Zustand der Vogelwelt in der Schweiz Bericht 2021 - Schweizerische Vogelwarte Sempach

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Zustand der Vogelwelt in der Schweiz Bericht 2021 - Schweizerische Vogelwarte Sempach
Zustand der Vogelwelt in der Schweiz
Bericht 2021
Zustand der Vogelwelt in der Schweiz Bericht 2021 - Schweizerische Vogelwarte Sempach
Im Fokus
                        Viele Brutvögel profitierten 2020 von
                        einem milden Winter und optimalen
                        Brutbedingungen. Die Corona-Pandemie
                        führte aber durch den intensiven Freizeit-
                        betrieb zu mehr Störungen, was sich auf
                        den Bruterfolg negativ ausgewirkt haben
                        dürfte.  Seite 6

Viele Bergvögel haben in Europa seit
den 1980er-Jahren deutliche Arealver-
luste erlitten, vor allem in Gebirgen,
die niedriger sind als die Alpen. Die
Schweiz als zentrales Alpenland er-
hält dadurch eine noch höhere Ver-
antwortung.  Seite 8

                        Die Schafstelze brütet bei uns in weit-
                        läufigen Ebenen mit Ackerbau. Eine
                        schweizweite Bestandserhebung ergab
                        gegen 500 Paare. Als Transsaharazieher,
                        Insektenfresser und Bodenbrüter
                        vereinigt sie aber einige Risiko-
                        faktoren.  Seite 10

Der Sichler steht stellvertretend für eine
Reihe von Feuchtgebietsarten, die sich in
Europa seit den 1980er-Jahren ausbreiten
konnten. Auch in der Schweiz tritt er
immer regelmässiger und in grösserer
Zahl auf.  Seite 22

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Zustand der Vogelwelt in der Schweiz Bericht 2021 - Schweizerische Vogelwarte Sempach
Im Januar 2021 wurden in der Schweiz
460 000 Wasservögel erfasst, so wenige
wie letztmals in den 1970er-Jahren. Die
Winterbestände von Tafelente, Reiher-
ente, Stockente, Blässhuhn und Lach-
möwe sind wegen der Klimaerwärmung
rückläufig.  Seite 24

                                                             In Europa sind grossräumige Arealver-
                                                             schiebungen nach Norden im Gang. So
                                                             haben etliche Singvogelarten ihr Brut-
                                                             gebiet seit den 1980er-Jahren deutlich
                                                             nordwärts ausgedehnt. Im Süden gibt es
                                                             indes Verluste.  Seite 30

Der zweite Europäische Brutvogelatlas
(EBBA2) illustriert auch, dass ein ver-
besserter Schutz mittels Schutzgebieten
und Jagdverboten Wirkung zeigt. Der
Seeadler gehört zu den Arten mit den
grössten Arealgewinnen.  Seite 32

 Inhaltsverzeichnis
 Editorial ......................................................................................... 4
 Brutvögel ....................................................................................... 6
 Methodisches .............................................................................. 18
 Durchzügler ................................................................................. 20
 Wintergäste ................................................................................. 24        Weitere Informationen
                                                                                                         Weitere Informationen inklusive Bestands-
 Internationales ............................................................................ 30
                                                                                                         entwicklung der Brutvogelarten und zusätz-
 Dank ............................................................................................. 34   lichen Analysen finden Sie online:
                                                                                                         www.vogelwarte.ch/zustand
 Impressum.....................................................................................35

                                                                                                                                                      3
Zustand der Vogelwelt in der Schweiz Bericht 2021 - Schweizerische Vogelwarte Sempach
EDITORIAL

Ein europäischer Meilenstein
2020 war in den meisten Teilen der         Etwa 120 000 Personen haben                 Mit EBBA2 erhalten wir nicht nur ein
Welt ein schwieriges Jahr und eines, in    Meldungen beigesteuert. Es wurden        neues Standardwerk zur Entwicklung
dem die Beziehungen und Zusammen-          Daten aus 5110 50 × 50 km-               der Vogelwelt. Die in einem gross-
arbeit zwischen Menschen und               Quadraten gesammelt, um die Ver-         artigen Buch zusammengestellten Er-
Ländern infolge der Beschränkungen         breitung von 596 Vogelarten zu           gebnisse werden noch jahrzehnte-
wegen Covid-19 erschwert waren. In         kartieren. Anstatt eines Top-Down-An-    lang als wichtige Informationsquelle
einem Jahr voller Probleme und Trauer      satzes wurde dies durch 48 nationale     für Naturschutz und Forschung dienen.
konnten wir einen Lichtblick feiern,       Partnerorganisationen ermöglicht, die    Die Karten liefern bessere Kenntnisse
eine grossartige Errungenschaft            jeweils für die Datenerfassung nach      über die europäischen Brutgebiete als
internationaler Zusammenarbeit             einem gemeinsamen Standard ver-          je zuvor, insbesondere im Osten des
auf dem europäischen Kontinent:            antwortlich waren. In Ländern wie        Kontinents, wo die Abdeckung im Ver-
die Veröffentlichung des zweiten           der Schweiz und meinem Heimat-           gleich zum ersten Atlas in den 1980er-
Europäischen Brutvogelatlas durch          land (Grossbritannien) wurde dies        Jahren deutlich verbessert wurde. Dies
den European Bird Census Council           durch eine lange Tradition ornitho-      – und die Arealveränderungen seit
(EBCC).                                    logischer Studien und somit durch        dem ersten Atlas – führen zu einem
   Dieses Ereignis tauchte natürlich       eine bestehende Zusammenarbeit mit       besseren Verständnis des Zustands der
nicht einfach so im Jahr 2020 auf.         ehrenamtlichen Ornithologinnen und       Vögel in Europa und werden für ge-
Es war das Ergebnis von zehn Jahren        Ornithologen ermöglicht, während         zielte Schutzbemühungen genutzt. Zu-
Arbeit, zu einem grossen Teil unter        dies in vielen osteuropäischen Ländern   künftige Forschungen mit den EBBA2-
der Leitung von Mitarbeitenden der         nicht der Fall war. Beratung, Aus-       Daten werden uns helfen, die Rolle
Schweizerischen Vogelwarte, allen          bildung und wichtiger finanzieller       der verschiedenen die Verbreitung
voran Verena Keller, die das Projekt zu-   Support – ein Grossteil davon gross-     von Vögeln bestimmenden Faktoren,
sammen mit Kolleginnen und Kollegen        zügigerweise von der MAVA-Stiftung       z.B. Landnutzung und Klimawandel,
des Katalanischen Ornithologischen         – unterstützten die begeisterten         zu verstehen. Schliesslich gibt uns die
Instituts und der Tschechischen Ge-        Vogelbeobachterinnen und Vogel-          Kenntnis der Verbreitung von Arten
sellschaft für Ornithologie von Anfang     beobachter in Osteuropa. Dadurch         in ganz Europa wertvolle Einblicke in
an vorantrieb. Die Zahlen, die hinter      wurde eine Abdeckung erreicht, die       die Populationen auf nationaler Ebene,
dem Buch stehen, sind beeindruckend:       die Erwartungen weit übertraf.           wie sie dieser Bericht für die Schweiz
                                                                                    untersucht.
                                                                                       EBBA2 wurde von einem beispiel-
                                                                                    haften europäischen Netzwerk er-
                                                                                    möglicht, in dessen Mittelpunkt die
                                                                                    Schweiz steht. Es ist ein inspirierendes
                                                                                    Beispiel für internationale Zusammen-
                                                                                    arbeit und, wie ich hoffe, ein Aus-
                                                                                    gangspunkt für noch grössere zu-
                                                                                    künftige Erfolge.

