Castalian String Quartet - Dienstag 28.09.21 - Berliner Philharmoniker

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Castalian String Quartet - Dienstag 28.09.21 - Berliner Philharmoniker
Castalian
String Quartet
                 Qu
                 Dienstag
                 28.09.21
                 tett
Castalian String Quartet - Dienstag 28.09.21 - Berliner Philharmoniker
Kammermusiksaal

                                                                                 Dienstag, 28.09.21, 20 Uhr

                                                                                 Serie Quartett
                                                                                 Castalian String Quartet:
                                                                                 Sini Simonen Violine
                                                                                 Daniel Roberts Violine
                                                                                 Charlotte Bonneton Viola
                                                                                 Christopher Graves Violoncello

AUSSERGEWÖHNLICHER KLANG –
   EINZIGARTIGES ERLEBNIS
Tauchen Sie ein in die C. Bechstein Welt und begeben Sie sich
  auf eine Klangreise in unser C. Bechstein Centrum Berlin.                      Kirill Petrenko
                                                                                 Chefdirigent und künstlerischer Leiter
                                                                                 der Berliner P­ hilharmoniker

                                                                                  Andrea Zietzschmann
            C. Bechstein Centrum Berlin · Kantstraße 17 · 10623 Berlin
                                                                                  Intendantin der Stiftung Berliner
    Telefon +49 (0)30 2260 559 100 · berlin@bechstein.de · bechstein-berlin.de   ­Philharmoniker
Castalian String Quartet - Dienstag 28.09.21 - Berliner Philharmoniker
Joseph Haydn (1732 –1809)
Streichquartett d-Moll op. 76 Nr. 2 Hob. III:76
»Quintenquartett«
1. Allegro
2. Andante o più tosto Allegretto
3. Menuetto – Trio
4. Finale: Vivace assai
Dauer: ca. 24 Min.

Thomas Adès (geb. 1971)
The Four Quarters op. 28
1. Nightfalls
2. Morning Dew
3. Days
4. The Twenty-fifth Hour
Dauer: ca. 20 Min.

Pause

     3           Programm
Castalian String Quartet - Dienstag 28.09.21 - Berliner Philharmoniker
Ludwig van Beethoven (1770 –1827)
Streichquartett a-Moll op. 132
1. Assai sostenuto – Allegro
2. Allegro, ma non tanto
3.	»Heiliger Dankgesang eines Genesenen an die Gottheit,
    in der lydischen Tonart«: Molto adagio –
    »Neue Kraft fühlend«: Andante – Molto adagio – Andante –
    Molto adagio: »Mit innigster Empfindung«
4. Alla marcia, assai vivace – Più allegro –                   Frank Peter Zimmermann – eine musikalische
5. Allegro appassionato – Presto
Dauer: ca. 45 Min.
                                                               Freundschaft
                                                               Frank Peter Zimmermann zählt zu den langjährigen Weggefährten der Berliner Philharmoniker,
                                                               die in der Zusammenarbeit immer wieder besondere Impulse setzen und anregende Perspektiven
                                                               eröffnen. Seine Auftritte knüpfen einen roten Faden zwischen Generationen von Musikerinnen und
                                                               Musikern – kaum ein für das Orchester prägender Dirigent dieser Jahre hat nicht mit dem Ausnah-
                                                               megeiger zusammengearbeitet.

                                                               Die exklusive Edition präsentiert nun mit Violinkonzerten von Beethoven, Bartók und Berg vier
                                                               herausragende Momentaufnahmen dieser intensiven musikalischen Freundschaft.

