Russland auf Partnersuche im Osten: US-Sanktionen verfehlen ihr Ziel - Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik eV
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DGAPkompakt Nr. 13 / Juli 2018 Russland auf Partnersuche im Osten: US-Sanktionen verfehlen ihr Ziel Josef Braml Eine Annäherung zwischen den USA und Russland wird weiter auf sich warten las- sen. Innenpolitisch viel zu nützlich sind für beide Seiten die gegenseitigen Drohge- bärden: Putin kann von der schlechten wirtschaftlichen Lage im Land ablenken und Trump bei den anstehenden Kongresswahlen Stärke zeigen. Im Windschatten der westlichen Sanktionen gegen Russland sucht China neue Partner. Ein Interessenaus- gleich zwischen Trump und Putin ist schon deshalb notwendig, um Chinas raumgrei- fende Aktivitäten einzudämmen. Sonderermittlungen gegen Trump Einmischung Russlands bei der Wahl 2016 stattgefunden Die Gleichzeitigkeit aktueller Ereignisse könnte nicht hat“, räumte Trump ein, um dann noch hinzuzufügen: brisanter sein: Während US-Präsident Donald Trump „Es könnten auch andere Leute gewesen sein. Es gibt viele sich auf das Gipfeltreffen mit dem russischen Machthaber Leute da draußen.“ Mit dieser vagen Andeutung eröffnete Wladimir Putin am 16. Juli in Helsinki freut und weiter- sich Trump weitere rhetorische Auswege und gab nicht hin Moskaus Einflussnahme auf die US-Präsidentschafts- zuletzt auch den Verschwörungstheorien seiner Anhän- wahlen abstreitet, klagt Robert Mueller, der seit Mitte Mai ger erneut Nahrung.3 2017 in der sogenannten Russland-Affäre ermittelt, zwölf Ende Mai 2018 verlangte Trump sogar, dass das Justiz- russische Geheimdienstmitarbeiter an. Der Sonderermitt- ministerium untersucht, ob der Geheimdienst, nament- ler hält es für erwiesen, dass sich Russlands Agenten mit lich das Federal Bureau of Investigation (FBI), oder das Hackerangriffen bei Trumps Wahl zum US-Präsidenten Ministerium selbst sein Wahlkampfteam „aus politischen eingemischt haben.1 Gründen infiltriert oder überwacht“ hätten. Schnell Ebenso geht der US-Geheimdienst davon aus, dass rus- war bei Trumps Anhängern von einer Verschwörung sische Militärs hinter der Einflussnahme auf die US-Prä- die Rede4 – eine Verschwörungstheorie, die er selbst für sidentschaftswahlen stecken. Damit hat Trump auch den richtig hält.5 Für den Fall, dass man versuchen sollte, den Einschätzungen seines Geheimdienstes widersprochen, Präsidenten des Amtes zu entheben, drohten Trumps pub- den er verächtlich als „deep state“, als unkontrollierten lizistische Scharfmacher bereits unverhohlen mit Gewalt Staat im Staate, bezeichnet, der ihm, dem rechtmäßig und prophezeiten einen Bürgerkrieg.6 gewählten Volkstribun, das Handwerk legen wolle, weil er zum Wohle seiner Bewegung gegen das Washingtoner Establishment und die Bürokratie vorgehe.2 Amtsenthebungsverfahren wenig Als Donald Trump in Helsinki sogar auf internationa- wahrscheinlich lem Parkett seinen Geheimdiensten misstraute und dem Sollte der langjährige (2001 bis 2013) FBI-Direktor ehemaligen russischen Geheimdienstmann Putin mehr Mueller bei seinen aktuellen Sonderermittlungen indes Glauben schenkte, war die Empörung in Washington so groß, dass er etwas zurückrudern musste. „Ich akzeptiere die Schlussfolgerung unserer Geheimdienste, dass eine
