WSL Berichte Heft 37, 2015 - DORA 4RI
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Heft 37, 2015 WSL Berichte ISSN 2296-3456 Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen Hydrologisches Jahr 2014/15 Frank Techel, Benjamin Zweifel, Christoph Marty WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL CH-8903 Birmensdorf
Heft 37, 2015 WSL Berichte ISSN 2296-3456 Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen Hydrologisches Jahr 2014/15 Frank Techel, Benjamin Zweifel, Christoph Marty Herausgeber WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, Davos Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, Birmensdorf
Verantwortlich für die Herausgabe der Schriftenreihe Prof. Dr. Konrad Steffen, Direkter WSL Verantwortlich für dieses Heft Dr. Jürg Schweizer, Leiter SLF, Davos Schriftleitung: Sandra Gurzeler, WSL Layout: Frank Techel, SLF Zitiervorschlag: T ECHEL , F., Z WEIFEL , B., M ARTY, C., 2015: Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen. Hydrologisches Jahr 2014/15. WSL Ber. 37: 83 S. ISSN 2296-3448 (Print) / 2296-3456 (online) «Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen» ersetzt «Wetter, Schneedecke und Lawinengefahr», und enthält zusätzlich die Lawinenunfälle in den Schweizer Alpen. Bezug: http://www.slf.ch/schneeinfo/wochenbericht/2014-15/Jahresbericht/index_DE http://e-collection.ethbib.ethz.ch/view/eth:20002?q=winterbericht Datengrundlagen: Wetter, Schneedecke und Lawinengefahr: Messnetze des SLF und der MeteoSchweiz, Lawinenbulletin des SLF Lawinen mit Personen- und Sachschäden: Kantonale Polizeidienststellen, Kantonale Forst- und Tiefbauäm- ter und Naturgefahrenabteilungen, Schweizerische Rettungsflugwacht Rega, Kantonale Walliser Rettungs- organisation OCVS-KWRO, Maison FXB du Sauvetage, Air Glaciers, Air Zermatt, Heli Bernina, Pisten- rettungsdienste, Alpine Rettung Schweiz, Unfallbeteiligte und Augenzeugen, SLF-Beobachter, Bergführer, Tourenleiter und Skilehrer Karten: Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (JA100118/JD100040) Umschlag von oben nach unten: Durch Personen am 7. Februar ausgelöste Lawine an der Pointe de Cray, VD (1900 m, NW). Die Lawine brach im Altschnee an und riss bis auf den Boden durch. Glücklicherweise wurde niemand erfasst und der bereits gestartete Rega-Einsatz konnte abgebrochen werden (Foto: R. Wellig, 07.02.2015). Nach grossen Schneefällen Anfang April 2015 waren in vielen Gebieten Massnahmen zur Sicherung von Strassen und Skigebieten nötig, wie hier an der nach Samnaun (GR) führenden Strasse. Mittels einer aus dem Helikopter abgeworfenen Sprengladung wurde diese Staublawine am Piz Mundin ausgelöst (Foto: P. Caviezel, 03.04.2015). Durch Personen fernausgelöste Schneebrettlawinen am Südsüdosthang des Staller Berg (Avers, GR) auf 2535 m. Es wurde niemand erfasst. Fernausgelöste Lawinen waren im Winter 2014/15 zeitweise sehr ty- pisch (Foto: F. Baumgartner, 28.01.2015). Ein Lawinenunfall am Vilan, GR am 31. Januar forderte 5 Todesopfer (Foto: Rega, 31.01.2015).
Vorwort Der vorliegende Bericht enthält die Zusammenfas- ber noch günstig, entwickelte sich in der zwei- sung der Wetter-, Schnee- und Lawinensituation ten Dezemberhälfte eine schwache Altschnee- während des vergangenen hydrologischen Jahres schicht. Nach den Schneefällen Ende Dezember (Oktober 2014 bis September 2015) sowie die Un- war die Schneedecke denn auch, ähnlich wie im fallstatistik mit Beschreibungen ausgewählter Un- Winter 2013/14, ab dem Jahreswechsel in den fälle. Er bietet einerseits einen raschen Überblick inneralpinen Regionen des Wallis und Graubün- über den Winterverlauf und andererseits detaillierte dens schlecht aufgebaut, wobei die schwächste Informationen zu Lawinenunfällen. Damit ergänzt Schneedecke im südlichen Wallis beobachtet wur- er die vielen, laufend auf der SLF-Homepage unter de. Entsprechend blieb die Lawinengefahr in den der Rubrik «Wochenbericht» verfügbaren Informa- inneralpinen Regionen länger kritisch. Doch auch tionen. In der Beschreibung der Lawinenunfälle fin- am Alpennordhang waren in der oberen Hälfte der den sich wertvolle und häufig auch lehrreiche Hin- Schneedecke teilweise kritische Schwachschich- weise für Schneesportlerinnen und Schneesport- ten vorhanden. Dies trug dazu bei, dass es um den ler. Dabei geht es nicht darum, wer wann welchen Monatswechsel Januar/Februar 2015 zu einer Rei- Fehler gemacht hat. Die wenigsten Lawinenunfälle he schwerer Lawinenunfälle kam: 11 Todesopfer in sind das Resultat eines offensichtlichen Fehlers, drei Tagen war die traurige Bilanz. sondern hängen häufig mit den Unsicherheiten zu- Insbesondere zwei Lawinenunfälle mit mehreren sammen, die zur Einschätzung der Lawinengefahr Todesopfern (31. Januar 2015, Vilan, GR, fünf To- gehören. Die meisten Lawinenunfälle beinhalten te und 21. Februar 2015, Combe des Morts, VS, eine unerwartete Komponente; diese zu erkennen vier Tote) trugen dazu bei, dass im Winter 2014/15 und in seinen eigenen Erfahrungsschatz aufzuneh- insgesamt überdurchschnittlich viele Lawinentote men, ist letztlich das Ziel - um in Zukunft selber auf zu verzeichnen waren. Die Gesamtopferzahl liegt diese Erfahrung zurückgreifen zu können. mit 33 Todesopfern deutlich über dem zwanzig- jährigen Mittelwert von 22 Todesopfern. Aufgrund Der Winter 2014/15 war zu einem gewissen Grad dieser negativen Bilanz ist der Mittelwert nun auf ähnlich wie der Vorwinter, aber ging zum Teil auch 23 gestiegen. als aussergewöhnlich in die Annalen ein. Wie fast Alle Lawinenopfer hielten sich beim Lawinennieder- jedes Jahr lässt sich rückblickend feststellen, dass gang im freien Gelände auf; es waren keine Opfer doch kein Winter einem anderen genau gleicht, auf Verkehrswegen oder in Gebäuden zu bekla- was die Arbeit der Lawinendienste anspruchsvoll, gen. Die Mehrheit der Opfer waren Skitourengeher aber zugleich abwechslungsreich macht. (23), die restlichen zehn Variantenfahrer. Einmal Der Winter startete am 6. November 2014 im gan- mehr ereigneten sich die meisten tödlichen Unfäl- zen Schweizer Alpenraum vielsprechend mit viel le in Graubünden (neun Unfälle mit insgesamt 13 Neuschnee, z. B. 56 cm in Göschenen, UR. An den Todesopfern) und im Wallis (acht Unfälle mit insge- meisten Stationen blieb das der grösste Schnee- samt 12 Todesopfern). Diese Häufung dürfte eine fall des gesamten Winters. Die Schneedecke von Folge des ungünstigen Schneedeckenaufbaus in Anfang November war nur von kurzer Dauer; mil- diesen Regionen sein - ein Muster, das, wie eine de Temperaturen bis Weihnachten sorgten dafür, kürzliche Untersuchung zeigte, häufig auftritt. dass sie vielerorts wieder schmolz. Erst eine Kalt- Im Gegensatz zum Vorjahr war der Sommer 2015 front Ende Dezember führte zu weiteren Schnee- schneearm. Entsprechend war nur ein einziges La- fällen und deckte