WIEDER RÜSTUNGSKONKURRENZ STATT "NEUSTART" - Hanns-Seidel ...

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WIEDER RÜSTUNGSKONKURRENZ STATT "NEUSTART" - Hanns-Seidel ...
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/// Putin und die Atomwaffen

WIEDER RÜSTUNGSKONKURRENZ
STATT „NEUSTART“
HANNES ADOMEIT /// Für den Kreml sind Atomwaffen eines der wichtigsten
Statussymbole und Instrumente für Machtausübung im Ausland. In Verbindung mit
seiner großen geographischen Ausdehnung, dem relativ hohen Bildungsniveau
seiner, im europäischen Vergleich, zahlreichen Bevölkerung und seinem Rang als
ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates betrachtet Moskau diese Waffen als
Grundlage für seinen Anspruch, „Großmacht“ zu sein und „auf Augenhöhe“ mit
Washington zu stehen.

              Die Lage                                tegisch nutzbare konventionelle Fähig-
          Um diesen Status aufrecht zu erhalten,      keiten zu entwickeln. Im Ergebnis zeich-
          führt Russland seit Jahren umfangrei-       net sich nicht unbedingt ein Wettrüsten
          che Modernisierungsmaßnahmen sei-           ab, zumindest aber eine Verschärfung
          ner nuklearstrategischen Streitkräfte       der nuklearstrategischen Konkurrenz
          durch. Zugleich hat es Nuklearwaffen        und des politischen Verhältnisses zwi-
          als politisches Instrument zur Unter-       schen Russland und den USA.
          stützung einer konfrontativen Politik           „Wenn das mit dem nuklearen
          gegenüber dem Westen eingesetzt. Die        Wettrüsten so weitergeht, dann führt
          Vereinigten Staaten ihrerseits sind dabei   das zu nichts anderem, als dass Trüm-
          nachzuziehen, ihre Nuklearwaffen zu         merstücke aufgeworfen werden.“ Diese
          modernisieren und weitreichende stra-       sarkastische Bemerkung Winston
                                                      Churchills stammt aus dem Jahr 1952,
                                                      als das Nuklearzeitalter gerade erst be-
                                                      gonnen hatte – drei Jahre nachdem die
                                                      Sowjetunion ihre erste Atombombe ge-
       Russland braucht zum MACHTERHALT               testet hatte und fünf Jahre vor der Stati-
       Nuklearwaffen.                                 onierung der ersten US-amerikanischen
                                                      Interkontinentalrakete (ICBM). Heute
                                                      gibt es weltweit schätzungsweise 14.900
                                                      Atomwaffen, wobei sich der Löwenan-
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Quelle: picture alliance / Vadim Savitskii / Sputnik / dpa
Russland unternimmt große Anstrengungen zur Modernisierung seiner strategischen Waffen wie
z. B. der Intercontinental ballistic missiles (ICBM).

teil von 93 % dieser Waffen in den Arse-        den und jeweils das andere Land errei-
nalen Russlands und der USA befindet            chen können. Nach wissenschaftlichen
(siehe Abbildung S. 64).1 Numerisch             Schätzungen würde aber ein Krieg von
nimmt Russland die Führung mit insge-           nur 100 nuklearen Detonationen fünf
samt rund 7.000 Nuklearsprengköpfen             Milliarden Kilogramm schwarzen Ruß
ein, wovon 2.700 Sprengköpfe ausge-             produzieren, der zur Erdstratosphäre
mustert, aber noch nicht verschrottet           hinaufsteigen, das Sonnenlicht blockie-
wurden, 4.300 sich in Munitionslagern           ren, einen plötzlichen Rückgang der glo-
befinden und 1.950 Sprengköpfe ein-             balen Temperaturen hervorrufen, einen
satzbereit auf Trägersystemen disloziert        Großteil der schützenden Ozonschicht
sind. Die Vereinigten Staaten besitzen          der Erde beseitigen und sowohl land- als
ungefähr 6.800 Nuklearsprengköpfe,              auch see-basierte Ökosysteme zerstören
wovon 2.800 ausgemustert, 4.000 in              würde. In Anbetracht dieser Tatsache
Lagerhaltung und 1.740 einsatzbereit            wäre es vernünftig, die Anzahl der Nu­
sind.                                           klearwaffen drastisch zu reduzieren.
     Der weitaus größte Teil der Nuklear-       Dies ist in den letzten Jahren auch ge-
waffen der USA und Russlands sind               schehen. Zudem haben nukleare Abrüs-
„strategische“ Waffen, Nuklearspreng-           tungs- und Rüstungskontrollverhand-
köpfe, die durch Interkontinentalrake-          lungen zwischen Washington und Mos-
ten, auf U-Booten stationierte Raketen          kau oft den Auftakt zu einer Entspan-
oder Fernbomber ins Ziel gebracht wer-          nung in den Beziehungen gebildet.
