WAS DU ERERBT VON DEINEN VÄTERN - Leipzig

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Erschienen in:
 Das Buch in Antike, Mittelalter und Neuzeit.
 Sonderbestände der Universitätsbibliothek
 Leipzig, hrsg. von Thomas Fuchs, Christoph
 Mackert und Reinhold Scholl, Wiesbaden
 2012 (Schriften und Zeugnisse zur Buchge-
 schichte 20). Wiesbaden : Harrassowitz,
 2012, S. 315-329

           WAS DU ERERBT VON DEINEN VÄTERN…
 DIE WIEDERERSCHLIEßUNG DES MÜNZKABINETTS DER UNIVERSI-
                  TÄTSBIBLIOTHEK LEIPZIG

                                      KLAUS THIEME

   Zu den beachtenswerten Beständen, die im Bereich der Sondersammlungen der Uni-
versitätsbibliothek Leipzig ihren Platz gefunden haben, gehört zweifellos die Münzsamm-
lung.

                    Abb 1: Chinesisches Messergeld, 5./6. Jh. v. Chr.

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Klaus Thieme, Was du ererbt von deinen Vätern…

          Abb 2: Römisches Schwergeld (Aes grave), Bronze, um 311-276 v. Chr.

     Ihre Anfänge liegen im Dunkeln, und es ist anzunehmen, dass nicht ein Gründungsvor-
gang an den Beginn gesetzt werden kann, sondern durch Vermächtnisse oder Schenkun-
gen sich eine Ansammlung von Münzen verschiedener Art zusammenfand. 1 Zu einer
ernst zu nehmenden Münzsammlung nach Umfang und Bedeutung ihres Inhaltes wurde
sie – damals noch selbstständiger Teil der Universität – erst durch den Erwerb der großen
Sammlung des Leipziger Kaufmannes und Stadtrates Karl Friedrich von Posern-Klett im
Jahre 1851. Diese umfasste 51.093 Münzen, unter denen vor allem der Anteil der Münzen
des Mittelalters mit 16.170 Stück für die numismatische Forschung am interessantesten
ist.
     Am 1. Januar 1852 erhielt die Münzsammlung mit dem Oberbibliothekar Dr. Ernst
Gotthelf Gersdorf einen Kustos. Unter seiner Leitung begann ihre zielgerichtete Erweite-
rung. Als deren Umfang ca. 60.000 Stück erreicht hatte, begann Gersdorf mit der Aufstel-
lung eines Bestandskataloges, der 13 voluminöse Bände umfasste, die noch heute zum
Buchbestand der Universitätssammlung gehören. 2 Für eine numismatische Auswertung
sind sie heute freilich von zweifelhaftem Wert.
     Als im Jahre 1909 die Universität ihr 500-jähriges Jubiläum feierte, wurde der Umfang
der Sammlung im von Prof. Dr. Friedrich Zarncke verfassten Katalog der Universitäts-Ju-
biläums-Ausstellung mit „etwa 90.000 Stück“ angegeben. Über die Richtung, in der sich
die Entwicklung der Sammlung seit ihrem Anwachsen zu wissenschaftlicher Bedeutung zu
bewegen hatte, war durch deren Inhalt [...] und durch ihre Eigenschaft als Sammlung der

1 Eine ausführliche Darstellung der Geschichte der Münzsammlung der Universität Leipzig bis zu ihrer
  Rückführung bietet Jäger, Roland: Aus der Geschichte der Münzsammlung der Universität Leipzig. In:
  Erfurter Münzblätter, Erfurt 5, 1997 (1998) 1; S. 47–54; ebenso mit weiterführender Literatur Ma-
  ckert, Christoph: Die Münzsammlung der Universitätsbibliothek Leipzig und ihr Brakteatenbestand.
  In: Thieme, Klaus: Brakteaten der Markgrafschaft Meißen und ihrer Nachbarn zwischen Saale und
  Neiße. Bestandskatalog, Leipzig: Universitätsverlag, 2011, S. V–XI.
2 UB Leipzig, Archiv der Münzsammlung, Nr. 6.

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Klaus Thieme, Was du ererbt von deinen Vätern…

Universität Leipzig gegeben [... und es] wurden und werden besonders die Reihen der mit-
telalterlichen Münzen, namentlich der Brakteaten, [...] ergänzt – eine Ausrichtung auf
Schwerpunkte, die bis zur Gegenwart ihre Gültigkeit behalten haben. 3

      Abb 3: Byzantinischer Schüsselpfennig (Skyphat) Kaiser Manuels I. Komnenos

   Der erste Aderlass drohte der alten Münzsammlung im Jahre 1935, als alle Goldmün-
zen wie auch Silbermünzen melde- und zu großen Teilen abgabepflichtig wurden.
   Da es sich im Falle der Universität aber um Sammlungsgut handelte, das nicht unter
den Begriff der Devisen zu bringen war, ging dieser Kelch vorüber. 4 Schwerwiegender war
dann freilich die Aktion, die 1941 anlief, um die Sammlungsbestände gegen ihre Vernich-
tung durch Luftangriffe zu schützen. Der Direktor der Münzsammlung, Prof. Dr. Julius
Benno Hilliger, befürwortete, 5 um die Sammlung nicht aus dem Hause geben zu müssen,
einen splittersicheren Ausbau einiger Räume als Aufbewahrungsort. 6 Als Alternative
wurde eine Auslagerung in die Albrechtsburg in Meißen vorgeschlagen, die aber wegen
der Feuchtigkeit in den vorgesehenen Räumen abgelehnt wurde.

