"Wir sind nicht nur Desi gner für schöne Dinge, für uns gibt's Spannenderes" - "Wir sind nicht nur Desi gner für schöne Dinge ...
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P O RTR ÄT P O RTR ÄT Tale «Wir sind nicht nur Designer für schöne Dinge, für uns gibt’s Spannenderes» Das Basler Tale-Designstudio setzt seine Erfahrung und seine Zürich gezeigt wurde. Philipp Gilgen ist ge- Ideen dafür ein, die nahe Zukunft positiv zu gestalten. lernter Hochbauzeichner und ehemaliger Spit- Dafür verbinden die Verantwortlichen in ihrem Designprozess zensportler. Im Jahr 2000 schwamm er an den Strategie mit Intuition und verarbeiten in ihren Projekten Olympischen Spielen in Sydney. Er studierte Einflüsse aus Wissenschaft und Kunst. vier Jahre Industriedesign in Basel und machte sein halbjähriges Praktikum bei Yves Béhars Text: Suzanne Schwarz Bilder: Tale Designstudio GmbH Fuseproject in Kalifornien. Er wäre später gern dorthin zurückgekehrt, seine Familien- und beruflichen Pläne sahen aber anders aus. Norbert Meier ist gelernter Elektromonteur, angelernter Goldschmied und seit vielen Jah- ren Jazzpianist in einer Band. Neben seiner Tä- Die Tale-Partner Philipp Gilgen, Norbert Meier tigkeit bei Tale ist er Dozent für Industrie und Noël Oegerli arbeiten seit vier Jahren ge- design im Studiengang Wirtschaftsingenieur meinsam mit ihrem Team auf dem Basler Drei- und Leiter des CAS-Industriedesigns an der spitz-Campusgelände. Dort, wo auch die HSLU. Während seiner Jahre bei Iseli Design FHNW Werkstätten und Labors hat. Es hat sich und Partner arbeitete er unter anderem für so ergeben und ist Zufall. «Wir schätzen das Juraund Kern. Norbert Meier und Philipp Dreispitz-Quartier, weil es noch unfertig und Gilgen lernten sich 1992 im gestalterischen sehr roh ist. Leider gibt es in der Schweiz zu Vorkurs an der SfG Basel kennen und verwirk- wenige solcher Ecken.» Der Firmenname lichten bereits damals gemeinsame Projekte. Tale – kurz, prägnant und interpretierbar – kann durchaus auch als «Geschichten erzäh- Selektiv und experimentierfreudig len» verstanden werden. Tale realisiert eigene Bei Tale wird selektiv und experimentierfreu- Projekte wie auch Kundenvorhaben, die vom dig gearbeitet – für kleine, mittlere und grosse formalen Design über Konstruktion, Materia- Unternehmen. Gern auch für Start-ups wie lisierung bis zu CICD- und Produktkommuni- zurzeit der Entwurf für den Uhrmacher kation reichen. arbeitsplatz der Zukunft, ein gemeinsames Noël Oegerli ist gelernter Hochbauzeichner, Projekt mit Partnern aus der Uhrenindustrie. Bauleiter, Modellbauer mit Berufserfahrung Langjährige wichtige Kunden sind Unterneh- und hat sich in seinen jüngeren Jahren vor al- men wie die Stiftung MBF, Sennheiser und lem Kunst- und Kulturprojekten im Musikbe- Talsee. Für Similor Kugler entwarf man eine reich gewidmet. Bei der Agentur Nose arbeitete moderne Gartenarmatur, für Bodenschatz er unter anderem an nationalen wie internatio Badezimmeraccessoires. Für das Schweizer nalen Projekten. Für Stadler Rail und auch an Labortechnikunternehmen Camag entstanden der ersten Produktserie für Swisscom, wo er hoch funktionale, ästhetische Geräte für un- Philipp Gilgen, damals Projektleiter, kennen- terschiedlichste Funktionen. Tale, das sind von lernte. Gemeinsam gestalteten sie die Swiss- Genauso gern jedoch entwickelt man neue links nach rechts: Philipp Gilgen, com-Produktlinie, die im Rahmen der Aus- eigene Ideen. «Gewisse Ideen müssen einfach Noël Oegerli und stellung «Designed in Switzerland, Made in verfolgt werden, auch wenn kein Kunde da- Norbert Meier. the World» 2018 im Museum für Gestaltung in nach fragt. Deshalb gehört es zu uns, dass 10 | spectrooms 2 / 2020 spectrooms 2 / 2020 | 11
