaltungsarbeiten Fassade Von-Herslo-Weg: Dacherneuerungsarbeiten Schiffszimmererweg: Überarbeitung der Heizungsanlagen Stellingen Spannskamp: Eingangsportale überarbeiten (Barrierefreiheit) St. Georg Koppel: Balkoninstandsetzung Lange Reihe: Denkmalgeschützte Fassade instand setzen, Holzfenster erneuern, Dacharbeiten, Dämmung der Giebelwand Kirchenweg: Erneuerung eines Aufzugs St. Pauli Clemens-Schultz-Straße: Anstrich des Treppenhauses Wohlwillstraße: Anstrich der Treppenhäuser, Erneuerung des Bodenbelages und Elektroarbeiten Winterhude Hanssenweg 28 und Stammannstraße 23: Instandsetzung der Fassade, Mauer- und Fugensanierung AUSGABE FRÜHLING 2022
12 SCHIFFSZIMMERER U N S E R E Q U A RT I E R E I M WA N D E L : M O O R K A M P Das Flair vom Moorkamp Die Wege der Hamburger Hochbahnlinie U3 führen durch die sehenswertesten Gegenden unserer grünen Stadt und bringen Touristen sowie Einheimische an die schönsten Orte: So auch in eine der ältesten Wohn- anlagen unserer Genossenschaft – den Moorkamp. Bekannt für ihren markanten Halbrundbau aus Back stein bietet unsere denkmalgeschützte Wohnanlage rund 115 Wohnungen im beliebten Stadtteil Eimsbüttel. Unsere Wohnanlage Unsere Wohnanlage heute mit dem im Jahr 1925 markanten Halbrundbau Fotos: Schiffszimmerer-Genossenschaft eG, Markus Tollhopf D ie Planungen des Gebäude- tenden Mitglieder einen neuen Wohn- Wiederaufbau nach dem Krieg: 60.000 komplexes begannen kurz block ganz in ihrer Arbeitsnähe zu neue Dachpfannen und Regenrinnen nach dem Ersten Weltkrieg: errichten. Aufgrund neuer Pläne der Ursprünglich erwarb unsere Stadt Hamburg mussten die Schiffszim- Der Einzug für die wartenden 300 Genos- Genossenschaft im Jahr 1919 merer jedoch auf den Bauplatz verzich- senschaftsmitglieder war allerdings nicht eine Fläche im Stubbenhuk in unmittel- ten. Als Gegenleistung erhielten wir ne- sofort möglich: Aufgrund der Hyperinflati- barer Nähe zu den Hamburger Landungs- ben einer finanziellen Entschädigung on im Jahr 1923 und Verzögerungen der brücken. Ziel war es, für die damals größ- schließlich die Ausgleichsfläche am staatlichen Beihilfen wurde unsere Wohn- tenteils im Hafen und auf Werften arbei- Moorkamp. anlage am Moorkamp erst im Jahr 1925 AUSGABE FRÜHLING 2022
SCHIFFSZIMMERER 13 Der Blick von oben auf den Moorkamp fertiggestellt. Der von den beiden Archi- Als eine der ersten unserer Genossenschaft tekten Ernst Vicenz und George Grimm erhielten unsere Mieterinnen und Mieter entworfene Wohnblock zählte schon bald am Moorkamp im Jahr 1989 die ersten zu den begehrtesten Wohnanlagen un- Mülltrennungsbehälter für Glas und Papier. serer Genossenschaft. Auch der damals Diese Form der Mülltrennung als Ergänzung neu in den Vorstand gewählte Matthias zu den öffentlichen Sammelstellen war in Strenge zog mit seiner Familie in den den 1980er-Jahren längst nicht selbstver- Moorkamp 10. ständlich. Wir schufen allerdings lediglich die Rahmenbedingungen. Die erfolgreiche Während des Zweiten Weltkrieges wurde Bekannt für ihre Umsetzung haben wir unseren Bewohne- unsere Wohnanlage stark