                                                               Berliner Philharmoniker    Ludwig van Beethoven       Alban Berg                Béla Bartók
                                                               Frank Peter Zimmermann     Konzert für Violine und    Konzert für Violine und   Konzert für Violine und
Fotoaufnahmen,                Die Stiftung Berliner                                       Orchester D-Dur op. 61     Orchester »Dem Andenken   Orchester Nr. 1 Sz 36
Bild- und Tonaufzeich­       ­Philharmoniker                                              Kadenzen: Fritz Kreisler   eines Engels«             Konzert für Violine und
 nungen sind nicht            wird gefördert durch:            2 CD · 1 Blu-ray           Daniel Harding             Kirill Petrenko           Orchester Nr. 2 Sz 112
­gestattet. Bitte schalten                                                                                                                     Alan Gilbert
Sie vor den Konzerten
Ihre Mobiltelefone aus.

                                                                                  Jetzt erhältlich unter
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                                                                                  und im Shop der Philharmonie Berlin
      4            Saison 2021/22
Castalian String Quartet - Dienstag 28.09.21 - Berliner Philharmoniker
Junge Kosmopoliten
Das Castalian String Quartet debütiert
mit Haydn, Beethoven und Adès

Ein frischer, schöner Ton, intelligente Gestaltung und
hörbarer Spaß am Musizieren: Das ist das Castalian
String Quartet. An diesem Abend debütieren die
vier jungen Musikerinnen und Musiker aus Finnland,
Wales, Frankreich und England in unserer Serie
Quartett. Das Programm verrät Selbstbewusstsein.
Von Haydn und Beethoven, Heroen der Entwicklung
des Streichquartetts, sind jeweils Werke der Reifezeit
zu hören. Mit Thomas Adès steht ein Komponist auf
dem Programm, der das große Erbe mit Klangsinn
und Originalität weiterführt.

   6     Saison 2021/22
Castalian String Quartet - Dienstag 28.09.21 - Berliner Philharmoniker
Joseph Haydn
Streichquartett d-Moll op. 76 Nr. 2

»Ich habe durch Instrumentalmusik niemals mehr Ver-
gnügen empfunden: sie sind voller Erfindung, Feuer,
gutem Geschmack und neuen Effekten«, schreibt der
englische Musikhistoriker Charles Burney begeistert über
die Streichquartette op. 76 von Joseph Haydn, die 1799
in London erschienen. Bestellt und mit hundert Dukaten
bezahlt hatte die insgesamt sechs Werke zwei Jahre
zuvor Graf Joseph Erdödy, Kanzler am ungarischen Hof in
Pressburg, dem heutigen Bratislava. Erdödy unterhielt ein
eigenes Streichquartett – und besaß zwei Jahre lang die
exklusiven Rechte an diesen Kompositionen: ein echtes
Statussymbol!
     Zur Werkgruppe op. 76 gehört auch das bekannte
»Kaiserquartett« mit den Variationen über »Gott erhalte
Franz, den Kaiser«, die heutige deutsche Nationalhym-
ne. Das Opus 76 bildet die neunte und letzte Serie von
jeweils sechs Quartetten und den Gipfel von Haydns
Schaffen auf diesem Gebiet. Insgesamt 68 Streichquar-
tette hat er zwischen 1755 und 1803 komponiert und
damit diese Gattung überhaupt eingeführt und etabliert.
Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven
knüpften direkt an das große musikalische Vorbild an.

    Im wegweisenden Quartettschaffen
    Joseph Haydns bilden die sechs Werke
    seines Opus 76 den Höhepunkt.                                Streichquartette op. 76 Nr. 1–3, Titelblatt des Notendrucks, 1799

     Das heute gespielte Streichquartett in d-Moll op. 76
Nr. 2 erhielt nach Haydns Tod den Beinamen »Quinten-
quartett«. Bereits in den ersten beiden Takten des Allegro
weiß man, warum. Zwei fallende Quinten klingen hier
ganz exponiert in der ersten Violine. Sie prägen motivisch
diesen von einem dramatischen Grundton geprägten
Satz, wandern durch die Stimmen, werden auch mal
aufwärts gespielt. Zu dieser strengen, rhythmisch ganz
einfachen Struktur aus halben Noten fügt Haydn viel
Überraschendes, Bewegliches hinzu. Und er hellt den
dunklen Mollcharakter mit lichten Dur-Passagen auf.

