Zollhafen Nordmole 31.08.2020 - Illustrierte Kolumne von Emil Hädler - Deutscher Werkbund
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Zollhafen Nordmole 31.08.2020 - Illustrierte Kolumne von Emil Hädler Seit Mitte Juli 2020 wird neben der Hafenkneipe ZUM SCHORSCH auf der Nordmole an der Kaiserbrücke gegraben. Nirgendwo sitzt man so entspannt unmittelbar am Ufer wie auf dieser schrappigen Terrasse hinter der wieder hergerichteten Bude, die Bösewichte vor zwei Jahren in Brand gesetzt hatten: Ein echtes Stück übrig gebliebener Hafenszene. Der Lautsprecher gibt scheppernd in kryptischer Verkürzung die fertige Bestellung zum Abholen durch: Brat – Curry – Krokett – Pilzrahm – Zigeuner. Auf dem freien Baufeld daneben sollen edle Stadthäu- ser am künftig grünen Rheinufer entstehen. Was wird dann aus dem „SCHORSCH“ der Ha- fenarbeiter? Zuvor gab es da die Kultur- und Konzertmeile PLANKE NORD als Zwischennutzung entlang der denkmalgeschützten Infanteriemauer, davor die Nordmole-Sommerkonzerte bekannter Bands, noch früher den ältesten Portalkran im Mainzer Zollhafen, als die Container der Firma Frankenbach sich noch auf der Nordmole stapelten. Ab 2008 waren wir dort mit Studenten zum Zeichnen. Damals entstand das Pump-Bauwerk von Schoyerer-Architekten als Auslass des Gonsbachs in den Rhein, gestaltet wie ein Findling, ein grauer Felsbrocken am Ufer als ein Stück Architektur inmitten der Industriebrache.
Zwischendurch machte der Konflikt mit den Rheinschiffern von sich reden, die hier von der Südmole Asyl gefunden hatten und vor einem Jahr weichen mussten: Der Ort ist aufgeladen mit Geschichte(n). Leider hat man den Mohr-Portalkran zwischenzeitlich verschrottet. Er dokumentierte den Ha- fenbetrieb im Wandel wie kein anderes industrieärchäologisches Relikt. 1959 gebaut, war er ein früher Zeitzeuge für die Umstellung 1972 vom Schüttgut auf den modernen Containerbe- trieb – eine stählerne Landmarke, die den Ort unverwechselbar machte. Heute gibt es dort, wo er stand, ein Loch.
„Eine Festung im Zollhafen - Archäologen legen an der Nordmole Zeugnisse des Wallgrabens und historische Kaimauern frei“ titelte die MAINZER ALLGEMEINE ZEITUNG am 28. August. Um die Befunde der Grabung wird noch etwas spekuliert. Alten Karten zufolge handelt es sich um Reste der nördlichen Hafenfestung Pritzelwitz, an der die in Teilen erhaltene Infanteriemauer ihren Abschluss fand. Aber so ganz passen die Beobachtungen nicht zu den Karten. Offenkundig gab es zahlreiche Veränderungen der Mole an diesem Ausfluss des Floßhafens in den Rhein, der damals die Mündung des Gonsbachs war. Die Quadermauern aus Sandstein sind sorgfältig auf Sicht ge- fügt. Am Grunde zweier gefasster Fugen hat man Röhren-Ausläufe zum Rhein gefunden. Mit- tels Schiebern ließen die sich verschließen. Reste einer Stahlkonstruktion stecken im Grund. Man identifizierte sie als Gerüst eines Stegs oder einer Brücke parallel zum Rhein über den Wallgraben. Das Gelände darf eigentlich nicht betreten werden, aber vom Bauzaun beim SCHORSCH ist al- les gut zu sehen. Vor der gerundeten Sandsteinmauer, die den Kanal fasste, ist eine betonierte Kaimauer zum Rhein zu erkennen in einer weiten rückwärtigen Ausrundung. Eine Treppe führt abwärts zum früheren Ufer. Auf dem Baufeld der Nordmole türmen sich Sandhaufen vom Aus- hub: Die harte Kante des ehemaligen Industriehafens wird zum Ufer hin abgeflacht.
Die Archäologen sind in ständiger Abstimmung mit der Zollhafen GmbH, aber um eine regel- rechte Ausgrabung handelt es sich noch nicht, eher um eine Freilegung mit der Baggerschaufel. Ob auch noch archäologisch-wissenschaftlich gegraben wird, hängt von der Einordnung der Be- funde ab. Ob sich Teile dieser Funde in das Konzept der Freiflächen integrieren lassen, steht zur Diskussion. „Man sollte sich nicht scheuen, die bisherigen Pläne der neuen Situation anzu- passen“ fordert der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz. Gewiss wird man die ehemalige Infanteriemauer in das neue Konzept einbeziehen. Aber wird man auch den ehem. Wallgraben noch sehen? Ein laufender Gestaltungs-Wettbewerb soll bis Oktober 2020 Klarheit bringen.
In seiner September-2020-Ausgabe stellt der SENSOR das Konzept des „Grünen Ufers“ vor: „Nachdem die Südmole leider zubetoniert wurde, gibt sich die Stadt nun Mühe bei der Nord- mole …“ und verweist auf https://zollhafen-mainz.de/de/. Die Debatte zeigt, daß sich lang lau- fende städtebauliche Projekte in der öffentlichen Wahrnehmung schwer tun. Seit den Zeiten des Rahmenplans Zollhafen vor 15 Jahren war es ausgemachte Sache, daß auf der Südmole das „steinerne Ufer“ realisiert werden sollte, auf der Nordmole das „grüne Ufer“. Ebenso klar war, daß die Rheinschiffer wieder ihre Liegeplätze am Hafen erhalten sollten. Nun wird vor Ge- richt darüber gestritten und die Neu-Anwohner wollen von den alten Vereinbarungen nichts mehr wissen. Oberbürgermeister Michael Ebling wünscht sich nun beim Zollhafen-Rundgang neben dem SCHORSCH ein Rheinschwimmbad, schreibt die AZ am 29. August – eine sympa- thische Idee. Es gehe um grüne Freizeit- und Erholungsflächen, ein Anglerrevier, Grillplätze, Spielflächen für Kinder. Da darf man auf die Reaktionen der dann dort wohnenden Neu-Anlie- ger in ihren edlen Stadthäusern gespannt sein. Gut möglich, daß die sich wieder wundern wer- den, wenn Schiffe auf dem Rhein fahren und Züge auf der Kaiserbrücke. Und dann auch noch ein Rheinschwimmbad? Da schau´n mer mal in zehn Jahren, dann seh´n mer schon ... © Emil Hädler. Alle Rechte vorbehalten.
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