beschädigt. Backsteinfassade rinnen und Bewohnern zu verdanken. Luftangriffe in den Jahren 1943 und 1944 trafen insbesondere die Häuser mit den 1960–1990: die ersten Modernisierungen Mittlerweile steht die Wohnanlage Moor- Nummern 24 und 28 schwer. Wohnungen und Mülltrennungsbehälter kamp unter Denkmalschutz, was auch Ein- brannten aus, und es gab viele Tote und schränkungen mit sich bringt: Die Grund- Verletzte. Die übrigen acht Häuser erlitten 1962 folgten weitere Großreparaturen im risse der Wohnungen und die Anordnung vor allem Dachschäden. Dach- und Sanitärbereich. Zum Ende des der Räume dürfen nicht einfach verändert Jahrzehnts modernisierte unsere Genos- werden. Da die meisten der insgesamt 115 Der Wiederaufbau dauerte bis zum Jahr senschaft mithilfe von Zuschüssen des Wohnungen Zweizimmerwohnungen sind, 1953. Die am schwersten getroffenen Häu- Bunds mehrere ältere Wohnanlagen. Die sind die Räumlichkeiten für größere Fami- ser wurden zuerst wieder aufgebaut, da Häuser am Moorkamp erhielten eine lien oder Wohngemeinschaften nicht ge- akute Gefahr drohte: Vom Kellerfunda- Zentralheizung, Bäder und Waschanlage. eignet. Der Austausch der Holzfenster barg ment bis zum zweiten Geschoss fehlten im Was nicht unmittelbar zur Freude aller in den vergangenen Jahren zusätzliche He- linken Flügel von Hausnummer 28 sämt- führte: Denn die umfangreichen Bauar- rausforderungen. Aber es hat sich gelohnt: liche Zwischenwände. Nach und nach wur- beiten wurden in den bewohnten Woh- Zwischen 2014 und 2016 erhielt unsere den auch die übrigen Gebäude repariert. nungen umgesetzt. Daraus haben wir Wohnanlage eine neue denkmalgerechte Etwa 60.000 neue Dachpfannen, Regen- gelernt: Große Umbaumaßnahmen füh- Fensteroptik und damit ihr annähernd his rinnen und -rohre sowie Gesimsabde- ren wir nur noch in unbewohnten Woh- torisches Gesicht zurück. Das nächste ckungen wurden benötigt. nungen durch. große Jubiläum kann kommen. AUSGABE FRÜHLING 2022
14 SCHIFFSZIMMERER SERIE EINSAMKEIT: TEIL 2 Serie Einsamkeit Teil 2 Gemeinsam gegen einsam NEIN FÜHLEN SIE SICH EINSAM? JA Das tut uns sehr leid. Ein kleiner Trost: JA Einsamkeit betrifft uns alle! Es ist ein Gefühl. Wir möchten Sie unterstützen, das Gefühl ins Positive umzuwandeln! Sind Sie gerne Wünschen Sie sich eine Veränderung? im Kontakt mit anderen Menschen? NEIN JA Welche Veränderung wünschen Sie sich? Mögen Sie Tiere? Wir haben ein offenes Ohr: Ich möchte Ich möchte mit Ich wünsche mir Telefonseelsorge: mehr unter- jemandem eine Beratung von 0800/111 0 222, nehmen persönlich sprechen zu Hause Zuhörtelefon der Johanniter: 0800/0 300 700, für Kinder und Jugendliche: Besuchen Sie Veranstaltungen Nummer gegen Kummer JA z. B. in Freizeittreffs, Kirchen etc. Kommen Sie zum 116 111, – Tipps finden Sie in Ihrem Zuhörkiosk U-Bahnhof Müttertelefon: Wochenblatt! Emilienstraße oder in unsere 0800/333 2 111, Sozialberatungen! Senioren: Silbernetz Schauen Sie auf das Schwarze 0800/470 80 90, Brett in Ihrem Hauseingang! Wege aus der Einsamkeit e.V. Rufen Sie uns direkt an! 040/42 236 223 200, Projekt