Russland auf Partnersuche im Osten: US-Sanktionen verfehlen ihr Ziel 2 stichhaltige Beweise vorlegen können, die belegen, dass „Russland mach dich bereit!“ drohte Donald Trump und Trumps Wahlkampfteam und der US-Präsident von den prahlte mit seinem Waffenarsenal vor den Luftangriffen russischen Aktivitäten gewusst oder sogar wissentlich mit gegen das mit Russland verbündete Syrien im April 2018. russischen Agenten zusammengearbeitet haben, müssten Nachdem der amerikanische Präsident dann auch noch auch die Abgeordneten und Senatoren im Kongress ernst- über den Kurznachrichtendienst Twitter meldete, dass die haft ein Amtsenthebungsverfahren erwägen. Beziehungen zu Russland schlechter seien als zu Zeiten Doch das Impeachment eines Präsidenten ist keine des Kalten Krieges, waren die Medien alarmiert.9 juristische Zwangsläufigkeit, sondern ein politisches Vor- Der „Kalte Krieg“ wurde auch bereitwillig von deut- gehen.7 Ausschlaggebend für die Kongressabgeordneten, schen Veteranen dieser Zeit in diversen Talkshows die mit einer einfachen Mehrheit des Abgeordnetenhau- diskutiert. Zumal auch die russische Seite mitgespielt ses ein solches Verfahren einläuten, ebenso wie für die und Washington gewarnt hatte, dass sie zurückschlagen Senatoren, die mit einer Zweidrittelmehrheit der Anwe- werde. Doch nach der anfänglichen Drohung Russlands, senden in der zweiten Kammer des Kongresses die Amts- auch amerikanische Stellungen anzugreifen, die auf enthebung beschließen könnten, ist deren politisches Syrien feuern, ruderte der russische UN-Botschafter Kalkül. Die entscheidende Frage der Volksvertreter lautet: Wassili Nebensja später wieder zurück: Sollten bei Bom- Schadet diese außergewöhnliche Zwangsmaßnahme bardierungen russische Truppen getroffen werden, so gegen einen amtierenden Präsidenten und Oberbefehls- der Gesandte Moskaus einschränkend, würde Russland haber, zumal in unsicheren geopolitischen Zeiten, der militärisch aktiv werden. Bei der Planung und Durchfüh- eigenen politischen Karriere? Oder in politische Sprach- rung der Luftschläge gegen syrische Regierungstruppen hülsen der Abgeordneten und Senatoren übersetzt: Wäre konnte man im Weißen Haus den logischen Schluss ein Amtsenthebungsverfahren im nationalen Interesse, ziehen: Solange russische Soldaten nicht betroffen sind im Sinne der Wähler? und amerikanische Streitkräfte keinen unmittelbaren Vor allem die republikanischen Abgeordneten und Regimewechsel in der Region anstreben, können sie in Senatoren haben mit Blick auf die unsichere Weltlage Syrien tun, was sie wollen.10 und die anstehenden Kongresswahlen im November im Insofern waren die martialischen Drohungen beider politischen Alltagsgeschäft bislang wenig Courage ge- Seiten eher ein Ablenkungsmanöver – hüben wie drü- zeigt, ihrem Präsidenten wirklich in die Hand zu greifen. ben. Haben die Präsidenten beider Staaten doch auch Sie haben sogar in der Handelspolitik darauf verzichtet, ein innenpolitisches Interesse daran, Stärke zu beweisen. die eigenen Machtbefugnisse im System der sogenann- Die Drohgebärden nützen sowohl Putin als auch Trump: ten Checks and Balances, der konkurrierenden und sich Mit Blick auf ihren Machterhalt geht es ihnen in erster damit gegenseitig kontrollierenden politischen Gewalten, Linie um die Gunst des eigenen Volkes. Zwar hatte Trump zu wahren. explizit angekündigt, die beiden großen Verbündeten des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zur Verant- wortung zu ziehen, neben