Wildkatze (Felis silvestris) - Bayerischer Jagdverband eV
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Wildkatze (Felis silvestris) Häufiger als gedacht D ie Wildkatze (Felis silvestris) ist eine sog. Großart, welche sich in verschiedene FOTO: GEORG PAULUHN / PICLEASE Unterarten, die silvestris-Gruppe (Europäische Wildkatze), die lybica-Gruppe (Afrikanische Wildkatze = Stammform unserer meisten Hauskatzen; vgl. Dris- coll et al. 2007) und die ornata-Gruppe (Indische oder Asiatische Wildkatze) unter- gliedern lässt. Neben einigen wichtigen Erhaltungsgebieten ursprünglicher Wildkatzen in Mitteleuropa (unter anderem Hunsrück, Eifel, nördliches Saarland, Harz, Hainich), Auf einen Blick wurde die Wildkatze nach dem Zweiten Weltkrieg in vielen anderen Gebieten ihres ursprünglichen Verbreitungsgebietes, so auch den Waldgebieten Bayerns, wieder an- 52 bis 65 cm (ohne Rute) gesiedelt (Es heißt übrigens korrekt „Wiederansiedlung“ und nicht vermenschlichend „Wiedereinbürgerung“!). 2,3 bis 4,9 kg (Katze), drei bis 6,5 kg (Kuder) Aus Telemetriestudien wissen wir, dass die Aktionsräume von Kudern in Abhängigkeit von der Jahreszeit zwischen etwa 700 und über 2.500 Hektar variieren können, dass sie Ranz: Januar bis März ganzjährig sogar Flächen über 3.400 Hektar nutzen können. Kuder legen während der Ranz teilweise über 13 km pro Nacht zurück. Mit über 80 % liegt ihre höchste Wald- Zwei bis sechs Jungtiere, nutzung in den Wintermonaten. Einzelne Individuen nutzen ganzjährig unterschiedliche April/Mai Vegetationsformen und auch offene Landschaften um Ortsrandbereich (Hartmann 1996, Wittmer 1998, Müller 2000). Ökologisch scheint die einheimische Wildkatze daher eher Unterliegt dem Jagdrecht, eine “Wald- und Waldrandart” als eine reine Waldbewohnerin zu sein. ganzjährig geschont; FFH-RL Anh. IV Morphologisch lassen sich mitteleuropäische Wildkatzen in der Regel durch ihren dickbuschigen-stumpfendigen Schwanz, den schmalen, schwärzlichen Aalstrich und RL BY: 2; es (2017) / D: 3; s ihre fleischfarbene Nase meist sicher von getigerten Hauskatzen unterscheiden. Al- lerdings gibt es offensichtlich auch viele „Zwischenformen“, die eine Zuordnung er- schweren (vgl. u. a. Stefen 2007). Aufgrund der Möglichkeit der Hybridisation ist auch eine eindeutige Zuordnung mit molekularbiologischen Methoden sehr schwierig, vielleicht sogar unmöglich. So müsste zunächst eine repräsentative Grundgesamtheit an „echten“ Wildkatzen und Hauskatzen untersucht werden, um eine quantitative Abgrenzung zu ermöglichen (Gehle & Herzog 2012). Da wir allerdings nichts über die Frage der Hybridbildung in früheren Jahrhunderten in Mitteleuropa wissen, können wir uns dabei lediglich auf morphologische Merkmale (s. o.) stützen. Somit beißt sich die Katze sprichwörtlich Wildtiermonitoring 2021 Seite 307
Wildkatze in den Schwanz: ohne Kenntnis der Situation in der Vergangenheit keine klare Infor- mation über die Zuordnung eines Individuums, ohne klare Zuordnung keine sicheren molekularen Methoden. Wildkatzen bewohnen bevorzugt strukturreiche sommergrüne Wälder, insbesondere deren Randbereiche, und dringen von dort aus, bevorzugt entlang von Fließgewässern, bis in die Randlagen von Ortschaften und in Agrarlandschaften vor. Im Nahrungsspek- trum der Wildkatze spielen Kleinsäuger (insbesondere Microtus-, Clethrionomys- und Apodemus-Arten), lokal auch Bodenbrüter und Hasenartige eine dominierende Rolle. Im Vergleich etwa zum Fuchs ist die Wildkatze jedoch ein Nahrungsspezialist und kann etwa in strengen schneereichen Wintern nicht einfach auf andere Beutetiere auswei- chen. Solche Winter haben daher oft Populationseinbrüche zur Folge. Vor dem Hinter- grund einer anthropogen, künstlich gesteigerten Fuchspopulation, auf deren Bejagung heute in vielen Schutzgebieten bewusst verzichtet wird, gewinnt dieses Argument zusätzlich an Brisanz. Insgesamt befindet sich der Wildkatzenbestand in Deutschland allerdings im Auf- wärtstrend, wobei es sich vermutlich nicht alleine