                                                                                                       Dr. Mark A. Eaton
                                                                                          Vorsitzender des European Bird
                                                                                                  Census Council (EBCC)

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Zustand der Vogelwelt in der Schweiz Bericht 2021 - Schweizerische Vogelwarte Sempach
Es gibt 91 Vogelarten, die in Europa
endemisch oder fast endemisch sind.
Der Gartenbaumläufer gehört zu den
fast endemischen Arten. Er hat sein
Brutgebiet seit den 1980er-Jahren
leicht ausgedehnt, vor allem am nörd-
lichen und östlichen Arealrand, wie der
zweite europäische Brutvogelatlas
(EBBA2) zeigt.
Zustand der Vogelwelt in der Schweiz Bericht 2021 - Schweizerische Vogelwarte Sempach
Am 9. August 2020 wurden von einem Standort am Sempachersee aus 109 Stand-up-Paddles, Gummiboote und ähnliche Wasservehikel ge-
    zählt. Mehr Störungen im Coronajahr durch den Freizeitbetrieb haben sich wohl auf den Bruterfolg negativ ausgewirkt.

     Corona beeinflusst Menschen
     und Vogeldaten
   Der Rückblick auf das Jahr 2020 wird                                                      #stayhomeandwatchout lanciert, mit                      (Amsel, Kohlmeise, Haussperling), kön-
   auch aus ornithologischer Perspektive                                                     welcher das Beobachten im eigenen                       nen gewisse Gartenlisten mit Arten wie
   durch die Corona-Pandemie geprägt.                                                        Garten oder vom Balkon aus propagiert                   Nachtreiher, Stein- und Sperlingskauz,
   Während des Lockdowns im Früh-                                                            wurde. Über 300 Teilnehmende mel-                       Gänsegeier und Blaumerle auftrumpfen.
   jahr war die Bevölkerung angehalten,                                                      deten knapp 31 000 Beobachtungen.                       Gewisse Vogelbeobachterinnen und
   möglichst zuhause zu bleiben. Des-                                                        Während die drei am meisten ge-                        -beobachter wohnen wohl an beneidens-
   halb wurde ab dem 19. März die Aktion                                                     meldeten Arten kaum überraschen                         werten Orten und/oder hatten grosses
                                                                                                                                                     Beobachterglück!
                                         30 000
                                                                                                                                                    Rekordhohe Anzahl Meldungen
Anzahl vollständige Beobachtungslisten

                                                                                                                                                    Aufgrund der generellen Reise-
                                         25 000
                                                                                                                                                    einschränkungen besuchten viele
                                                                                                                                                    Melderinnen und Melder vermehrt
                                         20 000
                                                                                                                                                    heimische Gefilde, besonders auch die
                                                                                                                                                    Alpen. Der warme Sommer unterstützte
                                         15 000                                                                                                     diesen Trend zusätzlich. So wurden auf
                                                                                                                                                    ornitho.ch aus Höhen über 1500 m fast
                                         10 000                                                                                                     ein Drittel mehr Meldungen registriert
                                                                                                                                                    als im Vorjahr. Die Gesamtzahl an
                                          5 000                                                                                                     Meldungen kletterte auf 2,5 Mio., womit
                                                                                                                                                    das vorangegangene Spitzenjahr noch-
                                             0                                                                                                      mals um 13 % übertroffen wurde.
                                                  2007

                                                         2008

                                                                2009

                                                                       2010

                                                                              2011

                                                                                     2012

                                                                                            2013

                                                                                                   2014

                                                                                                          2015

                                                                                                                 2016

                                                                                                                        2017

                                                                                                                               2018

                                                                                                                                      2019

                                                                                                                                             2020

                                                                                                                                                       Wir werden das Jahr 2020 als ein sehr
                                                                                                                                                    einschneidendes Jahr in Erinnerung be-
    Anfang 2020 lancierte die Vogelwarte eine Revision der Meldeinstruktionen für den
    Informationsdienst. Diese wurde sehr gut umgesetzt. So nahm 2020 z.B. die Anzahl der                                                            halten. Aus Vogelperspektive sind
    vollständigen Beobachtungslisten deutlich zu. Dieser Beobachtungstyp ermöglicht bessere                                                         wohl vor allem zwei Aspekte herauszu-
    Auswertemöglichkeiten, weil er auch Hinweise zu nicht festgestellten Arten enthält.                                                             streichen: (1) ein extrem milder Winter

                      6
Zustand der Vogelwelt in der Schweiz Bericht 2021 - Schweizerische Vogelwarte Sempach
BRUTVÖGEL

                                                           150                                              und (2) (coronabedingt) ein markant ver-
                                                                                                            stärktes Ausschwärmen der Bevölkerung
                                                           125                                              in die Natur, insbesondere an Seen und
                                                                                                            Flüsse im Mittelland.
                                                   Index

                                                           100

                                                                                                            Milder Winter und optimale
                                                            75
                                                                                                            Brutbedingungen
                                                                                                            Die Schweiz verzeichnete den mildesten
                                                            50
                                                                 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020
                                                                                                            Winter seit Messbeginn 1864. Die
Als Kurzstreckenzieher profitierte das Rotkehlchen vom milden Winter 2019/20. Das
                                                                                                            Wintertemperatur 2019/20 lag 3 °C über
Monitoring Häufige Brutvögel (MHB) registrierte für diese Art einen Sprung von 15 % im                      der Norm 1981–2010. Dies war wohl der
Vergleich zum Vorjahr.                                                                                      Grund dafür, dass viele Standvögel und
                                                                                                            Kurzstreckenzieher 2020 sehr hohe Brut-
                                                                                                            bestände erreichten.
                                                                                                               Nach einem rekordwarmen Winter
                                                                                                            folgte der drittwärmste Frühling mit
                                                           150
                                                                                                            einer anhaltenden Trockenperiode. Der
                                                                                                            Sommer war sehr warm, aber ohne
                                                           125
                                                                                                            ausgesprochene Hitzewellen wie in
                                                                                                            den Vorjahren. Vielen Arten schienen
                                                   Index

                                                           100
                                                                                                            diese Bedingungen zu passen. Die
                                                                                                            Langstreckenzieher verzeichneten einen
                                                            75
                                                                                                            durchschnittlichen Anstieg der Brut-
                                                                                                            bestandsindizes um einen Rekordwert
                                                            50
                                                                 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020         von +15 %. Somit kletterte auch der
Auch der Steinschmätzer, ein Langstreckenzieher, erlebte 2020 ein Bestandshoch. Die                         Gesamtindex des Swiss Bird Index SBI®
Gründe für den rasanten Anstieg sind ungeklärt.                                                             auf einen neuen Höchststand.

