#wirwollen klare Perspektiven für die Kliniken - Deutsche ...

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#wirwollen klare Perspektiven für die Kliniken - Deutsche ...
Politik

#wirwollen … klare Perspektiven
für die Kliniken
Die Pandemie in den Griff bekommen – das erwarten und er­              „Mit uns wird es keine Leistungskürzungen geben“, versprach
hoffen die Bürgerinnen und Bürger von Karl Lauterbach als              Prof. Dr. Karl Lauterbach bereits am Tag der Berufung der Bun­
Gesundheitsminister.                                                   desminister am 6. Dezember 2021. Er wolle das Gesundheits­
Karl Lauterbach war in der Coronakrise omnipräsent. In Talk­           system vielmehr robuster machen, kündigte der neue Bundes­
shows und auf Twitter erklärte der promovierte Epidemiologe            gesundheitsminister an.
die Pandemie, zeichnete pessimistische Perspektiven und for­           Mit der Benennung von Karl Lauterbach übernehme ein Ge­
derte striktere Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapan­                sundheitspolitiker mit viel Erfahrung und Wissen die politische
demie. Bei seiner Ernennung zum Bundesgesundheitsminister,             Leitung des wichtigen Bundesgesundheitsministeriums, so die
mit der nicht viele gerechnet hatten (weil er Mann und noch            Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) in einer Pressemittei­
dazu aus NRW ist, galt seine Berufung des Proporzes wegen als          lung zur Benennung Lauterbachs. Doch Lauterbach gilt als In­
unwahrscheinlich), konnte man meinen, Lauterbach sei direkt            dividualist und Einzelkämpfer. Nun wird er ein Ministerium
per Twitter von der Bevölkerung ins Amt gewählt worden. Dort           mit 750 Mitarbeitern führen. Wird er die Länder, die Verbände
wurde das Schlagwort „#wirwollenkarl“ tausendfach verbrei­             und andere starke Akteure des Gesundheitswesens bei anste­
tet. Für andere, zum Beispiel aus der Wirtschaft, war er mit           henden Reformen einbinden? Kann er „zuhören und unter­
seinem Hang zum Alarmismus ein rotes Tuch. Jetzt muss er               schiedliche Interessen zusammenführen“, wie der DKG-Vor­
zeigen, dass er die Krise auch managen und bewältigen kann:            standsvorsitzende Dr. Gerald Gaß hofft?
dass er es „nicht nur besser weiß, sondern auch besser kann“,
wie Maybrit Illner formulierte.                                        Ausgleichszahlungen verlängert, PPR 2.0 wird
                                                                       umgesetzt
Frischer Wind für die Krankenhauspolitik?                              Mit der Verlängerung der Ausgleichszahlungen für Kliniken bis
Die Krankenhäuser und ihre Akteure erwarten von Lauterbach             zum 19. März 2022 im Rahmen der Verordnung zur Regelung
darüber hinaus deutliche Akzente in der Krankenhauspolitik:            weiterer Maßnahmen zur wirtschaftlichen Sicherung der Kran­
eine mutige Strukturreform jenseits eines „kalten Strukturwan­         kenhäuser folgte das Bundesgesundheitsministerium jeden­
dels“, eine verlässliche Krankenhausfinanzierung und ein Kon­          falls dem Appell der DKG, Ausgleichszahlungen über das
zept gegen den Fachkräftemangel in der Pflege.                         ­Jahresende hinaus fortzusetzen. Die Zuschüsse zur Liquiditäts­

Der neue Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach. Welche Akzente wird er in der Krankenhauspolitik setzen? Foto: BMG