                                                                      474/2017 // POLITISCHE STUDIEN   63
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          Abbildung 1: Weltweite Bestände nuklearer Sprengköpfe 2017

         Quelle: Kristensen/Norris FAS 2017

              Nukleare Rüstungskontrolle             verbietet, derartige Waffen zu entwi-
          So führte die Gipfelkonferenz zwi­schen    ckeln, zu testen und zu produzieren. Die
          US-Präsident Ronald Reagan und             Lösung dieses in den 1980er-Jahren
          KPdSU-Generalsekretär Michail Gorba­       hochbrisanten Problems trug entschei-
          tschow im Oktober 1986 in Reykjavik        dend dazu bei, das Ost-West-Verhältnis
          im darauffolgenden Jahr zum Washing-       grundlegend zu verändern.
          toner Vertrag, der vorsah, sämtliche           Im Juni 2001 hatte US-Präsident
          landgestützten Atomraketen kürzerer        George W. Bush in Slowenien seinem
          und mittlerer Reichweite (500 bis 5.500    russischen Amtskollegen Waldimir Pu-
          Kilometer) vollständig abzurüsten und      tin „in die Augen geschaut“, „seine Seele
                                                     erkannt“ und ihn „geradlinig und ver-
                                                     trauenswürdig“ gefunden.2 Gewisser-
                                                     maßen als Einstieg in einen Neubeginn
                                                     der politischen Beziehungen unterzeich-
       Nukleare Abrüstungs- und                      neten die beiden Präsidenten den SORT-
       Rüstungskontrollverhandlungen                 Vertrag über die Begrenzung strategi-
       führten zur ENTSPANNUNG des Ost-              scher Offensivwaffen (Strategic Offen­
       West-Verhältnisses.                           sive Reductions Treaty). Gemäß diesem
                                                     Vertrag mussten die beiden Länder die
                                                     stationierten strategischen Atomwaffen
                                                     bis zum Jahr 2012 auf jeweils höchstens
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1.700 bis 2.200 reduzieren. Der Vertrag     sein. Der Vertrag sollte zehn Jahre gültig
war allerdings für viele Experten das Pa-   bleiben, wobei eine Verlängerung um
pier nicht wert, auf das er geschrieben     fünf weitere Jahre möglich ist. Bilaterale
wurde. Er enthielt keinen Zeitplan für      Kontrollmechanismen zur gegenseitigen
die Abrüstung, sah keinerlei Verifikati-    Überprüfung wurden, nachdem ver-
onsmaßnahmen vor und die „abgerüste-        trauensbildende Maßnahmen im SORT-
ten“ Systeme brauchten nicht verschrot-     Vertrag fehlten, wieder eingeführt.
tet, sondern lediglich in ein Lager ver-        Auch dieser Vertrag ließ zu wün-
bracht zu werden. Zudem rutschten die       schen übrig. Er war eher eine vertrau-
politischen Beziehungen nach Moskaus        ensbildende Maßnahme als ein substan-
Militärintervention in Georgien und der     zieller Abrüstungsfortschritt, denn tat-
Anerkennung der Teilrepubliken Ab-          sächlich musste keine einzige Atomwaf-
chasien und Südossetien auf einen neu-      fe zerstört, sondern nur einige inaktiv
en Tiefpunkt.                               gestellt und in der Reserve gelagert wer-
    Bereits ein Jahr darauf, auf der 45.    den.4 Modernisierungsvorhaben wur-
Münchner Internationalen Sicherheits-       den durch den Vertrag nicht berührt.
konferenz im Februar 2009, fand der         Der Streitpunkt der US-amerikanischen
US-amerikanische Vizepräsident Joe Bi-      Raketenabwehr in Europa wurde nicht
den, es sei angebracht, den „Reset“-        gelöst. Russland befürchtete (und be-
Knopf für einen „Neustart“ in den rus-      fürchtet weiterhin), dass weitere Redu-
sisch-amerikanischen politischen Bezie-     zierungen seiner Nuklearstreitkräfte
hungen zu drücken. Als symbolträchti-       bedeuten, dass diese irgendwann die
gen Akt und Auftakt dazu unterzeichne-      US-amerikanische          Raketenabwehr
ten die Präsidenten Barack Obama und        nicht mehr überwinden und die USA
Dmitri Medwedew im April 2010 in            eine Erstschlagkapazität erreichen
Prag den Neuen START-Vertrag (Strate-       könnten.
gic Arms Reductions Treaty), der SORT
ablöste. Darin verpflichten sich die bei-
den Mächte, die Zahl der nuklearen
Sprengköpfe auf strategischen Träger-
systemen auf je 1.550 zu begrenzen.           Russland fürchtet ein nukleares
Hiermit, so erklärten die Vertragspart-       UNGLEICHGEWICHT mit den USA.
ner, würden die Atomsprengköpfe um
ca. ein Drittel gegenüber dem SORT-
Vertrag von 2002 reduziert und sogar
zwei Drittel gegenüber dem START-I-
Vertrag von 1991.3 Die Zahl der statio-
nierten und nicht stationierten Inter-          Der Zusammenhang zwischen of-
kontinentalraketen, U-Boot-gestützten       fensiven und defensiven Waffen wurde
Raketen und Langstreckenbomber wur-         schon lange vorher erkannt und insbe-
de insgesamt für jedes Land auf 800         sondere von der Sowjetunion themati-
Stück begrenzt, wobei nicht mehr als        siert und 1972 im ABM-Vertrag berück-
700 stationiert sein durften. Sieben Jah-   sichtigt. Aus diesem Vertrag ist die US-
re nach Inkrafttreten des Neuen Start-      Regierung unter George W. Bush 2001
Vertrages müssten diese Zahlen erreicht     allerdings ausgestiegen, um die Rake-
                                                                474/2017 // POLITISCHE STUDIEN   65
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          tenabwehr aufzubauen. Seitdem ist die-       gen zu machen und der im Westen und
          se Frage einer der russischen Anklage-       in Moskau gängigen Vorstellung, Trump
          punkte gegen die USA. Der Neue               würde mit Putin einen Deal für eine
          START-Vertrag hat das Problem nicht          umfassende Neuordnung des Verhält-
          gelöst, sondern lediglich verschoben. Im     nisses schließen, war es nicht überra-
          Text wird weiterhin das Verhältnis von       schend, dass die Londoner Sunday
          offensiven zu defensive Waffen als wich-     Times wenige Tage vor Trumps Amts-
          tig erkannt, eine Einschränkung der Ra-      antritt unter Berufung auf Gespräche
          ketenabwehr wurde jedoch von US-             zwischen britischen Beamten und Bera-
          amerikanischer Seite nicht zugelassen.       tern des designierten US-amerikani-
              Aus russischer Sicht gab und gibt es     schen Präsidenten berichtete, die beiden
          ein weiteres, vom Neuen START-Vertrag        Präsidenten würden sich schon wenige
          unberührtes Problem, nämlich das des         Wochen nach dem 20. Januar an einem
          neuen US-amerikanischen Konzepts             neutralen Ort wie Reykjavik treffen.