        140
                     Alle Arten
                                                                                  Auswirkungen von Corona auf Feuchtgebiete
                     Kurzstreckenzieher
        120                                                                       Viele andere Freizeitvergnügen waren durch die Pandemie verunmög-
                     Langstreckenzieher                                           licht, sodass die Schweizer Bevölkerung im schönen Frühling und Sommer
                                                                                  in die Natur strömte. Waren Schweizer Seen und Flüsse schon in der Ver-
        100                                                                       gangenheit gut besucht, erlebten sie während des Lockdowns 2020 einen
                                                                                  regelrechten Boom, der auch vor Schutzgebieten nicht Halt machte. Die
Index

                                                                                  Ranger auf der St. Petersinsel am Bielersee erfassten im Sommerhalbjahr
         80                                                                       rund 55 Besucherinnen und Besucher pro Stunde, was ungefähr 150 %
                                                                                  des Vorjahrs entspricht. Leider kam es als Folge dieses Besucherauf-
                                                                                  kommens auch zu mehr Verstössen gegen die Schutzregeln. Am Südufer
         60                                                                       des Neuenburgersees wurden mindestens doppelt so viele Verstösse wie
                                                                                  im Vorjahr registriert. Dort haben drei Purpurreiherpaare ihre Bruten wahr-
                                                                                  scheinlich wegen Störungen aufgegeben.
         40
              1990      1995      2000    2005   2010        2015        2020
Für Kurzstreckenzieher wie auch Langstreckenzieher waren die
Witterungsbedingungen sehr gut, sodass auch der Swiss Bird Index
SBI® für alle Arten in diesem Jahr einen neuen Höchststand erreichte.                                               Weitere Informationen
Die Berechnungsweise des SBI wurde leicht angepasst (Ausführungen                                                   www.vogelwarte.ch/zustand/brut
dazu auf Seite 12–13).

                                                                                                                                                           7
Zustand der Vogelwelt in der Schweiz Bericht 2021 - Schweizerische Vogelwarte Sempach
BRUTVÖGEL

Die Alpenbraunelle ist aus vielen tiefer gelegenen Regionen Europas verschwunden. Damit steigt die Bedeutung hochalpiner Gebiete wie jenen in
der Schweiz für das Überleben der Art.

Die Schweiz mit einer besonderen
Verantwortung
Der zweite europäische Brutvogelatlas           die fortschreitende Intensivierung der           Schweiz einen besonders hohen Anteil
(EBBA2) war nur dank dem immensen               Landwirtschaft weiter zurückgedrängt.            am europäischen Bestand beherbergt.
Einsatz von rund 120 000 Personen               Andererseits geht es den Waldvögeln
möglich, die in 48 Ländern Vögel ge-            vergleichsweise gut. Ihre Bestände ent-         Bergvögel unter Druck
zählt haben, teilweise fernab jeglicher         wickeln sich in der Schweiz ebenfalls           Für EBBA2 wurden die Brutvogelarten
Zivilisation. Die Daten- und Erkenntnis-        mehrheitlich positiv.                           einem Hauptlebensraum zugeteilt.
fülle erlaubt auch Schlussfolgerungen                                                           14 Arten wurden den Gebirgs-Lebens-
für die Schweiz. Wie bei uns sind die           Schweiz als Bergland par                        räumen zugeordnet. Die grösste Viel-
Kulturlandvögel europaweit in Bedräng-          excellence                                      falt an Arten dieser Gruppe beherbergt
nis. Viele Vogelarten wurden durch              Die Schweiz ist im europäischen Ver-            der Kaukasus, wo einige spezielle Vogel-
                                                gleich zwar klein, aber sie hat einen           arten wie Kaspikönigshuhn, Kaukasus-
                                                hohen Gebirgsanteil. Die Alpen                  birkhuhn, Riesenrotschwanz und Berg-
 European Breeding Bird Atlas 2:                nehmen rund zwei Drittel der Landes-            gimpel vorkommen. Auch in den Alpen
 distribution, abundance and change             fläche ein. Auch der Jura ist höher             und Pyrenäen ist die Artenvielfalt hoch.
 Mit dem neuen europäischen Brutvogel-          als manch höchster Berg in anderen              Über alle 14 Arten betrachtet erlitten
 atlas stehen erstmals Verbreitungskarten       Ländern. Deshalb weist unser Land vor           sie seit EBBA1 stärkere Rückgänge in
 für ganz Europa zur Verfügung. Es
 werden auch die Veränderungen über
                                                allem bei den Bergvögeln proportional           den Karpaten, im Apennin und in den
 den Zeitraum von 30 Jahren dargestellt.        hohe Bestände auf, speziell bei Ring-           Pyrenäen, aber ebenso in tieferen Lagen
 Der 967-seitige Werk kann zum Preis von        drossel, Schneesperling, Alpendohle             der Alpen. Die auch bei uns brütenden
 90 Euro bezogen werden:                        und Bergpieper mit über 10 % und                Arten dieser Gruppe zeigen bis auf
 www.lynxeds.com/product/european-
 breedingbird-atlas-2-distribution-             bei der Alpenbraunelle mit über 30 %            eine Ausnahme allesamt Arealverluste
 abundance-and-change.                          des europäischen Bestands. Insgesamt            in Europa: Mehr oder weniger aus-
                                                sind es knapp 40 Arten, bei denen die           geprägt ist dies der Fall bei Alpendohle,

 8
Zustand der Vogelwelt in der Schweiz Bericht 2021 - Schweizerische Vogelwarte Sempach
BRUTVÖGEL

                                                                Motacillidae                                   721                                                                                    805