3 Zarncke, Eduard: Die Münzsammlung der Universität, in: Katalog der Universitäts-Jubiläums-Ausstel-
  lung Leipzig 1909, Leipzig: Fritz Eckardt Verlag, 1909, S. 24–26, hier S. 25.
4 Vgl. Schreiben der Reichsbankhauptstelle Leipzig an den Kustos der Münzsammlung Benno Hilliger
  vom 24. Juli 1935 und von der Reichsbank Berlin vom 25. Oktober 1938. In: Dokumente zur Ge-
  schichte der Münzsammlung der Universität Leipzig (UB Leipzig, Archiv der Münzsammlung, Nr. 9),
  S. 401–403 und S. 365.
5 Hilliger arbeitete bis in sein hohes Alter an metrologischen Fragen zur Feststellung von Münzgrund-
  gewichten. Er publizierte fleißig, dies aber nicht in numismatischen Zeitschriften und ganz unabhän-
  gig von der ihm anvertrauten Sammlung; vgl. Vorläufiges Verzeichnis der Schriften von Prof. Dr. Hil-
  liger. In: Dokumente zur Geschichte der Münzsammlung (wie Anm. 4), S. 91–95.
6 Vgl. Zwei Schreiben von Benno Hilliger an das Sächsische Ministerium für Volksbildung Dresden vom
  24. September und 8. Oktober 1941. In: Dokumente zur Geschichte der Münzsammlung (wie Anm.
  4), S. 339-341 und S. 329–331.

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Klaus Thieme, Was du ererbt von deinen Vätern…

             Abb 4: Unikale Goldmünze aus ar-Ramla/Palästina, Frühjahr 976

    Wie aus dem Briefwechsel deutlich wird, stemmte Hilliger sich beharrlich gegen eine
Auslagerung der Sammlung, aus der Überzeugung heraus, dass sie damit vom Verlust be-
droht sei. Diese Befürchtung war, wie sich herausstellte, nicht gegenstandslos, sein Wi-
derstand freilich blieb erfolglos.
    Über das Datum der Auslagerung ist nichts bekannt und auch nicht darüber, auf wel-
che Art und Weise die Sammlung verpackt worden war. Aus der Korrespondenz, die Hil-
liger mit den für die Auslagerung verantwortlichen Dienststellen führte, geht hervor, dass
er nicht nur um die Sicherheit der Sammlung besorgt war, sondern auch darum, ihre Ord-
nung nicht zu zerstören. Es ist wahrscheinlich, dass die Münzen auf ihren Lagerorten, also
auf den Tabletts blieben und so in die Transportkisten gelegt wurden. Das setzt natürlich
voraus, dass diese Auslagerung ordnungsgemäß erfolgte und das war in dieser Zeit nicht
sicher.
    Es scheint, als wäre der Zweite Weltkrieg für die Münzsammlung im Keller des Schlos-
ses Mutzschen ohne Verluste zu Ende gegangen, vorausgesetzt, dass nicht ein Zeitge-
nosse, dem der Lagerort der Schätze bekannt und die Gelegenheit günstig war, noch vor
dem Zugriff der entsprechenden Kommissionen der Besatzungsmächte seinen Beutean-
teil abgezweigt hatte. Im Sommer 1945 wurde die Sammlung als Kriegsbeute von Mutz-
schen aus in die Sowjetunion abtransportiert.
    Nachdem die Münzsammlung der Leipziger Universität fast vergessen und als Kriegs-
verlust abgeschrieben war, wurde sie ganz offiziell in einem Schreiben vom 24. Februar
1959 wieder beim Eigentümer in Erinnerung gerufen. Prof. Dr. Arthur Suhle, Leiter des
Münzkabinetts der Staatlichen Museen Berlin, teilte dem Rektor der Universität Leipzig,
Professor Dr. Georg Mayer, Folgendes mit: Die Sammlung sei im Jahre 1958 in Leningrad
zum Transport verpackt und im November des gleichen Jahres mit dem nach Berlin gehö-
renden Kulturgut dorthin geschickt worden. Sie befinde sich gegenwärtig in den Räumen
des Staatlichen Münzkabinetts Berlin. (Eine dazu gehörige Kiste war aus Versehen in die
Deutsche Staatsbibliothek gelangt, dann aber zu den anderen Behältnissen im Münzkabi-
nett gebracht worden.) Es handele sich um ca. 81.000 Münzen, die vorläufig nach Metal-
len geordnet seien. 7