dem Iran also auch Russland.11 Russland-Sanktionen des Kongresses Doch Moskau hatte er in den Augen seiner Landsleute Es war daher umso bemerkenswerter, dass der Kongress ohnehin schon empfindlich getroffen, indem er die Wirt- in der Frage der Sanktionen gegen Russland machtbe- schaftssanktionen scharf machte, die ihm vom Kongress wusst den Präsidenten an die Kandare nahm. Trump abgenötigt wurden. musste – auch mit Blick auf die Sonderermittlungen gegen ihn – sogar davon absehen, die Sanktionen des Kongresses mit seinem Veto zu verhindern, weil er oh- Unbeabsichtigte Konsequenzen der nehin von beiden Legislativ-Kammern mit jeweils einer Sanktionen Zweidrittelmehrheit überstimmt worden wäre.8 Die Sanktionen haben jedoch bislang nicht dazu beige- Um diese Niederlage zu kaschieren und um hin- tragen, das außenpolitische Verhalten des Kreml-Führers sichtlich der Sonderermittlungen seinen Unterstützern im Sinne westlicher Strategen zu verändern. Im Gegen- glaubhaft zu versichern, dass er nicht, wie seine Heraus- teil: Dank der westlichen Sanktionen kann der russische forderin Hillary Clinton bereits im Wahlkampf behauptet Präsident Putin von der Schwäche seiner Regierung im hatte, „Putins Marionette“ sei, hat Trump seitdem keine sozialen und wirtschaftlichen Bereich durch eine anti- Gelegenheit ausgelassen, auch dem russischen Machtha- westliche Propaganda ablenken.12 ber öffentlichkeitswirksam die Stirn zu bieten. Die unbefriedigten Grundbedürfnisse seiner Be- völkerung nach sozialer und ökonomischer Sicherheit DGAPkompakt / Nr. 13 / Juli 2018
Russland auf Partnersuche im Osten: US-Sanktionen verfehlen ihr Ziel 3 werden durch Konsum einer bewährten Massendroge transportiert werden soll. Im Vergleich zum russischen überkompensiert: Nationalismus, der durch Abgrenzung Erdgas käme Amerikas Flüssiggas (Liquefied Natural von äußeren Feinden geschaffen wird. Der sogenannte Gas, LNG), das mit Schiffen und in den Häfen über noch Westen muss als Sündenbock für das eigene Reformver- zu finanzierende Terminals transportiert werden müsste, sagen und Missstände herhalten. Putin kann die Sank- viel teurer – wenn man wirklich marktwirtschaftliche tionen westlicher Staaten instrumentalisieren, um den Prinzipien bei der Entscheidungsfindung zugrunde legt. eigenen Machterhalt zu sichern: Die Androhung weiterer Und auch das geopolitische Argument, wonach Europa Wirtschaftssanktionen ermöglicht es ihm umso mehr, im für seine Sicherheit auch bei seiner Energieversorgung eigenen Land ein patriotisches Wir-Gefühl, eine Wagen- einen höheren Preis (an die Schutzmacht USA) zu zahlen burgmentalität zu schaffen.13 habe, ist kurzsichtig. Deutschland kaufe sein Erdgas für Milliarden Euro von Russland, verlasse sich jedoch als Trittbrettfahrer auf die Schutzmacht USA, die Deutsch- Die Öl-Waffe land vor allem vor russischer Aggression bewahre, lautete Viel stärker als die Sanktionen haben zwischenzeitlich Trumps vehemente Kritik beim jüngsten NATO-Gipfel in die niedrigen Ölpreise den Machtapparat in Moskau in die Brüssel.16 Bredouille gebracht. Denn die Stabilität des russischen Diese Sicht ist vergangenheitsorientiert und dabei auch Regimes hängt wesentlich von den Einnahmen aus den noch geschichtsvergessen. So versuchte etwa auch NATO- Energieexporten ab. Sollten die verkauften Mengen an Generalsekretär Jens Stoltenberg mäßigend auf Trump Öl und Gas