                                   Veränderung                                                                                               Veränderung
 few populations along                 Change –3.7             sites distribution was limited by habitat structure (Melendez & Laiolo             Change –7.2
ce EBBA1, and there is                  EBBA1                  2014).                                                                             EBBA1
                                         EBBA1                                                                                                      EBBA1
nto Sweden but, overall,                EBBA1
                                         EBBA1 & & EBBA2
                                                                    The distribution of the nominate subspecies has changed little since          EBBA1
                                                                                                                                                    EBBA1 & & EBBA2
                                        EBBA2
                                         EBBA2                 EBBA1, although some erosion at the edges of mountain massifs is                     EBBA2
                                                                                                                                                  EBBA2
 lations appear to have                   EBBA2                visible. At a smaller scale the Water Pipit has disappeared from are-                 EBBA2
 information in particu-          helleLight
                                          Farben:
                                             colours: unge-    as at the lower altitudinal range limit in S Germany, NE France and           helleLight
                                                                                                                                                    Farben:
                                                                                                                                                        colours: unge-
                                       insufficiently                                                                                             insufficiently
PECBMS, ERL]. There               nügend
                                       covered bearbeitet      Switzerland [AtDE, AtFR, AtCH]. The apparent disappearance from               nügend
                                                                                                                                                  coveredbearbeitet
  the range in the British                                     the Sierra Nevada in S Spain is probably not real because breeding was
nd the Ring Ouzel has                                          never confirmed there (de Juana & Garcia 2015). Similarly, the EBBA1
 ndance between 1993–                                          records from NE Germany referred to isolated breeding observations
 ve 2000 m asl [AtCH].                                         over just a short period [AtDE].
ge (von dem Bussche et                                              The breeding population in the Alps did not show any trend in
 from the lower-altitude                                       the period 2002–14, in contrast to the negative trend in the Pyrenees,
                                                               which could be an effect of the species’ sensitivity to rising temperature
e been linked to climate                                       and declining precipitation (Lehikoinen et al. 2019b).
  the wintering grounds                                             The Water Pipit breeds in open grassland areas, preferably on slopes
 iper flowering, as juni-                                      with scattered rocks or bushes. These habitats occur naturally at high
  2006); this might also                                       altitude but also where the treeline has been lowered to create pastures.
rope. In the Carpathian                                        The altitudinal distribution is therefore likely to be affected by forest
 small meadows was re-                                         encroachment as well as climatic factors. The changes observed in the
owiec 2012). Changing                                          Swiss Alps between the two atlas periods 1993–96 and 2013–16, show-
 the treeline, could have                                      ing a decrease in abundance below 2000 m asl and an increase between
 in some areas.                                                2000 m and 2500 m, point in that©      EBCC [AtCH].
                                                                                                    direction                                                                                 © EBCC

    Illustration: Diana Höhlig
                                 Die Ringdrossel kommt Verena     Keller
                                                           in Europa       zwar auch in tieferen
                                                                                         ©eBCC
                                                                                                   Illustration: Jacques Laesser
                                                                                                 Lagen       vor,                           Der Bergpieper weist in Europa besonders in mittleren
                                                                                                                                                                                            ©eBCC  Lagen und an
                                 aber speziell dort ist das Areal seit den 1980er-Jahren geschrumpft.                                       den Arealrändern Verluste auf. In der Schweiz stieg die mittlere
                                 In der Schweiz zeigt diese Art unterhalb von 2000 m ü.M. deutliche                                         Höhenverbreitung zwischen 1993–1996 und 2013–2016 um rund
                                 Verluste und darüber leichte      Zunahmen.
                                                             Probability
                                                             of occurrence
                                                                                                                                            40 Meter an.
                                                                     1

                                 Mauerläufer, Alpenbraunelle, Schnee-                                 der Waldgrenze brüten, da ihr Lebens-                              eidgenössischen Jagdbanngebieten, die
                                 sperling und Bergpieper.0 Diese Verluste                             raum Richtung Bergspitze immer kleiner                             vor allem in den Alpen liegen. Sie haben
                                 stehen unter anderem im Zusammen-                                    wird. Mit dem Verschwinden der Berg-                               das Ziel, seltenen und bedrohten Wild-
                                 hang mit der Klimaerwärmung, denn                                    vögel aus vielen anderen Gebirgszügen                              tieren störungsarme Rückzugsgebiete zu
                                 sie betreffen vor allem Gebirge, die                                 erhalten die Alpen eine zunehmend                                  bieten. Wenn es gelingt, auch eine an-
                                 niedriger sind als die Alpen.                                        stärkere Bedeutung für den Erhalt                                  gepasste landwirtschaftliche Nutzung
                                                                                                      dieser spezialisierten Avifauna. Die                               ohne Intensivierung zu etablieren,
                                 Der Klimawandel und die Rolle                                        Daten aus Europa zeigen: Die Schweiz                               könnten die Jagdbanngebiete eine
                                 der Schweiz                                                          als zentrales Alpenland muss ihre inter-                           wichtige Funktion beim Schutz der Berg-
                                 Die Klimaerwärmung wirkt sich auch                                   nationale Verantwortung wahrnehmen                                 vögel und der Biodiversität übernehmen.
                                 in der Schweiz aus und drängt – zu-                                  und den Schutz der alpinen Biodiversi-                             Andernorts gilt es vor allem, den Ausbau
                                 sammen mit Veränderungen der Land-                                   tät verbessern.                                                    touristischer Infrastruktur kritisch zu be-
                                 nutzung – viele Brutvögel nach oben,                                                                                                    gleiten. Zentral ist, dass in den Bergen
                                 wie der Schweizer Brutvogelatlas                                     Besseren Schutz sicherstellen                                      die jetzt noch vorhandene gute öko-
                                 2013–2016 gezeigt hat: Die Höhenver-                                 Eine Möglichkeit wäre hierzu die                                   logische Infrastruktur erhalten bleibt.
                                 breitung von 71 häufigen Brutvögel hat                               Verbesserung des Schutzes in den
                                 sich zwischen 1993–1996 und 2013–
                                 2016 im Durchschnitt um 24 Meter
                                                                                                               120
                                 nach oben verschoben – also um rund
                                                                                                   ©eBCC                                                                                      ©eBCC
                                 einen Meter pro Jahr.
                                     Besorgniserregend ist vor allem, dass                                     100
                                 viele Bergvogelarten, die in Europa
                                                                                                       Index

                                 aus einem Teil des Brutgebiets ver-
                                                                                                                80
                                 schwunden      sind, auch in der Schweiz
                                            201101_EBBA_espècies_colors ok.indd 805                             02/11/20 18:25                                                                         02/11/20 20:23

                                 Veränderungen in der Höhenverbreitung
                                 aufweisen: Ihre Bestände nehmen in                                             60
                                 tieferen Lagen meist stärker ab als sie                                             1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020
                                 in höheren Lage zunehmen, was ins-
                                                                                                               Der Bestandsindex des Schneesperlings ist trotz Schwankungen negativ. Weil auch das Ver-
                                 gesamt auf Rückgänge hinausläuft.                                             breitungsgebiet klein und fragmentiert ist und sich der Rückgang mit der Klimaerwärmung noch
                                     Die Höhenverschiebung ist vor allem                                       verstärken dürfte, wird die Art in der neuen «Roten Liste der Brutvögel», die in diesem Jahr vom
                                 für Arten problematisch, die oberhalb                                         Bundesamt für Umwelt BAFU publiziert wird, neu als «potenziell gefährdet» (NT) eingestuft.