7 Vgl. Schreiben von Arthur Suhle, Münzkabinett Berlin an Georg Mayer, Universität Leipzig, 24. Fe-

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Derjenige, der an die Ordnung dieser Sammlung gesetzt wird, hat mindestens 10 Jahre
damit zu tun. Außerdem sind unbedingt Schränke notwendig, in die die Münzen und Me-
daillen eingelegt werden können. Ich habe nun persönlich ein großes wissenschaftliches
Interesse an dem mittelalterlichen Teil der Sammlung, der sich zum größten Teil aus der
Privatsammlung eines Herrn von Posern-Klett zusammensetzt und der über sie ein Buch
herausgegeben hat. In ihr sind sehr wichtige Münzen, die ich für meine Arbeit auf dem
Gebiet der Stauferzeit dringend benötige. Aus diesem Grunde möchte ich nicht, dass
diese Kisten nach Leipzig wandern und dort in einem Tresor abgestellt werden und vor-
läufig für ihre Nutzbarmachung garnichts geschieht. Ich habe nun einen Schüler zur Hand,
der in Leipzig zu Hause ist und der bereit wäre, diese Arbeit zu übernehmen. Für ihn
müsste aber erst eine Assistentenstelle an der Universität in Leipzig geschaffen werden. 8
    In Leipzig war das Echo auf diese Nachricht geteilt. Seit dem Jahre 1953 trug die Uni-
versität Leipzig den „Ehrennamen“ Karl Marx. Das war ein Programm, und die Aufgaben,
die mit der Übernahme der Münzsammlung verbunden waren, konnten nur von anderen,
damals offenbar wichtigeren Aufgaben und Vorhaben ablenken. Immerhin herrschte zu
dieser Zeit, im Zusammenhang mit der vorsichtigen Aufarbeitung der Stalin-Ära, eine ide-
ologische Unsicherheit, die der Leitung der Universität bei ihren Bemühungen um den
Aufbau einer sozialistischen Universität alle Kräfte abverlangte. Die Rückführung der nach
dem Kriegsende in die Sowjetunion transportierten Kunst- und Kulturschätze konnte zwar
als Beispiel der Verbundenheit der sozialistischen Bruderländer propagandistisch wirk-
sam eingesetzt werden und wurde dies auch, aber damit hatte es sein Bewenden. An der
ideologischen Front war mit Münzen und Medaillen aus Mittelalter und Feudalismus
wirklich nichts zu gewinnen.
    Bei dieser Lage der Dinge erschien ein „Sowohl als auch“ als die beste Lösung: Das
Eigentumsrecht der Universität an der Sammlung sollte gesichert, die Sammlung jedoch
in Berlin gelassen werden, da man dafür weder Leute, Lagerraum noch Verwendung
hatte.
    Arthur Suhle, nachdem er die Probleme ausgebreitet hatte, welche die Übernahme
der Sammlung für Leipzig mit sich bringen würde, ruderte etwas zurück und minimierte
sein Interesse. Meines Wissens besteht die Leipziger Münzsammlung im wesentlichen aus
der früheren Sammlung des Herrn von Posern-Klett. Hierauf beruhte schon immer die Be-
deutung der Sammlung. Das kann aber nur ein kleiner Teil der Sammlung sein [... es]
dürfte der größte Teil aus keinen wertvollen Münzen bestehen [...] und es fragt sich, ob es
sich [...] überhaupt lohnt, hierfür den nötigen Platz zu schaffen wie auch einen besonderen
Fachmann einzustellen. Ich würde im Laufe der Zeit die Münzsammlung durchsehen las-
sen [...]. 9
    Und so wurde folgende Lösung fixiert: Die Münzsammlung der Universität Leipzig wird
dem Staatlichen Münzkabinett zu Berlin zu treuen Händen überlassen. Das Eigentums-
recht der Karl-Marx-Universität [d.h. der Universität Leipzig] an der Sammlung bleibt be-
stehen. Die Universität behält sich vor, die Sammlung nach Leipzig zurückzuführen. 10

   bruar 1959. In: Dokumente zur Geschichte der Münzsammlung (wie Anm. 4), S. 283–285.
8 Dokumente zur Geschichte der Münzsammlung (wie Anm. 4), S. 283.
9 Schreiben von Arthur Suhle, Münzkabinett Berlin an Harro Walde, Justitiar der Universität Leipzig
   vom 22. April 1959. In: Dokumente zur Geschichte der Münzsammlung (wie Anm. 4), S. 273.
10 Schreiben von Georg Mayer, Universität Leipzig an Arthur Suhle, Münzkabinett Berlin vom 10. Juni
   1959. In: Dokumente zur Geschichte der Münzsammlung (wie Anm. 4), S. 259.

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     Der Bewerbung des Schülers von Suhle wurde nicht nähergetreten, weil die Münz-
sammlung vorläufig nicht nach Leipzig überführt werden kann [... Deshalb] ist auch die
Anstellung eines Fachmanns zur Betreuung der Münzsammlung z. Zt. nicht möglich. Die
Überführung der Münzsammlung [...] wird wohl erst in einigen Jahren möglich sein. 11
     Nach vier Jahren, in denen es auch Veränderungen im Rektorat gegeben hatte, began-
nen an der Universität Bemühungen, die Münzsammlung zurück nach Leipzig holen. Am
Anfang standen Irritationen, denn Suhle vom Münzkabinett in Berlin war nach wie vor
der Meinung, dass die Sammlung in Berlin besser aufgehoben sei. 12 Er stellte aber die
wissenschaftliche Bearbeitung der Sammlung in den Mittelpunkt seines Interesses und
wollte die Universitätsbibliothek auch an Ort und Stelle mit Rat und Tat unterstützen. 13
     Aus der vorliegenden Korrespondenz geht nicht hervor, dass die Universitätsbiblio-
thek auf diese Angebote eingegangen wäre. Es wurden eigene Konzeptionen entwickelt,
die jedoch in der Rückschau recht unwirklich erscheinen. Es wird für die Lagerung des
noch verpackten Bestandes von einem besonders gesicherten Magazin 14 gesprochen, und
von einer Fertigstellung der 1964 schon im Plan enthaltenen Münzschränke, nach welcher
die Aufarbeitung und Katalogisierung des Materials beginnen könnte. Da diese Vorstel-
lungen auch an Baumaßnahmen am schwer beschädigten Bibliotheksgebäude gebunden
waren, wird das Utopische im Falle dieser doch kurzfristig zu realisierenden Maßnahmen
deutlich. Die Frage nach dem Fachmann sollte dadurch gelöst werden, dass der vor Jah-
ren abgelehnte Bewerber gewonnen werden sollte, für den bis spätestens 1965 eine ent-
sprechende Planstelle geschaffen werden würde.
     Der Rücktransport der Leipziger Münzsammlung erfolgte am 10. April 1964 unter der
Begleitung von Dr. Dietmar Debes von der Universitätsbibliothek. Zur Übergabe gelang-
ten sechs Kisten. Ein Bestand von 1.772 Brakteaten und 25 Dichtmünzen verblieben im
Münzkabinett Berlin zur Bestimmung. 15
     Ob eine vorhandene Quittung über die Übernahme einer Kiste (Inhalt: Münzen und
Medaillen) mit Datum vom 17. August 1967, von Suhle und Roggisch unterzeichnet, 16 Be-
zug zu dem in Berlin verbliebenem Teil der Sammlung hat, ist nicht sicher. Während der
in Berlin verbliebene Bestand an Mittelaltermünzen erkennbar beschrieben ist, bleibt die
Inhaltsangabe der übernommenen Kiste völlig allgemein und auch im Umfang unbe-
stimmt. Die Angabe [...] und Medaillen wäre im Zusammenhang mit mittelalterlichen
Münzen völlig unmöglich.
     Weiterhin ist unklar, wie die unterschiedliche Anzahl der Transportkisten zu bewerten
ist, die in den verschiedenen Schriftstücken genannt wird. Im Auftrag vom 24. März 1964