um einen echten Bestandsanstieg handelt, sondern auch eine häufigere Entdeckung aufgrund intensiver Suche in den letzten Jahren. Oben: Die bayerischen Teilpopulationen der Wildkatze gehen hauptsächlich auf Wieder- ansiedlungen zurück. Im Freiland lassen sich Wildkatzen von verwilderten Hauskatzen meist bereits durch ihr vorsichtiges, landschaftsange- FOTOS: PROF. DR. DR. PAUL MÜLLER passtes verhalten unterscheiden. Rechts: Durch mehrere Telemetriestudien wissen wir, dass je nach Landschaftstyp Wildkatzen-Kuder Aktionsräume zwischen 800 bis 2.600 Hektar besitzen. Seite 308 Landesjagdverband Bayern
Erfurt ! Wildkatze Würzburg ! Bearbeitung: Regina Gerecht, Bayerischer Jagdverband DATENQUELLE: BAYERISCHER JAGDVERBAND; KARTENGRUNDLAGEN: ESRI; TSCHECHIEN: OPENSTREETMAP, ODBL 1.0; BEARBEITUNG: REGINA GERECHT (BJV) Gemeldete Wildkatzen-Vorkommen 2019 A ! Prag ! Stuttgart Bayreuth ! ! Würzburg ! Pilsen ! Ansbach ! Regensburg Kartengrundlagen: Esri; Tschechien: OpenStreetMap, ODbL 1.0 ! Stuttgart ! Landshut ! Augsburg Vaduz ! ! München ! Salzburg ! Wildkatze 2016 und 2019 2019 2016 Vaduz kein Nachweis ! 0 25 50 75 100 km N keine Angabe dverband Wildtiermonitoring 2021 Seite 309
Wildkatze Zum Nach- und Weiterlesen Driscoll, C. A.; Menotti-Raymond, M.; Roca, A.; Müller, P. Höhere Wildkatzendichten im Nordsaar- Hupe, K.; Johgnson, W.; Geffen, E.; Harley, E.; land und in Rheinland-Pfalz als bisher vermutet. Delibes, M.; Pontier, D.; Kitchener, A.; Yamaguchi, N.; Game Conservancy Nachrichten 10, 7–8, 2000 O’Brien, S.; MacDonald, D. The near eastern origin of cat domestication. Science 317, 519–523, 2007 Piechocki, R. Die Wildkatze. Die neue Brehm- Bucherei; Lutherstadt Wittenberg, 1990 Görner, M. Zum Vorkommen der Wildkatze (Felis silvestris) in Thüringen von 1800 bis 2000. Arten- Potocnik, H.; Kliun, F.; Racnik, J.; Skrbinsek, T.; schutzreport 10, 54-60, 2000. Adamic, M.; Kos, I. Results and experiences obtained from box trapping and radio collaring of wildcats in Götz, M.; Roth, M. Verbreitung der Wildkatze (Felis Slovenia. Acta Theriologica 47, 211–219, 2002 s. silvestris) in Sachsen-Anhalt und ihre Aktionsrau- me im Südharz. Beiträge zur Jagd- u. Wildforschung Schröpfer, R. Zur Stammesgeschichte der Katzen- ein 32, 437–447, 2007 Stammbaum voller Ökotypen. Säugetierkundliche Informationen 45, 495-500, 2012. Gehle, T.; Herzog, S. Sinn und Unsinn der Unter- scheidung zwischen Wild- und Hauskatze mit Hilfe Stefen, C. Eine Wildkatze (Felis silvestris) im genetischer Marker. Säugetierkundliche Informatio- thüringisch-sächsischen Vogtland? – Mit einer nen 8, 329-336, 2012. ISSN 0323-8563. Diskussion der Unterscheidbarkeit von Europäi- schen Wild- und Hauskatzen. Saugetierkundliche Hartmann, D. Das Raum-Zeitverhalten europaischer Inormationen 6, 105–120, 2007 Wildkatzen (Felis silvestris silvestris) im nördlichen Saarland. Diplomarbeit, Universität des Saarlandes, Stefen, C.; Görner, M. Die Wildkatze (Felis silvestris Saarbrücken, 1996 Schreber, 1777) in Deutschland und Mitteleuropa- zum Stand der Forschung und Konsequenzen für Hemmer, H. Felis silvestris Schreber, 1777 – Wild- den Schutz. Säugetierkundliche Informationen 38, katze. In: Handbuch der Säugetiere Europas, 3-216, 2009. 1076–1118. Aula Verlag, Wiesbaden, 1993 Wittmer, H. Radiotelemetrie und GISAnalysen zum Kitchener, A. The Natural History of wild cats. Helm, Aktivitätsmuster von Felis silvestris im nördlichen London, 1991 Saarland. Diplomarbeit, Universität des Saarlandes, 1998 Meinig, H. Erste Ergebnisse von Mageninhalts- analysen bei Wildkatzen (Felis silvestris) aus Wittmer, H. U. Home range size, movements and Westdeutschland mit Hinweisen zur Artbestimmung. habitat utilization of three male European wildcats Säugetierkundliche Informationen 5 (26), 2002 (Felis silvestris silvestris Schreber 1777) in Saarland Rheinland-Pfalz (Germany). Mammalian Biology 66, 365–370, 2001 Seite 310 Landesjagdverband Bayern
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