oder der dafür veranschlagte Preis über einen einzuwirken, mit dem Verweis, dass selbst während des längeren Zeitraum spürbar sinken, wäre Putins autokrati- Kalten Krieges Russland immer ein verlässlicher Ener- sche Herrschaft gefährdet. gielieferant des Westens war. Und auf längere, geostra- Auch Washington ist nicht verborgen geblieben, dass tegische Sicht bleiben für die USA und seine westlichen die russische Führung große Schwierigkeiten hat, ihre Verbündeten nicht Russland, der Gegenspieler aus längst Politik und Wirtschaft vom Ressourcenfluch zu befrei- vergangenen Zeiten des Kalten Krieges, im Zentrum en. Zwar sind noch üppige Reserven vorhanden, doch der Sicherheitsüberlegungen, sondern die aufstrebende angesichts der Korruption bei der staatlich dominierten Macht China. Rohstoffausbeutung besteht die Gefahr, dass eine zerfal- lende russische Autokratie die USA und Europa vor noch größere Herausforderungen stellen wird als die aktuell in Eindämmung Chinas der Ukraine-Krise zur Schau gestellte Energiepotenz des Insbesondere Amerikas Hauptrivale China, dessen wirt- Kreml-Führers.14 schaftliche Entwicklung und militärische Aufrüstung von Des Weiteren befürchten US-Sicherheitsexperten, etwa Energieimporten abhängen, ist sehr daran interessiert, von der Brookings Institution,15 schon seit Längerem, die Energielieferanten und Lieferwege zu diversifizieren. dass Sanktionen im Energiebereich den USA selbst scha- Da Chinas Energieversorgung aus Afrika und dem Mitt- den – unmittelbar und auf lange Sicht: Sie bestärken Pu- leren Osten vielerorts (unter anderem auch an der Straße tin darin, seine nach Asien gerichtete Diversifizierungs- von Malakka, einer Meerenge in Südostasien, und an der strategie mit noch größerer Dringlichkeit zu forcieren. Straße von Hormus, deren Sperrung umfangreiche Öl- Die russische Führung wird versuchen, ihre Kundschaft Lieferungen aus dem Mittleren Osten verhindern würde) auszuweiten. Neben Europa sollen nach den Plänen des durch die USA blockiert werden kann, ist das Reich der Kremls künftig auch energiebedürftige asiatische Länder, Mitte um Alternativen bemüht (vgl. Abb. 1). allen voran China, mit russischen Rohstoffen versorgt Daher kommt es nicht von ungefähr, dass der 2013 ge- und damit Einnahmen und Regime dauerhaft gesichert wählte chinesische Staatspräsident Xi Jinping seinen ers- werden. ten Auslandsbesuch dem russischen Machthaber Putin ab- stattete, um die Wirtschaftsbeziehungen zu verbessern.17 Die Strategie des vom Kreml gelenkten Pipelinekonzerns Der Preis der Pax Americana Transneft ist schon seit geraumer Zeit nach Asien gerich- Insofern haben amerikanische Verhandlungsführer tet, um die Pazifik-Region, insbesondere China, Südkorea denkbar schlechte wirtschaftliche und geopolitische Ar- und Japan mit Öl zu beliefern. Über die Eastern Siberia- gumente gegen Deutschland wegen seiner „Nord Stream Pacific Ocean oil pipeline (ESPO-Pipeline) bezieht China 2“-Pläne, wonach noch mehr russisches Erdgas aus den mittlerweile schon mehr Öl aus Russland als Deutschland. Feldern Sibiriens über St. Petersburg bis nach Greifswald Bereits im Februar 2014 präsentierte Transneft Pläne, in DGAPkompakt / Nr. 13 / Juli 2018