    8         Saison 2021/22                                 9        Werkeinführungen
Castalian String Quartet - Dienstag 28.09.21 - Berliner Philharmoniker
Das Andante o più tosto allegretto in D-Dur klingt mit
 seiner klaren Aufteilung zwischen Melodie in der ersten
                                                               Thomas Adès
Violine und Begleitung im übrigen Ensemble konventio-          The Four Quarters
neller. Bei der Wiederholung des ersten Teils verziert der
Komponist die Stimme der ersten Violine so reichhaltig,
dass das Werk fast zu einem Violinkonzert mutiert.
      Im originellen Menuett lässt Haydn zunächst die
beiden Unterstimmen einen Takt nach den Oberstimmen            Zeitgenössische Komponisten haben es nicht leicht, wenn
mit genau der gleichen Melodie im Kanon einsetzen.             sie geschichtsträchtige Gattungen wie Konzert oder
Im Mittelteil wird der Schalter plötzlich von Moll nach Dur    Streichquartett aufgreifen. Da kann Tradition auch schnell
umgelegt. Nur die erste Violine durchbricht mit melo­          zur Last werden. Der englische Komponist Thomas Adès
dis­chen Linien den durchgehenden Viertelpuls. Und             hat da keine Skrupel. Er war nie ein radikaler Avantgar-
auch das atemlose Finale Vivace assai, das nur in lang         dist, der mit der Vergangenheit bricht. Sein heute gespiel-
ausgehaltenen Fermaten zur Ruhe kommt, hat Feuer,­             tes, klanglich durchaus ambitioniertes Streichquartett
­Erfindungsreichtum und neue Effekte, von denen der            The Four Quarters lässt er sogar in reinem D-Dur enden –
 oben zitierte Musikhistoriker Charles Burney schwärmte.       sehr ungewöhnlich für ein Werk des 21. Jahrhunderts.
 Scharf artikulierte Spitzentöne und große Sprünge in          Adès’ Kompositionen spielen mit der Spannung zwischen
 der ersten Violine treffen auf markante Bassläufe.            Fremdem und Vertrautem. Seine Musik fasziniert durch
                                                               große Farbigkeit und komplexe Rhythmik, die auch mal
                                                               zu einem mitreißenden Groove werden kann wie beim
                                                              Orchesterwerk Asyla, das Sir Simon Rattle 2002 in seinem
              Entstehungszeit                                  Antrittskonzert bei den Berliner Philharmonikern dem
              1797                                             deutschen Publikum vorstellte.
              Uraufführung
              nicht nachgewiesen
                                                                  Adès’ Kompositionen spielen mit der
                                                                   ­Spannung zwischen Fremdem und
                                                                    Vertrautem, seine Musik fasziniert durch
                                                                    ­Farbigkeit und komplexe Rhythmen.

                                                                    Der 1971 in London geborene Thomas Adès feierte
                                                               1995 seinen internationalen Durchbruch als Komponist
                                                               mit der Kammeroper Powder Her Face, die sich genüss­
                                                               lich mit dem skandalträchtigen Leben der sexuell un-
                                                               ersättlichen Margaret Campbell, Herzogin von Argyll
                                                               (1912 –1993) beschäftigte. Ein Jahr zuvor hatte Adès, wie
                                                               sein Landsmann und Vorbild Benjamin Britten auch Pianist
                                                               und Dirigent, sein erstes Streichquartett Arcadiana op. 12
                                                               komponiert: eine musikalische Auseinander­setzung mit
                                                               vergangenen und vergehenden Idyllen.
                                                                    Sein 2010 entstandenes zweites Streichquartett The
                                                               Four Quarters op. 28 ist den Tageszeiten auf der Spur.
                                                               Mit Nightfalls lässt Adès den Tag bereits am Vorabend
                                                               beginnen. Einzelne, mit Akzenten geschärfte Spitzentöne
                                                               werden von dunklen Klangflächen in den tiefen Strei-
                                                               chern geerdet, ehe sich in der ersten Violine eine Melodie