auch das Mittelland mit grösseren winenbulletin nötig, und es gab auch keine Lawi- Schneemengen ein. Dies führte kurzzeitig zur para- nenopfer zu beklagen. doxen Situation, dass z. B. am 31. Dezember 2014 in Zürich und St. Gallen (38 cm resp. 56 cm) mehr Verschiedenste Personen und Institutionen lies- Schnee als in Davos und St. Moritz (32 cm resp. 13 sen uns auch während des Winters wieder wert- cm) lag. Dieser Schnee schmolz aber mit rekord- volle Informationen zukommen: Augenzeugen und milden Temperaturen schnell wieder weg, bevor Unfallbeteiligte, Bergführer, Tourenleiter und Ski- dann ab Mitte Januar mehrere Nordwestlagen wie- lehrer, Polizei, Pistendienste, SAC-Rettungschefs, derum Schnee ins Mittelland und diesmal speziell SLF-Beobachter, Rega, Maison FXB du Sauveta- auch in den Jura brachten. Dank einer kleinen an- ge, Air Glaciers, Air Zermatt, Heli Bernina, Lawi- schliessenden Kältewelle blieb diese Schneedecke nenhundeführern, Kantonsforst- und Tiefbauämter, auch im Mittelland mehr als 20 Tage erhalten. aber auch immer zahlreichere private Tourengehe- War der Schneedeckenaufbau Anfang Dezem- rinnen und Variantenfahrern. Ihnen allen danken 3
wir für ihre Daten, detaillierten Beschreibungen, Fo- view dieses Unfallberichtes mitgeholfen haben, sei tos und die gute Zusammenarbeit. Ohne ihre be- an dieser Stelle ebenfalls ganz herzlich gedankt. reitwillige Berichterstattung wäre die vorliegende Arbeit nicht möglich gewesen. Ein Dank gebührt Dr. Jürg Schweizer auch allen, die sich zur Rettung und Bergung von Leiter SLF Verschütteten in irgendwelcher Art eingesetzt ha- Leiter Forschungseinheit Lawinen und Prävention ben. Ihre Arbeit ist oft schwierig und gefährlich. Der MeteoSchweiz (Witterungsberichte, SwissMetNet- Davos Dorf, im Dezember 2015 Daten) sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung unseres Institutes, die bei der Erarbeitung und Re- SLF, Davos
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 7 2 Wetter, Schneedecke und Lawinengefahr in den Schweizer Alpen 8 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Schneehöhenverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Schneedeckenaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Lawinenaktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Gefahrenstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Lawinenbulletins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Sommer (Juni bis September) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3 Lawinen mit Personen- und Sachschäden 35 Lawinen mit erfassten Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Lawinen mit Sachschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Übersicht über Unfälle mit Todesfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Auswahl von Unfällen mit erfassten Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 A Anhang 76 Mess- und Beobachterstationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Lawinen mit Personen- und Sachschäden: Erläuterungen und Übersichtstabellen . . . . . . . . . . 78
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2014/15 1 Einleitung Im vorliegenden Bericht wird, wie in den voran- Abkürzungen gegangenen Berichten für frühere Jahre, die Be- schreibung der Schnee- und Lawinensituation (Teil IMIS Interkantonales Mess- und 1) zusammen mit den Unfallberichten (Teil 2) für Informationssystem das hydrologische Jahr 2014/15 (1. Oktober 2014 IMSI International Mobile Subscriber bis 30. September 2015) publiziert. Identity LVS Lawinen-Verschütteten-Suchgerät RECCO Elektronisches System zur Lokalisierung von Lawinenopfern Wetter, Schneedecke und Lawinenge- Rega Schweizerische Rettungsflugwacht fahr SAC Schweizer Alpen-Club SLF WSL-Institut für Schnee- und Im ersten Teil (Kapitel 2, ab Seite 8) wird ein Lawinenforschung SLF, Davos Rückblick zur Schnee- und Lawinensituation in den SwissMetNet Automatisches Messnetz Schweizer Alpen gegeben. Dabei wird auf den MeteoSchweiz Schneehöhenverlauf und die wichtigsten Nieder- BE Kanton Bern schlagsereignisse, die Entwicklung der Schneede- FR Kanton Freiburg ckenstabilität und des Schneedeckenaufbaus, so- GL Kanton Glarus wie die bedeutendsten Lawinenperioden eingegan- GR Kanton Graubünden gen. LU Kanton Luzern Ausführlichere Beschreibungen zu einzelnen Pe- NW Kanton Nidwalden rioden, Gefahren- und Schneehöhenkarten sowie OW Kanton Obwalden die vollständigen Lawinenbulletins können im Wo- SG Kanton St. Gallen chenbericht im Internet unter www.slf.ch abgerufen SZ Kanton Schwyz werden. TI Kanton Tessin UR Kanton Uri Lawinen mit Personen- und Sachschä- VD Kanton Waadt den VS Kanton Wallis Der zweite Teil des Berichtes beinhaltet die Lawi- nen mit Personen- und Sachschäden (Kapitel 3, ab Seite 35). Nebst einer Zusammenfassung aller La- winen mit Personen- und Sachschäden des Win- ters 2014/15 werden auch einige ausgewählte Un- fälle detailliert beschrieben (ab Seite 51). 7
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2014/15 2 Wetter, Schneedecke und Lawinengefahr in den Schweizer Alpen Benjamin Zweifel, Christoph Marty Zusammenfassung Winter (Oktober bis Mai) • Stabile Schneedecke am Alpensüdhang Am Alpensüdhang war die Schneedecke • Schwache Schneedecke inneralpin aber zeit- weitgehend günstig aufgebaut. Die Schnee- weise auch am Alpennordhang höhen waren zwar nicht so extrem wie im In den inneralpinen Regionen des Wallis und Winter 2013/14. Trotzdem konnte sich vom Graubündens herrschte ab dem Jahreswech- Simplongebiet über das südliche Goms bis sel ein schlechter Schneedeckenaufbau, wo- zum zentralen Alpensüdhang eine stabile bei die schwächste Schneedecke im südli- Schneedecke bilden. chen Wallis beobachtet wurde. Zeitweise wa- ren aber auch am Alpennordhang Schwach- • Schneehöhen im Norden unterhalb 2200 m schichten im Altschnee vorhanden, was für unterdurchschnittlich, trotzdem viel Schnee diese Region eher untypisch ist und dort zu im Mittelland und im Jura einigen Lawinenunfällen führte. Kritisch wa- Die Schneehöhen des Winters 2014/15 wa- ren nicht nur die schwachen, aufbauend um- ren am Alpennordhang nur gerade ober- gewandelten Schichten des Frühwinters an halb von rund 2200 m durchschnittlich. Dies der Basis der Schneedecke, sondern auch hauptsächlich aufgrund der grossen Wärme eingeschneite Oberflächenreif-Schichten so- im November und Dezember, die jeglichen wie schwache Schichten im Bereich von Schneedeckenaufbau Anfang Winter unter- Krusten im Mittelteil der Schneedecke. halb dieser Höhenlage verhinderte. Am Al- pensüdhang war die Schneedecke oberhalb dieser Höhenlage wegen der grossen Nie- derschlagsmengen sogar überdurchschnitt- lich mächtig. Unterhalb 2000 m waren die Schneehöhen dagegen wegen des zu war- men Winters schweizweit klar unterdurch- schnittlich, auch wenn in einigen Regionen kurzzeitig