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#wirwollen klare Perspektiven für die Kliniken - Deutsche ...
Politik

sicherung der Krankenhäuser werden unabhängig vom Versor­          werden. In Zeiten, in denen jede Pflegerin und jeder Pfleger
gungsaufschlag für die Covid-Patienten bezahlt. Die Aus­           dringend am Patientenbett gebraucht wird, ist nicht mehr ver­
gleichszahlungen, die zum Jahresende 2021 ausgelaufen wä­          mittelbar, dass diese hochqualifizierten Fachkräfte mehrere
ren, trägt der Bund. Damit werde der besonderen Belastungssi­      Stunden ihres Arbeitstags mit oftmals überflüssigen Bürokratie­
tuation durch Corona auch im neuen Jahr Rechnung getragen,         arbeiten verbringen müssen. Sie von diesen Tätigkeiten zu ent­
begrüßte die DKG die Regelung. Die Verordnung schreibt             lasten, würde die Versorgungssituation spürbar verbessern.
gleichzeitig fest, dass Krankenhäuser Mindererlöse anteilig in
einem Ganzjahresausgleich 2022 verrechnen können. Darin            Neuer Krisenstab, breitere Expertise im Beirat
werden Ausgleichszahlungen wie auch Versorgungsaufschläge          Die Ampel-Regierung hat einen neuen Krisenstab aus der Taufe
verrechnet.                                                        gehoben. Der Krisenstab ist im Bundeskanzleramt angesiedelt
Außerdem hatte sich die Ampelkoalition früh darauf verstän­        und wird von Generalmajor Carsten Breuer geleitet, einem
digt, das von ver.di, Pflegerat und DKG entworfene Pflegeperso­    ausgewiesenen Logistikexperten und erfahrenen Krisenmana­
nalbemessungsinstrument PPR 2.0, das seit fast zwei Jahren         ger. Der 56-Jährige leitet das Kommando Territoriale Aufgaben
unbearbeitet auf dem Schreibtisch des scheidenden Bundesmi­        der Bundeswehr, das für Einsätze der Streitkräfte im Inland zu­
nisters liegt, nun endlich umzusetzen.                             ständig ist.
Die Krankenhäuser erwarteten, dass Karl Lauterbach die im Ko­
alitionsvertrag aufgelisteten Reformvorhaben zügig, aber auch
im Dialog mit den Akteuren im Gesundheitswesen angehe, so             Das Corona-Expertengremium der Regierung
Gerald Gaß. Kompetenz, Erfahrung und die Fähigkeit, unter­            – Christian Drosten, Chefvirologe der Berliner Charité
schiedliche Interessen zusammenzuführen, seien jetzt gefragt.         – Hendrik Streeck, Leiter des Virologischen Instituts
„Ich bin sicher, dass Karl Lauterbach sein Amt in diesem Sinne          der Uniklinik Bonn
führen wird“, so der DKG-Chef. In keinem anderen Ministerium          – Thomas Mertens, Chef der Ständigen Impfkommis­
sei wohl der Handlungsbedarf so dringend: Einerseits gelte es,          sion
die Pandemie weiter entschieden zu bekämpfen – mit gesteiger­         – Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts
tem Impftempo, guter Kommunikation und perspektivisch der             – Melanie Brinkmann, Virologin am Helmholtz-Zen­
Umsetzung einer Impfpflicht. Andererseits benötigten Kranken­           trum für Infektionsforschung