                                                                                                                                                                                                                         9
Zustand der Vogelwelt in der Schweiz Bericht 2021 - Schweizerische Vogelwarte Sempach
BRUTVÖGEL

Volkszählung bei der Schafstelze

Die Schafstelze ist eine Brutvogel-
art, die durch die Maschen unseres
Überwachungsnetzes zu fallen droht.                     1

Sie brütet nur in wenigen Regionen,                     2–20                                              74
                                                        21–100
mitten in von Ornithologinnen und
                                                        >100
Ornithologen z.T. wenig besuchten
Ackerbaugebieten. Um künftig ver-
lässliche Angaben zur Berechnung
des Brutbestandsindex dieser Art zu                                         99
haben, starteten wir im Frühjahr 2020
eine landesweite Bestandsaufnahme.                               240
Sie sollte zeigen, wo aktuell welche
Bestände vorhanden sind, und wie
diese möglichst effizient und zuver-
                                                                       42                                   14
lässig erhoben werden können.
                                                                                                             3
Bestandserfassungen sind eine
Herausforderung
Schafstelzen zu kartieren ist nicht
einfach. Zwar sind ihre Lebensräume               Die Verbreitung der Schafstelze in der Schweiz ist auf einige wenige Ackerbaugebiete
offen, aber weitläufig, und sobald                beschränkt.
die Vegetation dichter wird, sind die
Vögel oft schwierig zu entdecken.
Ihre Brutzeit ist nur kurz und die zahl-       Zudem treten die Vögel häufig ge-               zwischen Anfang Mai und Mitte Juni
reichen Durchzügler, die bis weit in           klumpt auf und streifen bei der                 systematisch abgesucht, mit einem
den Mai hinein in diesen Gebieten              Nahrungssuche weit umher, was                   fünfminutigen Stopp am Feldrand alle
rasten, erschweren den Überblick.              die Abgrenzung ihrer Reviere er-                150–200 Meter.
Raschwüchsige Kulturen und Ernte-              schwert. Beim nun gewählten Ver-                   In der Schweiz sind es nur einige
arbeiten machen Erhebungen schon               fahren wurden die potenziellen                  wenige Ackerbaugebiete, in denen
ab Anfang Juni zur Herausforderung.            Lebensräume auf drei Rundgängen                 traditionellerweise      Schafstelzen
                                                                                               brüten: im Chablais VD/VS, in der
                                                                                               Orbeebene VD, im Grosses Moos BE/
                                                                                               FR, in der Magadinoebene TI und
                                                                                               bei Agno TI. Dazu kommt noch die
                                                                                               Nordostschweiz mit dem Grenz-
                                                                                               gebiet der Kantone Schaffhausen,
                                                                                               Thurgau und Zürich. Es handelt sich
                                                                                               somit grösstenteils um Gebiete, die
                                                                                               einst grossflächige Feuchtgebiete oder
                                                                                               Schwemmebenen von Flüssen dar-
                                                                                               stellten. Je nach Region bevorzugt die
                                                                                               Schafstelze unterschiedliche Kulturen,
                                                                                               in denen sie ihr Nest anlegt.

                                                                                               Pilotjahr mit überraschenden
                                                                                               Ergebnissen
                                                                                               Die Zählungen waren sehr erfolg-
                                                                                               reich, aber aufwändig. In der Nordost-
                                                                                               schweiz wurden 74 Reviere ermittelt,
                                                                                               im Tessin 17 und im Grossen Moos 99.
Schafstelzen kämpfen mit schwierigen Bedingungen, etwa grossflächig mit Vlies be-
deckten Kulturen. Das Bild aus der Magadinoebene zeigt ein Männchen der Unterart
                                                                                               Die Orbeebene konnte erstmals über-
M. f. feldegg. Diese in Südosteuropa beheimatete Unterart brütet nur ausnahmsweise             haupt flächendeckend kartiert werden.
in der Schweiz.                                                                                Sie übertraf mit rund 240 Revieren alle

 10
BRUTVÖGEL

Schafstelzen brüten dort, wo unsere Kopfsalate wachsen, wie hier in der Orbeebene. Jungvögel in schnellwüchsigen Kulturen erfolgreich aufzu-
ziehen, ist damit ein Rennen gegen die Zeit.

Erwartungen. Im Chablais wurde auf              erheblicher Bestandsrückgang in der              gibt es gute Gründe, die Schafstelze
die Ergebnisse des Vorjahres zurück-            Magadinoebene deuten an, dass die                auch künftig im Auge zu behalten.
gegriffen, die 42 Reviere ergeben               Populationen fragil sind. Zudem zeigt
hatten. Insgesamt liessen sich also             die Schafstelze insbesondere im be-
rund 470 Reviere finden – das ist               nachbarten Ausland seit den 1980er-
ein Drittel mehr, als noch für den              Jahren einige Arealverluste, ins-
Schweizer Brutvogelatlas 2013–2016              besondere in Norditalien. Jedenfalls
ermittelt wurde. Der Bestand in der
Orbeebene war während des Atlas
unterschätzt worden. Zusammen mit
einer Handvoll Kleinstpopulationen
in anderen Gebieten dürfte sich der
Schweizer Bestand damit aktuell auf
gegen 500 Paare belaufen.

Art mit schwierigen
Voraussetzungen
Die Schafstelze ist in der Schweiz eine
seltene Brutvogelart, die eine Reihe
von Risikofaktoren auf sich vereint:
Transsaharazieher, Insektenfresser,
Bodenbrüter, Bewohner intensiv ge-
nutzter Landwirtschaftsgebiete, in
der wechselndes Nahrungsangebot,
sich saisonal rasch verdichtende
Vegetation, häufige maschinelle
Bodenbearbeitung und häufiger
Pestizideinsatz eine erfolgreiche                   Kaum eine Schafstelze nistet bei uns in der Nähe von Schafen. Die Vögel besiedeln weit-
Jungenaufzucht erschweren. Deut-                    läufige Ebenen, in denen z.B. Kartoffeln und anderes Gemüse, Zuckerrüben, Getreide oder
liche Bestandsschwankungen und ein                  Raps angebaut werden.