Russland auf Partnersuche im Osten: US-Sanktionen verfehlen ihr Ziel 4 Abb. 1: Geopolitische Rivalität mit China RUSSLAND RUSSLAND KASACHSTAN MONGOLEI Aralsee Japanisches Meer DVR KOREA JAPAN Kaspisches Meer REP. Gelbes KOREA Meer CHINA AFGHANISTAN Ost- RAK IRAN chinesisches Straße von Meer Hormus PAKISTAN NEPAL TAIWAN INDIEN BANGLA- OMAN DESCH von LAOS Arabisches MYANMAR Meer Golf von THAI- VIETNAM Luzón LAND JEMEN Bengalen KAM- PHILIPPINEN Andamanen BODSCHA (ind.) SOMALIA Palawan SRI LANKA Südchinesisches Mindanao Nikobaren Meer (ind.) Malediven MALAYSIA P a z i fi s c h e r Äquator Malakka-Str. Ozean Borneo SINGAPUR Sumatra Sulawesi Seychellen (Celebes) INDONESIEN Sunda-Str. Neuguinea Java Bali Komoren (frz.) Lombok-Str. OST-TIMOR GASKAR Indischer Ozean Timorsee Réunion (frz.) AUSTRALIEN Seehandelsrouten und Seehäfen (Die Strichbreite repräsentiert die Wichtigkeit der Route) Besonders verwundbar sind Chinas Energietransporte in der Meerenge von Malakka – in erster Linie durch Singapur, das mit den USA verbündet ist. Daher erwarten amerikanische Sicherheitsexperten, dass China versuchen wird, sich die beiden anderen Seewege zum Indischen Ozean zu sichern: Die Lombok-Straße – eine Meerenge zwischen den indonesischen Inseln Bali und Lombok – verbindet die Javasee mit dem Indischen Ozean und ist damit eine der bedeutendsten Seehandelsrouten Ostasiens. Die zwischen Sumatra und Java verlaufende Sunda-Straße ist neben der Straße von Malakka die wichtigste Verbindung vom Indischen Ozean zum Südchinesischen Meer. Australien ist für die USA ein wichtiger Partner, weil von seiner Küste aus die für Chinas Energieimporte wichtigen Seewege durch den Inselstaat Indonesien besser kontrolliert werden können. DGAPkompakt / Nr. 13 / Juli 2018
Russland auf Partnersuche im Osten: US-Sanktionen verfehlen ihr Ziel 5 den nächsten sechs Jahren knapp zehn Milliarden Dollar unilateralen Aufkündigung des Nukleardeals mit dem zu investieren, um die Kapazität der ESPO-Pipeline zu Iran werden die USA voraussichtlich Präventivschläge ge- verdoppeln. gen den Iran durchführen. Damit wollen Trump und seine Die Ausweitung der Pipeline-Kapazitäten ist nötig, um Berater nicht nur Irans Nuklearoption verhindern und die auf 25 Jahre angelegte 270 Milliarden Dollar umfas- Regionalmachtambitionen begegnen, sondern auch China sende Vereinbarung zwischen dem russischen Öl-Gigan- einen Strich durch seine geopolitische Rechnung machen. ten Rosneft und der China National Petroleum Corpo- Militärschläge würden Instabilität fördern in einer ration (CNP) umzusetzen. Auch der staatlich gelenkte 18 Region, die weit weg von den USA ist. Ein Krieg würde es Energiekonzern Gazprom plant schon seit Längerem, eine dem Rivalen China erschweren, dringend benötigte Roh- Pipeline nach China zu bauen. stoffe aus dieser Region zu beziehen und weiteren Einfluss Die Sanktionsdrohungen des Westens in der Ukra- zu gewinnen. ine-Krise haben schließlich den über ein Jahrzehnt in China wäre umso mehr auf russisches Öl und Gas an- der Preisfrage uneinigen russischen und chinesischen gewiesen, das Russland wegen der Instabilität im Nahen Handelsführern zum Vertragsabschluss verholfen, den und Mittleren Osten dann auch noch zu höheren Preisen der russische Präsident bei seinem China-Besuch im Mai verkaufen könnte. 2014 als „epochal event“19 feierte. Nach dem „biggest Deshalb würde Russland außer verbalen Protesten we- contract“20, den Gazprom laut Aussage seines Chefs Alexej nig dagegen einwenden: Weil die Machthaber in Moskau Miller je eingegangen ist, wird Russland von 2018 an über dringend auf höhere Energiepreise angewiesen sind, um 30 Jahre jährlich 38 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Russlands von Öl- und Gasexporten abhängige Wirtschaft China liefern. 