häuser als Rückgrat der Pandemieversorgung dringend die Un­           – Alena Buyx, Chefin des Deutschen Ethikrates
terstützung der Politik zur wirtschaftlichen Stabilisierung der       – Viola Priesemann, Physikerin am Max-Planck-Insti­
Krankenhausstrukturen. Denn wirtschaftlich bedingte Kran­               tut
kenhausschließungen im Verlauf des Jahres 2022 mitten in der          – Christian Karagiannidis, Intensivmediziner
Pandemie hätten verheerende Auswirkungen auf die Versor­              – Reinhard Berner, Direktor der Kinderklinik an der
gung. Gerne werden die Krankenhäuser im geplanten Corona­               Uniklinik Dresden
krisenstab des Ministeriums aktiv mitarbeiten und ihre Kompe­         – Cornelia Betsch, Professorin für Gesundheitskommu­
tenz einbringen.                                                        nikation (Universität Erfurt)
Jenseits der Pandemie müssten mittel- und langfristig der Pfle­       – Jörg Dötsch, Deutsche Gesellschaft für Kinder- und
gepersonalmangel und eine Krankenhausfinanzierungsreform                Jugendmedizin
ganz oben auf der Tagesordnung stehen. „Denn dass uns mo­             – Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesell­
derne Technik und beste medizinische Forschung wenig nützt,             schaft für Immunologie
wenn es an Fachkräften fehlt, haben in den vergangenen Mona­          – Ralph Hertwig, Direktor des Forschungsbereichs
ten alle verstanden“, so Gaß weiter.                                    ­adaptive Rationalität am Max-Planck-Institut für Bil­
Auch die Krankenhausfinanzierung müsse viel krisenfester ge­             dungsforschung in Berlin
macht werden und sich stärker am Versorgungsbedarf als am             – Lars Kaderali vom Institut für Bioinformatik der Uni­
Einzelfall orientieren, um den regionalen Versorgungsbedarfen            versitätsmedizin Greifswald
gerecht zu werden.                                                    – Hayo Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Berliner
Zudem benötigen die Krankenhäuser eine Erhöhung des vor­                 Charité
läufigen Pflegeentgeltwertes. Die starre Haltung der Kranken­         – Michael Meyer-Herrmann, Helmholtz-Zentrum für
kassen hat dazu geführt, dass bislang kaum die Hälfte der Kran­          Infektionsforschung
kenhäuser ein Pflegebudget für 2020 vereinbaren konnte, für           – Johannes Niessen, Leiter des Gesundheitsamtes in
2021 gibt es sogar nur vereinzelte Budgets. In der Folge können          Köln
viele Krankenhäuser ihre tatsächlichen Pflegekosten einschließ­       – Leif Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe Infek­
lich der Lohnentwicklung nicht vollständig refinanzieren. „Der           tionsimmunologie und Impfforschung der Berliner
Pflegeentgeltwert muss deshalb umgehend erhöht werden“,                  Charité
forderte Gaß. Nicht zuletzt müssten die Beschäftigten so schnell      – Stefan Sternberg, Landrat von Ludwigslust-Parchim
wie möglich von weiteren Dokumentationspflichten entlastet