                                                                                                                                         11
BRUTVÖGEL

Neuerungen bei Brutbestandsindizes und SBI®

                                                                                                   berechnet werden muss. Bei eher
                                                                                                   seltenen Arten mit Bestandszunahme
                                                                                                   muss kontrolliert werden, ob der Index
                                                                                                   neu basierend auf den MHB-Daten er-
                                                                                                   mittelt werden kann. Ersteres trifft
                                                                                                   nun beim Braunkehlchen zu, während
                                                                                                   letzteres neu bei Sperber, Hohltaube
                                                                                                   und Felsenschwalbe der Fall ist.
                                                                                                      Die ornitho-Daten fallen vor allem
                                                                                                   tagsüber an, was die Bestandsüber-
                                                                                                   wachung von nachtaktiven Arten
                                                                                                   besonders anspruchsvoll macht. So
                                                                                                   basierte der Bestandsindex des Wald-
                                                                                                   kauzes bisher auf der Besetzungs-
                                                                                                   rate von Nistkästen. In schlechten
                                                                                                   Mäusejahren brüten viele Paare nicht.
In den Feuchtgebieten sind seit 1990 einige Arten neu als regelmässig brütende Arten
                                                                                                   Die resultierenden Schwankungen in
hinzuge­kommen. Zu diesen gehört auch das Kleine Sumpfhuhn, dessen Bestandstrend nun               der Nistkasten-Besetzungsrate ent-
ebenfalls in den SBI® Feuchtgebiete und Gewässer einfliesst.                                       sprechen aber nicht der Bestands-
                                                                                                   entwicklung, denn die Paare sind oft
                                                                                                   dennoch anwesend. Da der Wald-
Brutbestandsindizes und Swiss Bird Index        Anpassungen bei den                                kauz regelmässig in der Morgen-
SBI® sind wichtige Indikatoren bei der Be-      Brutbestandsindizes                                dämmerung ruft, wird der Index neu
urteilung der Entwicklung von Vogelwelt         Bestandstrends für verbreitete Arten               basierend auf den MHB-Daten be-
und Umwelt in der Schweiz. Im Grundsatz         können dank des Monitorings Häufige                rechnet. Balzende Waldschnepfen
gilt, dass sich die Berechnung eines In-        Brutvögel (MHB) relativ einfach ermittelt          werden seit 2017 mit einem schweiz-
dikators möglichst wenig verändern sollte.      werden. Bei selteneren Arten ist dies um           weiten Netz von Aufnahmestand-
Die Datengrundlagen von einzelnen Arten         einiges komplexer, denn die Grundlage              orten überwacht. Von 1989 bis 2007
können sich jedoch verändern. Auch bei          bilden Gelegenheitsbeobachtungen                   wurde im Kanton Waadt ein ähnliches
der Berechnungsweise gibt es in grösseren       (d.h. ornitho-Daten). Regelmässig über-            Monitoring unter der Koordination von
Abständen relevante methodische und             prüfen wir, ob die Datenlage aus dem               François Estoppey durchgeführt. Neue
statistische Weiterentwicklungen. Beides        MHB bei Arten mit Bestandsrückgängen               Analysemethoden erlauben es nun,
führt zu periodischen Anpassungen, was          noch genügend ist oder ob der Brut-                diese beiden Datensätze für die Index-
nun der Fall ist.                               bestandsindex neu mit ornitho-Daten                berechnung mitzuberücksichtigen. Bei

                                                                               180
                                                                                                                                 bisher
                                                                               160
                                                                                                                                 neu
                                                                               140

                                                                               120

                                                                               100
                                                                       Index

                                                                                80

                                                                                60

                                                                                40

                                                                                20

                                                                                 0
                                                                                     1990   1995    2000    2005    2010     2015      2020

Der Waldkauz ist nachtaktiv. Dennoch fallen beim 1999 gestarteten Monitoring Häufige Brutvögel (MHB) in der Morgendämmerung genügend
Nachweise zum Abschätzen der Bestandsentwicklung an. Auffallend ist, dass der neue Trend viel weniger schwankt. Der bisherige Trend zeigte
die Besetzungsrate von Nistkästen, die eine viel grössere Variation als der Bestand selbst aufweist.

 12
BRUTVÖGEL

        160                                                                                   160
                     bisher                                                                             bisher
                     neu                                                                                neu
        120                                                                                   120

                                                                                      Index
Index

        80                                                                                     80

                        –                                                                                 –
        40              ~                                                                      40   +      ~
                +
                                   grau = neuer regelmässiger Brutvogel
                                   schwarz = Brutbestand 0 in 2020
         0                                                                                      0
          1990       1994      1998     2002   2006   2010     2014     2018                     1990    1994    1998   2002   2006   2010   2014   2018

Besonders beim SBI® Feuchtgebiete und Gewässer zeigen sich die Auswirkungen der Anpassungen der Berechnungsweise. Dieser Index umfasst
auch drei Arten mit einem Brutbestand von 0 im Jahr 2020 (Schwarzhalstaucher, Grosser Brachvogel, Bekassine) und drei neue regelmässige
Brutvögel (Eiderente, Purpurreiher, Kormoran). Solche Arten hatten bei der bisherigen Berechnungsweise einen deutlichen, aber arbiträren Ein-
fluss auf den Index. Dies führt mit der neuen Methode (rot) zu einem anderen Verlauf als bei der bisherigen Methode (blau). Dagegen ist der SBI®
Wald (rechts) ohne neu regelmässige Arten oder Arten mit Bestand 0 im Jahr 2020 Arten praktisch unverändert.

den Felsbewohnern Uhu und Wander-                            zeitweise regelmässig brüteten. Den                  auch wenn weitere Arten als Brutvögel
falke haben wir basierend auf allen                          SBI ermittelten wir bisher als das geo-              verschwinden oder neu auftreten. Neu
Meldungen (auch rückwirkend) Reviere                         metrische Mittel aus den Brutbestands-               wird beim Index stets die Anzahl der
ausgeschieden. Diese haben die An-                           indizes der einzelnen Arten, wie es                  Arten mit Bestand 0 und der neuen
zahl besetzter Kilometerquadrate als                         dem Standard zur Berechnung von                      regelmässigen Brutvögel als zusätzliche
räumliche Einheit abgelöst. Die daraus                       kombinierten Indizes entspricht. Ent-                Information mitgeliefert.
resultierenden Trendschätzungen sind                         hält das Artenset verschwundene oder
näher an der Realität.                                       neu aufgetretene Arten, wird diese Be-
                                                             rechnungsweise praktisch verunmög-
Methodischer Meilenstein beim SBI                            licht. Eine an der Vogelwarte neu ent-
Für die Berechnung des SBI werden                            wickelte Methode erlaubt jetzt eine                         Weitere Informationen
in der Schweiz fast alle Arten be-                           kohärente Berechnung, damit der SBI                         www.vogelwarte.ch/zustand/brut
rücksichtigt, die seit 1990 zumindest                        längerfristig besser vergleichbar bleibt,

        160

                                                                      bisher
        140
                                                                      neu

        120
Index

        100

         80

         60

         40
              1990          1995      2000     2005    2010      2015          2020

Durch den steten Bestandsrückgang des Braunkehlchens kommt die Art inzwischen nur noch auf wenigen MHB-Flächen vor. Für die Trend-
berechnung müssen die MHB-Daten mit den Brutzeitbeobachtungen aus ornitho.ch kombiniert werden. Der neue Brutbestandsindex verläuft
praktisch identisch wie der bisherige MHB-Trend.

                                                                                                                                                           13
BRUTVÖGEL

Rote Liste: neben Schattenseiten auch Lichtblicke

Die Rote Liste beurteilt das Risiko, dass                                3,4 %
                                                                                 4,4 %
eine Art als Brutvogel aus der Schweiz
verschwinden wird. Sie wird alle 10 Jahre             39,5 %                             12,2 %                 RE    in der Schweiz ausgestorben
aktualisiert. Die neue Version wird                                                                             CR    vom Aussterben bedroht
voraussichtlich im Herbst vom Bundes-
                                                                                                                EN    stark gefährdet
amt für Umwelt (BAFU) publiziert.
    Von den 205 in der Schweiz                                                                                  VU    verletzlich
brütenden Vogelarten (ohne Ausnahme-                                                                            NT    potenziell gefährdet
erscheinungen und Neozoen) mussten                                                            20,5 %
                                                                                                                LC    nicht gefährdet
83 (40 %) auf die Rote Liste gesetzt
werden. Der Anteil der gefährdeten
Arten im Kulturland und in den Feucht-
gebieten ist deutlich höher als im Wald                                20,0 %
oder in alpinen Lebensräumen. Dies
ist ein klarer Hinweis darauf, dass die           Anteil der Brutvogelarten pro Gefährdungskategorie. Die Rote Liste (Kategorien RE – in der
Probleme für die Vögel der Landwirt-              Schweiz ausgestorben, CR – vom Aussterben bedroht, EN – stark gefährdet und VU – verletz-
                                                  lich) enthält 83 Arten (40 % der evaluierten Arten).
schafts- und der Feuchtgebiete nach wie
vor besonders akut sind.