21 und damit das politische System zu stabilisieren. Die immensen Investitionen in Pipelines und andere In- Im Kreml ist man fest davon überzeugt, dass der Un- frastruktur kann insbesondere China aufbringen. Zumal tergang der Sowjetunion – laut Aussage des russischen das Reich der Mitte seit der von den USA verursachten Präsidenten Wladimir Putin die größte geopolitische Wirtschafts- und Finanzkrise 2007/2008 damit begonnen Katastrophe des 20. Jahrhunderts – weniger durch das hat, sich von der Interdependenz mit den USA zu lösen, Rüstungswettrennen und die wirtschaftliche Schwäche, indem es über seine „Seidenstraßeninitiative“ (One Belt, sondern hauptsächlich durch die – von Saudi-Arabien One Road) weltweit alternative Exportmärkte erschließt, verursachten – niedrigen Ölpreise befördert wurde. zunehmend Währungsreserven aus der sogenannten Es wäre demnach von iranischer Seite naiv zu erwar- Dollar-Falle nimmt und die eigene Währung behutsam ten, dass der Architekt eines weiterhin von Öleinnahmen internationalisiert. abhängigen „Neu-Russland“ Washington in den Arm Auch Moskau hat ein schon seit Längerem bekundetes fallen würde, wenn die USA nach der Aufkündigung des Interesse, den Dollar als einzige Weltleitwährung abzulö- Nukleardeals mit Präventivschlägen gegen das iranische sen, um ein multipolares Währungssystem zu etablieren. Regime vorgingen. China und Russland könnten dazu beitragen, indem sie Zumal heute das sunnitische Saudi-Arabien umso mehr ihre Handelsgeschäfte über ihre Währungen (zunächst in daran interessiert ist, seinem schiitischen Erzfeind Iran Form von Swaps)22 abwickeln. den Garaus zu machen und dementsprechend auch Russ- Die durch westliche Sanktionsdrohungen in der land finanzielle Anreize geben wird, damit der Kreml bei Ukraine-Krise forcierte Annäherung Russlands und einem Waffengang gegen den Iran stillhält. Chinas kann also nicht im Interesse der USA sein, zumal Dafür spricht auch das neue Kriegskabinett in Wa- die langfristig angelegten Pläne Moskaus und Pekings shington: Donald Trumps neuer Sicherheitsberater John darauf hindeuten, dass neben Nordkorea auch westlich Bolton, der mit seinem Besuch in Moskau den Gipfel zwi- orientierte Staaten wie Japan und Südkorea durch Ener- schen Trump und Putin in Helsinki vorbereitet hat, fordert gielieferungen noch stärker wirtschaftlich eingebunden schon seit Längerem: „To Stop Iran’s Bomb, Bomb Iran”24 werden sollen. Ohnehin sehen US-Strategen mit Sorge, 23 – um die iranische Atombombe zu verhindern, muss man dass Japan und Südkorea wirtschaftlich bereits mehr mit den Iran bombardieren. Trumps neuer Außenminister China verflochten sind als mit den USA. Mike Pompeo ist, anders als sein Vorgänger Rex Tillerson, in der Iran-Frage ebenso ein Hardliner. Schließlich hat man aus dem Nordkorea-Konflikt eine Konfrontation mit dem Iran Lehre gezogen:25 Wenn man zu lange wartet, gibt es keine Die Weltmacht USA wird diesen möglichen globalen Handlungsalternativen mehr. Bei nüchterner Betrachtung Kräfteverschiebungen nicht tatenlos zusehen. Nach der ist der „Nuklearzug“ in Nordkorea abgefahren. Trump DGAPkompakt / Nr. 13 / Juli 2018