    10        Saison 2021/22                                       11        Werkeinführungen
Castalian String Quartet - Dienstag 28.09.21 - Berliner Philharmoniker
entspinnt. Nach mehreren Steigerungen be­ruhigt sich
 das Geschehen. Die letzten Takte im dreifachen Piano
 mit sphärischen Flageoletts in Violine und Bratsche lassen
 diesen Tag wegdämmern.
       Der zweite Satz Morning Dew beginnt mit viel Ener­
 gie. Die unregelmäßigen Rhythmen werden von den
 Streichern gezupft, was die perkussive Wirkung noch ver-
 stärkt. Atemlos ist dieser Satz und berstend vor Vita­lität.
 Auch wenn die Musiker zum Bogen greifen, bleibt die
 rhythmische Intensität erhalten.
       Für Days hat Adès ein langsames Tempo gewählt.
 Ein über 31 Takte durchgehend gespieltes Cis verstärkt
 die Ruhe dieses dritten Satzes. Aber auch hier begnügt
 sich der Komponist nicht damit, eine Stimmung musi­
ka­lisch zu zeichnen, sondern lässt Unvorhergesehenes
­passieren. Aus der Müdigkeit entsteht eine immense
 Kraft, wenn ein gleicher Rhythmus die vier Streicher zu
 einem wuchtigen Kollektiv zusammenschweißt.
       Das The Twenty-fith Hour genannte Finale ist ein
virtuos-verspielter Satz im komplexen 25/16-Takt. »Alla
marcia« schreibt Adès als Vortragsanweisung in die Par­
titur, aber auch tänzerisch, rhythmisch, süß und gesang-
lich soll dieser »Marsch« gespielt werden. Wieder macht
der Komponist den Klangraum weit. Nach der Ekstase
kommt die Beruhigung – und ganz am Ende der bereits
erwähnte Schluss-Akkord im hellen D-Dur.
                                                                     Thomas Adès 2002 bei den Proben zum Antrittskonzert von Sir Simon Rattle als Chefdirigent
                                                                     der Berliner Philharmoniker, bei dem Adès’ Asyla auf dem Programm stand
              
              Entstehungszeit
              2010
              Uraufführung
              12. März 2011 im Stern Auditorium der Carnegie Hall,
              New York, durch das Emerson String Quartet
              

     12       Saison 2021/22                                              13         Werkeinführungen
Castalian String Quartet - Dienstag 28.09.21 - Berliner Philharmoniker
»Als ich Asyla schrieb, dachte ich,
                           Komponieren sei wie das Finden eines
                           Radiosenders. Die Musik ist im Radio, und
                           ich muss mein Gehirn so einstellen,
                           dass ich sie aufspüre. Inzwischen glaube
                           ich, Komponieren ist eher wie das Fliegen
                           eines Flugzeugs. Du weißt, du musst
                           sicher landen und alle Kontrolllampen
                           und die ganze Landschaft im Blick haben.
                           Und wenn du in stürmisches Wetter
                           kommst, musst du alles gut festhalten.«
                           Thomas Adès

14   Saison 2021/22   15
Castalian String Quartet - Dienstag 28.09.21 - Berliner Philharmoniker
Ludwig van Beethoven
Streichquartett a-Moll op. 132

