Zur Verantwortung von Bildung und Wissenschaft bei der Bekämpfung von Extremismus - Ein Grußwort und Appell
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Zur Verantwortung von Bildung und Wissenschaft bei der Bekämpfung von Extremismus – Ein Grußwort und Appell des Präsidenten der HWR Berlin, Erdenkliche wird getan, solche men- Prof. Dr. Andreas Zaby schenverachtenden Taten in Zukunft zu verhindern. Dafür gebührt Ihnen al- Unser heutiges Symposium steht im len Anerkennung und Dank. Zeichen des Gedenkens an die Opfer Mein Dank geht auch im Besonde- des schrecklichen Terroranschlags ren an die Senatsverwaltung für Inne- vor vier Jahren und es ist zugleich er- res und Sport und an den Fachbereich mutigend, dass wir uns heute zum Polizei und Sicherheitsmanagement vierten Mal treffen. Es ist nun schon der HWR Berlin für das wiederholte Tradition geworden, sich hier in Ber- gemeinsame Ausrichten der Veranstal- lin regelmäßig wissenschaftlich und tung. Diese Zusammenarbeit von Ver- fachpraktisch mit dem Thema „Terro- waltung und Wissenschaft ist wegwei- ristische Bedrohung“ auseinanderzu- send und gewinnbringend. setzen – heute mit dem besonderen Das heutige Programm ist passge- Schwerpunkt auf die „beste Praxis“ nau aufgestellt; für die Impulsvor- des Übens. träge und das Podiumsgespräch ste- Bei dem Blick nach vorne und dem hen versierte Expert*innen bereit. Sie Austausch über die bestmögliche Art werden ihr Fachwissen und ihren Er- und Weise der Terrorabwehr dürfen fahrungsschatz in Fragen der Terror- wir nicht die Erinnerungen an die Op- abwehr mit uns teilen. Woher aber fer und ihr Mahnen verlieren. Ihre kommt der Terrorismus? Er ist die ag- Teilnahme zeigt: Die Erinnerungen gressivste und militante Ausprägung werden am Leben erhalten und alles des Extremismus. 13
Grußwort Die Bundeszentrale für politische mehr als 6.400 Taten verzeichnet, was Bildung definiert den Extremismus einem Plus von rund 40 Prozent ent- als die Ablehnung des demokrati- spricht. Die Zahl der antisemitischen schen Verfassungsstaats, den Wunsch Straftaten stieg um 17 %.2 Diese empi- diesen zu beseitigen.1 Es ist der rische Evidenz ist erschreckend und Wunsch, die Demokratie, die uns zeigt, wie wichtig unser Handeln ist. Wohlstand und vor allem Frieden, Si- Sicherheitsorgane aber auch Bildungs- cherheit und sozialen Ausgleich und Wissenschaftsorganisation stehen bringt, abzuschaffen. hier in der Verantwortung. Weiter heißt es: „Die Formen des Wir alle müssen unseren Beitrag Extremismus sind höchst vielfältig: dazu leisten, dass alle Menschen So kann man nach der Art der einge- hier friedlich und sicher leben kön- setzten Mittel ebenso unterscheiden nen. Eine der wichtigsten Rollen in wie nach den politischen Zielen. Wer der Bekämpfung von Terrorismus politische Gewalt systematisch ein- und Extremismus spielt die Bil- setzt, ist ein Terrorist.“ dung – also das Verhindern solcher Extremismus und Terrorismus Einstellungen durch besseres Wis- sind also eng verbunden und beide sen, Einsicht, Verständnis und Tole- stellen sich gegen unsere freiheitliche ranz. Uns an der HWR Berlin ist es demokratische Grundordnung. Ge- wichtig, dass unsere Studierenden walt ist aus dieser Perspektive ein auch in dieser Hinsicht gebildet wer- probates Mittel, um verfassungsfeind- den. Der ehemalige Bundespräsi- liche Ziele durchzusetzen. Diese zu dent, Richard von Weizsäcker, stellte verhindern ist der Grund, warum wir 1994 in seiner Abschiedsrede fest: uns heute hier treffen. „Die Qualität der Bildung hängt Die Straftaten, die dem Extremis- maßgeblich von den Werten und Zie- mus in Deutschland zugeordnet wer- len unseres Zusammenlebens ab.“3 den, haben zugenommen. 2019 zählte Dies bedeutet, Bildung und Gesell- der Verfassungsschutz mehr als 22.300 schaft sind eng mit einander ver- Straftaten mit rechtsextremistischem knüpft und bedingen sich. Hintergrund – dies sind rund zehn Deswegen leben wir an der HWR Prozent mehr als 2018. Bei den links- Berlin unseren Studierenden eine de- extremistischen Straftaten wurden mokratische Hochschule vor: Wir be- 1 https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/handwoerterbuch-politisches-system/202019/ extremismus?p=all; letzter Zugriff: 16.12.2020 2 Verfassungsschutzbericht 2019, Fakten und Tendenzen (Kurzzusammenfassung) vom Juli 2020 3 https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Richard-von-Weizsaecker/ Reden/1994/07/19940701_Rede2.html; letzter Zugriff: 16.12.2020 14