11 Schreiben von Harro Walde, Justitiar der Universität Leipzig an Paul Arnold vom 13. Juli 1959. In:
   Dokumente zur Geschichte der Münzsammlung (wie Anm. 4), S. 253.
12 Vgl. Schreiben von Arthur Suhle, Münzkabinett Berlin, an Prof. Dr. Johannes Müller, Universitätsbib-
   liothek Leipzig, vom 26. April 1963. In: Dokumente zur Geschichte der Münzsammlung (wie Anm. 4),
   S. 247.
13 Vgl. Schreiben von Arthur Suhle, Münzkabinett Berlin, an Rektor Prof. Dr. Georg Müller, Universität
   Leipzig, vom 15. Januar 1964. In: Dokumente zur Geschichte der Münzsammlung (wie Anm. 4), S.
   215.
14 Hier und im Folgenden: Schreiben von Dietmar Debes, Universitätsbibliothek Leipzig, an Georg Mül-
   ler, Universität Leipzig, vom 1. Februar 1964. In: Dokumente zur Geschichte der Münzsammlung (wie
   Anm. 4), S. 211.
15 Übergabe-Übernahme-Protokoll vom 10. April 1964. In: Dokumente zur Geschichte der Münzsamm-
   lung der Universität Leipzig (wie Anm. 4). S. 205.
16 Quittungszettel mit Datum 17. August 1967. In: Dokumente zur Geschichte der Münzsammlung (wie
   Anm. 4), S. 195.

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an die Deutsche Spedition in Berlin über den Transport der Münzen ist von fünf Kisten
die Rede, im oben genannten Übergabeprotokoll vom 10. April 1964 und einem weiteren
Schreiben vom 5. Mai 1964, 17 in dem die Versiegelung protokolliert wird, sind es sechs.
In dem Artikel über die Geschichte der Münzsammlung von Dr. Roland Jäger 18 ist aber
dann nur von vier Kisten die Rede, die von der Universität Leipzig übernommen wurden.
Diese Unstimmigkeit in den Angaben ist zur Zeit ihrer Entstehung wahrscheinlich nie-
mand aufgefallen und wird sich heute wohl nicht mehr klären lassen.
    Nachdem nun die Münzen in der Universitätsbibliothek untergebracht waren, fehlte
nur noch ein Fachmann, der die Sammlung in Ordnung bringen konnte. Diese Aufgabe
wurde Arnold Roggisch übertragen, einer in der Universität verfügbaren Arbeitskraft, der
aber eine entsprechende numismatische Ausbildung noch nicht erhalten hat.
    Um das Jahr 1968 – das genaue Datum lässt sich heute nicht mehr ermitteln – ging an
die Fachgruppe Numismatik Leipzig, welche die in der Stadt Leipzig ihrem Hobby als
Münzsammler nachgehenden Sammlerfreunde umfasste, die Bitte, einige kundige Bun-
desfreunde zu benennen, die in der Universitätsbibliothek Ordnungsarbeiten an dem aus
der Sowjetunion zurückgeführten Bestand übernehmen könnten. Diese Bitte wurde
durch die Bezirksleitung Leipzig des Kulturbundes der DDR, der Dachorganisation der
Fachgruppen der verschiedenen Natur- und Heimatfreunde, übermittelt und dringlich ge-
macht.
    Dieses Hilfeersuchen erregte höchste Verwunderung. Sollte eine Institution mit hoch-
qualifizierten Historikern nicht in der Lage sein, solche Aufgaben aus eigener Kraft zu lö-
sen? Es konnte sich eigentlich nur um eine nebensächliche Angelegenheit handeln, die
auch Laien bewältigen können. Was also war der Auslöser dieser Aktion?
    Eines Tages, vielleicht ein paar Wochen vor dem Hilferuf, fand eine Reinigungskraft im
Kehricht, den sie in ihrem Revier, dem Kellergang des weggebombten Ostflügels der Uni-
versitätsbibliothek, zusammengekehrt hatte, eine alte Münze aus dem 16. Jahrhundert,
einen Dreier der Grafen von Hohnstein, wie gesagt wurde. Dieses Fundstück ging nun,
vielleicht vom Hausmeister beginnend, den Instanzenweg empor, denn dieser Vorfall
musste geklärt werden. Immerhin standen in diesem Kellergang vier (?) Kisten mit unge-
fähr 80.000 Münzen, der Rest der alten Universitätssammlung. Eine dieser Kisten hatte
ein größeres Loch an einer Seite, das aber mit einem Stück Hartfaserpappe ziemlich locker
vernagelt worden war. Fatalerweise stand diese Kiste vornean.
    Publik ist der peinliche Vorfall freilich nicht geworden, aber sicher wurden Nachfor-
schungen angestellt, und offenbar hatte ein Staatsanwalt den Fall in die Hand bekommen.
Aber die Handwerker, die den Tatort bei der Verrichtung ihrer Arbeit durchschritten,
wussten natürlich nicht, wie der Dreier neben die Kiste mit dem Schadensloch gekommen
war. Der Staatsanwalt hatte zwar keinen Täter, aber wohl sicher einen Adressaten für
seine deutlichen Worte gefunden. Immerhin handelte es sich bei dem Vorfall um Dieb-
stahl von Volkseigentum, und da hörte der Spaß auf.
    Und damit wird auch klar, was die Bitte an die Münzsammler um Mithilfe wohl war:
purer Aktionismus. Man musste vorweisen, dass in Sachen Münzsammlung wirklich et-
was geschah.