Silber & Smart der Bücherhalle Hamburg hilft Engagieren Sie sich: Ihre ins Internet: Freiwilligenagentur berät Sie. 040/43 26 37 83 Werden Sie gemeinsam aktiv! Frau Viola L’Hommedieu: Schnittstelle zu Engagierten Nutzen Sie die Facebook- und unseren Quartiersentwicklern 040/63 800 167 Gruppe „Neu in Hamburg“ oder andere Stadtportale wie Ich finde Frau Marion Rinck vom Klön-Telefon der Diakonie: 040/306 204 11 keinen nebenan.de oder socialmatch.de. Kontakt. Herr David Rogalla: Soziale Anliegen & Themen 040/63 800 222 AUSGABE FRÜHLING 2022
SCHIFFSZIMMERER 15 Unser Flussdiagramm zeigt Ihnen viele Wege aus der Einsamkeit – egal, ob Sie davon betroffen sind oder helfen wollen! Ein Konzept von Sabrina Gerkens Das freut uns! VIELLEICHT Sie wollen helfen? In der nächsten „bei uns“ und schon jetzt auf unserer Webseite erfahren Sie, wie Sie sich engagieren können. Helfen Sie mit! Einsamkeit ist eine gesunde Reaktion und zeigt, dass Sie sich mehr Nähe wünschen. Es ist ein Gefühl, JA das nicht von der Anzahl unserer sozialen Kontakte abhängt. Es zählt, ob wir uns verbunden fühlen und unserem Leben Sinnhaftigkeit zusprechen. Kennen Sie das Gefühl der Einsamkeit? VIELLEICHT Wollen Sie NEIN NEIN mehr erfahren? NEIN Kein Problem. Melden Sie sich, wenn Sie später Fragen haben! JA VIELLEICHT Wünschen Sie sich zunächst eine individuelle Beratung? NEIN NEIN Werden Sie Hunde- oder Katzensitter! dogsharing.de/catinaflat.com JA Hier finden Sie weitere Engagieren Sie sich ehrenamtlich. Informationen zum Thema Informationen finden Sie bei der Einsamkeit: Zeitspenderagentur in Eimsbüttel! 040/25 33 05 04 • Youtube: „Einsamkeit“ von „Dinge Erklärt – Kurzgesagt“ Werden Sie Tierpate oder Tierpatin! • ZDF Terra X Doku: Was macht Das Tierheim in der Süderstraße berät Sie. Einsamkeit so gefährlich? 040/211 106 19 • Mitgliedermagazin „bei uns“ 04/2021: Interview mit Marion Rufen Sie uns direkt an! Rinck von der Diakonie Hamburg AUSGABE FRÜHLING 2022
16 W O H N - R E P O RT Wie wollen wir in Zukunft leben? 1 Gemeinschaft stärken „Mit der Frage, wie unser Leben als Familie einmal aussehen soll, haben mein Mann und ich uns ganz bewusst beschäftigt“, erzählt Anne Albers-Dahnke. Seit 2015 lebt sie mit ihm und inzwischen zwei Kin- dern als Genossenschaftsmitglied der HANSA eG in einem verkehrsberuhigten, grünen Quartier mit- ten im innenstadtnahen Hohenfelde. Zentraler geht’s nicht, und trotzdem erscheint ihr das Leben hier im besten Sinne dörflich. „Wir haben uns damals entschieden, mit Freunden ein Wohn- projekt zu gründen. Verschiedene Genera tionen sollten in einem Haus wohnen, für einander da sein und auch die Umgebung bereichern.“ Ob als gemeinsames Eigentum oder zur Miete, das war den Gründungsmit- gliedern des Mehrwerk Hohenfelde e. V. weniger wichtig als die Erkenntnis: Zuhause, das soll keine Kernfamilien-Trutzburg sein. „Wir wollten im Alltag mit anderen Menschen interagie- ren, einander helfen und zusammen Nachbarschaft gestalten.“ Das Paar stieg ins Thema ein, ließ sich von einer Stiftung beraten: „Als dann das Bauprojekt an der Hohenfelder Terrasse ausgeschrieben wurde, waren wir begeistert und bewarben uns mit einem Kon- zept.“ Innerhalb des üblichen Drittelmix-Plans aus Eigentum, sozial gefördertem und genossenschaft- lichem Wohnbau erhielt zum Schluss die HANSA eG den Zuschlag – unter der Prämisse, auch ein Wohnprojekt wie das vom Mehrwerk Hohenfelde e. V. geplante mit ins Boot zu holen. „Die verant- AUSGABE FRÜHLING 2022