          „Prompt Global Strike“, also der Fähig-      Trump plante, Putin einen Vorschlag
          keit, schnell und global zuschlagen zu       zur nuklearen Rüstungskontrolle vorzu-
          können, jedoch nicht mit nuklearen, son-     legen und der Kreml hätte positiv auf
          dern mit konventionellen Waffen.5 Damit      die Idee eines Treffens reagiert.6 Wie
          verbinden sich, seit Jahren laufende Be-     auch immer dieser Bericht zustande ge-
          mühungen, die US-amerikanische Nu­           kommen sein mag, sowohl der Sprecher
          klearstrategie grundlegend zu ändern.        des US-Präsidenten als auch die russi-
          Forschungs- und Entwicklungsprogram-         sche Botschaft in London wiesen ihn
          me für hochtechnisierte konventionelle       sofort vehement zurück.7
          Waffensysteme sollen vorangetrieben              Tatsächlich war eine Initiative
          werden, um der USA die Fähigkeit zu ver-     Trumps zur nuklearen Rüstungskont-
          schaffen, innerhalb kürzester Zeit weit-     rolle im höchsten Grade unwahrschein-
          reichende strategische Einsätze durchzu-     lich. Sowohl er als auch Putin haben an
          führen. Statt wie in der Vergangenheit ei-   entsprechenden substanziellen Ver-
          nen Angriff auf die Vereinigten Staaten      handlungen kein Interesse gezeigt. Das
          nachträglich nuklear zu bestrafen, soll      wurde unter anderem im ersten Telefon-
          dieser künftig vorbeugend durch die Zer-     gespräch zwischen den beiden Präsiden-
          störung der Angriffsmittel mit Hilfe kon-    ten am 28. Januar 2017 deutlich.
          ventioneller Waffen verhindert werden.           Berichten von namentlich nicht ge-
          Atomraketen sollen in Trägersysteme für      nannten US-amerikanischen Beamten
          konventionelle Sprengköpfe umgerüstet
          werden. Deswegen wollten die USA die
          Zahl der Trägersysteme im Neuen
          START-Vertrag so hoch wie möglich hal-
          ten (1.100), die Russen strebten dagegen       Weder Putin noch Trump haben
          das Gegenteil an (500), wobei die Eini-        derzeit Interesse an einer weiteren
          gung nunmehr in der Mitte (800) liegt.         nuklearen RÜSTUNGSKONTROLLE.
              Vor dem Hintergrund früherer Be-
          mühungen, nukleare Rüstungskontrolle
          als Ansatzpunkt für eine Verbesserung
          der russisch-amerikanischen Beziehun-
66   POLITISCHE STUDIEN // 474/2017
zufolge schlug Putin Trump vor, den          Bezeichnung        SS-18)     und     30
Neuen START-Vertrag zu verlängern.8          UR-100NUTTH (SS-19), die beide
Wie zuvor dargestellt, ist der Vertrag bis   schon seit den 1970er-Jahren im Dienst
2021 gültig und kann dann um fünf            sind, sowie seit den 1980er- und
Jahre verlängert werden. Es bestand          1990er-Jahren 150 Topol (SS 25) und
also keine Notwendigkeit, jetzt schon        Topol-M (SS-27) Raketen (im Wesent-
Entscheidungen zu treffen. Zudem wie-        lichen Äquivalente der US Minuteman
derholte Trump gegenüber Putin die von       III) in Silo-basierten und mobilen Ver-
ihm im Wahlkampf geäußerte These,            sionen. Hinzu kommen 27 brandneue
der Vertrag sei eines der vielen von der     RS-24-Einheiten (SS-27 Mod 2), die
Obama-Regierung geschlossenen Ab-            nach 2015 stationiert wurden und
kommen, das eindeutig zu Ungunsten           ebenfalls in Silo-basierten und mobilen
US-amerikanischer Interessen geschlos-       Einsatzversionen vorhanden sind. Die-
sen worden sei. Warum also, so die un-       se Raketen können drei bis vier MIRV
ausgesprochene Frage, der Verlängerung       tragen      (unabhängig     ansteuerbare
eines Vertrags zustimmen, der gar nichts     Sprengköpfe) und sind in der Lage, Ra-
taugt?                                       ketenabwehrsysteme zu überwinden.