17 Vgl. Protokoll vom 5. Mai 1964, unterschrieben von Johannes Müller, Direktor der Universitätsbibli-
   othek. In: Dokumente zur Geschichte der Münzsammlung (wie Anm. 4), S. 197.
18 Vgl. Anm. 1.

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   Die Reaktion der Münzsammler in der Fachgruppe war eher zurückhaltend. Da von
einem Honorar keine Rede war und wohl auch der eigene Kenntnisstand von der Mehr-
zahl der Sammler als nicht als ausreichend eingeschätzt wurde, blieb die Anzahl der Kan-
didaten bescheiden. Von fünf Hilfswilligen blieben drei, darunter auch Prof. Dr. Günther
Röblitz, der sich bald zurückzog, später aber auf dem Gebiet der Meißner Groschen sich
einen Namen machte; 19 die beiden anderen, Günther Breiter und Klaus Thieme, waren
längere Jahre im Dienst.
   Die Objekte ihrer Bemühungen lagerten, wie oben gesagt, in mehreren, ziemlich leicht
gezimmerten Holzkisten, jede ungefähr 1,00 x 0,50 x 0,40 m groß, in einem Gang des
Ostflügels, von dem ja nur noch der Keller existierte.
   Die Münzen selbst steckten in verschiedenen Behältnissen. Am auffälligsten waren die
Pappkartons in unterschiedlichen Abmessungen. Zum Teil befanden sich darin Tütchen
mit russisch geschriebenen Bestimmungsangaben für die inliegenden Münzen, bei glei-
chen Nominalen und Münzbildern auch mehrere Exemplare in einer Tüte. In dieser Form
fanden sich z. B. die Kölner Pfennige des Mittelalters. Sie waren zweifellos in Leningrad
bearbeitet worden, freilich nach überholter Literatur. In anderen Kartons lagen die Mün-
zen einzeln, wie hineingeschüttet.

    Abb 5: Kartons und Tüten von der Bearbeitung der Münzsammlung in der UDSSR

19 Die Lücke in der Reihe der sächsischen Prägungen, die durch den Verlust der Meißner Groschen des
   14. und 15. Jahrhunderts als Folge der Auslagerung der alten Universitätssammlung entstanden war,
   schließt heute die Sammlung Röblitz, die um das Jahr 1985 von der Universitätsbibliothek angekauft
   wurde; vgl. Hausmann, Ewald: Münzen der Groschenzeit der Markgrafschaft Meißen und des Kur-
   fürstentums Sachsens, Leipzig: Universitätsverlag, 2011.

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    Eine weitere Form einer Verpackung bestand aus Ergänzungsblättern für Briefmarken-
alben im auch heute noch üblichen Albenformat. Auf die Blätter wurden die Münzen ge-
schüttet und die vier Blattseiten so nach innen geschlagen, dass sich ein rechteckiges
Päckchen bildete. Es scheint, als wäre dies die Verpackung gewesen, in der die Münz-
sammlung aus dem Keller des Schlosses Mutzschen ihre Reise in die Sowjetunion ange-
treten hatte, denn dass sich in Leningrad derartige Albumblätter als Verpackungsmaterial
gefunden hätten, ist eher unwahrscheinlich. Eventuell handelte es sich auch um Materi-
alien aus der Berliner Zwischenlagerungszeit.
    Nun trafen sich also mehr oder weniger regelmäßig, mittwochs nach der Arbeitszeit,
drei Münzfreunde einmal pro Woche für zwei Stunden, um vier Kisten Münzen zu ordnen.
Die Aufsicht führte der Bearbeiter der Universitätssammlung Arnold Roggisch, der selbst
kein Numismatiker war und sich an den Ordnungs- und Bestimmungsarbeiten nicht be-
teiligte.
    Eine Vorstellung davon, welche Zeiträume für diese Arbeit aufgewendet werden
müssten, hatten weder diese Drei noch irgendein Angehöriger der Universität. Heute, mit
dem Abstand der Jahrzehnte, ist deutlich, dass zumindest bei Beginn der Ordnungsarbeit
nur eine Alibiaktion installiert worden war. Trotzdem hatten beide Seiten, Universität wie
Sammler, ihre Vorteile davon, denn die Arbeit an numismatischen Objekten dieser Viel-
falt war eine münzkundliche Schule, welche kein Studium hätte leisten können.
    Der Arbeitsraum war beengt, hatte aber den Vorteil, dass die notwendige Fachlitera-
tur im Raum vereinigt und mit drei Schritten erreichbar war. Mit der Zeit stellte sich auch
eine eigene Arbeitsmethode ein: Aus den im Kellergang abgestellten Kisten wurden von
Roggisch ein paar Päckchen oder Pappkästchen geholt, aus denen sich jeder etwas Pas-
sendes aussuchte. Deren Inhalt wurde auf den vorhandenen Tabletts, die nach ihrer Lee-
rung in den Kellern des Mutzschener Schlosses wieder in die Universitätsbibliothek ge-
langt waren, ausgelegt und grob sortiert. Dann wurde das Endergebnis der Bestimmung
auf Tüten geschrieben (die anfangs von zu Hause mitgebracht worden waren), die be-
stimmte Münze eingelegt und in ein geleertes Pappkästchen gelegt. Kleinere Münzgrup-
pen, zu denen noch weitere Stücke zu erwarten waren, blieben auf dem Tablett und harr-
ten der Ergänzung. Diese Arbeitsmethode führte natürlich zu keinem zielführenden Er-
gebnis. Diese Einschätzung wurde wohl auch von der Leitung der Universitätsbibliothek
geteilt.
    Mit der Verantwortung für eine ergebnisorientiertere Weiterführung der Ordnungs-
arbeiten der Sammlung wurde im Jahre 1978 ihr Kustos Roland Jäger betraut. Nun gab es
Prioritäten und das notwendige Material: Karteikarten, Umschläge, Karteikästen und Bü-
roklammern. Ein Spielzeug-Stempelkasten wurde besorgt und als Rationalisierungsmaß-
nahme beim Ausfüllen der Karteikarten eingesetzt.
    Schwieriger war die Beschaffung einer Waage. Das Gewicht sollte zunächst mit einer
neu beschafften Waage bestimmt werden, der besten, die zu haben wäre. Aber das Meis-
terwerk bulgarischer Feinmechanik war nicht brauchbar und da eine bestellte elektroni-
sche Waage auch nach drei Jahren noch nicht geliefert war, wurden die Münzgewichte
mit Laborwaagen festgestellt. Am Anfang stand aber eine große und allgemeine Sortie-
rung, die Auskunft über die Anzahl der in der Sammlung überhaupt noch vorhandenen
Münzen und Medaillen geben konnte und im Jahre 1979 abgeschlossen wurde. Diese
Zählung ergab 82.838 Münzen und Medaillen. Damit waren die Transportkisten geleert,
die Sammlung endlich wieder in ihrer Heimat angekommen