Die erste Violine beginnt im langsamen Tempo mit einem
Sextsprung nach oben. Diese besondere Ausdrucksgeste
wird zu den anderen Stimmen weitergegeben – dann
er­klingt ein vierstimmiger Choral. »Sotto voce«, mit ge­
dämpfter Stimme, sollen die Streicher diesen besonde-
ren Satzbeginn spielen, der eine friedvolle Harmonie                 Joseph Haydn,
entstehen lässt. »Heiliger Dankgesang eines Genesenen               ­Bleistiftzeichnung von
                                                                     George Dance, 1794
an die Gottheit, in der lydischen Tonart« hat Ludwig van
Beethoven dieses Molto adagio genannt, das genau
in der Mitte seines Streichquartetts a-Moll op. 132 posi-
tioniert ist und das emotionale Zentrum bildet.
      »Indem Beethoven die lydische Tonart verwendet
– eine alte Kirchentonart, die in F-Dur steht, bei der aber
ein h statt eines b gespielt wird – reduziert er harmoni-
sche Kontraste und Dissonanzen. Die ungewöhnliche
Länge jedes Akkords und die abnehmende Spannung,
die durch die Tonart hervorgerufen wird, lassen die Musik
so langsam fortschreiten, dass die Zeit zum Stillstand ten-
diert«, charakterisiert Edward Dusinberre, der Primarius
des Takács Quartett, in seinem Buch Beethoven für eine
spätere Zeit die besondere Atmosphäre dieses Adagios.

    »Neue Kraft fühlend«, steht in der Partitur,
    wenn Bewegung in die ruhig dahinfließende
    Musik kommt: Das Leben kehrt zurück.

      Der fünfteilige, insgesamt rund 20-minütige Satz                                        Ludwig van Beethoven,
enthält neben den getragenen Choralteilen auch zwei                                           Kreidezeichnung von
                                                                                              August von Kloeber, 1818
bewegtere Abschnitte. »Neue Kraft fühlend«, steht hier in
der Partitur, wenn im Andante mit Trillern in der ersten und
Girlanden in der zweiten Violine erstmals Bewegung in
diese ruhig dahinfließende Musik kommt. Das Leben kehrt
zurück in die überirdische Ruhe. Der letzte Adagio-Teil ist
»mit innigster Empfindung« zu spielen. Der starke Bekennt­
nischarakter dieser Musik hat direkt mit Beethovens Hei­
lung von einer schweren Darmentzündung zu tun, die ihn
im April 1825 zu einer Kur nach Baden bei Wien zwang.
Dem behandelnden Arzt Dr. Braunhofer schickte er nach