                                                 Im Jahre 2016 testete Russland noch
    Modernisierung des russischen            eine weitere Rakete, die RS-28 Sarmat,
    Atomwaffenarsenals                       ein hundert Tonnen schwerer Riese, der
Russland unter Putin hat den Atomwaf-        12 nukleare Sprengköpfe aufnehmen
fen weit mehr Aufmerksamkeit gewid-          kann und die 39 Tonnen schwere Mi­
met als die Regierung unter Obama.           nuteman ICBM wie einen Zwerg ausse-
Das gilt für Modernisierungsprogram-         hen lässt. Dies ist vermutlich eines der
me von offensiven strategischen Waffen,      Systeme, auf die Putin verwies, als er
die Weiterentwicklung der Militärdok­        sagte, dass Russland die Entwicklung
trin für den Einsatz von Kernwaffen, Si-     von „Waffen auf der Grundlage neuer
mulation ihrer Verwendung in militäri-       physikalischer Prinzipien“ vorantreibe,
schen Manövern und ihre Nutzung als          die „selektiv sind und präzise Auswir-
Instrument zur Unterstützung der russi-      kungen auf kritische Elemente von Waf-
schen Außenpolitik.                          fensystemen, Ausrüstung und Infra-
    Russland hat große Anstrengungen         struktur eines potenziellen Feindes ha-
unternommen, seine land- und seege-          ben“.10 Westlichen Angaben zufolge soll
stützten Interkontinentalraketen zu          die Rakete die Fähigkeit besitzen, die
modernisieren. Die tragende Säule sei-       Gefechtsköpfe in eine suborbitale Lauf-
ner Abschreckungsfähigkeiten sind            bahn zu bringen, die dann in die Atmo-
weiterhin die landgestützten Interkon-       sphäre mit Überschallgeschwindigkeit
tinentalraketen (ICBM) der strategi-         eintreten, sich entlang einer größeren
schen Raketentruppen (RVSN), ein se-         Flugbahn mit einer Geschwindigkeit
parater Zweig der russischen Streitkräf-     von 7 bis 7,5 Kilometer pro Sekunde auf
te, der direkt dem Generalstab unterge-      ihr Ziel zu bewegen und künftig 100 %
ordnet ist. Moskau besitzt 299 ICBM          der russischen ICBM-Schlagkraft aus-
fünf verschiedener Typen, die insge-         machen.11
samt 902 Sprengköpfe tragen können.9             Der zweite und in Zukunft Hauptteil
Dazu gehören 46 R-36M2 (NATO-                der nuklearstrategischen Triade Russ-
                                                                474/2017 // POLITISCHE STUDIEN   67
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                                                       lerdings schon 1956 in Dienst gestellt
                                                       und ist infolgedessen völlig überaltert.
       Russland MODERNISIERT sein Atom-                Der andere strategische Bomber ist der
       waffenarsenal.                                  Tu-160 (Blackjack), der 1987 in Betrieb
                                                       ging. Davon gibt es nur 16 Stück, von
                                                       denen vielleicht die Hälfte für operative
                                                       Missionen zur Verfügung steht. Die
                                                       strategischen Bomberkräfte sind also
                                                       weder vom Umfang noch aufgrund ih-
          lands sind seine seegestützten Systeme.      res Entwicklungsstands sehr beeindru-
          Auch diese werden derzeit rapide und         ckend. Die moderne Komponente dieser
          kostenaufwendig modernisiert. Seine          Kräfte ist allerdings ihre Bewaffnung,
          neueste Komponente sind die nuklear          die Ch-101 und Ch-102 Marschflugkör-
          getriebenen U-Boote der Borei-Klasse.        per, die Tarnkappen-Fähigkeiten besit-
          Ihre allerneueste Version ist die Borei-M,   zen und punktgenau Ziele in einer Ent-
          die eine Länge von fast 170 Metern, eine     fernung von bis zu 5.000 Kilometern
          Breite von 13,5 Metern und eine Was-         erreichen können. Aufgrund ihrer gro-
          serverdrängung von 24.000 Tonnen hat.        ßen Reichweite brauchen die Langstre-
          Das Boot kann 16-20 Bulawa-30 inter-         ckenbomber also nicht in den feindli-
          kontinentale ballistische Raketen und        chen Luftraum einzudringen, sondern
          mehrere Marschflugkörper (cruise mis-        können ihre Marschflugkörper aus der
          siles) mit einer maximalen Reichweite        Distanz abfeuern. Im November 2015
          von 8.000 km tragen. In seinem Bug be-       kamen die mit konventionellen Ge-
          finden sich acht 533-mm Torpedorohre,        fechtsköpfen ausgerüsteten Ch-101 von
          die bis zu 40 Torpedos und Minen auf-        in Südrussland gestarteten Tu-160 mit
          nehmen können. Es verfügt über techni-       Schlägen gegen Ziele in Syrien zum ers-
          sche Mittel sowohl für sonare Aufklä-        ten Mal zum Kriegseinsatz.13
          rung als auch zur Abwehr, kann gegne-            Zusätzlich zu ihrer nuklearstrategi-
          rische Raketenabwehrsysteme überwin-         schen Fähigkeiten hält Russland starr
          den, hat Tarnkappen-Fähigkeiten und          an einem großen Arsenal von kürzeren
          besitzt modernste Kommunikations-            „taktischen“ oder „nicht-strategischen“
          und Waffensteuerungssysteme. Bis zum         Nuklearwaffen (NSNW) fest. Gegen-
          Jahre 2020 sollen acht U-Boote der Bo-       wärtig wird sein Umfang auf 2.000
          rei-Klasse mit 148 R-30-Bulawa-Rake-         Sprengköpfe geschätzt.14 Zu den Fähig-
          ten gebaut werden, die jeweils mit einem     keiten der Streitkräfte gehören beispiels-
          Atomsprengkopf von 100-150 Kiloton-          weise etwa 500 Raketen und Bomben
          nen ausgestattet sind.12                     für 120 Tu-22M-Mittelstreckenbomber
              Der dritte Teil der nuklearstrategi-     und 400 Su-24-Jagdbomber.