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    Die Situation der Sammlung, personell wie räumlich, konnte nur als ein Interim aufge-
fasst werden, denn für einen Neuaufbau waren keine Möglichkeiten gegeben. Das be-
deutete, dass die ideale Form, die vollständige auf Tabletts liegende Sammlung, zwar als
Fernziel gedacht, aber auf absehbare Zeit nicht realisierbar war. Es galt, dieser Tatsache
Rechnung zu tragen und die Arbeitsziele so zu setzen, dass sich die Arbeitsergebnisse si-
cher und ohne Substanzverlust in andere, günstigere Verhältnisse überführen lassen
konnten. Die Münzen kamen also einzeln in Tüten, deren knappe Beschriftung über ihren
Inhalt Auskunft gab und ein ständiges Aus- und Einlegen überflüssig machte. Die Angaben
über Gewicht, Fundprovenienz, Erhaltungszustand bzw. Schäden, eine ausführlichere Be-
schreibung und Hinweise auf das entsprechende Zitierwerk befanden sich auf den Kartei-
karten, die den Tüten (eigentlich Briefumschlägen) angeheftet waren. Durch gruppen-
weise Unterbringung in Karteikästen wurde der Überblick in größerem Rahmen erhalten.
Nach Abschluss der Bestimmung eines Gebiets bekamen die bestimmten und zugeordne-
ten Münzen ihre Inventarnummer, die auch auf der Karteikarte vermerkt wurde, bei der
Eintragung in ein Zugangsbuch; ein recht umständliches Verfahren, aber es bewährte
sich.
    Die Bearbeiter erhielten nun ihre speziellen Arbeitsgebiete. Nach dem Ausscheiden
von Günther Röblitz war Ewald Hausmann 1979 in die Arbeitsgruppe gekommen und
wählte sich die Münzen des antiken Roms als Arbeitsgebiet, während Günter Breiter nach
wie vor Sachsen und Klaus Thieme das Mittelalter bearbeiteten. Roland Jäger beschäf-
tigte sich, wenn es seine Zeit erlaubte, mit den endlosen Reihen der Markgrafschaft Bran-
denburg und Preußens.
    Priorität der Bearbeitung hatten die Münzen der Regionen, die auf dem Gebiet der
DDR lagen. Das wurde schon vom Vorhandensein der zugehörigen Fachliteratur diktiert,
aber auch von der Überlegung, dass nachfragende Interessenten wahrscheinlich vorwie-
gend aus der DDR zu erwarten wären. Diese Annahme stellte sich auch bis zum Ende der
DDR als richtig heraus, wurde aber durch die Zeitereignisse überholt.
    Einen großartigen Qualitätssprung für die Universitätssammlung und für die mit ihr
befassten Numismatiker stellte im Jahr 1998 der Umzug in die Räume im neu errichteten
Teil des Bibliotheksgebäudes dar, in dem nun auch neue Münzschränke eine übersichtli-
che und großzügige Präsentation der Münzschätze erlauben. Seit der Auslagerung der
Sammlung war das nicht mehr möglich gewesen. Diese Aufschwungphase erlebte einer
der bisherigen Mitarbeiter, Günter Breiter, schon nicht mehr, da er die Bearbeitung der
sächsischen Münzreihen zu Ende geführt hatte und aus Altersgründen nichts Neues mehr
anpacken wollte. Bald danach beendete auch Roland Jäger seine Tätigkeit als Kustos der
Münzsammlung der Universitätsbibliothek Leipzig. Die verhältnismäßig rasche Überfüh-
rung der in den Umschlägen lagernden, bearbeiteten Münzen auf die neuen Tabletts be-
stätigte die Richtigkeit der Jahrzehnte früher angestellten Überlegungen.
    Für die inzwischen auf zwei freiwillige wissenschaftliche Mitarbeiter geschrumpfte
„Belegschaft“ der Universitätssammlung war der nun erstmalig möglich gewordene Über-
blick über schon fast vergessene Münzgruppen ein Anreiz, bestimmte reichhaltige Be-
stände genauer unter die Lupe zu nehmen. Es erschien wichtig, die Schwerpunkte der
Sammlung nun auch deutlicher als solche herauszustellen. Bei diesem Unterfangen fan-
den beide Mitarbeiter seit November 2000 volle Unterstützung durch Dr. Christoph Ma-
ckert, den neuen Kustos der Münzsammlung, der für die Sammlung Entwicklungsmög-
lichkeiten zu neuer Wirksamkeit zeigte und eröffnete.