normale Werte erreicht wurden. Dank dem Zusammenspiel von Kälte und Nie- derschlag zur richtigen Zeit war die Anzahl Schneetage im Mittelland und Jura teilweise aber normal trotz des warmen Winters. Ab Mitte Januar brachten mehrere Nordwestla- gen Schnee ins Mittelland und speziell auch in den Jura. Dank einer kleinen anschliessen- den Kältewelle blieb diese Schneedecke auch im Mittelland mehr als 20 Tage erhalten. Abbildung 1: Durch Personen ausgelöste Schneebrett- lawine an einem Westhang auf rund 2400 m oberhalb • Deutlich mehr Lawinenopfer als im langjähri- von Karlimatten, Flüelapassstrasse, Davos, GR. Die La- gen Mittel wine brach im Altschnee an (Foto: SLF/S. Margreth, Die Gesamtopferzahl liegt mit 33 Todesop- 03.01.2015). fern – alle im freien Gelände – deutlich über dem langjährigen Mittelwert. Seit dem Winter • Durch den schlechten Schneedeckenaufbau 1990/91 kamen nie mehr so viele Leute im hohe Nassschneelawinenaktivität im Frühling freien Gelände in Lawinen ums Leben. Für In den inneralpinen Regionen des Wallis und das hydrologische Jahr liegt der 20-jährige Graubündens und am Alpennordhang gingen Mittelwert bei 23 Lawinentoten. Anfang und Ende März sowie im April und Mai viele Nassschneelawinen ab: Besonders an Nordhängen oberhalb von rund 2400 m waren sie Anfang Mai zahlreich und auch gross. Grössere Sachschäden wurden aller- dings nicht verzeichnet. 8
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2014/15 Sommer (Juni bis September) mermonaten an 13 Tagen Neuschnee fällt. An der MeteoSchweiz Station Arosa (1840 m) • Heiss und trocken gab es nicht überraschend keinen einzigen Juni, Juli und August 2015 waren von Rekord- Neuschneetag zwischen Juni und August. hitze geprägt und gingen hinter dem legen- Dies trat letztes Mal im 2008 auf und kommt dären Hitzesommer 2003 als zweitwärms- etwa jeden sechsten Sommer vor. Nimmt ter Sommer in die Mess-Geschichte ein. Der man noch den September dazu, konnte man Wärmeüberschuss lag in den meisten Ge- auf dem Weissfluhjoch neun Neuschneeta- bieten 2.0 bis 2.5 Grad, im Süden 1.6 bis ge (Mittel 19 Tage) zählen. Dies bedeutet 2.3 Grad über der Norm von 1981 bis 2010. Rang vier, wobei letztmals 2003 weniger Neu- Ebenfalls war der Sommer insbesondere auf schneetage (fünf) verzeichnet wurden. In Aro- der Alpennordseite einer der trockensten und sa fiel nur an zwei Tagen Neuschnee (Mit- sonnigsten in den über 100-jährigen Messrei- tel vier Tage). Dies ist aber nicht so spezi- hen (Quelle: MeteoSchweiz). ell, weil es auf dieser Höhe auch vorkommt (z.B. 2008), dass zwischen Juni und Septem- • Ausserordentlich wenig Schnee im Hochge- ber überhaupt kein Schnee fällt. birge Trotz im Vergleich zum Jahrhundert Sommer • Wenig Lawinenbulletins, keine Lawinenopfer 2003 einzelner kühlerer Perioden gab es zwi- Erhöhte Lawinengefahr war kaum ein schen Juni und August 2015 praktisch keine Thema und so wurde nur ein Sommer- Sommerschneefälle unterhalb von 3000 m. Lawinenbulletin (am 22. September) publi- Noch vor der grossen Hitze wurde es in vielen ziert, so wenig wie noch nie in den letzten Landesteilen zuletzt um den 20. Juni herum 10 Jahren. Im Sommer 2014 (Juni bis Sep- bis gegen 2000 m hinunter weiss. Aus dieser tember) wurden sieben Lawinenbulletins pu- Zeit stammen auch die zwei einzigen Neu- bliziert, in den letzten 10 Jahren (2005/06 bis schneetage auf dem 2540 m hoch gelege- 2014/15) durchschnittlich deren 4 bis 5. To- nen Weissfluhjoch (Davos, GR). Dies bedeu- desopfer gab es im Sommer 2015 keine. Der tet Rang 1 an dieser Station, wo im langjäh- langjährige Durchschnitt in den Monaten Juni rigen Durchschnitt (1981-2010) in den Som- bis September liegt bei zwei Todesopfern. 9
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2014/15 Schneehöhenverlauf Relative Schneehöhen hanges, aber auch des Wallis’ und Graubündens die Schneehöhen meist stark unter dem langjähri- Nach dem niederschlagsreichen Sommer waren gen Mittel lagen. Am besten war die Schneelage in die Gletscher im Hochgebirge Anfang Oktober tief den Alpen im Oberwallis und am zentralen Alpen- eingeschneit, darunter war es weitgehend aper. In hauptkamm. der ersten Oktoberhälfte dominierten Südstaula- gen das Wettergeschehen, wobei der Niederschlag nur im Hochgebirge in Form von Schnee fiel. Am Der Januar war im Süden und im Engadin nie- 21. Oktober brachte eine markante Kaltfront aus derschlagsreich, sonst waren die Niederschläge Westen stürmischen Wind, Blitz, Donner und einen durchschnittlich. Die erste Januarhälfte war früh- Temperatursturz. Die Schneefallgrenze sank in der lingshaft mild und die Schneefallgrenze lag teilwei- Folge bis auf 1000 m und mit einem Nordstau fiel se deutlich über 2000 m. In der zweiten Januar- in den Glarner Alpen und im Prättigau mit 60 bis hälfte kehrte aber der Winter zurück und mit meh- 80 cm am meisten Schnee. reren Kaltfronten fiel immer wieder Schnee auch im Mittelland und im Jura. Erwähnenswert war vor Im November lag die Nullgradgrenze meist zwi- allem der Schneefall von Mitte Monat (vom 15. bis schen 2000 m und 3000 m und die Temperaturen 18. Januar), wobei oberhalb von rund 2000 m im erreichten Rekordwerte für November. Im Durch- Süden und im Oberengadin rund 100 cm, nörd- schnitt war es 3.3 Grad wärmer als normal. Auch lich angrenzend 50 bis 80 cm, sonst verbreitet 20 die Niederschläge im Süden waren Rekord ver- bis 50 cm Schnee fielen. Zum Monatsende gab dächtig. In Lugano wurde vom 2. bis 17. November es dann auch im Westen und Norden beträchtli- 538 mm Regen gemessen. Mit einer Schneefall- che Schneemengen: Ganz im Westen fielen 80 bis grenze meist über 2000 m bildete sich in hohen 120 cm, am Alpennordhang bis 80 cm Schnee. An Lagen im Oberwallis, am zentralen Alpensüdhang einigen Stationen im Westen wurden vom 26. Janu- aber auch in den nördlich angrenzenden Gebieten ar bis 2. Februar über sieben Tage ausserordent- vom östlichen Berner Oberland bis in die Sursel- liche Neuschneesummen verzeichnet. So resul- va eine mächtige Schneedecke, die dort den gan- tierten an der Station Saanenmöser (1390 m, BE) zen Winter zu überdurchschnittlichen Schneehö- 155 cm, was statistisch alle 15 Jahre vorkommt. hen beitrug. Weiter im Norden sowie im Unterwallis Die MeteoSchweiz-Station La Cure (1150, VD) im und in den meisten Gebieten Graubündens fiel nur Jura mass 139 cm Neuschnee, was einer Wieder- wenig Niederschlag und durch die milden Tempera- kehrdauer von 11 Jahren entspricht. Die Stationen turen lag Ende November dort noch kaum Schnee. Stockhorn (1640 m, BE) und Planachaux (1870 m, VS) mit je 165 cm sowie Morgins (1320 m, VS) mit Der Dezember war ausserordentlich mild und 142 cm und Leysin (1300 m, VD) mit 127 cm ka- schneearm. Betrachtet man die durchschnittlichen men auf eine Wiederkehrdauer von sieben Jahren. Schneehöhen des