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Politik

Der Krisenstab soll vor allem die Impflogistik verbessern und            liche Meinungen vertreten und wurden in den Medien als Anti­
somit die Impfungen im Kampf gegen die Pandemie beschleu­                poden vermittelt. So hatte sich Christian Drosten für härtere
nigen. Er werde, so die Hoffnung, vor allem die Impfstoffbe­             Einschränkungen ausgesprochen – anders als Streeck, der für
schaffung und die Organisation der Impfung verbessern. Der               die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen zu Beginn der Co­
Stab ist in zwei Untergremien aufgeteilt: Im „Ressort-Krisen­            ronapandemie das Infektionsgeschehen in Heinsberg unter­
stab“ treffen sich Vertreter mehrerer Bundesministerien, im              sucht hatte. Streeck war von der Regierung Angela Merkels nie
„Länder-Krisenstab“ Mitarbeiter der Bundesländer.                        zu Coronaberatungen hinzugezogen worden.
Ein erster Auftrag an den Krisenstab war die „Impfstoff-Inven­
tur” Mitte Dezember. Fazit der Suche nach Impfstoffen und Re­            Drei neue Staatssekretäre
serven: Es könnte knapp werden im ersten Quartal 2022. Der               Karl Lauterbach hat drei neue Parlamentarische Staatssekretäre
Beschaffungsstrategie des früheren Bundesgesundheitsminis­               berufen. Die Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar und der
ters Jens Spahn wurde einmal mehr ein schlechtes Zeugnis                 Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Edgar Franke wurden als
ausgestellt. Und bis zum 31. Dezember sollten 30 Millionen               neue Parlamentarische Staatssekretäre vorgestellt. Der beamte­
Impfungen vorgenommen werden. Bei Redaktionsschluss zu                   te Staatssekretär Dr. Thomas Steffen bleibt und wird von Dr.
dieser Ausgabe war nicht abzusehen, ob das ehrgeizige Ziel               Antje Draheim als neue Staatssekretärin unterstützt.
annähernd erreicht werden kann. Und im Kampf gegen die dro­              Sabine Dittmar war in der vergangenen Legislaturperiode ge­
hende Verbreitung der Omikron-Variante soll auch danach mas­             sundheitspolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Bundestag.
senhaft geimpft und geboostert werden.                                   Die Hausärztin aus Schweinfurt ist seit 2013 im Bundestag und
Auch die DKG und der Deutsche Städtetag hatten einen Platz               war seit 2018 Sprecherin der Fraktion. Sie hatte allerdings den
im Krisenstab und im Expertenbeirat eingefordert. Im letzteren           Koalitionsvertrag für die SPD nicht mitverhandelt.
sind immerhin einige Ärzte und Klinikmanager vertreten.                  Von 2008 bis 2013 war Sabine Dittmar Mitglied des Bayerischen
                                                                         Landtags. Dort war sie Mitglied im Ausschuss für Umwelt und
Drosten und Streeck im Coronaexpertenbeirat                              Gesundheit, verbraucherpolitische Sprecherin der SPD-Land­
Der neu aufgestellte Expertenbeirat, der die Politik bei der Co­         tagsfraktion und Mitglied im Ältestenrat. Von 2008–2018 war
ronabekämpfung beraten soll, wurde von Kanzler Olaf Scholz               Dittmar Mitglied im bayerischen Landesgesundheitsrat.
benannt. Dem Beirat gehören Wissenschaftler, Ärzte und Kran­             Prof. Dr. Edgar Franke ist seit 2009 im Bundestag und war zwi­
kenhausmanager an. Unter anderem sitzen in dem Gremium                   schen 2014 und 2017 auch Vorsitzender des Gesundheitsaus­
Christian Drosten (Chefvirologe der Berliner Charité), Hen-              schusses. 2018 wurde er stellvertretender gesundheitspoli­
drik Streeck (Universitätsklinikum Bonn), Lothar Wieler                  tischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und übte diese
(RKI), Alena Buyx (Ethikrat), Christian Karagiannidis und                Aufgabe bis 2021 aus. Edgar Franke war von 2018–2021 Opfer­
Hayo Kroemer (Charité). Die Virologen Drosten und Streeck                beauftragter der Bundesregierung für die Opfer und Hinterblie­
hatten in den zurückliegenden Monaten teilweise unterschied­             benen von Terroranschlägen im Inland. In der Gesundheitspoli­

   Sabine Dittmar war in der ver-     Prof. Dr. Edgar Franke ist seit   Dr. Antje Draheim war seit Juni   Dr. Thomas Steffen bleibt. 2019
   gangenen Legislaturperiode         2009 im Bundestag, und war        2019 Staatssekretärin für Bun-    holte Jens Spahn ihn als Staats­
   gesundheitspolitische Spreche-     zwischen 2014 und 2017 auch       desangelegenheiten und Be-        sekretär ins Gesundheitsmini-
   rin ihrer Fraktion im Bundestag.   Vorsitzender des Gesundheits-     vollmächtigte des Landes Me-      sterium. Foto: BMG/Ute Gra-
   Foto: Maximilian König             ausschusses. Foto: BMG            cklenburg-Vorpommern beim         bowsky
                                                                        Bund. Foto: Thomas Trutschel