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Klaus Thieme, Was du ererbt von deinen Vätern…

    Neben der reinen Arbeit an der Erfassung und Gliederung des Münzbestandes erfolgte
nun an einigen Schwerpunkten eine Weiterführung der Ergebnisse in die Form von Pub-
likationen.
    Als erstes dieser Projekte, die dafür in Frage kamen, bot sich die Weiterführung der
Reihe Sylloge Nummorum Graecorum Deutschland an.
    Die Arbeit an Teilpublikationen der Sammlung begann bereits in den 1980er Jahren.
Das Berliner Münzkabinett stellte seine Mitarbeiterin Dr. Sabine Schultz für die Bearbei-
tung der griechischen Prägungen frei, wohl als Ausdruck der Wertschätzung für diesen
Teil der Sammlung. Dafür wurden die Münzen nochmals ausgelagert. Wie sich zeigte, ging
die professionelle Bearbeiterin in der gleichen Weise vor, welche die Laien-Numismatiker
auch für sich gewählt hatten. Bei diesem Projekt kamen aber die Fotos für die Münzab-
bildungen hinzu, deren Realisierung von Ewald Hausmann übernommen wurde.
    Nach langen Verzögerungen wegen zu geringem Papierkontingent und Mangel an der
verfügbaren Druckkapazität erschien der 1. Band „Autonome griechische Münzen“ erst
mit Hilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Jahre 1993. 20 Der 2. Band dieser
Reihe, ,,Römische Provinzialprägungen, Addenda und Corrigenda zum 1. Band“, bearbei-
tet von Ewald Hausmann, wurde – ebenfalls mit Unterstützung durch die Deutsche For-
schungsgemeinschaft – im Jahre 2008 vorgelegt. 21
    Ein zentrales Ziel waren Kataloge zu den historischen Münzen des sächsischen Be-
reichs, zuvorderst der Münzen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Was die Braktea-
ten anging, zeigte sich bei der gründlichen Durcharbeitung des Fundes von Paunsdorf, der
im Jahre 1856 von der Universität erworben worden war, dass er durch seine Zusammen-
setzung geeignet ist, bei der Klärung einiger Fragen über die Brakteatenprägung der deut-
schen Kaiser/Könige am Beginn des 13. Jahrhunderts zu helfen. Die Ergebnisse dieser Un-
tersuchung sind in den Bestandskatalog der Brakteaten der Markgrafen von Meißen und
ihrer Nachbarn zwischen Saale und Neiße aufgenommen, der auf der Basis der seit Jahren
gesammelten Daten und Überlegungen von Klaus Thieme bearbeitet wurde. 22

20 Schultz, Sabine: Autonome griechische Münzen. Sylloge nummorum Graecorum – Deutschland.
   Sammlung der Universitätsbibliothek Leipzig, Bd. 1, München: Hirmer, 1993.
21 Hausmann, Ewald: Römische Provinzialprägungen, Addenda und Corrigenda zum 1. Band. Sylloge
   nummorum Graecorum – Deutschland. Sammlung der Universitätsbibliothek Leipzig, Bd. 2, Mün-
   chen: Hirmer, 2008.
22 Thieme: Brakteaten (wie Anm. 1).

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Klaus Thieme, Was du ererbt von deinen Vätern…

                Abb. 6: Brakteat Markgraf Konrads von Meißen, um 1150

   Ein zweiter Bestandskatalog, der die oben erwähnten Meißner Groschen der Samm-
lung Röblitz umfasst, wurde von Ewald Hausmann bearbeitet. Beide Veröffentlichungen
sind 2011 erschienen. 23

            Abb 7: Groschen Markgraf Friedrichs II. von Meißen (1324-1349)

    Eine selbst gewählte und gern geleistete Aufgabe, der sich die Universitätssammlung
seit dem 19. Jahrhundert unterzogen hat, ist die, ihre Münzbestände den interessierten
Numismatikern bekannt zu machen und ihnen damit bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit
zu helfen. In der Fachpresse wie in Monographien oder Katalogen gibt es seit dem Ende
des 19. Jahrhunderts viele Hinweise auf die Münzsammlung der Universität Leipzig als
Standort sonst nicht bekannter Münzen. Diese Verweise fehlen natürlich nach dem Ende
des Zweiten Weltkrieges, und die wenigen, die bis zum Ende des 20. Jahrhunderts zu fin-
den sind, fußen auf Angaben in der älteren Literatur. Die Universitätssammlung drohte in
Vergessenheit zu geraten.
    Nach dem Verschwinden der innerdeutschen Grenze, vor allem aber nach dem Umzug
in die neuen Sammlungsräume, haben die Besuche von numismatischen Autoren zuge-
nommen, zumal es sich unter Fachleuten herumgesprochen hat, dass vor allem auf dem
Gebiet der Mittelalternumismatik in Leipzig Schätze zu finden sind, und wenn man den

23 Hausmann: Münzen der Groschenzeit (wie Anm. 19).

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Klaus Thieme, Was du ererbt von deinen Vätern…