Russland auf Partnersuche im Osten: US-Sanktionen verfehlen ihr Ziel 6 kann das nordkoreanische Regime nur noch eindämmen Das alternative Szenario wäre für Trump viel gefähr- und nicht mehr seine Nuklearkapazitäten mit Präven- licher: Im Regelfall verlieren US-Präsidenten bei den tivschlägen beseitigen. Im Wissen um ihre eigene mili- ersten Zwischenwahlen. Sollten die Mehrheiten beider tärische Stärke und die Verwundbarkeit amerikanischer Kammern des Kongresses an die Demokraten gehen und Truppen in der Region kann die nordkoreanische Führung Sonderermittler Mueller Belastendes gegen ihn ans Tages- der Weltmacht die Stirn bieten. Wenn man die jüngste licht bringen, müsste Trump mit einem Amtsenthebungs- Geschichte sieht, etwa Trumps unilaterale Aufkündigung verfahren rechnen. des Nukleardeals mit dem Iran, hat Pjöngjang ohnehin keinen Anreiz, mit Washington wirklich ernsthaft darü- ber zu verhandeln, seine Nuklearwaffen aufzugeben. Schlussfolgerungen für die deutsche Politik Anders sieht die Lage mit Blick auf das iranische Re- und Wirtschaft gime aus: Die USA könnten nachdem sie nun den Nukle- Politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger in ardeal mit dem Iran aufgekündigt haben, alsbald weitere Deutschland und Europa sollten sich darauf einstellen Konsequenzen folgen lassen. Sollten Trump und seine .. dass entgegen der hierzulande gehegten Hoffnungen Sicherheitsberater zu der Einschätzung kommen, dass der Trump nicht so schnell seines Amtes enthoben wird. Iran Atombomben baut, werden sie schnell reagieren und . . dass Trump die Sanktionen gegen den Iran weiter ver- Präventivschläge gegen den Iran durchführen. schärfen wird – und auch mit Härte gegen Firmen ande- Darüber hinaus gibt es auch innenpolitische Gründe rer Staaten vorgehen wird, die mit dem Iran weiterhin für eine militärische Option: Der damit verursachte Geschäfte betreiben wollen. Preis-Effekt würde auch von US-Shale-Gas-Produzenten .. dass notfalls militärische Präventivschläge gegen den begrüßt, die wegen hoher Produktionskosten und drü- Iran unter anderem auch verhindern können, dass Chi- ckender Finanzierungslasten bereits in ihrer Existenz na einmal mehr Nutznießer westlicher Sanktionen ist. bedroht sind.26 Merklich höhere Ölpreise würden zwar ei- .. dass die Abgeordneten und Senatoren im amerikani- nerseits viele amerikanische Konsumenten belasten. Doch schen Kongress ihre Sanktionen gegen Russland in bewahren sie andererseits die heimische Energieindustrie dem Maße lockern werden, in dem die angeschlagene vor Konkursen und deren unmittelbaren und gravieren- Weltmacht USA die „Regionalmacht“28 Russland be- den Auswirkungen auf das amerikanische Finanz- und nötigt, um die andere, aufsteigende Großmacht China Wirtschaftssystem. 27 einzudämmen. Der amtierende US-Präsident hat schließlich noch ei- nen weiteren innenpolitischen Grund für ein militärisches Vorgehen: die anstehenden Kongresswahlen im Novem- ber. Im Fall gezielter Luftschläge gegen den Iran kann er mit dem „rally around the flag“-Effekt rechnen – also damit, dass sich im Krisenfall seine Landsleute auch bei Dr. Josef Braml ist USA-Experte der Deutschen Gesell- Wahlen patriotisch hinter ihrem Präsidenten und Oberbe- schaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Autor des Buches fehlshaber stellen. „Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit“. DGAPkompakt / Nr. 13 / Juli 2018