Etliche prominente Verlierer                     die Situation unter anderen für Gänse-                Artenförderung wirkt
Der Anteil der Arten auf der Roten Liste         säger, Waldohreule, Uhu, Steinadler und               Ein paar Lichtblicke gibt es dennoch:
ist von 2001 über 2010 und bis 2021              Wacholderdrossel beurteilt.                           Beispielsweise konnten sich Weiss-
mit 40 % gleich geblieben. Bei 42 der                                                                  storch, Kiebitz und Dohle, welche mit
205 beurteilten Vogelarten, also über            Deutlicher Anstieg der potenziell                     Förderungsprojekten unterstützt werden,
einem Fünftel, änderte sich die Ein-             gefährdeten Arten                                     etwas erholen und in eine tiefere Kate-
stufung 2021 gegenüber 2010. 25                  Zwischen 2001 und 2021 markant ge-                    gorie eingeteilt werden. Dies zeigt, wie
wurden in eine höhere Gefährdungs-               stiegen ist der Anteil der potenziell ge-             wichtig die Artenförderung ist.
kategorie eingestuft, 17 in eine tiefere.        fährdeten Arten, nämlich von 12 auf                      Trotzdem sind verstärkte Massnahmen
Insgesamt hat sich somit die Ge-                 20 %. Zu den Arten auf dieser «Vorwarn-               für den Artenschutz und Lebensraumauf-
fährdungssituation der Brutvögel weiter          liste», die nicht zur eigentlichen Roten              wertungen unabdingbar. Insbesondere
verschlechtert. Zu den Arten, bei denen          Liste gehört, zählen verbreitete Arten wie            die Landwirtschaftspolitik ist gefordert,
sich eine Verschärfung ergab, zählen             Haubentaucher, Raufusskauz, Neuntöter,                die Bewirtschaftungsintensität zu ver-
Steinhuhn, Turteltaube, Grauspecht,              Rauchschwalbe und Schneesperling, die                 ringern, Biodiversitätsförderflächen zu
Wanderfalke, Feldlerche und Garten-              über die letzten Jahre Bestandseinbussen              optimieren und naturnahe Strukturen zu
grasmücke. Günstiger als 2010 wurde              zu verzeichnen hatten.                                fördern. Gross ist der Handlungsbedarf
                                                                                                       auch in den Feuchtgebieten, um ein
                                                                                                       Netz ausreichend grosser, störungsarmer
                                                                                                       und nasser Feuchtbiotope zu schaffen
                                                                                                       und zu fördern.
                                                                                                           Nach der Revision der Roten Liste wird
                                                                                                       nun unter Einbezug weiterer Faktoren
                                                                                                       wie der internationalen Bedeutung der
                                                                                                       Schweizer Bestände die Liste der national
                                                                                                       prioritären Arten überarbeitet werden.
                                                                                                       Aus diesen wird dann mit dem spezi-
                                                                                                       fischen Handlungsbedarf die Liste der
                                                                                                       Prioritätsarten Artenförderung bestimmt.

                                                                                                          Literaturhinweis
                                                                                                          Knaus, P., S. Antoniazza, V. Keller, T. Sattler,
                                                                                                          H. Schmid & N. Strebel (im Druck): Rote Lis-
Die eigentlich recht anspruchslose Grauammer verzeichnet einen dramatischen Rückgang. Seit                te Brutvögel. Gefährdete Arten der Schweiz,
Mitte der 1990er-Jahre ist sie aus etlichen Gebieten verschwunden. Deshalb wird die Art neu               Stand 2020. Bundesamt für Umwelt, Bern,
als «vom Aussterben bedroht» (CR) und damit zwei Kategorien höher als 2010 eingestuft.                    und Schweizerische Vogelwarte, Sempach.

 14
Der Bestand des Zwergtauchers ist klein
und zeigt neben Schwankungen einen
langfristigen Rückgang, nimmt aber in
jüngster Zeit wieder zu. Er profitierte von
neu geschaffenen Kleingewässern (z.B.
Golfplatzweiher) und der Revitalisierung
von Feuchtgebieten. In ersteren sind die
Bestände allerdings stark von Pflege-
massnahmen abhängig. Die Art wurde
nur noch als «potenziell gefährdet» (NT)
statt «verletzlich» (VU) eingestuft.
BRUTVÖGEL

Brutvögel der Schweiz
Bestandsentwicklung der 176 berücksichtigten Brutvögel1 der Schweiz im vollständigen Untersuchungszeitraum (normaler-
weise 1990–2020) und in den letzten zehn Jahren (2011–2020). Ein Trend +++ bzw. – – – bedeutet eine Veränderung um
mehr als Faktor 5, ein Trend ++ bzw. – – eine Veränderung zwischen Faktor 2 und 5 und ein Trend + bzw. – eine Veränderung
um weniger als Faktor 2. Das Zeichen • zeigt, dass keine statistisch signifikante Veränderung festgestellt wurde, was bei
effektiv stabilen Populationen oder bei stark schwankenden Beständen der Fall ist. Die Farben in den letzten beiden Spalten
zeigen den Status auf der Roten Liste (RL) der Schweiz: rot = CR – vom Aussterben bedroht (Critically Endangered), hell-
rot = EN – stark gefährdet (Endangered), gelb = VU – verletzlich (Vulnerable), hellgrün = NT – potenziell gefährdet (Near
Threatened), grün = LC – nicht gefährdet (Least Concern); die neue «Rote Liste der Brutvögel» wird dieses Jahr vom Bundes-
amt für Umwelt BAFU herausgegeben.

 Art                      Trend     Trend      RL     RL        Art                       Trend     Trend      RL     RL
                        1990–2020 2011–2020   2010   2021                               1990–2020 2011–2020   2010   2021