Monates Dezember, so war es an folgenden Stationen mit langjährigen Messrei- Die Schneefälle im Februar waren im Süden stark hen noch nie so schneearm im Dezember: An- überdurchschnittlich, im Norden leicht unterdurch- dermatt, Arosa, Klosters, Bosco Gurin, Samedan, schnittlich. Viel Schnee fiel vor allem im Oberwal- Samnaun, Sta. Maria, Zernez, Zuoz. Auf der Hö- lis, am zentralen Alpenhauptkamm und im nördli- he der Tallagen der grossen Skigebiete (1500 bis chen Tessin. Dies besonders aufgrund eines Stark- 1800 m) lag während der Weihnachtstage in der schneefalls, der vom 14. bis 16. Februar am Al- ganzen Schweiz kein oder nur sehr wenig Schnee, penhauptkamm vom Simplongebiet bis ins Bedret- was letztmals im Winter 1989/90 vorkam. Erst eine total, sowie in den Maggiatälern 60 bis 120 cm Kaltfront Ende Dezember führte zu Schneefällen, Schnee brachte (Abbildung 3). Am 15. Februar wur- die vor allem das Mittelland mit grösseren Schnee- den im Simplongebiet mit bis zu 9 cm Neuschnee mengen eindeckten. Dies führte aufgrund der feh- pro Stunde sehr hohe Niederschlagsintensitäten lenden Frühwinterschneedecke in den Alpentälern registriert. Die höchsten in den Alpen gemesse- kurzzeitig zur paradoxen Situation, dass z.B. am nen Schneefallintensitäten, liegen mit etwa 10 bis 31. Dezember in Zürich und St. Gallen (38, resp. 15 cm pro Stunde allerdings noch etwas höher. In 56 cm) mehr Schnee als in Davos und St. Mo- der folgenden Woche (21./22. Februar) fiel dann ritz (32, resp. 13 cm) gemessen wurde. In tiefen im Chablais, am Walliser Alpenhauptkamm an der Lagen im Mittelland wurden Ende Dezember vie- Grenze zu Italien, am zentralen Alpensüdhang und lerorts überdurchschnittliche Schneehöhen regis- im Bergell gerade nochmals 40 bis 70 cm Schnee. triert, während in vielen Gebieten am Alpennord- 10
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2014/15 Schneehöhen 2014/2015 im Vergleich zur Periode 1971-2000 Schneehöhen 2014/2015 im Vergleich zur Periode 1971-2000 November Dezember Schneehöhe Schneehöhe 250 % 250 % 100 % 100 % 0% 0% Schneehöhen 2014/2015 im Vergleich zur Periode 1971-2000 Schneehöhen 2014/2015 im Vergleich zur Periode 1971-2000 Januar Februar Schneehöhe Schneehöhe 250 % 250 % 100 % 100 % 0% 0% Schneehöhen 2014/2015 im Vergleich zur Periode 1971-2000 Schneehöhen 2014/2015 im Vergleich zur Periode 1971-2000 März April Schneehöhe Schneehöhe 250 % 250 % 100 % 100 % 0% 0% Abbildung 2: Schneehöhen im Vergleich zum langjährigen Mittel (1971-2000). Die Grafiken zeigen die prozentuale Ab- weichung der mittleren monatlichen Schneehöhen des Winters 2014/15 auf Stationshöhe im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt aus der Periode von 1971 bis 2000. Unterdurchschnittliche Schneehöhen sind rot, überdurchschnittliche Schneehöhen blau dargestellt. Die Daten stammen von den Beobachterstationen des SLF und der MeteoSchweiz so- wie den automatischen Stationen des IMIS (Interkantonales Mess- und Informationssystem). Bei der Interpretation muss beachtet werden, dass nur grossräumige Muster aussagekräftig sind. Kleinräumige Muster oder Wertesprünge dürfen nicht zu stark gewichtet werden. Im Abschnitt Ausgewählte Beobachterstationen (ab Seite 13) ist die zeitliche Entwick- lung der Schneehöhe an verschiedenen Stationen dargestellt. 11
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2014/15 Der April brachte nur in den Voralpen durchschnitt- liche Schneefälle. Dort fiel vor allem Anfang Monat (1. bis 3. April) und Ende Monat (25. bis 28. April) Schnee (jeweils bis 80 cm am Alpennordhang). In den anderen Regionen war es deutlich sonniger als normal und niederschlagsarm. Besonders im Sü- den fiel sehr wenig Niederschlag und es herrschte zeitweise Waldbrandgefahr. Trotzdem konnten sich die überdurchschnittlichen Schneehöhen in den hohen Lagen des Südens halten. Der Mai war zum Monatsanfang geprägt von inten- siven Niederschlägen in den westlichen und nördli- chen Alpen. Weil die Schneefallgrenze meist hoch lag, wurde durch den Regen Schnee geschmolzen. Abbildung 3: Viel Neuschnee in der Sonnenstube der Mit dadurch erhöhten Schmelzraten kam es dabei Schweiz. Die Spurarbeit ist bei so viel Neuschnee streng zu sehr hohen Abflüssen und auch Hochwassern. und kräfteraubend. . . Im Aufstieg Richtung Cap. Ge- Die Hochwassersituation konnte sich dank sonni- sero, Valle Morobbia (Bellinzona, TI) (Foto: S. Rizzi, gem und trockenem Wetter bis Mitte Monat beruhi- 15.02.2015). gen. Mitte Monat (14. und 15. Mai) fielen am Alpensüd- Interessant war die Schneesituation auch im Mit- hang im Hochgebirge nochmals 40 bis 60, lokal telland und im Jura, wo die Schneedecke ausser- sogar 80 cm Schnee, vom 18. bis 22. Mai in den gewöhnlich lange bestehen blieb. Einerseits war zentralen und östlichen Alpen oberhalb von rund es im Februar kälter als normal und die bereits im 2000 m nochmals ein halber Meter Schnee, der Januar entstandene Schneedecke blieb vielerorts aber rasch wieder schmolz. bestehen, anderseits fiel aus der kalten Polarluft immer wieder etwas Neuschnee. Die über den ganzen Winter gemittelten Schnee- höhen sind vergleichbar mit dem Muster von No- Die Schneefälle im Unterwallis, in den meisten Ge- vember bis März: Am Alpensüdhang ohne die bieten des Alpennordhanges und Graubündens Bündner Südtäler und in den nördlich und west- waren unterdurchschnittlich. So lagen die mittleren lich angrenzenden Gebieten waren die Schneehö- Schneehöhen im Februar im Süden, dank der gros- hen überdurchschnittlich (fast doppelt so hoch wie sen Schneefälle von Anfang Winter, aber auch in normal), sonst waren sie verbreitet knapp durch- Teilen des Mittellandes über dem langjährigen Mit- schnittlich. In tieferen Lagen, insbesondere in den tel. In Graubünden, im Wallis und in grossen Teilen Alpentälern, waren die Schneehöhen deutlich un- des Alpennordhanges waren die mittleren Schnee- ter dem langjährigen Mittelwert, was mit den zu höhen im Februar deutlich unterdurchschnittlich. hohen Temperaturen begründet werden kann. In- teressanterweise waren aber die Schneehöhen in Der März war geprägt von viel Sonne im Norden. einigen Gebieten im Mittelland dank einem günsti- Dank Schneefällen Anfang Monat und vor allem gen Zusammenspiel von Niederschlag und Kälte- einem Grossschneefall Ende Monat mit 60 bis perioden durchschnittlich bis überdurchschnittlich. 100 cm Neuschnee im Westen und Norden wurden So verzeichnete beispielsweise St. Gallen eine win- aber durchschnittliche oder leicht überdurchschnitt- terliche Neuschneesumme von 188 cm, was mehr liche Schneehöhen erreicht. Zwei Südlagen mit als einen halben Meter über dem Durchschnitt von Schwergewicht im südlichen Oberwallis und west- 1981 bis 2010 liegt (Quelle: MeteoSchweiz, Klima- lichen Tessin nährten die im Süden bereits über- bulletin Winter 2014/15). durchschnittlichen Schneehöhen. Wie in der Abbil- dung 5 (oben) aber deutlich zu sehen ist, waren die Schneehöhen aufgrund der zu warmen Temperatu- ren in allen Regionen in tiefen Lagen sowie in den grossen Alpentälern stark unterdurchschnittlich. 12