Andreas Zaby ziehen alle Statusgruppen in wichtige Selbstverständlich ziehen wir auch Prozesse der Hochschule mit ein. Grenzen: Das sage ich in aller Deut- Wir sind eine weltoffene interna- lichkeit: Extremistinnen und Extre- tionale Hochschule: Die HWR Ber- misten haben an unserer Hochschule lin steht 2019 wieder auf Platz 1 al- keinen Platz. Ganz besonders müssen ler deutschen Fachhochschulen der wir uns daran messen lassen, wie wir DAAD-Förderungen für das Eras- dem Antisemitismus begegnen. Der mus+-Programm. 2020 sind Studie- Holocaust ist ein welthistorisch ein- rende aus 110 Ländern an der Hoch- zigartiges Verbrechen, das Deutsche schule – und das trotz der Pandemie. an Jüd*innen begangen haben. We- Wir haben Global Online Classrooms sentliche Vernichtungsentscheidun- eingerichtet, in denen unsere Studie- gen wurden hier in dieser Stadt getrof- renden mit Studierenden unserer aus- fen. Daraus folgt für uns die Pflicht, ländischen Partnerhochschulen ge- jede Form von Antisemitismus zu be- meinsam Lernen und Fragestellungen kämpfen. An der HWR Berlin wird bearbeiten. Unsere Professor*innen Antisemitismus nicht geduldet. sind gefragte Expert*innen auf Konfe- Ich bin Ihnen, Herr Senator Geisel, renzen in verschiedensten Ländern. und auch der Polizeipräsidentin, Frau Auch der Fachbereich Polizei und Dr. Slowik, dankbar, dass wir dieses Sicherheitsmanagement verfügt über Grundverständnis einer klaren Grenz- fruchtbare internationale Netzwerke, ziehung teilen. Dass die Berliner Poli- in denen er eine aktive Rolle spielt zei auch entsprechende Beauftragte und hat kürzlich eine signifikante eingerichtet hat, ist sehr zu begrüßen. Förderung der weiteren Internationa- Hier an dieser Stelle komme ich zu lisierung vom DAAD einwerben kön- meinen letzten Punkt, dem Ressour- nen – wozu ich an dieser Stelle herz- cenbedarf. Der Bedarf an gut ausgebil- lich gratuliere. deten Polizist*innen ist in den letzten Der bedeutende Stellenwert der Jahren gestiegen und die HWR Berlin Demokratie ist fest im Curriculum ver- sieht sich als verlässlicher Partner an ankert. Um bei dem ausrichtenden der Seite des Landes. Auf die Zusam- Fachbereich Polizei und Sicherheits- menarbeit und das Vertrauen, das in management zu bleiben: Der Fachbe- uns gesetzt wird, sind wir sehr stolz. reich achtet gewissenhaft darauf, dass Wir können unseren Studierenden je- unsere Studierenden und angehenden doch nur dann ein angemessenes Stu- Polizist*innen bestmöglich ausge- dium anbieten, wenn die erforderliche bildet werden und, wie es im Hoch- Ausstattung vorhanden ist. Die Stand- schulrahmengesetz heißt: „… zu ver- orte sind an ihren Grenzen angelangt. antwortlichem Handeln in einem Mehr Studierende, neue Forschungs- freiheitlichen, demokratischen und programme – alles muss auch mit sozialen Rechtsstaat befähigt werden.“ mehr Personal und Infrastruktur ge- 15
Grußwort Prof. Dr. Andreas Zaby ist Professor für Internationales Management und seit 2016 Präsident der HWR Berlin. Herr Zaby studierte von 1989 bis 1994 Betriebswirt- schaftslehre an der Universität Bayreuth und an der San Diego State University. 1998 schloss er seine Promotion bei Dodo zu Knyphausen-Auf- seß an der Friedrich-Schiller-Universität Jena ab. dacht werden. Exzellente Bildung kostet. Aber: Schlechte Bildung ist langfristig viel teurer. Daher bitte ich gerade die politische Führung und die Parlamentarierinnen und Parla- mentarier, die sich heute dankens- werterweise angemeldet haben, um ihre weitere Unterstützung! 16