17 Von Ressourcenknappheit bis Alterseinsamkeit, von fairer Infrastruktur bis zur Inklusion Pflegebedürftiger: Die Aufgaben moderner Quartiersplanung sind vielfältig. Aber es gibt bereits tolle Konzepte. In den Wohnungsbaugenossenschaften wird oft schon umgesetzt, was anderswo noch nach Utopie klingt. Ein Blick auf neue Prioritäten. wortliche Behörde empfahl der HANSA dann ex- plizit uns, weil die Chemie während des Auswahl- prozesses einfach gestimmt hatte“, erinnert sich Anne Albers-Dahnke. Gemeinsinn wird großgeschrieben Inzwischen blüht in dem noch jungen Quartier das Leben. Sowohl in der Acht-Wohnungen-Gemein- schaft des Mehrgenerationen-Projekts als auch in den übrigen Wohnungen tauscht man sich in Whatsapp-Gruppen aus, teilt Nützliches und schiebt gemeinsame Projekte an. „Gemeinsinn wird hier wirklich großgeschrieben.“ Ein Nachbarschafts- fonds stellt die Mittel für Ideen wie Hochbeete oder Schaukeln im Garten. „Wenn wir ein Nachbar- schaftsfest veranstalten, bringt uns die HANSA auch ganz unbürokratisch Zelte, Bierbänke oder Glühweintopf vorbei“, freut sich Anne Albers-Dahn- ke. In der Tagesdemenzpflege im Nachbarhaus bekommen die Bewohnenden manchmal Besuch von „Mehrwerkern“, und die Stiftung, die als HAN- SA-Mieterin die Tagespflege betreibt, stellt an man- chen Wochenenden ihre Gemeinschaftsräume für Feste und Nachbarschaftsprojekte zur Verfügung. Hier wird unkompliziert in Vielfalt gelebt, und die Menschen partizipieren mit Begeisterung. Eine der größten Chancen unserer Gesellschaft gegen Einsamkeit, Versorgungslücken und Zukunfts- Illustration: Arne Bellstorf angst: Raum für Solidarität schaffen. Die urbanen Quartiere von morgen gehören uns allen – das Beispiel von Hohenfelde zeigt, wie es gelingen kann. AUSGABE FRÜHLING 2022
18 WIE WOLLEN WIR LEBEN? 2 Ressourcen schonen eG: „Für mich ist der gemeinschaftliche, perfekt durchlüftete Wäschetrockenraum ein großer Kom- Woraus sind eigentlich die Häuser gebaut, in denen fort. Den nutzen bei uns im Haus noch gar nicht so wir wohnen? Wie mit umweltschädigenden Bau- viele, was mich wundert. Außerdem gehe ich oft oder teuren Rohstoffen verfahren wird, können für meine Schwiegereltern aus dem Nebenhaus mit Mietende oft nicht mehr nachvollziehen. Umso einkaufen; gerade während der Corona-Lockdowns wichtiger ist es, sich auf den Gemeinsinn und die war das eine große Erleichterung für alle. Zum Glück Gewissenhaftigkeit eines Bauträgers verlassen zu sind die beiden noch vor der Pandemie aus ihrem können. Da beim genossenschaftlichen Planen und ländlich gelegenen Haus in unsere Nähe gezogen, in Bauen Lebensqualität, Wohlergehen und Wert eine wunderschöne Genossenschaftswohnung mit erhalt für alle Mitglieder im Vordergrund stehen, ist Garten.