Russland auf Partnersuche im Osten: US-Sanktionen verfehlen ihr Ziel 7 Anmerkungen 1 Amber Phillips, Mueller’s indictment of 12 syria-missile-chemical.html> (abgerufen am 21 Bridges, China, Russia clinch natural gas supply Russians lands at a really awkward moment for 14.7.2018). pact, 22.5.2014, (abgerufen am Russlands neue Außen- und Sicherheitspolitik: 23 Am 24. August 2011 informierte der damalige 14.7.2018). Präsident Wladimir Putin verabschiedet sich von russische Präsident Dmitri Medwedew die 2 Isobel Thompson, Trump’s fear of a deep state der liberalen Weltordnung, DGAPkompakt Nr. erstaunten Journalisten über die Ergebnisse coup has become full-blown hysteria, in: Vanity 12, Juli 2018, S. 2, 13 Ausführlicher: Josef Braml, In der Sanktionsspi- reas: „Wir haben unsere ausführenden Organe (abgerufen am 14.7.2018). rale, in: Handelsblatt, 12.2.2015, S. 48. angewiesen, eine Kommission einzurichten, um 3 Donald Trump zitiert in: Ashley Parker, Robert 14 So auch die Einschätzung von Joseph S. Nye, A den spezifischen Rahmen für eine bilaterale Costa und Felicia Sonmez, Trump says he Western strategy for a declining Russia, in: Pro- Zusammenarbeit beim Gastransit durch die accepts U.S. intelligence on Russian interfe- ject Syndicate, 3.9.2014, (abgerufen am Times, 20.5.2014, S. A1, (abgerufen 24 John R. Bolton, To Stop Iran’s Bomb, Bomb Iran, 5 Julie Pace, Trump acknowledges for first time am 14.7.2018). in: New York Times, 26.3.2015, (abgerufen am 11.7.2018, Was sind die Motive von Donald Trump?, Tages- Krieg führen“, in: Frankfurter Allgemeine (abgerufen am 14.7.2018). spiegel, 26.5.2018, (abgerufen am An Eastern partnership in the making? European 26 In erster Linie sind Produzenten gefährdet, die 14.7.2018). Union Institute for Security Studies (EUISS), nicht eigenes Kapital investieren, sondern sich 7 Ausführlicher: Josef Braml, Das Politische System Chaillot Paper No. 140, Dezember 2016, (abgerufen Forderungsausfälle nicht das Finanzsystem von 8 Matt Flegenheimer und David E. Sanger, am 14.7.2018). Ausführlicher zu dieser Frage ein Einzelstaaten oder gar wieder das US-Finanzsys- Congress reaches deal on Russia sanctions, Literaturbericht von Hannes Adomeit, Russland tem insgesamt gefährden. Die Bank für Internati- setting up tough choice for Trump, in: New und China – auf dem Weg zur strategischen Part- onalen Zahlungsausgleich schätzte bereits 2015, York Times, 22.7.2017, sparks rift with Transneft, in: Financial Times, 2,5 Billionen Dollar im Jahr 2014. Die meisten (abgerufen am 14.7.2018). 20.2.2014, (abge- Fracking-Industrie gemacht. Dietrich Domanski, Heather Stewart und Martin Chulov, Syria: rufen am 14.7.2018). Jonathan Kearns, Marco Jacopo Lombardi und US-Russia tensions build as Moscow hits back 19 Jane Perlez, China and Russia reach 30-year gas Hyun Song Shin, Oil and Debt, Bank for Interna- at Trump’s Twitter threat, Guardian, 11.4.2018, deal, in: New York Times, 21.5.2014, (abgerufen am 14.7.2018). am 14.7.2018). 28 So schon Trumps Vorgänger Barack Obama, der 10 Neil MacFarquhar, In Moscow, a sense of 20 Alexey Miller, Russia and China signed the diesen doch etwas abwertenden Begriff benutzte, relief after a limited Syria attack, in: New biggest contract in the entire history of Gazprom, um seinen russlandfeindlichen Kritikern im Kon- York Times, 14.4.2018,
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