Einleitung Üben, Üben, Üben – aber richtig! Im Fokus des 4. Fachsymposiums zum Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz am 18. Dezember 2020 stand das Thema „Best Prac- tice: Übungen zur Terrorabwehr“. Aufgrund der Corona-Pandemie fand das Fachsymposium zu wechseln- den Schwerpunktthemen im Kontext des Terrorismus erstmalig in digitaler Form statt. Die bis zu 250 Teilneh- menden, vorrangig Akteur*innen und Entscheidungsträger*innen aus Poli- tik, Wissenschaft, Polizei und Ver- waltung, trafen sich am 18. Dezem- ber 2020 zur wissenschaftlichen und fachpraktischen Auseinandersetzung virtuell. Ausgerichtet wurde die Ver- anstaltung gemeinsam von der Hoch- schule für Wirtschaft und Recht Berlin und der Senatsverwaltung für Inneres und Sport Berlin. Sie erinnert an die Opfer und Angehörigen des Terror- anschlages vom 19. Dezember 2016. Neben Grußworten, Impulsvorträgen und Podiumsgespräch versierter nati- onaler und internationaler Expert*in- nen, gab es auch die Möglichkeit zum gemeinsamen virtuellen Austausch im Nachgang des Fachsymposiums. BERLIN – Die Dekanin des Fachberei- ches Polizei und Sicherheitsmanage- ment, Prof. Dr. Sabrina Schönrock, eröffnete das digitale Fachsympo- 17
Einleitung sium und begrüßte die Gastredner*in- nen und Teilnehmenden. Wie die Stadt Berlin sich effektiv auf terroris- tische Anschläge vorbereite, ist ein Bestandteil des neuen Anti-Terror- Plans, den Berlins Innensenator And- reas Geisel im Rahmen seines Gruß- wortes vorstellte. Der Austausch mit der Wissenschaft sei hierbei ein wich- tiger Baustein. „Die Betrachtung der Sicherheit dieser Stadt aus unter- schiedlichsten Blickwinkeln hilft uns, neue Gedanken und Arbeitsweisen kennenzulernen“, so Geisel. „Übung führt zur routinierter Pra- xis“, betonte Prof. Dr. Andreas Zaby, Präsident der HWR Berlin in seiner Begrüßungsansprache und gab damit einen Kerngedanken der Tagung wieder. Das kooperative Handeln von Sicherheitsorganen sowie Bil- dungs- und Wissenschaftsorganisatio- nen spiele laut Zaby eine der wichtigs- ten Rollen bei der Verhinderung und Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus. Dieser gemeinsame Weg müsse auch im Rahmen der regelmä- ßig durchgeführten Fachsymposien zu wechselnden Sicherheitsthemen fort- geführt werden. Er sei beispielhaft. Thomas Greis, Chefinspektor der Sicherheitsakademie des Bundesmi- nisteriums für Inneres in Wien ging in seinem Vortrag „Übung vs. Einsatz – vom Versuch, auf die Realität vorbe- reitet zu sein“ der Frage nach, inwie- weit Übungen so gestaltet werden können, dass sie einen maximalen Mehrwert für die reale Einsatzbewäl- tigung bieten. Die letzte große Ein- 18
Einleitung satzlage traf Wien am 02. November 2020 im Rahmen eines terroristischen Amoklaufes, bei dem vier Menschen getötet wurden. Auch wenn Übungen die Realität nie in Gänze abbilden kön- nen, so Greis, müsse die Handlungsfä- higkeit aller Sicherheitsakteur*innen stetig erprobt und dadurch gesteigert werden. Der Wiener Experte beendete seinen Vortrag mit der Feststellung, „dass der Erfolg einer Übung nicht darin besteht, alles richtig gemacht zu haben, sondern aus Fehlern lernen zu dürfen!“ Der Berliner Staatssekretär für In- neres Torsten Akmann erläuterte in seinem Impulsvortrag, dass die Aus- einandersetzung mit lebensbedrohli- chen Einsatzlagen bereits in der Aus- bildung beginne, wie u. a. im Rahmen der Planübungen im Bachelorstudi- engang gehobener Polizeivollzugs- dienst an der HWR Berlin. Akmann betonte die Wichtigkeit eines interna- tionalen Erfahrungsaustausches mit anderen Metropolen, um eigene Maß- nahmen und Konzepte prüfen und optimieren zu können. Seit 2017 habe die Polizei Berlin sieben große Übun- gen zu verschiedenen Anschlagssze- narien durchgeführt. Durch solche Übungen könne nicht nur die Zusammenarbeit der unter- schiedlichen Kräfte geschult und die Wirksamkeit von Einsatzkonzepten untersucht, sondern auch das Sicher- heitsgefühl der Bevölkerung verbes- sert werden. Denn Übungen wie die Anti-Terror-Übung „Periculum“ in Berlin, die eigentlich im März 2020 19