“ Das Naturschutzgebiet liegt in Rahlstedt der Vertrauensvorschuss hier zu Recht enorm. Da- um die Ecke, und doch muss Frau Dannebohm bis rüber hinaus können wir alle das ressourcenscho- zum nächsten Supermarkt, zur Bäckerei oder zur nende Wohnen jeden Tag aufs Neue optimieren, Arztpraxis nur etwa 200 Meter zurücklegen. zum Beispiel, indem wir Platz und Wege sparen, unseren Konsum überprüfen und Synergien in der Quartiere als ausgeklügelte Systeme Nachbarschaft vorantreiben. So wie Stefanie Dannebohm, Mitglied der Gartenstadt Wandsbek Die grüne, emissions-, smog- und geräuscharme „15-Minuten-Stadt“, in der alle Wege des täglichen Bedarfs kurz sind und jedes Quartier als System funktioniert, gehört zu den wichtigsten Szenarien heutiger Stadtplanung. Dazu kommt eine ressour- censchonende Mitgliederbetreuung und eine sinn- volle Bedarfsplanung: Die Handwerksflotte der al- toba eG nutzt zunehmend Elektrofahrzeuge, Ein- sätze werden morgens per App an die Kollegen im Außendienst durchgegeben, Wege nach Kilometern optimiert. Die Gartenstadt Wandsbek eG setzt für tägliche Berufswege bereits seit knapp fünf Jahren Hybridfahrzeuge ein. „Unser Benzinverbrauch hat sich deutlich reduziert, und natürlich nutzen wir grünen Strom – außerdem planen wir den Bau einer eigenen Photovoltaikanlage, die auch unsere Dienstfahrzeuge speisen soll“, verrät Prokurist Matthias Demuth. Eine weitere Selbstverständlichkeit in vielen Genossenschaften, und zwar schon seit Jahr- zehnten: Gemeinschaftsräume, die man für Fami lienfeiern oder Workshops mieten kann, sowie Gästewohnen als preiswerter und perfekt ge legener Hotel-Ersatz. „So sorgen wir dafür, dass sich auch Mitglieder mit weniger Wohnraum nicht in der Gestaltung ihres Soziallebens einschränken müssen“, sagt Matthias Demuth. Ein Modell, das bald in vielen urbanen Neubauten zum Tragen kommen könnte. Denn schließlich ist Platz in den meisten heutigen Städten eine der kostbarsten Ressourcen. AUSGABE FRÜHLING 2022
19 3 reguläre Genossenschaftswohnungen befinden, ist ganz im Sinne einer zukunftsgewandten Inklusion pflegebedürftiger Menschen in den Alltag moder- ner Quartiere. „Da das Objekt ein Neubau war, zo- gen alle, auch die WG, fast zeitgleich ein. Ein Le- bensmittelpunkt für verschiedene Menschen Pflege einbinden wächst hier organisch weiter, selbstverständliches Miteinander entsteht ganz von allein.“ „Die Idee entstand im Geschäftsjahr 2014/15“, erin- Neben einer Demenz-WG befindet sich in der nert sich Thomas Speeth aus dem Vorstand der Schiffszimmerer-Wohnanlage am Spannskamp eine Allgemeinen Deutschen Schiffszimmerer-Genos- Kurzzeitpflege und eine WG für Menschen mit kör- senschaft eG. „In allen Genossenschaften trifft sich perlichen Einschränkungen. In anderen Genossen- ja regelmäßig der Aufsichtsrat mit dem Vorstand, schaften, zum Beispiel bei der Hamburger Wohnen man bespricht die wichtigsten Belange und Interes- eG, sind Wohngemeinschaften aus gesunden äl- sen der Mitglieder. Damals kristallisierte sich deut- teren Mitgliedern entstanden. Das sogenannte lich heraus, dass wir für unsere älteren und pflege- „Co-Living“, also eine Wohngemeinschaft, liegt bedürftigen Mitglieder mehr tun wollen.