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Politik

tik hatte er sich oft mit Krankenhauspolitik beschäftigt. Von       Hubert Hüppe (CDU) aus Nordrhein-Westfalen hat nun den
1999 bis zur Bundestagswahl 2009 war Edgar Franke direkt            Vorsitz kommissarisch inne. Der Diplom-Verwaltungswirt zog
gewählter Bürgermeister der Stadt Gudensberg.                       1991 erstmals in den Deutschen Bundestag. 2009 wurde er
Edgar Franke ist studierter Politik- und Rechtswissenschaftler      nicht erneut gewählt, wurde aber zum Beauftragten der Bun­
und promovierte im Kommunalrecht. Er war Fachgruppenleiter          desregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen
„Öffentliches Recht“ beim Bundesverband der Unfallversiche­         ernannt. Seit 2013 kam er jeweils über die Landesliste der CDU
rungsträger der öffentlichen Hand und später Rektor und Pro­        NRW in den Bundestag und war überdies Mitglied der AG Ge­
fessor an der Hochschule der Gesetzlichen Unfallversicherung        sundheit. Nach der Konstitution des Gesundheitsausschusses
in Bad Hersfeld.                                                    hat das Gremium nun 42 Mitglieder.
Dr. Antje Draheim studierte Rechtswissenschaften in Potsdam         Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) hatte die
und Tübingen und promovierte an der Deutschen Universität           konstituierende Sitzung des Ausschusses geleitet. Zuvor war
für Verwaltungswissenschaften Speyer. Von 2003 bis 2012 über­       beschlossen worden – entgegen dem üblichen Verfahren –, in
nahm die gebürtige Rostockerin verschiedene Leitungsfunk­           geheimer Wahl über den Vorsitz des Ausschusses zu entschei­
tionen innerhalb der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Im       den.
Jahr 2012 wechselte sie als Abteilungsleiterin „Arbeit“ nach der    Die Parlamentarier hatten sich auf ein System verständigt, wel­
Landtagswahl 2016 und Neuorganisation der Landesministe­            che Fraktion in welchem Ausschuss das Vorschlagsrecht für die
rien in die Abteilung „Jugend und Familie“ in den entspre­          Position des Vorsitzenden erhält. Danach hat die größte Oppo­
chenden Ministerien. Seit Juni 2019 war Dr. Antje Draheim           sitionsfraktion, derzeit also die Unionsfraktion, den ersten Zu­
Staatssekretärin für Bundesangelegenheiten und Bevollmäch­          griff. Die CDU/CSU wählte den Vorsitz des Haushaltsausschus­
tigte des Landes Mecklenburg-Vorpommern beim Bund.                  ses. Danach wählte die SPD. Ein Abgeordneter der SPD kann
Dr. Thomas Steffen ist ein ausgewiesener Finanzexperte. Er          weder den Innenausschuss noch den Gesundheitsausschuss
übernahm am 15. Mai 2019 das Amt des Staatssekretärs im             leiten, da die Sozialdemokraten beide Minister stellen. Die SPD
Bundesministerium für Gesundheit in Bonn/Berlin. Bereits von        wollte den Auswärtigen Ausschuss, den Michael Roth, der bis­
Januar 2012 bis April 2018 war er als Staatssekretär im Bundes­     herige Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, leiten
ministerium der Finanzen. Er war dort zuständig für die Euro­       soll. Die FDP wählte den Verteidigungsausschuss, die Grünen
pa- und Währungspolitik, Finanzmärkte und Regulierung, in­          wollten den Europaausschuss, den der bei der Vergabe der Mi­