P O RTR ÄT P O RTR ÄT wir immer wieder eigene Produktentwick- lungen starten und diese bis zu einem gewissen Punkt ausarbeiten. Wir haben es schon mehr- mals geschafft, solche Eigenentwicklungen zusammen mit einem Herstellungspartner auf den Markt zu bringen. Uns reizt daran vor al- lem, dass wir den Weg im Prozess komplett selbst gehen und dadurch sehr konsequent ge- stalten können. Diese Projekte sind meist ge- prägt von Experimenten, aus denen wir sehr viel lernen. Den Traum vieler Designer, eigene Produkte selbst zu vertreiben, haben wir rela- tiv rasch ad acta gelegt, wir haben realisiert, dass wir besser darin sind, Design zu machen als Produkte zu verkaufen.» Die «N.V.L.»-Leuchten (non visible lightsource) mit werkzeugloser Verbindung der Gehäuse- Links: Der Weg zum perfekten teile sind so entstanden oder Entwürfe im Rucksack aus Leder für Rahmen eines Kundenauftrags mit neuen As- Format Brigitte Hürzeler war pekten für eine nachhaltige Dentalserie im Lu- lang und mit vielen Materialtests xusbereich. Auf der To-do-Wunschliste stehen verbunden. ausserdem Roboter und Elektromobilität. Rechts: Mit «Momentum Links: «Six», Drehrad, Similor Wireless» bringt Sennheiser die neue Generation der Kugler wünschte eine neue Analog oder digital? Outdoor-Armatur. Over-Ear-Kopfhörer. Im gemeinsamen Gespräch im Atelier entste- Rechts: Waschbecken aus der Badmöbelkollektion «Source» hen erste Ideen, im Entwurfsprozess werden für Talsee. Entweder aus analoge wie digitale Tools gleichermassen ge- Naturstein gefräst oder in Solid nutzt, manchmal schon in einem frühen Stadi- «Gewisse Ideen müssen einfach verfolgt werden, auch wenn kein Kunde danach fragt. Deshalb Surface gegossen. um auch CAD-Modelle und Visualisierungen, um gewisse Dinge zu überprüfen. Jede Aufgabe gehört es zu uns, dass wir immer wieder eigene Produktentwicklungen starten und diese bis verlange nach einer neuen Herangehensweise, zu einem gewissen Punkt ausarbeiten. Wir haben es schon mehrmals geschafft, solche Eigen das sei ja Teil der Faszination. Die Zusammen- arbeit mit der Stiftung MBF entstand durch entwicklungen zusammen mit einem Herstellungspartner auf den Markt zu bringen.» den radial faltbaren Topfuntersetzer «Logs». Team Tale Diesen liess Tale als Eigenentwicklung dort fertigen, um lokale und soziale Institutionen zu berücksichtigen. Das wiederum weckte bei MBF den Wunsch nach einer eigenen Produkt- kollektion, und Tale erhielt die Aufgabe, Kon- zepte und Ideen für eine erste Kollektion aus- zuarbeiten und «Logs» zu integrieren. Ent- standen ist eine Serie von zwölf Produkten, die Marke «Stein Made» und eine sehr dynami- sche Zusammenarbeit. Formal entstanden schlichte und langlebige Designs, Produkte mit einem hohen Nutzen im Alltag. Zu berück- sichtigende Faktoren waren die Herstellung durch die von der Stiftung beschäftigten Men- schen mit Behinderung, um eine möglichst hohe interne Wertschöpfung zu generieren, sowie eine besser ausgelastete Holzwerkstatt. «N.V.L.», LED-Leuchte Eines der herausforderndsten Produkte war Monolicht. Das Licht der nicht die Kopfhörerserie «Momentum» für Senn- sichtbaren LED trifft auf die heiser, aktuell in der dritten Generation auf innere Oberfläche der Leuchte, dort spiegeln sich die Strahlen, dem Markt. Die Designelemente mit echten