“ weltweit im Trend und hat gerade im Alter viele Im Dschungel der Pflegedienste mangelt es vie- Vorteile. „Man kann und sollte aber niemanden da- len an Vertrauen, immer wieder werden schwarze zu drängen, seine Wohnsituation zu verändern“, Schafe entlarvt. Gerade demente und körperlich betont Speeth. „Das Alleinstellungsmerkmal von beeinträchtigte Menschen können sich nicht selbst Genossenschaften ist vielmehr, dass der jeweilige vor Willkür schützen; Verwandte müssen sich da- Mitglieder-Service als beratender Ansprechpartner rauf verlassen können, dass das System funktio- für Sorgen, Wünsche und sich verändernde Bedürf- niert. „Als Genossenschaften kamen wir zu dem nisse fungiert.“ Ob Wohnungstausch, Pflegestelle Schluss: Wir sind gut in der Stadt vernetzt und dem oder der Umzug in einen Neubau – vielleicht mit Wohl unserer Mitglieder verpflichtet. Wir genießen weniger Fläche, dafür barrierefrei samt Aufzug und das Vertrauen unserer Mitglieder. Warum sollten bodentiefer Dusche. „Wir wollen am Puls der Zeit wir also nicht selbst etwas tun, um dieser gesell- bleiben, vor- und mitdenken“, sagt Speeth, „damit schaftlichen Aufgabe zu begegnen?“ Man entschied wir weiter Ideen realisieren können, die das Wohl sich bei den Schiffszimmerern, aber beispielsweise unserer Mitglieder fördern.“ auch bei der altoba eG und der Eisenbahnbauver- ein Harburg eG, für den Weg der Kooperation mit versierten Pflegeeinrichtungen. „In unserem Fall ist dieser Kooperationspartner die diakonische Martha-Stiftung“, erzählt Thomas Speeth. „Wir ha- ben Räume gebaut, die Stiftung organisiert den Alltag.“ Der Clou: Durch solche Mietverhältnisse stärken die Genossenschaften das Pflegeangebot für ihre Mitglieder. „Wir können bevorzugt auf frei werdende Plätze zugreifen, wenn jemand erkrankt und in die entsprechende Pflegestufe fällt.“ Pflege-WG mit Privatsphäre Auf 400 barrierefreien Quadratmetern wohnen am Rübenkamp nun neun demenzkranke Menschen in jeweils einem Privatzimmer mit eigenem Bad. Ab- gerundet wird das Wohnkonzept von einer großen Küche und einem gemeinschaftlichen Aufenthalts- raum. Die Bewohner und Bewohnerinnen werden Illustration: Arne Bellstorf rund um die Uhr professionell betreut, Verwandte und Bekannte helfen tatkräftig mit und fühlen sich in den Gemeinschaftsräumen wohl. Dass sich im Wohnobjekt über der Pflege-WG AUSGABE FRÜHLING 2022
20 WIE WOLLEN WIR LEBEN? 4 Sinne verschiebt sich der stadtplanerische Fokus hin zur menschen- statt autogerechten Stadt. Dazu gehören zeitgemäße Verkehrs- und Parklösungen – in gut angebundenen Stadtteilen legen die Men- schen verstärkt Wert auf Grün- und Gemeinschafts- flächen statt Blech und Beton – und das Aufzeigen Nachhaltig mobil sein smarter Alternativen zum eigenen Wagen. Wie sieht der Stadtverkehr unserer Zukunft aus? Die Stunde der Sharing-Konzepte Seit einigen Jahren setzt die Autoindustrie auf die