ternationale Zusammenarbeit sowie volkswirtschaftliche              nisterien leer ausgegangene Anton Hofreiter leiten soll. Dann
Grundsatzfragen. Thomas Steffen hat die Europäische Staats­         war die AfD dran – der Innenausschuss war noch übrig und der
schuldenkrise mitgemanagt, nachdem er im Oktober 2010 als           Ausschuss für Gesundheit. Auch der Innenausschuss hat den
Abteilungsleiter für Europa von der Bundesanstalt für Finanz­       AfD-Abgeordneten Martin Hess nicht zum Vorsitzenden ge­
dienstleistungsaufsicht (BaFin) zum Bundesfinanzministerium         wählt. Die AfD hat auf eine weitere Nominierung verzichtet.
gewechselt war. Bei der BaFin leitete Steffen acht Jahre lang die   Die Ausschuss-Chefs sind gehalten, politisch neutral zu arbei­
deutsche Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht und war           ten. Dass das gelingt, darf bei einer Partei, in der sich rechtsex­
Mitglied im Vorstand der BaFin. Von 2007 bis 2009 war er Vor­       treme Kräfte sammeln, die in Teilen vom Verfassungsschutz
sitzender des Ausschusses der Europäischen Aufsichtsbehör­          beobachtet wird und die Coronaleugnern und Verschwörungs­
den für Versicherungswesen und betriebliche Altersversorgung.       mythen rechtsnationale Verankerung bietet, bezweifelt werden.
Bis zu seinem Wechsel in die BaFin 2002 war Dr. Thomas Stef­
fen Referatsleiter im Bundesfinanzministerium, zuständig für        Mitglieder des Gesundheitsausschusses
Exportbürgschaften und Staatsgarantien.                             Im Gesundheitsausschuss sind 42 ordentliche Mitglieder ver­
                                                                    treten, darunter zwölf Abgeordnete der SPD-Fraktion, elf der
Der neue Gesundheitsausschuss: AfD-Abge-                            Unionsfraktion, sieben der Grünen-Fraktion, je fünf der Frakti­
ordneter als Vorsitzender durchgefallen                             onen von FDP und AfD sowie zwei Abgeordnete der Linksfrak­
Eigentlich hätte die AfD im Gesundheitsausschuss den Vorsit­        tion.
zenden stellen dürfen. Die Partei hatte dafür Jörg Schneider        Für die SPD: Heike Baehrens, Nezahat Baradari, Heike Engel­
nominiert. Doch bei der konstituierenden Sitzung am 15. De­         hardt, Dirk Heidenblut, Matthias Mieves, Claudia Moll, Bettina
zember im Bundestag fiel er durch: Schneider wurde nicht zum        Müller, Christos Pantazis, Andreas Philippi, Tina Rudolph, Mar­
Ausschussvorsitzenden gewählt. Der 57-jährige Ingenieur ist         tina Stamm-Fibich, Herbert Wollmann
der einzige verbliebene AfD-Abgeordnete, der schon in der ver­      CDU/CSU: Simone Borchardt, Michael Hennrich, Hubert Hüp­
gangenen Legislaturperiode im Gesundheitsausschuss saß.             pe, Erich Irlstorfer, Georg Kippels, Dietrich Monstadt, Stephan
Einen alternativen Abgeordneten hat die AfD vorerst nicht be­       Pilsinger, Erwin Rüddel, Tino Sorge, Diana Stöcker, Emmi Zeul­
nannt. Nun soll sich der Ältestenrat des Parlaments mit der Frage   ner
des Ausschussvorsitzes beschäftigen. Laut Satzung muss vorläu­      Bündnis 90/Die Grünen: Janosch Dahmen, Armin Grau, Linda
fig das älteste Mitglied des Gesundheitsausschusses den Vorsitz     Heitmann, Kirsten Kappert-Gonther, Kordula Schulz-Asche,
übernehmen, bis ein Vorsitzender regulär gewählt wurde.             ­Johannes Wagner, Saskia Weishaupt