    16        Saison 2021/22                                   17   Werkeinführungen
seiner Genesung einen vierstimmigen Kanon mit dem
Text: »Doktor sperrt das Thor dem Todt, Note hilft auch
                                                                 Castalian String Quartet
aus der Noth.«
     Das Streichquartett in a-Moll op. 132 gehört neben
denen in Es-Dur op. 127 und B-Dur op. 130 zu den drei
Quartetten, die Beethoven für den beauftragenden
Fürsten Nikolaus Galitzin aus Petersburg komponierte. Elf
Jahre lang hatte sich der Komponist zuvor nicht mehr mit
dieser Gattung beschäftigt. Erstmals verlässt er hier mit
fünf Sätzen die traditionelle Viersätzigkeit des Quartetts.
Dieses Spätwerk hat aber noch mehr Besonderheiten,
beispielsweise einen mottoartigen 4-Ton-Beginn im
ersten Satz, der ähnlich wie im Adagio durch die Stim-
men wandert und an wichtigen Schnittstellen des nach-
folgenden Allegros wieder auftaucht. Der dritte Satz
überrascht durch seine Beschränkung des musikalischen
Materials und einen ganz hellen, zarten Mittelteil.
     Völlig außergewöhnlich ist nach dem »Heiligen
Dankgesang« der knappe Satz Alla Marcia, assai vivace,
der unvermittelt in ein Opernrezitativ übergeht – mit der
ersten Violine als Sängerin und den tiefen Streichern
als begleitendes Orchester. Die Arie folgt dann im Alle-
gro-appassionato-Finale und dem Espressivo-Thema                 Ganz normal stehen die vier Mit­       persönliche Weise, niemals aufdring-
der ersten Violine. Aber natürlich macht Beethoven auch          glieder des Castalian String Quartet   lich oder manieriert und doch mit
daraus etwas ganz Eigenes, befeuert die Dramatik in              beisammen. Für die PR-Fotos wird       sprechender Verständlichkeit, jede
den Mittelstimmen, lässt aber auch mal die Begleitachtel         nichts inszeniert und keine beson-     musikalische Phrase, spielen dabei
wuchern, so dass für einige Momente die Orientierung             dere Pose eingenommen. Den vier        mit zum Herzen gehenden und von
abhandenkommt. Im Presto verliert der Satz jede Kon-             Musikerinnen und Musikern kommt es     vier korrespondierenden Herzen ge-
vention. Atemlos und getrieben findet das Finale                 nicht auf die Außenwirkung an, son-    hendem Klang«, sagt der erfahrene
zu einem erlösenden Ende. Trockene Akkordschläge                 dern auf die musikalische Substanz.    Kammermusikprofessor.
setzen ein letztes Ausrufezeichen.                               Diese Natürlichkeit hört man auch            Der Name »Castalian« kommt
                                                                 in ihren Interpretationen. Da wird     von der Kastalischen Quelle im
                                           Georg Rudiger         nichts auf Effekt getrimmt, sondern    antiken Delphi, die jedem, der von
                                                                 es wird stets eine Balance zwischen    ihr trinkt, die Dichtergabe verleihen
                                                                 den einzelnen Stimmen gesucht.         soll. Die Inspiration geht jedenfalls
                                                                Eitelkeit ist diesem Ensemble fern.    der Finnin Sini Simonen (Violine), dem
              Entstehungszeit                                          Gefunden hat sich das in         Walliser Daniel Roberts (Violine), der
              1824/1825                                          London beheimatete Castalian           Französin Charlotte Bonneton (Viola)
              Uraufführung                                       String Quartet vor zehn Jahren an      und dem Engländer ­Christopher
              in Wien privat am 9. September und öffentlich      der Hochschule für Musik, Theater      Graves (Violoncello) nicht aus. Wich-
              am 6. November 1825, jeweils durch die Quartett­   und Medien in Hannover. Oliver         tige Auszeichnungen wie der 1. Preis
              formation des Geigers Ignaz Schuppanzigh           Wille, der zweite Geiger des Kuss      beim Kammermusikwettbewerb
                                                                Quartetts, unterrichtete sie dort im   2015 in Lyon säumen ihren Weg.
                                                                 Masterstudiengang für Streichquar-     Neben dem Standardrepertoire be-
                                                                 tett und wurde ihr entscheidender      schäftigen sich die vier auch immer
                                                                 Mentor. »Das Ensemble hat sehr         wieder mit Neuer Musik wie mit dem
                                                                 eigene und ungewöhnliche Quali-        heute zu hörenden The Four Quar-
                                                                 täten, sie hinterfragen auf sehr       ters von Thomas Adès.

    18        Saison 2021/22                                         19       Biografie
Ways of Seeing Abstraction
             Works from the Deutsche Bank Collection