Mobilitätswende hin zum E-Fahrzeug. Jedoch: Als Im öffentlichen Raum, aber auch auf dem Grund Basis hierfür eine verlässliche und sinnvolle Lade und Boden vieler Genossenschaften entstehen seit infrastruktur zu schaffen – daran bricht sich bisher Jahren kleine und größere Carsharing-Stationen – die Welle des Enthusiasmus. Städte, Bund und Eu- so zum Beispiel in und an Objekten der Schiffszim- ropa verabschieden unterschiedlich strenge Vorga- merer Genossenschaft eG, der Eisenbahnbauverein ben, die Umsetzung läuft nicht flächendeckend Harburg eG, der altoba eG oder der Hamburger erfolgreich, gerade in weniger zentralen Stadtteilen Wohnen eG. Genossenschaften tragen überall in und Regionen. Hamburg aktiv zur zügigen Realisierung der „Shared Auch die Hamburger Wohnungsbaugenossen- Mobility“-Vision bei – immer mit Blick auf das Wohl schaften sehen sich bei diesem Thema in der Ver- ihrer Mitglieder. Ein Beispiel: Die Mobilitäts-Aus- antwortung: Modellversuche, Verhandlungen mit schreibung der Stadt für das prestigeträchtige, au- Betreibern und Berechnungen über ein faires Um- toarme Baakenhafen-Quartier zog sich um einiges legen der Gestaltungskosten laufen bei vielen auf länger hin als geplant und wurde erst vor Kurzem Hochtouren. „Das Aufrüsten von Stellplätzen mit entschieden, doch durch unbürokratisches Net- Ladestationen ist allerdings kein Klacks“, berichtet working konnten am Projekt beteiligte Genossen- Schiffszimmerer-Vorstand Thomas Speeth. „In re- schaftler bereits pünktlich zum Bezug im Jahr 2020 gulären Tiefgaragen gibt es meist nur Stromzulei- den Anbieter Cambio für die Zwischennutzung tungen für Deckenlicht und Garagentor – das war’s. einiger Stellplätze begeistern. Doch wir haben errechnet, dass der Anteil an Derweil nahm der Bauverein der Elbgemeinden E-Fahrzeugen in den kommenden drei bis fünf Jah- eG im Herbst 2021 einen ersten umfänglichen „Mo- ren um ca. 15 Prozent steigen wird. Deshalb müssen bilitäts-Hub“ in Betrieb – der neue Quartierskno- wir jetzt für zufriedenstellende Lösungen sorgen.“ tenpunkt nahe der S-Bahn-Station Iserbrook um- Die Verkehrswende kann allerdings nicht aus- fasst einen bunten Mobilitäts-Mix: zwei elektrische schließlich darin bestehen, Verbrenner durch E-Au- Carsharing-Fahrzeuge von Cambio, eine Ladesäule tos zu ersetzen: Mit durchschnittlich nur 1,5 Insas- für E-Autos, zwei E-Lastenräder samt Ladepunkten, sen sind Privatfahrzeuge ineffiziente Platz-, Energie- eine StadtRAD-Station mit 20 Fahrrädern, Fahrrad- und Kostenfresser für Stadt und Bürger. In diesem häuser und -ständer sowie eine Reparaturstation. AUSGABE FRÜHLING 2022