Einleitung vorgesehen war und nun auf das Jahr 2021 verschoben wurde, dienen in erster Linie der Sicherheit der Berli- ner Bürger*innen. Prof. Dr. Wim Nettelnstroth, Profes- sor für Psychologie (Personalmanage- ment) am Fachbereich Polizei und Si- cherheitsmanagement der HWR Berlin und Leiter des Studienganges gehobe- ner Polizeivollzugsdienst, gewährte den Teilnehmenden den pädago- gisch-psychologischen und didakti- schen Blick auf Übungen zur Ter- rorabwehr. Anhand theoretischer Mo- delle und empirischer Untersuchun- gen zeigte Nettelnstroth auf, dass Handlungssicherheit und Einsatzkom- petenz von Akteur*innen durch reali- tätsnahe Übungen und Rollenspiele optimiert werden können. Damit der Transfer von der Übung in die Realität gelinge, spielen verschiedene Lern- prinzipien, wie das Prinzip der Au- thentizität, eine bedeutende Rolle. Da- mit im Einsatzfall die optimale Leis- tung abgerufen werden könne, sei es wichtig, dass sich die Übungsteilneh- menden in einem persönlichen Akti- vierungszustand im Bereich des mitt- leren Erregungsniveaus befinden. Die- ser optimale Zustand der gelassenen Wachsamkeit müsse ebenfalls geübt und trainiert werden, so Nettelnstroth. Im Anschluss an die drei Vorträge erläuterte Dekanin Schönrock die Umsetzung und den Ablauf der Pos- ter-Session. Da die Poster-Session nicht in Präsenz abgehalten werden kann, erhalten die Tagungsteilneh- menden im Nachgang die Möglich- Fotografin: Oana Popa-Costea 20
Einleitung keit, sich mit den wissenschaftlichen Moderatorin des Podiumsgespräches Beiträgen zu verschiedenen sicher- Sticher hielt zum Ende der Gesprächs- heitsrelevanten Forschungsfragestel- runde fest, dass Übungen eine wich- lungen digital über die Lernplattform tige Funktion, sowohl nach innen als Moodle kritisch auseinanderzusetzen. auch nach außen erfüllen. Einerseits führen sie bei den Trainierenden dazu, Nach einer kurzen Pause eröffnete in der Realität motiviert zu sein, sich Prof. Dr. Birgitta Sticher, Professorin neuen Situationen zu stellen. Um für Psychologie und Führungslehre Kompetenzbewusstsein zu erlangen der HWR Berlin, das Podiumsge- und das Geübte hinterher anzuwen- spräch und stellte zunächst verschie- den, komme es allerdings darauf an, dene Übungsarten sowie die interdis- was konkret trainiert wird. Neben der ziplinäre Expertenrunde vor. Nachbereitung erziele bereits die Vor- Dazu zählten neben dem Wiener bereitung auf Übungen einen großen Experten Thomas Greis auch Polizei- Lerneffekt. direktor Daniel De Giuli, Einsatzrefe- Anderseits können Übungen bei rent des Landes Baden-Württemberg entsprechender Kommunikation zur beim Ministerium für Inneres, Digi- Erhöhung des Sicherheitsgefühls in talisierung und Migration Baden- der Bevölkerung beitragen. Württemberg, Polizeidirektor Uwe Flemming vom Polizeipräsidium des Zum Abschluss dankte Schönrock Landes Brandenburg, Prof. Marcel allen Mitwirkenden und Teilnehmen- Kuhlmey, Professor für Risiko und den und würdigte die Arbeit des Live- Krisenmanagement und Einsatzlehre Künstlers Mike Klar, der mittlerweile an der HWR Berlin, EKHK’in Andrea zum vierten Mal die Tagung zeichne- Peters von der Polizeiakademie Ber- risch begleitete und die Ergebnisse lin und Dr. Nobert Reez, Gesamtpro- auch dieses Mal in einem anschauli- jektleiter der Projektgruppe „Smart chen Gesamtbild verewigte. Passend Borders“ der Bundespolizei und ehe- zur Online-Tagung erstellte er das Bild maliger Projektleiter der Nationalen auf digitalem Weg. Übungsserie LÜKEX. Im Anschluss an das 4. Fachsym- posium erhielten die Teilnehmenden Während des einstündigen Gesprä- die Möglichkeit zum virtuellen Get- ches teilten die Expert*innen ihre together auf der Austauschplattform unterschiedlichen Erfahrungen und „Wonder.me“. sprachen über geübte Szenarien, Übungsgestaltung/-evaluation und die Außenwirkung der Übungen. Die Sarah Geißler 21
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