          schen Triade Russlands ist seine Lang-           Vielleicht mehr als alles andere unter-
          strecken-Bomberflotte. Seine Kräfte          streichen die „nicht-strategischen“ Waf-
          umfassen nur noch einen Bruchteil des-       fen, welch hohe militärische und politi-
          sen, was die Sowjetunion besaß. Sie fu-      sche Bedeutung der Kreml seinen nuklea-
          ßen auf 63 Tu-95MS (NATO-Bezeich-            ren Fähigkeiten beimisst. Die große An-
          nung Bear), von denen vielleicht 55 be-      zahl der NSNW und ihrer Trägersysteme
          triebsbereit sind. Der Bomber wurde al-      erhärten den Verdacht, dass im Bewusst-
68   POLITISCHE STUDIEN // 474/2017
sein des Kremls die nukleare Schwelle für    ten und planen, sie als Teil ihres Waffen­
  den Einsatz von Atomwaffen niedriger         arsenals einzuführen“. Während der Prä-
  geworden ist und dass Russland neue          sident einen möglichen Ausstieg Russ-
  Atomsprengköpfe mit geringerer Spreng-       lands aus dem Vertrag nicht als „Gegen-
  kraft entwickelt. All dies würde zu den      maßnahme“ auf die Stationierung von
  derzeit gültigen Prinzipien der russischen   Systemkomponenten einer amerikani-
  Militärdoktrin passen. Diese sehen auch      schen Raketenabwehr in Europa be-
  den Ersteinsatz von Nuklearwaffen vor,       zeichnete, stellten seine Generäle gerade
  wenn es selbst mit solchen angegriffen       dies als eine der möglichen „asymmetri-
  wird oder wenn die Existenz des Landes       schen Gegenmaßnahmen“ hin. Als sei
  durch einen großen Angriff mit konventi-     Russland in der Vorbereitung eines der-
  onellen Waffen auf dem Spiel steht.          artigen Schritts, bezeichnete der damali-
      Diese Entwicklungen erinnern stark       ge Verteidigungsminister Sergei Iwanow
  an die nukleare und nuklearstrategische      auf derselben Konferenz den INF-Vertrag
                                               als ein „Überbleibsel des Kalten Krieges“
                                               und einen der schlimmsten Fehler natio-
                                               naler russischer Sicherheitspolitik.
                                                   Zum Teil, um diesen Fehler zu korri-
Die derzeitige russische Militär-              gieren, hatte Russland schon 1995 Ent-
doktrin deutet auf eine GERINGERE              wicklungsarbeiten zu einem INF-Nach-
Einsatzschwelle von Atomwaffen hin.            folgesystem, der Iskander-M (SS-26),
                                               wieder aufgenommen. Der erste Test-
                                               start erfolgte 1996, und nach weiteren
                                               Anpassungen begann 2005 die Ausliefe-
                                               rung an die russischen Streitkräfte. Das
                                               System ist hochmobil und schnell verleg-
  Konkurrenz zwischen den USA und der          bar, erreicht eine hohe Zielgenauigkeit,
  Sowjetunion. Das betrifft auch die Rück-     ist im Flug manövrierfähig und in der
  kehr zu der leidigen Frage von Mittelstre-   Lage, gegnerische Abwehrmaßnahmen
  ckenwaffen. Bereits vor einem Jahrzehnt      zu überwinden. Die Raketen können mit
  war zu erkennen, dass Moskau das zuvor       unterschiedlichen, sowohl konventionel-
  erwähnte Washingtoner Abkommen               len als auch nuklearen Gefechtsköpfen
  über die Beseitigung landgestützter          bestückt werden. Die ersten Kampfein-
  Atomraketen kürzerer und mittlerer           sätze erfolgten während des russisch-ge-
  Reichweite als eine nicht mehr hinnehm-      orgischen Krieges im August 2008 auf
  bare Fessel betrachtete, die es zu spren-    Ziele in der nordwestlich von Tiflis gele-
  gen gelte. So wies Putin auf der Münch-      genen Stadt Gori. Offiziell gibt Moskau
  ner Sicherheitskonferenz im Februar          die Reichweite des Waffensystems mit
  2007 darauf hin, dass der Vertrag „kei-      500 Kilometern an, was noch INF-ver-
  nen universellen Charakter“ habe und         tragskonform wäre. Allerdings soll es
  dass „viele andere Länder über Raketen       eine modifizierte Version mit einer
  [mittlerer und kürzerer Reichweite] ver-     Reichweite von bis zu 700 Kilometern
  fügen wie beispielsweise Korea, Indien,      geben. Das wäre vertragswidrig.
  Iran, Pakistan und Israel und dass viele         Zudem hat Russland einen neuen
  andere Länder an diesen Systemen arbei-      landgestützten Marschflugkörper mit
                                                                   474/2017 // POLITISCHE STUDIEN   69
ANALYSEN

          einer Reichweite von mindestens 2.000
          Kilometern getestet, wogegen das
          US-amerikanische Außenministerium             Russland nutzt sein nuklearstrate-
          schon im Juli 2014 protestierte. Nun-         gisches Potenzial als DROHKULISSE
          mehr soll Moskau zwei Raketen-Batail-         gegen den Westen.
          lone dieser Raketen aufgestellt haben.