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2014/15 Schneehöhen 2014/2015 im Vergleich zur Periode 1971-2000 Ganzer Winter Schneehöhe 250 % 100 % 0% Abbildung 4: Schneehöhen über den ganzen Winter (November bis April) im Vergleich zum langjährigen Mittelwert (1971-2000) über den ganzen Winter. Insgesamt wichen die Schneehöhen aber weniger Ausgewählte Beobachterstationen von den langjährigen Mittelwerten ab als in an- deren Jahren. Rekordwerte wurden selten erreicht. Auf den folgenden Graphiken wird jeweils der Ver- Am stärksten ausgeprägt war der Schneemangel in lauf der täglich gemessenen Schneehöhe im Ver- Lagen unter 2200 m an Weihnachten 2014. Am 25. gleich zur minimalen, mittleren und maximalen je Dezember 2014 erreichten verschiedene Stationen gemessenen Schneehöhe für jeden Tag darge- mit über 50-jährigen Messreihen neue Minimalre- stellt. Die Anzahl der Winter von Messbeginn bis kordwerte, so zum Beispiel Zuoz, Bivio, Vals oder und mit 2015 wird in der Legende erwähnt. Die Andermatt. Die schneearmen Weihnachten wurden Beobachter messen in der Regel zwischen dem primär durch die zu hohen Temperaturen und nicht 1. November und dem 30. April. Gebiete mit ähnli- durch ein Niederschlagsdefizit bewirkt, was gut zu chem Schneehöhenverlauf im Winter 2014/15 wer- sehen ist an den durchschnittlichen Schneehöhen den zusammengefasst und anhand repräsentativer zur selben Zeit an den Stationen über 2200 m wie Stationen beschrieben. Weissfluhjoch Davos oder Corvatsch. In der Folge näherten sich die Schneehöhen mehr und mehr dem Mittelwert an, wobei das Muster von Anfang Winter mit überdurchschnittlichen Schnee- höhen eher im Süden und unterdurchschnittlichen Schneehöhen eher im Norden bestehen blieb. An- ders als im Winter 2013/14 lagen aber die maxima- len Schneehöhen nicht im Südosten (Oberengadin, Bergell) sondern im Südwesten (Simplon, Binntal, westliches Tessin). 13
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2014/15 Alpennordhang: 1HB Hasliberg (1825m) 400 HN HS_avg 350 HS_min HS_max HS 300 HS_interp Schneehöhe (cm) 250 200 150 100 50 0 01.10.14 01.11.14 01.12.14 01.01.15 01.02.15 01.03.15 01.04.15 01.05.15 01.06.15 Abbildung 5: Schneehöhenverlauf an der Station 1HB, Hasliberg, BE, 1825 m (56 Winter). Dargestellt sind die Schnee- höhe (rot, fett: gemessen, HS;, dünn: interpoliert, HS_interp), der Neuschnee (graue Säulen, HN), die langjährigen maximalen Schneehöhen (dunkelblau, HS_max), die langjährigen minimalen Schneehöhen (violett, HS_min) und die langjährigen mittleren Schneehöhen (grün, HS_avg). Die Schneehöhenentwicklung am Alpennordhang ren kaum zu verzeichnen, so gab es ausser dem kann anhand der langjährigen Vergleichsstation Schneefall im November nur noch einen Schnee- Hasliberg, 1825 m (Abbildung 5) verfolgt werden. fall mit 30 cm am 28. Dezember, wobei der Mess- Der Winter begann verheissungsvoll mit einem wert interpoliert werden musste, weil an dem Tag Neuschneewert von 54 cm am 6. November. Dies niemand vor Ort war, um die Messung zu machen. blieb dann aber mit Abstand der grösste Schnee- Alle anderen Schneefälle waren weniger als 30 cm. fall des Winters. In der Folge aperte das Messfeld Die Anzahl Tage mit Neuschnee war mit 64 aber aufgrund der sehr hohen Temperaturen rasch wie- eher hoch (Tabelle 1). Das Schneehöhenmaximum der aus und erst ab dem 7. Dezember lag eine wurde am 5. April mit 181 cm gemessen. geschlossene Schneedecke, die bis zum 13. Mai Der maximale Wasserwert war mit 547 mm deutlich Bestand hatte. Die Schneehöhen waren meist un- unter dem Durchschnitt von 751 mm (45-jährige terdurchschnittlich, wobei aber keine neuen Minima Messreihe). erreicht wurden. Bedeutende Neuschneewerte wa- Tabelle 1: Statistik zur Station 1HB, Hasliberg, BE, 1825 m, (Messungen seit 56 Wintern) mit der Dauer der permanenten Schneebedeckung [Tage] und der Anzahl Neuschneemessungen in Klassen [cm] innerhalb dieser Zeit. Einschneien 07.12.2014 Neuschnee (cm) 0 0.1-10 11-20 21-30 31-50 ≥51 Ausapern 13.05.2015 Anzahl Tage 93 38 17 9 0 0 Dauer 157 Häufigkeit % 59.2 24.2 10.8 5.7 0 0 14
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2014/15 Unterwallis: 4FY Fionnay (1500m) 250 HN HS_avg HS_min HS_max 200 HS HS_interp Schneehöhe (cm) 150 100 50 0 01.10.14 01.11.14 01.12.14 01.01.15 01.02.15 01.03.15 01.04.15 01.05.15 01.06.15 Abbildung 6: Schneehöhenverlauf an der Station 4FY, Fionnay, VS, 1500 m (55 Winter). Dargestellt sind die Schneehöhe (rot, fett: gemessen, HS;, dünn: interpoliert, HS_interp), der Neuschnee (graue Säulen, HN), die langjährigen maximalen Schneehöhen (dunkelblau, HS_max), die langjährigen minimalen Schneehöhen (violett, HS_min) und die langjährigen mittleren Schneehöhen (grün, HS_avg). Die Schneehöhenentwicklung im Unterwallis kann luter Minimalwert erreicht. Das Schneehöhenmaxi- anhand der langjährigen Vergleichsstation Fionnay, mum wurde am 2. Februar mit 102 cm erreicht. Am 1500 m (Abbildung 6) verfolgt werden. 24. April war das Messfeld ausgeapert (Tabelle 2). Die Schneehöhen im Unterwallis waren meist un- An 30% der Tage wurde Neuschnee gemessen, in terdurchschnittlich. Zwischen dem Einschneien und drei Fällen 21 bis 30 cm, in 7 Fällen 11 bis 20 cm Ausapern wurden nur gerade in zwei Perioden En- und in 32 Fällen 10 cm oder weniger (Tabelle 2). de Dezember und Anfang Februar durchschnitt- Der maximale Wasserwert war mit 342 mm knapp liche Schneehöhen erreicht. Wie auch an ande- unter dem Durchschnitt von 378 mm (42-jährige ren Stationen, waren die Weihnachten 2014 sehr Messreihe). schneearm und es wurde beinahe ein neuer, abso- Tabelle 2: Statistik zur Station Fionnay 4FY, Fionnay, VS, 1500 m, (Messungen seit 55 Wintern) mit der Dauer der permanenten Schneebedeckung [Tage] und der Anzahl Neuschneemessungen in Klassen [cm] innerhalb dieser Zeit. Einschneien 09.12.2014 Neuschnee (cm) 0 0.1-10 11-20 21-30 31-50 ≥51 Ausapern 24.04.2015 Anzahl Tage 94 32 7 3 0 0 Dauer 136 Häufigkeit % 69.1 23.5 5.1 2.2 0 0 15