21 Vorstand Michael Wulf erläutert: „Bei uns hört S E RV I C E Wohnen nicht an der Haustür auf. Mit dem Ange- bot verbessern wir die Anbindung des Quartiers und schaffen weitere Anreize zum gemeinschaft- Mobilitätsangebote lichen Teilen. Damit trägt das Projekt dazu bei, die in Hamburg – Gemeinschaft im Quartier zu stärken und die Standortattraktivität weiter zu erhöhen.“ Zwei wei- eine Auswahl tere Hubs des BVE befinden sich in Planung, ande- re Genossenschaften prüfen ähnliche Modelle. E-LASTENRAD-SHARING MIT SIGO Per App und Barcode ganz einfach an der Mit dem E-Bike zum Einkaufen nächstgelegenen Station entleihen, 1,50 Euro Grundgebühr und 1,00 Euro pro halber Matthias Demuth verantwortet als Abteilungsleiter Stunde bezahlen und mit E-Unterstützung den Mieterservice der Genossenschaft Gartenstadt losradeln. Super für größere (Schönwetter-) Wandsbek eG. Auch er ist sich sicher: „Mit unserem Einkäufe ohne Parkplatzstress – oder Pick- neuen E-Lastenrad-Angebot tun wir nicht nur etwas nickausflüge ins Grüne! Die App ist für Apple für die Mobilität unserer Mitglieder, sondern tragen und Android unter „Sigo Sharing“ erhältlich, auch zu mehr Kommunikation und Miteinander bei.“ mehr Infos unter sigo.green. Genau wie die Baugenossenschaft dhu eG und der BVE eG sowie künftig die altoba eG kooperiert die AUTOS FÜR ALLE FÄLLE MIT CAMBIO Schiffszimerer-Genossenschaft eG mit dem Start-up Ob mehrtägige Reise oder Stippvisite: Mit Sigo, das sich aufs E-Bike-Sharing spezialisiert hat. Eine Cambio kann man flexibel lang- oder kurz Standortanalyse ergab zwei optimale Pilot-Standorte fristig Fahrzeuge buchen und an einer der (in Eilbek und Wandsbek), an denen ab dem Frühjahr/ vielen Stationen abholen (vielleicht sogar in Sommer jeweils zwei Lastenräder zur Verfügung ste- der eigenen Genossenschaftstiefgarage?), hen. „Eine Alternative zum Auto anzubieten ist ja sodass man das eigene Auto kaum vermisst. nicht nur schön grün, sondern erhöht auch den All- Die günstigste Fahrzeugklasse einen ganzen tagskomfort“, präzisiert Matthias Demuth. „Wer ist Tag zu mieten kostet 30 Euro, die Tankfül- schon gerne nach jedem kurzen Einkauf auf Park- lung ist inklusive, hinzu kommt ein Kilome- platzsuche?“ Außerdem würden so, so hofft er, nach- terpreis von 20 bis 32 Cent, je nach Tarifpa- barschaftliche Barrieren abgebaut. „Ist man direkt am ket. Anmeldung unter cambio-carsharing.de Gehweg im Begriff, aufs Fahrrad zu steigen, nimmt oder per Cambio-App. man sicher eher einen im Vorbeigehen geäußerten Mitbring-Wunsch der betagten Nachbarin zur Kennt- SAMMELTAXI DER ZUKUNFT: MOIA nis oder bleibt noch für einen kurzen Plausch stehen, Der Elektro-Kleinbus mit sechs Sitzen und als wenn man im eigenen Pkw hinter Blech ver- Platz für Gepäck holt Kunden an einer virtu- schwindet.“ Gut möglich, dass er die Zahl der ellen Haltestelle ab, die je nach Route be- E-Bike-Stationen schon bald aufstocken muss … rechnet wird und nie weiter als 200 Meter vom Start entfernt ist. Während des Weges nimmt der Fahrer weitere Haltewünsche an, die auf oder nahe der Route liegen. So teilen sich mehrere Gäste Kosten und Emissionen einer Shuttle-Fahrt. Da sich Zwischenstopps spontan ergeben, sollte es nicht auf die Mi- nute ankommen. Die Kosten schwanken, lie- gen aber immer unter dem Taxi-Preis für die gleiche Strecke. Kinder bis 13 Jahre fahren in Begleitung kostenfrei. Mehr Infos unter moia.io oder per MOIA-App. Illustration: Arne Bellstorf AUSGABE FRÜHLING 2022
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