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Politik

FDP: Maximilian Funke-Kaiser, Katrin Helling-Plahr, Kristine     zu insgesamt 182 Sitzungen zusammen. Seit dem Frühjahr
Lütke, Andrew Ullmann, Nicole Westig                             2020 befasste sich der Ausschuss regelmäßig mit dem aktuellen
AfD: Christina Baum, Thomas Dietz, Jörg Schneider, Martin Si­    Stand der Pandemie. Auch im Unterausschuss „Globale Ge­
chert, Kay-Uwe Ziegler                                           sundheit“ war die Pandemie ab 2020 ein wichtiges Thema. Zu­
Die Linke: Ates Gürpinar, Kathrin Vogler.                        dem riefen die Abgeordneten eigens den Unterausschuss „Pan­
Der Gesundheitsausschuss war in der vergangenen Legislatur­      demie“ ins Leben.
periode angesichts der Coronapandemie besonders stark gefor­
dert. Der Ausschuss kam in der zurückliegenden Wahlperiode       Katrin Rüter                                                   n

Der Talkshow-König
Niemand war so oft zu Gast wie Neu-Gesundheitsminister Karl      Die höchste Zahl von Auftritten in einem einzelnen Jahr lag
Lauterbach. 29-mal wurde SPD-Politiker Karl Lauterbach als       also bei 14, 2021 nun bei unglaublichen 29. Auf 14 Gästelisten-
eloquenter Experte eingeladen. Das zeigt ein Ranking des Bran­   Plätze kam in diesem Jahr Christian Lindner, der damit Rang 2
chendienstes Meedia, der zum zwölften Mal die Gästelisten der    belegt. Jeweils elfmal zu Gast waren die „Spiegel“-Journalistin
Talkshows des Ersten und des ZDF ausgewertet hat. Auf Platz 2    Melanie Amann und Robert Habeck von den Grünen, zehnmal
der wöchentlichen Shows folgt Christian Lindner vor „Spiegel“-   CSU-Chef Markus Söder. krü                                  n
Journalistin Melanie Amann.
Schon seit 2010 wertet Meedia die offiziellen Gäste- und The­
menlisten der großen Polit- und Gesellschafts-Talks von ARD
und ZDF aus. Seit 2020 dominiert die Pandemie als Thema die
Sendungen wie kein anderes zuvor. 2021 wurde in den 108 Aus­
gaben von „Anne Will“, „Hart aber fair“ und „Maybrit Illner“
63-mal über Corona-Aspekte gesprochen. Deutlich dahinter fol­
gen der Wahlkampf und die Bundestagswahl sowie die Sondie­
rungs- und Koalitionsverhandlungen. Über andere fundamen­
tale Themen wie die Klimakrise, Wohnungs- und Sozialpolitik
wurde kaum diskutiert.
„Maischberger. Die Woche“ spielte für die Themen-Auswertung
keine Rolle, da die Sendung ein multithematisches Konzept ver­
folgt. Sehr wohl eine Rolle spielte die Sendung in der Auswer­
tung der Gästelisten. In den vier wöchentlichen Shows, also
„Anne Will“, „Hart aber fair“, „Maischberger. Die Woche“ und
„Maybrit Illner“, waren im Jahr 2021 insgesamt 373 unter­
schiedliche Personen zu Gast, 51 weniger als im Jahr 2020. Die
Vielfalt auf den Gästelisten nahm also tendenziell ab.
Das zeigt sich auch auf Platz 1 des Jahres-Rankings: Der neue
Rekord von Karl Lauterbach stellt die Siegerlisten der bishe­
rigen Meedia-Auswertungen bei Weitem in den Schatten: So
kamen Peter Altmaier und Karl Lauterbach im Jahr 2020 auf je
14 Einladungen, Annalena Baerbock führte im Jahr 2019 mit
zehn Talkshow-Teilnahmen. 13-mal war Robert Habeck als
Spitzenreiter 2018 zu Gast, 2017 waren Sahra Wagenknecht und
Ursula von der Leyen mit jeweils zehn Talkshow-Auftritten am
häufigsten präsent. Auf jeweils neun Besuche in den Fernseh­
talks in den Jahren zuvor kamen Jürgen Trittin, Wolfgang Bos­
bach, Peter Altmaier, Thomas Oppermann, Sahra Wagenknecht,
                                                                 Karl Lauterbach bei der Aufzeichnung der ZDF-Talkshow „Markus
Ursula von der Leyen und Wolfgang Kubicki. Heiner Geißler        Lanz“ im Fernsehmacher Studio auf dem Hamburger Phoenixhof.
war 2010 zwölfmal dabei.                                         Foto: picture ­alliance/Geisler-Fotopress

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