Die abstrakte Kunst war nie tot. Seit ihren revolutionären Anfängen
zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat sie immer wieder Blütezeiten
erlebt und alle Anfeindungen, ja sogar Verbote, überlebt. Aspekte
der abstrakten Kunst der Gegenwart, verbunden mit historischen
                                                                      Beide Ausstellungsansichten © Mathias Schormann
Reminiszenzen, stehen im Mittelpunkt der dritten Schau aus der
Sammlung der Deutschen Bank im PalaisPopulaire. Die Auswahl
umfasst ca. 170 Werke aus der Zeit von 1959 bis 2021. Gezeigt
werden Zeichnungen, Fotografien, Gemälde und Druckgrafiken von        zu interpretieren. Mit einer Reihe von Neu- und Wiederentdeckungen
47 Künstler*innen aus vierzehn Ländern.                               wie zum Beispiel den Positionen von Rana Begum, Jennie C. Jones,
                                                                      Kapwani Kiwanga oder Wilhelm Müller und mit einer Auswahl von eher
Der Ausstellungstitel Ways of Seeing Abstraction leitet sich ab von   unbekannten oder selten gezeigten Werken international bekannter
John Bergers populärer BBC-Fernsehserie und Publikation „Ways of      Künstler wie Gerhard Richter oder Tadaaki Kuwayama ist Ways of Seeing
Seeing“ aus den 1970er-Jahren und verweist in Bezug auf die Schau     Abstraction wie die Sammlung Deutsche Bank global konzipiert.
auf die vielfältigen „Wege“ der Künstler*innen, ungegenständliche
Bildwelten zu schaffen und auf die gleichermaßen vielfältigen Mög-    Die Ausstellung verzichtet bewusst auf Kategorisierungen wie
lichkeiten der Betrachter*innen, diese individuell wahrzunehmen und   Konstruktivismus, Abstrakter Expressionismus, Informel, Hard Edge,
                                                                      Konkrete Kunst oder Neo Geo. Sie zeigt, dass insbesondere jüngere
                                                                      Künstlergenerationen Elemente dieser heute historischen Stilrich-
                                                                      tungen nicht nur als ihr Formenreservoir nutzen, sondern sie auch neu
                                                                      interpretieren und mit aktuellen, auch politischen Inhalten verbinden.

                                                                      Ways of Seeing Abstraction
                                                                      Works from the Deutsche Bank Collection
                                                                      27. 3. 2021–7. 2. 2022

                                                                      PalaisPopulaire
                                                                      Unter den Linden 5, 10117 Berlin
                                                                      db-palaispopulaire.de
Konzerttipps

                        Gustavo Gimeno und Augustin Hadelich                                             Daniil Trifonov spielt Bachs »Kunst der Fuge«
                        debütieren
                                                                                                         Die Musik von Johann Sebastian Bach ist für Starpianist
                        Nikolaj Rimsky-Korsakows Scheherazade beeindruckt                                Daniil Trifonov eine Herzensangelegenheit. In u­ nserer ­Reihe
                        durch den Kontrast zwischen dem brutalen Sultan und                              Klavier erleben wir den russischen Pianisten ­des­wegen
                        der charmant-gewitzten Titelheldin. Hinzu kommt eine                             ­ausschließlich als Bach-Interpreten – mit einem der heraus­
                        prachtvolle Vision des Orients, der hier in allen Farben                         forderndsten Werke, die uns der ­Thomas­­kantor hinter-
                        schillert. Kein Wunder, dass Rimsky-Korsakow ein gefragter                       lassen hat: der Kunst der Fuge. Es sei dies eine Mu­sik – so
                        Instrumentationslehrer war. Zu seinen Schülern zählte                            Trifonov –, die zwar mathematisch und kontra­­­­­punktisch
                        Sergej Prokofjew, der von ihm die Vorliebe für urwüchsige                         konzipiert ist, die man aber auch »zum Schweben« bringen
                        russische Volksmelodien übernahm, wie man in seinem                               müsse. Entsprechend beschwingt, transparent und spiele-
                        Zweiten Violinkonzert hört. Sowohl Dirigent Gustavo                               risch klingt Bachs Werk unter seinen Händen.
                        ­Gimeno, Musikdirektor in Luxemburg und Toronto, wie
                         auch der Geiger Augustin Hadelich debütieren bei den                            Mo    25.10.21    20 Uhr
                         Berliner Philharmonikern.
                                                                                                         Großer Saal
                        Do   07.10.21    20 Uhr                                                          Daniil Trifonov Klavier
                        Fr   08.10.21    20 Uhr
                        Sa   09.10.21    19 Uhr                                                          Karten von 31 bis 76 Euro

                        Großer Saal
                        Berliner Philharmoniker
                        Gustavo Gimeno Dirigent
                        Augustin Hadelich Violine