          Jedes von ihnen soll über vier mobile
          Abschussrampen mit je einem halben
          Dutzend atomar bestückter Raketen
          verfügen. Eines der beiden Bataillone sei
          in der Nähe des Raketentestgeländes         ist, sie einzusetzen, wenn dies im Inter-
          Kapustin Jar im Süden Russlands statio-     esse unseres Landes ist.“
          niert, das andere an einem nicht genann-         Die demonstrative Unterbeweisstel-
          ten Ort.15 Die große Bedeutung sowohl       lung dieser und anderer militärischer Fä-
          strategischer als auch substrategischer     higkeiten in Syrien fügt sich nahtlos in
          Atomwaffen für Russland lässt sich auch     die Drohkulisse ein, die der Kreml im
          an ihrer Nutzung als Instrument russi-      Verhältnis zu den USA und der NATO in
          scher Außenpolitik bemessen.                Europa, insbesondere im Konflikt um
                                                      die Ukraine und im Südkaukasus, aufge-
              Nuklearwaffen als Instrument            baut hat. Das nuklearstrategische Poten-
              russischer Außenpolitik                 zial wird in die Drohkulisse mit einge-
          Den Nutzen militärischer Macht, ob          baut. Der Einstieg dazu erfolgte im Au-
          konventionell oder nuklear, zur Unter-      gust 2007, ein halbes Jahr nach Putins
          stützung der russischen Außenpolitik        Münchner Rede. Putin gab bekannt,
          hat Putin in seiner Erklärung über dem      dass die russische Luftwaffe wieder re-
          Einsatz seegestützter Marschflugkörper      gelmäßige, weitreichende Patrouillen
          aus dem Kaspischen Meer auf Ziele in        durch nuklearfähige Bomber über die
          Syrien im Oktober 2015 hervorgehoben.       Ozeane der Welt aufnehmen würde –
          Die verwendeten Raketen seien vom Typ       eine Praxis, die nach dem Zusammen-
          Kalibr (Kaliber) gewesen, die an vorders-   bruch der Sowjetunion eingestellt wor-
          ter Front von Präzisionswaffen stünden      den war. Die Patrouillen, präzisierte er,
          und erst ab 2012 in Dienst gestellt wor-    würden nicht Teil von Routineübungen
          den seien. Die technischen Daten dieses     sein, sondern „vom ersten Tag an“ einen
          Waffensystems seien ja kein Geheimnis,      festen Bestandteil der strategischen Posi-
          aber es sei „eine Sache, wenn Experten      tionierung Russlands bilden. Angaben
          sich bewusst sind, dass Russland mögli-     des russischen Verteidigungsministeri-
          cherweise diese Waffen hat, aber eine       um zufolge waren die für die Patrouillen
          ganz andere, wenn sie zum ersten Mal        eingesetzten Flugzeuge Tu-95 und Tu-
          sehen, dass diese tatsächlich existieren,   160 Bomber, Teil einer Flotte von 79
          dass unsere Verteidigungsindustrie diese    strategischen Bombern. Die Schlussfol-
          produziert, dass sie von hoher Qualität     gerung, die aus der Wiederaufnahme
          sind und dass wir gut ausgebildete Leute    von Langstreckenpatrouillen gezogen
          haben, die von diesen Waffen wirksa-        werden konnte oder sollte, war offen-
          men Gebrauch machen können. Sie ha-         sichtlich, dass die militärpolitische Kon-
          ben auch gesehen, dass Russland bereit      frontation des Kalten Krieges mit den
70   POLITISCHE STUDIEN // 474/2017
Vereinigten Staaten und der NATO ent-        und im Oktober 2016 ohne Manövertä-
weder niemals beendet worden sei oder        tigkeit aufgestellt. Unklar war dabei je-
wieder zurückgekehrt war.                    weils, ob die Stationierung nur vorüber-
     Nach Russlands Annexion der Krim        gehend oder dauerhaft sein würde. Letz-
und seiner Militärintervention in der        teres scheint der Fall zu sein, denn ver-
Ostukraine beobachtete die NATO im-          mutlich auch zum Schutz dieser Waffen
mer wieder umfangreiche russische            hat Russland das moderne Raketenab-
Luftwaffenaktivitäten in und um Euro-        wehrsystem S-400 in seine Exklave an
pa. Langstreckenbomber und Kampf-            der Ostsee verlegt, und im Januar 2017
jets waren zu Manövern über der Ostsee       erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow,
und der Nordsee sowie über dem               es sei „nicht möglich, diese Raketen
Schwarzen Meer im Einsatz. Zu den of-        [Iskander-M] einfach aus Kaliningrad
fensichtlich politisch motivierten De-       abzuziehen, ohne zu wissen, ob die Plä-
monstrationen militärischer Stärke und       ne zur Einrichtung eines Raketenab-
Entschlossenheit bis hin zum Einsatz         wehrkomplexes auf dem europäischen
von Atomwaffen gehören auch Flüge            Kontinent aufgegeben werden“.16
von Tu-95 und Tu-160 Langstrecken-               Obwohl die Iskander-M sowohl mit
bombern, die in den letzten Jahren spo-      konventionellen als auch mit Atomwaf-
radisch bis vor die Küsten Norwegens,        fen ausgerüstet werden kann, sind die
Cornwalls und bis hinunter nach Portu-       Letzteren der Knüppel, den der Kreml
gal durchgeführt wurden.                     immer wieder schwingt. Dies gilt nicht
     Auch die zuvor erwähnte Iskander-M      nur gegenüber den an die Ostsee an-
ist in diesen Zusammenhang einzuord-         grenzenden NATO-Ländern, sondern
nen. Moskau hat diese Waffe mit der an-      auch in Bezug auf die an das Schwarze
geblichen Notwendigkeit begründet,           Meer angrenzenden NATO-Mitglieder.
den US- und NATO-Bemühungen für              Als Teil seiner Bedrohungshaltung nach
den Bau eines Raketenabwehrsystems in
Europa entgegenzuwirken. Bereits im
November 2008 drohte Medwedew in
seiner Eigenschaft als Präsident, dass die
Iskander-M im Kaliningrader Gebiet sta-        Der KALTE KRIEG scheint wieder
tioniert würde, um Komponenten des             aufzuleben.