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2014/15 Nord- und Mittelbünden, Unterengadin: 5WJ Weissfluhjoch (2540m) 400 HN HS_avg 350 HS_min HS_max HS 300 HS_interp Schneehöhe (cm) 250 200 150 100 50 0 01.10.14 01.11.14 01.12.14 01.01.15 01.02.15 01.03.15 01.04.15 01.05.15 01.06.15 01.07.15 01.08.15 01.09.15 01.10.15 Abbildung 7: Schneehöhenverlauf an der Station 5WJ, Weissfluhjoch, GR, 2540 m (82 Jahre). Dargestellt sind die Schneehöhe (rot, fett: gemessen, HS;, dünn: interpoliert, HS_interp), der Neuschnee (graue Säulen, HN), die langjäh- rigen maximalen Schneehöhen (dunkelblau, HS_max), die langjährigen minimalen Schneehöhen (violett, HS_min) und die langjährigen mittleren Schneehöhen (grün, HS_avg). Die Schneehöhenentwicklung in den hohen Lagen gig und so schmolz die Schneedecke von 147 cm von Nord- und Mittelbünden sowie im Unterenga- am 1. Juni bis Ende Monat ab und das Messfeld din kann anhand der langjährigen Vergleichsstation aperte am 2. Juli aus. Das mittlere Ausaperungs- Weissfluhjoch, 2540 m (Abbildung 7) verfolgt wer- datum ist der 9. Juli – eine Woche später. den. An 47% der Tage fiel Schnee. Die grösste Neu- Im Gegensatz zu tiefer gelegenen Stationen waren schneemenge wurde am 23. Oktober gemessen die Schneehöhen auf dem Weissfluhjoch ziemlich und betrug 65 cm. Die meisten Neuschneewerte durchschnittlich; sie folgten sogar ziemlich exakt (36% der Tage) betrugen 10 cm oder weniger, 8% dem durchschnittlichen Schneehöhenverlauf (Ab- lagen zwischen 11 und 20 cm, 3% zwischen 21 bis bildung 7, grüne Kurve). Am 22. Oktober wurde 30 cm (Tabelle 3). das Messfeld eingeschneit (durchschnittliches Ein- Der maximale Wasserwert entsprach mit 852 mm schneidatum ist der 18. Oktober). Das Schneehö- ziemlich genau dem langjährigen Durchschnitt von henmaximum wurde am 3. April mit 248 cm er- 848 mm (79-jährige Messreihe). reicht. Der Schneehöhenabbau im Juni erfolgte zü- Tabelle 3: Statistik zur Station 5WJ, Weissfluhjoch Davos, GR, 2540 m, (Messungen seit 82 Wintern) mit der Dauer der permanenten Schneebedeckung [Tage] und der Anzahl Neuschneemessungen in Klassen [cm] innerhalb dieser Zeit. Einschneien 22.10.2014 Neuschnee (cm) 0 0.1-10 11-20 21-30 31-50 ≥51 Ausapern 02.07.2015 Anzahl Tage 134 90 19 7 2 1 Dauer 253 Häufigkeit % 53.0 35.6 7.5 2.8 0.8 0.4 16
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2014/15 Alpenhauptkamm vom Simplongebiet bis ins Bergell und Gebiete südlich davon: 6SB San Bernardino (1640m) 350 HN HS_avg HS_min 300 HS_max HS HS_interp 250 Schneehöhe (cm) 200 150 100 50 0 01.10.14 01.11.14 01.12.14 01.01.15 01.02.15 01.03.15 01.04.15 01.05.15 01.06.15 Abbildung 8: Schneehöhenverlauf an der Station 6SB, San Bernardino, GR, 1640 m (64 Winter). Dargestellt sind die Schneehöhe (rot, fett: gemessen, HS;, dünn: interpoliert, HS_interp), der Neuschnee (graue Säulen, HN), die langjäh- rigen maximalen Schneehöhen (dunkelblau, HS_max), die langjährigen minimalen Schneehöhen (violett, HS_min) und die langjährigen mittleren Schneehöhen (grün, HS_avg). Die Schneehöhenentwicklung am Alpenhaupt- nuar: 2 cm). Am 17. Januar fielen 76 cm Schnee, kamm vom Simplongebiet bis ins Bergell sowie in was den grössten Schneefall des Winters darstell- den Gebieten südlich davon kann anhand der lang- te. Ab dann wurden meist knapp durchschnittliche jährigen Vergleichsstation San Bernardino, 1640 m Schneehöhen erreicht, wobei die Ausaperung im (Abbildung 8) verfolgt werden. April rasch vonstattenging und das Messfeld bereits Der Frühwinter begann zwar im Süden sehr nieder- am 15. April schneefrei war. Das Schneehöhenma- schlagsreich, führte aber nur in Lagen über 2000 m ximum wurde am 22. Februar mit 117 cm erreicht. zu einer mächtigen Schneedecke. An der Ver- Es wurde nur an 28% der Tage Neuschnee gemes- gleichsstation San Bernardino auf 1640 m schmolz sen. Neben dem hohen Wert von 76 cm wurden in der Schnee jeweils rasch wieder ab (Schneefall am zwei Fällen Neuschneewerte von 31 bis 50 cm, in 5. und 6. November sowie vom 16. bis 18. Novem- sechs Fällen 11 bis 20 cm und in 25 Fällen 10 cm ber). Eingeschneit wurde das Messfeld am 15. De- oder weniger gemessen (Tabelle 4). zember, wobei aber in der Folge nur sehr wenig Der maximale Wasserwert lag mit 227 mm deutlich Schnee lag und das Messfeld bis Mitte Januar bei- unter dem Durchschnitt von 326 mm (43-jährige nahe nochmals ausaperte (Schneehöhe am 2. Ja- Messreihe). Tabelle 4: Statistik zur Station 6SB, San Bernardino, GR, 1640 m, (Messungen seit 64 Wintern) mit der Dauer der permanenten Schneebedeckung [Tage] und der Anzahl Neuschneemessungen in Klassen [cm] innerhalb dieser Zeit. Einschneien 15.12.2014 Neuschnee (cm) 0 0.1-10 11-20 21-30 31-50 ≥51 Ausapern 16.04.2015 Anzahl Tage 88 25 6 0 2 1 Dauer 122 Häufigkeit % 72.1 20.5 4.9 0.0 1.6 0.8 17
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2014/15 Schneedeckenaufbau Nach einem Winterstart mit sehr wenig Schnee und breitet sehr dünn. Nur am Alpenhauptkamm vom günstigem Schneedeckenaufbau entwickelte sich Oberwallis bis ins Berninagebiet und südlich da- die Schneedecke zunehmend ungünstig. Schwa- von lagen durchschnittliche Schneehöhen – und che, aufbauend umgewandelte Schichten im obe- das auch nur oberhalb von rund 2200 m. Dort wur- ren Bereich der dünnen Frühwinter-Schneedecke, de mit den ergiebigen Schneefällen im Frühwin- aber auch eingeschneite Oberflächenreifschichten ter der Grundstein für einen günstigen Schneede- und schwache Schichten im Bereich von Krus- ckenaufbau gelegt, der den ganzen Winter Bestand ten stellten die problematischen Schwachschichten hatte. In den übrigen Gebieten lag erst sehr we- dar. Ab dem Jahreswechsel waren die regiona- nig Schnee; Tallagen der grossen Skigebiete wa- len Unterschiede stark ausgeprägt. Während die ren sogar weitestgehend schneefrei. Aufgrund der Schneedecke im Süden meist günstig aufgebaut hohen Temperaturen in dieser Periode war diese war, war sie zeitweise am Alpennordhang und ins- dünne Schneedecke zwar grundsätzlich recht gut besondere im Wallis und in Graubünden schwach. verfestigt, insbesondere an Schattenhängen (West Im Durchschnitt führte das zu einem leicht ungüns- über Nord bis Ost) und in Lagen oberhalb von rund tigerem Schneedeckenaufbau als im langjährigen 2400 m wurden aber die oberflächennahen Schich- Durchschnitt (Abbildung 9). In der Folge sind die ten aufbauend umgewandelt und stellten in der Fol- wichtigsten zeitlichen und regionalen Entwicklun- ge eine ernsthafte Schwachschicht dar. gen beschrieben. Ab dem 8. Dezember führten dann verschiedene Perioden mit Wind zu Triebschneeschichten, die Frühwinter 2014/15: Verbreitet sehr mild und verbreitet auf diesen umgewandelten Altschnee- schneearm schichten lagen (Abbildung 10). Bis an Weihnachten 2014 war die Schneelage ver- Schneedeckenaufbau − langjähriger Vergleich günstig ● ● Winter 2014/15 ● ● ● ● ● ● ● ● ● ungünstig Dez Jan Feb Mär Apr Abbildung 9: Schneedeckenaufbau im Winter 2014/15 (rote Linie mit Punkten) im Vergleich mit den letzten 17 Wintern (Mittelwert: blaue, durchgezogene Linie; äusserer blau schattierter Bereich: minimaler und maximaler Wert; innerer grau schattierter Bereich: Bereich von einer Standardabweichung um den Mittelwert). Der Index berücksichtigt die maxima- le Anzahl Nieten (kritische Bereiche) in der Schneedecke sowie den Anteil sehr weicher, grobkörniger und aufbauend umgewandelter Schichten. Als Grundlage für den Index wurden alle Flachfeldprofile, sowie Hangprofile, welche in Nord- hängen (NW-N-NE) aufgenommen wurden, verwendet. 18