                        Karten von 21 bis 66 Euro

                        Philharmonischer Salon: Auf den Spuren                                           Renaud Capuçon und die Karajan-Akademie
                        Giacomo Casanovas
                                                                                                         Ein heiter-melancholisches Programm mit dem franzö­
                        Frauenheld und Abenteurer: Das ungewöhnliche und                                 sischen Geiger Renaud Capuçon und der Karajan-­
                        ­bewegende Leben Giacomo Casanovas fasziniert bis                                Akademie: Für den heiteren Aspekt sorgen zwei Werke
                         heute. Er war Priester, Gefangener in den Bleikammern                           Wolfgang Amadeus Mozarts, dessen Violinkonzert Nr. 3
                         Venedigs, Hauslehrer, Sekretär, Spion und Liebhaber                             G-Dur und seine »Haffner-Symphonie«, die Wiener Klassik
                         einflussreicher und schöner Frauen. Seine Memoiren, aus                         von ihrer lichten Seite zeigen. Melancholisch hingegen
                         denen Rufus Beck liest, sind ein spannender Spiegel der                         geben sich Richard Strauss’ Metamorphosen, in denen der
                         Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. Den musikalischen                            Komponist die Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg
                         ­Rahmen für diesen ersten Philharmonischen Salon der                            betrauert.
                          Saison 2021/22 bildet das Concerto Melante mit Kompo-
                          sitionen aus jener Zeit.                                                       Sa    30.10.21    20 Uhr

                        So   24.10.21    16 Uhr                                                          Kammermusiksaal
                        So   31.10.21    16 Uhr                                                          Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker
                                                                                                         Renaud Capuçon Violine und Leitung
                        Kammermusiksaal
                        Rufus Beck Sprecher                                                              Karten von 15 bis 35 Euro
                        Concerto Melante
                        Raimar Orlovsky Violine und Leitung
                        Cordelia Höfer Hammerklavier
                        Götz Teutsch Programmgestaltung

                        Kartenpreise von 15 bis 35 Euro

  22   Saison 2021/22                                                                23   Konzerttipps

Ticketverkauf
• online unter berliner-philharmoniker.de
• t elefonisch unter +49 30 254 88-999
   Montag – Freitag 9 –16 Uhr
• a n der Konzertkasse der Philharmonie
    Montag – Freitag 15–18 Uhr
    Samstag, Sonntag und an Feiertagen 11–14 Uhr


                                                                                                                       Hier spielen
                                                                                                                       wir nur für
                                                                                                                       Sie
                                                 
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   redaktion@berliner-philharmoniker.de

Redaktion: Tobias Möller (V. i. S. d. P.)
Mitarbeit: Anne Röwekamp, Hendrikje Scholl
Künstlerbiografie: Georg Rudiger · Abbildun-
gen: S. 7, 19 Kaupo Kikkas, S. 9 akg-­images,
S. 13 Klaus Rudolph, S. 14, 22 (o.) Marco
Borggreve, S. 17 Royal College of Music,
London (o.), a ­ kg-images / Beethoven-Haus
Bonn (u.), S. 22 (u.) Jonathan Beck, S. 23 (o.)
Dario Acosta, S. 23 (u.) Marc Ribes · Artwork:
Studio Oliver Helfrich · Layout: Stan Hema ·                                                                                                   Jetzt in
Satz: ­Patrizia Monnerjahn · Herstellung:                                                                                                      Hi-Res
Reiter-Druck, 12247 Berlin
                                                                                                                                               Audio
Programm- und Besetzungsänderungen
vorbehalten
                                                                                              Offizieller Streaming-Partner
Einzelheftpreis: 3 Euro                                                                       der Digital Concert Hall
PH 7, 2021/22
                                                                                                                                 digitalconcerthall.com
      24          Saison 2021/22
Rana Begum, WP 412 (Detail) © Begum Studio
          Courtesy of Jhaveri Contemporary

                                                       27.3.2021–7.2.2022

                                               Ways of
                                             Seeing
                                              Abstraction
                                             Works from the
                                             Deutsche Bank Collection

   Mi – Mo 10 – 19 Uhr, Do bis 21 Uhr
   Unter den Linden 5, 10117 Berlin
   db-palaispopulaire.de
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