Abschiedsworten der Besucher glauben darf, waren sie mit dem Ertrag ihrer Reise zufrie-
den. Die Katalogpublikationen werden sicherlich für eine weitere Intensivierung der Be-
nutzung sorgen.
    Rückschauend war diese erste Etappe der Wiederherstellung der alten Universitäts-
sammlung auch eine Konfrontation mit zwei Epochen der Numismatik. Dies wurde nach
dem Beginn der Ordnungsarbeiten bald deutlich. Zwischen den Münzen befanden sich
noch Zettel in der Größe der Tablettfelder, die Namen von Herrschaftsgebieten oder Lan-
desherrn trugen, also als Gliederungselemente auf den Münztabletts gedient hatten.
Diese Blättchen stammten noch aus Gersdorfs Zeit, möglicherweise sogar von seiner
Hand. Seitdem waren, als das Verpacken der Sammlung zur Auslagerung begann, fast 100
Jahre vergangen und die damals der Ordnung zu Grunde gelegte Literatur war längst ver-
altet. Die Sammlung bestand tatsächlich noch in der Form, die ihr in der Mitte des
19. Jahrhunderts gegeben worden war. Die Entwicklung, welche die Numismatik im letz-
ten Drittel des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts genommen hatte, war
an ihrem Erscheinungsbild in Form von Änderungen von Zuweisungen zu Herr-schafts-
verhältnissen und anderen durch den Gang der Geschichte notwendigen Korrekturen
nicht abzulesen. Es scheint, dass sie nie als Grundlage eigener numismatischer Forschung
gedient hat.
    So ist es auffällig, dass der Kustos der Sammlung Gersdorf mehrere Jahre zwar als Her-
ausgeber der Blätter für Münzfreunde gewirkt hat, als Autor aber nicht weiter in Erschei-
nung getreten ist. Seine Aufzeichnungen über den Fund von Paunsdorf wurden erst im
Jahre 1875 von Bruno Stübel in der genannten Zeitschrift veröffentlicht. 24
    Es ist anzunehmen, dass vor dem Ankauf der Posern-Klett-Sammlung nur geringer nu-
mismatischer Sachverstand im Umgang mit Münzen des Mittelalters geherrscht hat. Auch
deshalb war deren Ankauf für die Universitätssammlung so wichtig, enthielt doch das
Werk über die Münzen der Städte und geistlichen Stifter, das Posern-Klett auf der Basis
der eigenen Sammlung erarbeitet hatte, 25 das damals aktuelle Wissen über dieses Fach-
gebiet und vor allem das der Heimatregion.
    So ist auch erklärbar, dass ein Fund, der vermutlich noch vor dem Ankauf der Posern-
Klett’schen Sammlung in die Universitätssammlung kam, in deren Schatten unbeachtet
blieb: der Fund von Geringswalde, der den spätesten Brakteatenfunden zugehört. 26 Mit
diesen grob gearbeiteten Brakteaten konnten die in dieser Hinsicht noch wenig versierten
Historiker nichts anfangen und es macht den Eindruck, als ob die daraus stammenden
Münzen nie in die Sammlung eingearbeitet wurden.
    Hier stellt sich nun die Frage, ob es zu den Aufgaben zukünftiger Numismatiker der
Universitätssammlung gehören kann, eigene Forschungsarbeit zu leisten. Oder besser:
Welche Aufgaben stellt die Universität an ihre Numismatiker?
    Zuoberst steht, wie bei jeder Sammlung, die Sicherung des Bestandes, und – wenn die
Mittel dafür gegeben sind – dessen gezielte Erweiterung. Die aktuelle Hauptaufgabe in
der gegenwärtigen Situation bleibt natürlich die weitere Bearbeitung der bisher noch
nicht zugeordneten Teile des Bestandes, wobei hierzu gut ausgebildete und an der Auf-
gabe interessierte Fachleute nötig wären, die sowohl mit Münzen als auch mit Medaillen

24 Vgl. auch Mackert: Münzsammlung (wie Anm. 1), hier S. X und Anm. 16 und 20.
25 Posern-Klett, Carl Friedrich von: Münzstätten und Münzen der Städte und geistlichen Stifter Sach-
   sens im Mittelalter, Leipzig: Vogel, 1846.
26 Weiterführende Literatur bei Thieme: Brakteaten (wie Anm. 1).

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Klaus Thieme, Was du ererbt von deinen Vätern…

etwas anzufangen wissen. Vor der Herstellung einer vollständigen Ordnung der Samm-
lung bleibt diese unübersichtlich und Anfragen um Auskunft enden allzu oft in zeitrau-
bender und nicht immer erfolgreicher Sucherei.
    Beibehalten werden sollte die traditionelle Offenheit der Sammlung für Numismati-
ker, vor allem für die wissenschaftlich arbeitenden. Die Fachkenntnis der Mitarbeiter der
Sammlung sollte hier aber so gut sein, dass sie die Anregungen der Spezialisten unter den
Besuchern auch für ihre Arbeit an der Sammlung zu nutzen verstehen.
    Diese naheliegenden Aufgaben beziehen sich in erster Linie auf die Sammlung selbst.
Es scheint aber möglich, auch im Rahmen der Universität als Lehranstalt wirksam zu wer-
den. Bei der Ausgestaltung von Seminaren sind bereits kleine Teile des Bestandes an an-
tiken und frühneuzeitlichen Münzen Sachsens zum Einsatz gekommen
    Wie sieht es aber mit den vergleichbaren Seminaren für Regionalgeschichte aus?
Könnte nicht zu den Themen Stadtentwicklung, Handel, Markt und Münze, Geldentste-
hung, Silberbergbau, Handelsstraßen usw. ähnlich verfahren werden? Eigentlich sind die
Bedingungen für eine Forschungsarbeit, die auch die Numismatik in Betracht zieht, für
das Feld der Regionalgeschichte gut, denn die Sammlung hat gerade dort einen ihrer
Schwerpunkte.
    Die Weiterführung der Publikation von Bestandskatalogen, in denen gründlich bear-
beitete kleinere oder größere Teile der Sammlung dokumentiert werden, sollte auch zu-
künftig fortgesetzt werden. Es wäre sehr zu bedauern, wenn am aktuellen numismati-
schen Wissensstand der Beitrag der Leipziger Universitätssammlung, trotz ihrer immer
noch reichen Schätze, mangels gut ausgebildeter Numismatiker ausfallen müsste.
    Es ist auch nicht einzusehen, dass sich tüchtige Numismatiker nicht aus den Reihen
hier in Leipzig Studierender am Ort ausbilden lassen sollten. Die Sammlung ist zu bedeu-
tend und zu umfangreich, um sie ihrem Schicksal zu überlassen. Wenn die aus dem blo-
ßen Vorhandensein der Sammlung ergebenden notwendigen Aktivitäten als Aufgaben
ernst genommen werden, um sie vor einer drohenden Erosion zu bewahren, ist die An-
stellung eines Numismatikers unabdingbar. Auch hier gilt: Eigentum verpflichtet. Oder an
die Überschrift anknüpfend:
    Erwirb es, um es zu besitzen!

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