130 120 Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2014/15 110 100 existieren. Mit 220 cm wurde das Profil an einem eher schneearmen Ort aufgenommen. 90 Schwache Schneedecke im Wallis und in Grau- 80 bünden 70 .25-.5 3-4 Im Wallis und in Graubünden und dort insbesonde- re in den inneralpinen Gebieten entwickelte sich im 60 .5 1 *** *** Laufe des Winters eine schwache Schneedecke mit .5 3 schwachen, aufbauend umgewandelten Schichten, 50 mit Oberflächenreif und mit markanten Krusten. .5-1.5 1 **** ECT fp 40 .5-1 2-3 *** 1-2.5 1 ***** 1-2 4 ***** Schwache Altschneedecke .5-1.5 1 **** 30 *** Die dünne Schneedecke, die bis zum Jahreswech- 20 NE / 31° sel lag, wurde vor allem im oberen Bereich aufbau- .5-1 2-3 end umgewandelt. Aufgrund der sehr hohen Früh- 10 wintertemperaturen war dies besonders an Nord- hängen oberhalb von rund 2400 m ausgeprägt. In -22 -20 -18 -16 -14 -12 -10 Temperatur (°C) -8 -6 -4 -2 0 den übrigen Höhenlagen oder Expositionen waren Abbildung 10: Schichtprofil, aufgenommen Copyrightan einem (C) SLF Davos die Basisschichten der Schneedecke oft gut verfes- Nordosthang auf 2450 m in der Nähe des Skigebie- tigt. tes Parsenn oberhalb von Davos/GR am 23. Dezember 2014. Dargestellt sind die Handhärte (grau), der Tempe- TI Varozzei, Ravina 04.02.2015 Höhe ü. M.: 2280 m Exposition: NW / Neigung: 37 ° raturverlauf (rot), die Kornformen sowie die Korngrössen. Neuschnee Filz kleine Runde kantig Tiefenreif Oberflächenreif Schmelzform Eislamelle kantig, abgerundet Graupel Rammwiderstand (N) H θ F D K Niete Rutschblock 1200 1100 1000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0 mm Ein Stabilitätstest (Extended Column Test) brach in der M B 1F 4F FA 290 sehr weichen, aufbauend umgewandelten Schicht unter- 280 halb des Triebschnees der Vortage (im Profil bei 43 cm). 270 260 250 Verbreitet günstige Schneedecke am Alpensüd- 240 hang 230 RB7 220 Die ergiebigen Schneefälle vom Frühwinter legten 210 2-3 1 **** die Basis für einen guten Schneedeckenaufbau in 1.5-2 1 200 2-3 4 ***** 2 3 *** den meisten südlichen Regionen der Schweizer Al- 190 180 2-3 4 *** NW / 37° pen. Auch in der Folge fiel in denselben Gebieten 170 **** immer wieder ergiebig Schnee und die Schneede- 1-1.5 3 160 Schneehöhe (cm) cke zeigte einen günstigen Aufbau. Sie war durch 150 2-3 4 **** **** 140 verschiedene Wärmeeinbrüche mit Krusten durch- 130 1.5-2 3 setzt. Im Gegensatz zu den übrigen Gebieten ent- 120 2-3 4-5 **** standen aber keine schwachen Zwischenschich- 110 ** 100 ten zwischen diesen Krusten. Da die Schneelage 90 .5 3 oberhalb von rund 2200 m aufgrund der verbrei- 80 70 tet milden Temperaturen deutlich anders war als 60 2 4-5 ** ** unterhalb von 2200 m lässt sich der Aufbau der 50 Schneedecke nur begrenzt anhand des Schnee- 40 30 .5 3-4 profils in San Bernardino (1640 m) aufzeigen. Wäh- 20 rend in San Bernardino bis Mitte Januar praktisch 10 3-4 4 ** kein Schnee lag (Abbildung 12 oben) lag in Robiei -24 -22 -20 -18 -16 -14 -12 -10 Temperatur (°C) -8 -6 -4 -2 0 Copyright (C) SLF Davos auf 1890 m bereits ab dem Dezember ein Me- ter Schnee, der sehr gut verfestigt war (Abbildung Abbildung 11: Schneeprofil an einem Nordwesthang auf 12 unten). Dieser Schneedeckenaufbau dürfte für 2280 m im Skigebiet Airolo, TI vom 4. Februar 2015. Dar- Lagen über 2200 m eher repräsentativ sein. Die gestellt sind Handhärte (grau), Rammwiderstand (blau), Schneedecke war dort insgesamt gut verfestigt und Temperaturverlauf (rot), Kornformen sowie Korngrössen. mächtig. In diesem Profil hatten die meisten Schichten eine Här- Der günstige Schneedeckenaufbau ist auch gut te von «1 Finger»oder «Bleistift». Die Schneekristalle waren entweder abgebaute, «kleine runde»Formen oder in den Hangprofilen der SLF-Beobachter erkenn- Krusten. Nur unter der obersten Kruste waren die Kör- bar. Stellvertretend für den Schneedeckenaufbau ner aufgebaut. An der Schneeoberfläche lag Neuschnee im Winter 2014/15 steht das Profil in Abbildung – gerade richtig für das gewünschte Pulverschnee- 11. Das Rammprofil zeigt die gute Verfestigung Vergnügen. Dies ist durchwegs ein Schneedeckenauf- der Schichten und an den Kornformen ist gut er- bau, wie ihn sich jeder Skitourenfahrer wünscht. sichtlich, dass keine relevanten Schwachschichten 19
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2014/15 Abbildung 12: Oben: Schneedeckenentwicklung im Winter 2014/15 an der Station 6SB, San Bernardino, GR, 1640 m so- wie unten an der Station 6RO, Robiei, TI, 1890 m. Dargestellt sind die Schneehöhe (schwarze Kurve, eine Messung pro Tag), der Rammwiderstand (schwarze Balken), die Kornformen (vgl. Legende in der Abbildung) und die Schneetempe- raturen (rote Punkte). Rammwiderstand, Kornformen und Schneetemperaturen stammen von Schneeprofilaufnahmen (zwei Mal pro Monat). Aufbauend umgewandelte Schichten und Regen- krusten im oberen Teil der Schneedecke Markant waren im Winter 2014/15 aufbauend um- gewandelte Schichten mit sehr geringer Festigkeit. Diese wurden in Kälteperioden mit starken Tempe- raturgradienten an der Schneeoberfläche gebildet. Diese aufgebauten Schichten waren unterbrochen von markanten Regenkrusten: Eine Regenkrus- te bildete sich am 18./19. Dezember, wobei die Schneefallgrenze bis über 2400 m anstieg (Ab- bildung 13). Niederschlag fiel dabei vor allem im Wallis, am Alpennordhang und in Nordbünden. Im Süden fiel nur sehr wenig Niederschlag und die Regenkruste war dort wenig ausgeprägt. Abbildung 13: Diese markante Regenkruste wurde am 18. und 19. Dezember gebildet. Blick von den Undre Ros- suseen (2474 m, Simplon/VS) auf das Fletschhhorn (Fo- to: P. Ulrich, 22.12.2014). 20
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2014/15 Eine weitere Kruste dürfte sich am 9./10. Januar mer wieder Oberflächenreif, der dann eingeschneit gebildet haben, als vor allem am nördlichen Alpen- oder von Triebschnee überdeckt wurde. Besonders kamm, im Wallis, im Gotthardgebiet sowie in Nord- markant war eine Phase von Oberflächenreifbil- und Mittelbünden Niederschlag mit einer Schnee- dung am 22./23. Januar als vor allem im Bereich fallgrenze zwischen 2300 und 2800 m fiel (Abbil- der Nebelobergrenze von 2200 bis 2500 m grosser dung 14). Oberflächenreif gebildet wurde (Abbildung 15). R rest i ut Höhe ü. M.: 2020 m 10.02.2015 Exposition: E / Neigung: 3 ° Neuschnee Filz kleine Runde kantig Tiefenreif Oberflächenreif Schmelzform Eislamelle kantig, abgerundet Graupel Rammwiderstand (N) H θ F D K Niete Rutschblock 1200 1100 1000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0 mm M B 1F 4F FA 190 180 170 160 150 140 130 120 110 Schneehöhe (cm) 100 1-2 2-3 1 1 ***** Abbildung 15: Im Vordergrund glitzert grosser Oberflä- chenreif in der Region Emosson, VS. Dieser war eine ***** 90 1-2 2-3 80 2-3 1 ***** ganzer Block RB3 g l a t t sehr ungünstige Unterlage für den Schneefall vom Sonn- 70 1-2 2-3 ***** tag, 25. Januar. Das Nebelmeer im Hintergrund reichte ganzer Block bis gegen 2000 m (Foto: J.