es entsteht ein diffuses, Materialien wurden konsequent weiterentwi- indirektes Licht. ckelt, neu interpretiert und mit weiteren er- Flaschenöffner «Open», in gänzt. Die neuen Features wie beispielsweise massiver Bronze gegossen, Transparent Hearing machen den neuen Werkzeug und kleine «Momentum» in noch mehr Situationen des Alltagsskulptur zugleich. Materialität und Haptik im Lebens tragbar, jedoch erfordert die grössere Einklang, jeder Öffner ist Anzahl von Funktionen eine intuitivere Bedie- ein Einzelstück. nung. So wurde die Grösse der Earcups 12 | spectrooms 2 / 2020 spectrooms 2 / 2020 | 13
P O RTR ÄT genutzt, um sämtliche Bedienelemente gut auffindbar darauf zu platzieren und durch But- tons mit klar definierten Kanten einfach er- tastbar zu machen. Die charakteristische Ge- staltung der Badmöbelkollektion «Source» für Talsee basiert auf historischen, in Stein ge- hauenen Waschbecken, kombiniert mit ge- schichteten Volumen, die entweder vertikal aneinander ausgerichtet oder horizontal ge- geneinander verschoben werden. Mit diesem Prinzip können unzählige Möbel- typen generiert und genutzt werden. Das Pro- duktdesign des Waschtischs berücksichtigt zwei komplett unterschiedliche Herstellungs- verfahren: aus Naturstein gefräst oder in Solid Surface (z. B. Corian) gegossen. Das ermöglicht es, mit demselben Design zwei unterschiedli- che Preissegmente abzudecken. Integriertes blendfreies Licht und Accessoires wie ver- schiedene Trays in Massivholz komplettieren die Kollektion. Design für viele anstatt für wenige Man spürt und sieht ihr Anliegen für funktio- nales wie ästhetisches Design. Alle sprechen heute von Design, leider oft verbunden mit Ex- klusivem oder Unnützem. Tale will gutes De- sign für die Masse machen. Gut gestaltete Pro- dukte, die perfekt funktionieren und lange Freude bereiten. Das müsste auch bei Produk- Drei von zwölf entwickelten ten von Grossverteilern Standard sein, leider Produkten für die Stiftung werde von den Kunden zu viel unterdurch- MBF / Stein Made: Mühlen schnittliches Design toleriert. Die Klimade- «S» und «L», faltbarer Untersetzer «Logs» und die batte bringt wieder Schwung in diesen Dis- passende Verpackung. kurs. Es geht um Sinn, Nachhaltigkeit, neue Materialien und darum, in Kreisläufen zu den- ken. Als Produktdesigner wollen sie durch die Materialisierung, die Lebensdauer und die Rückführung ins Recycling einen positiven Einfluss nehmen. Muss man sich wundern, wenn die Tale-Designer ihre Inspiration im ganz normalen Leben in der Gesellschaft fin- den? Überall dort, wo sich Menschen beweg- ten, wo gelebt und konsumiert werde, treffe man auf Dinge, Lösungen und Konzepte, die man besser machen könne, oder auf Lücken, die man schliessen könne. Produkte von Tale holen regelmässig renom- mierte internationale Auszeichnungen. Noch sähen sie sich nicht als international etablier- tes Designstudio, aber es entwickle sich gut. Um den Durchbruch zu schaffen, brauche es ein Projekt, das international wahrgenommen werde. (Produzenten, hört die Signale und seht die Chancen.) Vielleicht wird eines der Projek- te in der Pipeline – der Uhrmacherarbeitsplatz der Zukunft, eine Serie von Dentalprodukten und nachhaltigen Verpackungen für den Massenmarkt - dafür sorgen. Bei ihren eigenen Entwicklungen beschäftigen sie sich mit ver- schiedenen Wohnraumansätzen, ein Bereich, der sie stark interessiere und bei dem noch Potenzial vorhanden sei. tale.ch 14 | spectrooms 2 / 2020
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