von den USA in Polen und der Tschechi-
schen Republik geplanten amerikani-
schen Raketenabwehrsystems zu neutra-
lisieren. Die Drohung wurde allerdings
nach 18 Monaten zurückgenommen, als
Obama diese Pläne aufgab. Die Drohung        der Annexion der Krim und der Militär-
mit der Stationierung der Iskander-M         intervention in der Ostukraine hat Russ-
wird jedoch von Moskau immer wieder          land bewusst die Wahrnehmung ge-
ins Spiel gebracht. So wurden Raketen        schaffen, dass der Atomkrieg in Europa
im Dezember 2014 und März 2015 wäh-          wieder denkbar ist. Im März 2014 warn-
rend sogenannter „Snap“-Übungen, also        te der Chef der im Jahr zuvor neu ge-
Militärmanöver ohne vorherige Benach-        gründeten staatlichen Nachrichtenagen-
richtigung, in Kaliningrad eingesetzt        tur Rossija Segodnja (Russland Heute)
                                                                474/2017 // POLITISCHE STUDIEN   71
ANALYSEN

          im Zusammenhang mit der Ukraine-                Fazit
          Krise, dass „in realistischer Hinsicht      Mit dem Neuen Politischen Denken
          Russland das einzige Land der Welt ist,     Gorbatschows und der Beseitigung der
          das die Vereinigten Staaten in radioakti-   Atomraketen kürzerer und mittlerer
          ve Asche verwandeln kann“. Im August        Reichweite im INF-Vertrag schien sich
          2014 warnte Putin die NATO, „sich           die Vernunft Bahn gebrochen zu haben.
          nicht mit dem nuklear-bewaffneten           Wie ein von den Supermächten im di-
          Russland anzulegen“, und im Oktober         rekten Schlagaustausch geführter Krieg
          2014 lobte er Nikita Chruschtschows         mit „strategischen“ Waffen wurde auch
          nukleare Drohgebärden, die seiner (Pu-      ein „begrenzter“ Krieg mit „taktischen“
          tins) Ansicht nach die Vereinigten Staa-    Atomwaffen in Europa weitgehend aus
          ten und die NATO davon überzeugt            der Strategiediskussion und dem politi-
          hätten, dass man „Nikita am besten in       schen Diskurs ausgeklammert. Mit der
          Ruhe lasse“.17                              scharfen Wende der russischen Innen-
              Außenminister Lawrow behauptete         und Außenpolitik von Medwedews so-
          im Dezember 2014, dass die Krim nie-        zio-ökonomischer Modernisierung und
          mals eine „nuklearfreie Zone“ gewesen       Zusammenarbeit mit dem Westen zu
          sei, obwohl die Ukraine ihre Atomwaf-       national-patriotischer     Mobilisierung
          fen durch Vertrag aufgegeben habe.          und Konfrontation gegen den Westen
          „Jetzt ist die Krim Teil einer Regierung    unter Putin seit Beginn seiner dritten
          geworden, die solche Waffen im Ein-         Amtszeit als Präsident bewegt sich Mos-
          klang mit dem Nichtverbreitungsver-         kau de facto wieder zu der Auffassung
          trag hat, und die russische Regierung       hin, auch ein Atomkrieg sei nichts wei-
          hat in Übereinstimmung mit dem Völ-         ter als die Fortsetzung der Politik mit
          kerrecht jedes Recht, ihr legitimes         anderen Mitteln und somit hin zu Dro-
          Atomwaffenarsenal nach seinen Interes-      hungen mit der Atomwaffe als Mittel
          sen zu dislozieren.“18 Im März 2015 gab     der Einflussnahme auf die sicherheits-
          Putin an, er wäre bereit gewesen, den       politische Diskussion im Westen. Zu-
          Alarmzustand der russischen Atom-           gleich hat es als Teil des im Dezember
          streitkräfte zu erhöhen, um die Krim zu     2010 von Putin unterzeichneten Staatli-
          verteidigen, falls westliche Mächte in-     chen Rüstungsprogramms (GPV-2020)
          terveniert hätten.19                        enorme Mittel für die Modernisierung
              Russlands Militärmanöver zeigen,        der Streitkräfte einschließlich neuer Trä-
          dass die russischen Streitkräfte zuneh-     gersysteme für Atomwaffen auf der stra-
          mend bereit sind, verschiedene Arten        tegischen und substrategischen Ebene
          von nuklearen Operationen durchzu-          verwandt. Sowohl dieses Programm als
          führen, und dass ihre nuklearen und
          konventionellen Fähigkeiten eng mitein-
          ander verflochten sind. So hat die russi-
          sche Luftwaffe mit Tu-22M33 Backfire-
          Überschallbombern unter Deckung von           Moskau setzt seine Atomwaffen als
          Su-27-Kampfflugzeugen im Rahmen der           AUSSENPOLITISCHES Instrument ein.
          mit Belarus durchgeführten Manöver
          Zapad 2013 den Einsatz von Atomwaf-
          fen geübt.
72   POLITISCHE STUDIEN // 474/2017
auch ihre Begründungen lassen keine                            times.co.uk, 15.1.2017, http://www.thetimes.