-L. Lugon, 23.01.2015). 60 6 **** RB4 g l a t t ***** 50 2-3 1 Die für den Winter 2014/15 typischen Schwach- 40 schichten konnten in vielen Hangprofilen erkannt 6 ***** E / 36° ***** werden. Im Profil in Abbildung 14 sind die schwa- 30 20 2 1-3 1 chen Schichten mit kantigen Kornformen und Be- 10 cherkristallen, die Krusten und der Oberflächenreif -24 -22 -20 -18 -16 -14 -12 -10 Temperatur (°C) -8 -6 -4 -2 0 sichtbar. Copyright (C) SLF Davos Die Entwicklung der Schneedecke der in diesem Abbildung 14: Schneeprofil am Heinzenberg, GR auf Abschnitt beschriebenen Gebiete kann auch bei- 2020 m an einem Osthang. Es zeigt zwei eingeschnei- spielhaft am Schneeprofil auf dem Weissfluhjoch te Oberflächenreifschichten, wobei bei derjenigen auf verfolgt werden (Abbildung 16). 80 cm Höhe der Rutschblock bei Stufe 3 (Wippen) brach. Gut zu sehen ist die Entwicklung der Altschneede- Dann sind auch zwei Eislamellen (eine Art von Kruste) cke: Ganz am Boden war die Schneedecke bereits erkennbar, wobei bei Rutschblockstufe 4 (1. Sprung mit ab Anfang Winter gut verfestigt. Die schwach ver- Ski von oben) der ganze Block direkt unter der Eislamelle festigten Schichten auf rund 50 cm Schneehöhe, bei 60 cm Höhe brach. Schliesslich ist auch der schwa- che Schneedeckenaufbau im Fundament des Schnee- die sich bis zum Jahreswechsel bereits aufbauend profils mit bis zu 3 mm grossen Becherkristallen sehr umgewandelt hatten, blieben aber bis zum Winte- markant. Hier konnte der Rutschblock allerdings nicht rende schwach. Ab Ende Februar waren sie aller- mehr ausgelöst werden, vermutlich, weil nach den ers- dings mit rund 100 bis 150 cm Schnee mit höhe- ten beiden Auslösungen kein Brett mehr vorhanden war. rer Festigkeit überdeckt und Auslösungen in diesen schwachen Schichten meist nur noch mit grösse- Oberflächenreif ren Zusatzbelastungen möglich. Zu erkennen war Als dritter Typ Schwachschicht, gab es im Winter auch ein eingeschneiter Oberflächenreif, insbeson- 2014/15 verschiedene Oberflächenreifschichten, dere in den beiden Februarprofilen (schwarz einge- die teilweise lange bestehen blieben. Vor allem im kreist) sowie die Kruste vom 18./19. Dezember (rot Dezember, Januar und Februar bildete sich im- eingekreist). 21
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2014/15 Abbildung 16: Schneedeckenentwicklung im Winter 2014/15 an der Station 5WJ, Weissfluhjoch, GR, 2540 m. Dar- gestellt sind die Schneehöhe (schwarze Kurve, eine Messung pro Tag), der Rammwiderstand (schwarze Balken), die Kornformen (vgl. Legende in der Abbildung) und die Schneetemperaturen (rote Punkte). Rammwiderstand, Kornformen und Schneetemperaturen stammen von Schneeprofilaufnahmen (zwei Mal pro Monat). Der eingeschneite Oberflächen- reif im Februar ist schwarz eingekreist. Die Regenkruste ist rot eingekreist. Gut zu sehen ist auch, dass die Basis der Schneedecke hart war, obwohl sie aus aufgebauten Kornformen bestand. Zeitweise schwache Schneedecke am Alpen- Schneedecke verfestigte sich aber bereits Mitte Ja- nordhang nuar, was eine Folge der hohen Schneetemperatu- Die Schneedeckenentwicklung am Alpennordhang ren, nahe bei Null Grad war. Kantige Formen blie- kann anhand der Station Hasliberg verfolgt werden ben aber im Mittelteil der Schneedecke bestehen – (Abbildung 17). zudem war auch am Alpennordhang eingeschnei- Bis an Weihnachten lagen an der Station Hasli- ter Oberflächenreif vorhanden – und so gab es vor berg nur rund 30 cm Schnee. Das Schneeprofil allem im Januar und in der ersten Februarhälfte im- von Anfang Januar zeigte einen schwachen Aufbau mer wieder Brüche in diesen Schichten (Abbildung mit verbreitet kantigen Kornformen. Die Basis der 18) und zahlreiche Lawinenunfälle. Abbildung 17: Schneedeckenentwicklung im Winter 2014/15 an der Station 1HB, Hasliberg, BE, 1830 m. Dargestellt sind die Schneehöhe (schwarze Kurve, eine Messung pro Tag), der Rammwiderstand (schwarze Balken), die Kornfor- men (vgl. Legende in der Abbildung) und die Schneetemperaturen (rote Punkte). Rammwiderstand, Kornformen und Schneetemperaturen stammen von Schneeprofilaufnahmen (zwei Mal pro Monat). 22
Schnee und Lawinen in den Schweizer Alpen 2014/15 bündens und im südlichen Wallis am schwächsten eingeschätzt, wobei im Wallis die schwächsten Pro- file beobachtet wurden. Am Alpensüdhang war die Schneedecke weitestgehend gut verfestigt, am Al- pennordhang mittel. Schwer einzuschätzen war die Situation aber zum Beispiel im nördlichen Wallis, wo zeitweise nicht klar war, ob es bezüglich der Schneedeckensituation eher zum Norden gehörte oder eher zum südlichen Wallis. Ähnlich schwie- rig war es auch im westlichen Wallis oder in den Vispertälern. Die mächtige, stabile Schneedecke im Süden hatte im Winter 2014/15 ihren Schwer- punkt weiter westlich als im Winter 2013/14. So war die Schneedecke im Simplongebiet im Binntal und Abbildung 18: Durch Personen am 07. Februar ausge- im westlichen Tessin am mächtigsten, während im löste Lawine an der Pointe de Cray, VD (1900 m, NW). Oberengadin schon deutlich weniger Schnee lag. Die Lawine brach im Altschnee an. Glücklicherweise wur- Allerdings gab es im Westen einen sehr schar- de niemand erfasst und der bereits gestartete Rega- fen Übergang und so war bereits im Saastal deut- Einsatz konnte abgebrochen werden (Foto: R. Wellig, lich weniger Schnee und folglich auch eine deutlich 07.02.2015). schwächere Schneedecke. Eine gute Hilfe zur regionalen Abgrenzung von Problemfall Übergangsregionen verschiedenen Gebieten bezüglich des Schneede- Oft schwierig einzuschätzen war der Schnee- ckenaufbaus waren nebst den wertvollen Informa- deckenaufbau in den Randregionen der oben tionen der Beobachter auch die von Snowpack beschriebenen Regionen. Generell wurde die modellierten Schneeprofile an den IMIS-Stationen Schneedecke in den inneralpinen Regionen Grau- (Abbildung 19). Skala fuer Profile: HS 100 cm Handhärte 1 − 6 andere Kornformen kantige Kornformen & HH < 3.5 Abbildung 19: Vereinfachte Schneeprofile an den IMIS-Stationen, modelliert vom Schneedeckensimulationsmodell SNOWPACK für den 15. Januar 2015. Dargestellt sind die Handhärte und die Kornformen, wobei kantige Kornformen, die gleichzeitig Handhärte «Faust», «4 Finger»oder «1 Finger»aufwiesen, dunkelrot dargestellt sind. Gut zu sehen sind die mächtigen, stabilen Profile im Süden und im Gotthardgebiet sowie die schwachen Profile im südlichen Wallis und in Nord- und Mittelbünden sowie im Unterengadin. Es ist auch gut zu sehen, dass die Basis der Schneedecke gut verfestigt war. 23
Sie können auch lesen