                                                               co.uk/edition/news/trump-wants-putin-summit-
Anzeichen dafür erkennen, dass die                             in-reykjavik-rc909n9t0
Moskauer Machtelite von ihrem Ziel ab-                      7 Trump Aides Deny Sunday Times Report of Putin
                                                               Iceland Summit, in: Bloomberg.com, 15.1.2017,
gehen würde, Atomwaffen als Status-                            h t t p s : // w w w. b l o o m b e r g . c o m / n e w s /a r t i c
symbol und fassbares Instrument für                            les/2017-01-15/trump-wants-to-hold-summit-
                                                               with-putin-in-iceland-sunday-times
den Anspruch zu nutzen, Großmacht                           8 L anday, Jonathan / Rohde, Jonathan: Exclusive:

„auf Augenhöhe“ mit den USA zu sein                            In call with Putin, Trump denounced Obama-era
                                                               nuclear arms treaty – sources, in: Reuters.com,
und es für die Verwirklichung seiner au-                       9.2.2017, http://www.reuters.com/article/us-usa-
ßenpolitischen Ziele einzusetzen. ///                          trump-putin-idUSKBN15O2A5
                                                            9 Diese und nachfolgende Angaben bei: Russian
                                                               Strategic Nuclear Forces, Russianforces.org [ohne
                                                               Datum], http://russianforces.org/missiles/
                                                           10 Sovešcanie
                                                                       ˇ        s rukovodstvom Minoborony i preds-
                                                               taviteljami VPK, in: Kremlin.ru, 15.11.2016,
                                                               ht t p: //w w w.k rem l i n .r u /e vent s /pre sident /
                                                               news/53256
                                                           11 Nersisyan, Leonid: These Russian Nukes are Bet-
                                                               ter than America’s, in: Nationalinterest.org,
                                                               25.4.2016,          http://nationalinterest.org/feature/
                                                               these-russian-nukes-are-better-americas-15926
                                                           12 Borei-Class Submarines: Principal Component of
                                                               Russia‘s Nuclear Triad, in: Sputniknews.com,
                                                               25.12.2016, https://sputniknews.com/military/20
    /// P
         ROF. DR. HANNES ADOMEIT                              1612251048981394-russia-borei-class-submari
                                                               nes/; Mizokami, Kyle: Russia Built the Largest (and
    ist ehem. Professor für Osteuropastudi-                    Most Terrifying) Nuclear Submarine Ever, in:
    en am College of Europe in Natolin (War-                   Nationalinterest.org, 7.2.2017, http://nationalinte
                                                               rest.org/blog/the-buzz/russia-built-the-largest-
    schau) und war davor wissenschaftlicher                    most-terrifying-submarine-ever-19353
    Mitarbeiter in der Forschungsgruppe                    13 M ajumdar, Dave: Ready for War: Russia’s Stealthy
                                                               Kh-101 Cruise Missile Debuts in Syria, in: Natio-
    Russland und Eurasien an der Stiftung                      nalinterest.org, 18.11.2015, http://nationalinte
    Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.                  re st.org / blog /t he-bu z z /re ady-wa r-r u ssia s -
                                                               stealthy-kh-101-cruise-missile-debuts-14387
                                                           14 M ajumdar, Dave: On the Brink: When Russia
                                                               Would Use Tactical Nukes on NATO, in: Natio-
Anmerkungen                                                    nalinterest.org, 22.2.2016, http://nationalinte
 1 Stand Anfang 2017. Diese und nachfolgende Anga-            rest.org/blog/the-buzz/the-brink-when-russia-
    ben laut Federation of American Scientists, Status         would-use-tactical-nukes-nato-15281
                                                           15 G ordon, Michael R.: Russia Deploys Missile, Vio-
    of World Nuclear Forces, in: Fas.org [ohne Da-
    tum], https://fas.org/issues/nuclear-weapons/status-       lating Treaty and Challenging Trump, in: Ny­
    world-nuclear-forces/                                      times.com, 14.2.2017, https://www.nytimes.
 2 Press Conference by President Bush and Russian             com/2017/02/14/world/europe/russia-cruise-
    Federation President Putin, Brdo pri Kranju, in:           missile-arms-control-treaty.html?_r=1
                                                           16 So Kreml-Sprecher Peskow am 21.1.2017: Peskov
    Georgewbush-whitehouse.archives, 16.6.2001,
    https://georgewbush-whitehouse.archives.gov/               rasskazal skolko ešce     ˇ raketnye kompleksy Iskan-
    news/releases/2001/06/20010618.html                        der budut nachoditsja v Kaliningrade, in: Newka-
 3 Der START-I-Vertrag (Strategic Arms Limitation             liningrd.ru, 21.1.2017, https://www.newkalinin
    Treaty) trat erst 1994 nach seiner Ratifizierung in        grad.ru/news/briefs/politics/12197072-peskov-
    Kraft. Der im Januar 1993 von den Präsidenten              rasskazal-skolko-eshche-raketnye-kompleksy-
    George H. W. Bush und Boris Jelzin in Moskau               iskander-budut-nakhoditsya-v-kaliningrade.html
                                                           17 Vladimir Putin: Don’t mess with nuclear-armed
    unterzeichnete START-II-Vertrag wurde von den
    USA nie ratifiziert.                                       Russia, in: http://www.telegraph.co.uk/news/world
 4 Die nachfolgende Darstellung und Analyse des               news/vladimir-putin/11064209/Vladimir-Putin-
    Vertrags beruhen auf dem Informationsservice               Dont-mess-with-nuclear-armed-Russia.htmlv
                                                           18 Russian Foreign Minister Sergey Lavrov Answers
    Atomwaffen A-Z, Hintergrund: Der neue START,
    http://w w w.atomwaffena-z.info/heute/r ues                Questions from Interfax, in: Mid.ru, 15.12.2014,
    tungskontrolle/start-vertraege/neuer-start.html            http://www.mid.ru/en/press_service/minister_
 5 K amp, Karl-Heinz: „Conventional Prompt Global             speeches/-/asset_publisher/7OvQR5KJWVmR/
    Strike“. Eine neue US-Strategie nimmt Gestalt an,          content/id/844334
                                                           19 P utin am 15.3.2015: Putin o primenenii jadernych
    in: Konrad-Adenauer-Stiftung (Hrsg.): Analysen
    und Argumente, 31/2006.                                    sil, in: Youtube.com, https://www.youtube.com/
 6 Trump Wants Putin Summit in Reykjavik, in: The-            watch?v=sQKfBbUt5h0

                                                                                             474/2017 // POLITISCHE STUDIEN           73
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