 Wachtel                    •         •        LC     VU        Mittelmeermöwe            +++         •        LC     LC
 Steinhuhn                  •         ++       NT     VU        Flussseeschwalbe           ++         •       NT     NT
 Rebhuhn                    –––       –––      CR     CR        Schleiereule                –         +       NT     NT
 Haselhuhn                  •         •        NT     NT        Sperlingskauz               •         •       LC     LC
 Alpenschneehuhn4            –        •        NT     NT        Steinkauz                  ++         +       EN     EN
 Auerhuhn                    –        •        EN     EN        Raufusskauz                 –         –        LC    NT
 Birkhuhn                   •         •        NT     NT        Zwergohreule               ++        ++       EN     EN
 Eiderente                  •         •        VU     EN        Waldohreule³                +         •       NT     LC
 Gänsesäger                 ++        +        VU     NT        Waldkauz²                             +       LC     LC
 Kolbenente                +++        •        NT     NT        Uhu                         •         •       EN     VU
 Tafelente                  •         •        EN     EN        Wespenbussard               +         •       NT     NT
 Reiherente                 +         •        VU     VU        Bartgeier                 +++        ++       CR     CR
 Schnatterente              ++        •        EN     VU        Steinadler                  +         +       VU     NT
 Stockente                  +         •        LC     LC        Sperber                     •         •       LC     LC
 Zwergtaucher               •         +        VU     NT        Habicht                     +         •       LC     NT
 Haubentaucher               –        •        LC     NT        Rotmilan                  +++         +       LC     LC
 Schwarzhalstaucher         •         •        VU     VU        Schwarzmilan²                         •       LC     LC
 Hohltaube                  ++        ++       LC     LC        Mäusebussard                +         •       LC     LC
 Ringeltaube                ++        +        LC     LC        Wiedehopf                   +         •       VU     VU
 Turteltaube                ––         –       NT     EN        Bienenfresser             +++        +++      EN     VU
 Türkentaube                +         +        LC     LC        Eisvogel                    +         •       VU     VU
 Ziegenmelker                –         –       EN     EN        Wendehals                   •         +       NT     NT
 Alpensegler                ++        +        NT     NT        Grauspecht                 ––         –       VU     EN
 Fahlsegler                 ++        •        VU     VU        Grünspecht³                 +         •        LC     LC
 Mauersegler²                         •        NT     NT        Schwarzspecht              ++         +        LC     LC
 Kuckuck                    +         •        NT     NT        Dreizehenspecht             •         +        LC    LC
 Wasserralle                •         +        LC     LC        Mittelspecht               ++         +       NT     NT
 Wachtelkönig               ++        •        CR     CR        Kleinspecht                 +         +       LC     LC
 Tüpfelsumpfhuhn            +         •        VU     VU        Buntspecht                 ++         •       LC     LC
 Kleines Sumpfhuhn         +++        •        VU     VU        Turmfalke                  ++         +       NT     NT
 Teichhuhn                  +         +        LC     LC        Baumfalke                   +         +       NT     NT
 Blässhuhn                  +         +        LC     LC        Wanderfalke                 +         –       NT     VU
 Weissstorch                ++        ++       VU     NT        Pirol                       +         •        LC    LC
 Zwergdommel                +         •        EN     EN        Neuntöter                   –         •        LC    NT
 Graureiher                 +         +        LC     LC        Rotkopfwürger              –––        •       CR     CR
 Purpurreiher              +++        •        CR     CR        Alpenkrähe                 ++         +       EN     EN
 Kormoran                  +++        ++       LC     LC        Alpendohle²                           •        LC    LC
 Flussregenpfeifer          •         •        EN     EN        Eichelhäher                 +         •        LC    LC
 Kiebitz                     –        +        CR     EN        Elster                     ++         +        LC    LC
 Grosser Brachvogel         –––       •        CR     CR        Tannenhäher                 •         •        LC    LC
 Waldschnepfe                –         –       VU     VU        Dohle                       +         +       VU     NT
 Bekassine                  –––       •        CR     CR        Saatkrähe                 +++        ++        LC    LC
 Flussuferläufer            •         •        EN     EN        Kolkrabe                    +         •        LC    LC
 Lachmöwe                   ––         –       EN     EN        Rabenkrähe                 ++         •        LC    LC
 Schwarzkopfmöwe            •         •        VU     VU        Tannenmeise²                          •        LC    LC
 Sturmmöwe                  •         •        EN     VU        Haubenmeise                 +         •        LC    LC

 16
BRUTVÖGEL

    Art                           Trend     Trend           RL        RL           Art                       Trend     Trend          RL       RL
                                1990–2020 2011–2020        2010      2021                                  1990–2020 2011–2020       2010     2021

    Sumpfmeise                       +            •          LC        LC          Blaukehlchen                ++           •         VU        VU
    Mönchsmeise²                                  •          LC        LC          Nachtigall                   +           +         NT        LC
    Blaumeise                       ++            •          LC        LC          Trauerschnäpper²                         •         LC        LC
    Kohlmeise                        +            •          LC        LC          Hausrotschwanz               +           •         LC        LC
    Heidelerche                      •            +          VU       VU           Gartenrotschwanz             •           •         NT        NT
    Feldlerche                       –            •          NT       VU           Steinrötel                   –           •         LC        LC
    Bartmeise                        +            +          VU       VU           Blaumerle                    •           •         EN        EN
    Orpheusspötter                   +            +          NT       NT           Braunkehlchen                –           •         VU        VU
    Gelbspötter                     –––           •          VU       EN           Schwarzkehlchen             ++           +         NT        NT
    Sumpfrohrsänger                  •            •          LC        LC          Steinschmätzer               +           •         LC        LC
    Teichrohrsänger                  •            +          LC        LC          Wintergoldhähnchen           +           •         LC        LC
    Drosselrohrsänger               ++            +          NT       NT           Sommergoldhähnchen           •           +         LC        LC
    Rohrschwirl                      +            +          NT       NT           Alpenbraunelle               –           •         LC        LC
    Feldschwirl                      +            •          NT       NT           Heckenbraunelle              +           •         LC        LC
    Mehlschwalbe                     –            •          NT       NT           Haussperling                 +           +         LC        LC
    Rauchschwalbe                    •            +          LC       NT           Feldsperling                 +           •         LC        LC
    Felsenschwalbe                  ++           ++          LC        LC          Schneesperling               –           •         LC        NT
    Uferschwalbe                     –            +          VU       EN           Baumpieper                   –           •         LC        NT
    Berglaubsänger                  ++            +          LC        LC          Wiesenpieper                 ––          •         VU        VU
    Waldlaubsänger                   ––           ––         VU       VU           Bergpieper                   •           +         LC        LC
    Fitis                            ––           –          VU       VU           Brachpieper                  •          +++        EN        EN
    Zilpzalp                         +            +          LC        LC          Schafstelze                  +           •         NT        VU
    Schwanzmeise                     +            •          LC        LC          Gebirgsstelze                •           •         LC        LC
    Mönchsgrasmücke                  +            +          LC        LC          Bachstelze                   –           •         LC        LC
    Gartengrasmücke                  –            –          NT       VU           Buchfink                     +           •         LC        LC
    Sperbergrasmücke                –––           •          VU       VU           Kernbeisser                  +           •         LC        LC
    Klappergrasmücke                 +            +          LC        LC          Karmingimpel                 +           •         VU        EN
    Dorngrasmücke                    +            +          NT       NT           Gimpel                       –           •         LC        LC
    Gartenbaumläufer                 +            +          LC        LC          Grünfink                     –           –         LC        NT
    Waldbaumläufer                  ++            •          LC        LC          Bluthänfling                 +           +         NT        LC
    Kleiber                          –            –          LC        LC          Birkenzeisig                 •           ––        LC        LC
    Mauerläufer                      •            •          LC        LC          Fichtenkreuzschnabel²                    •         LC        LC
    Zaunkönig                        +            •          LC        LC          Stieglitz                    –           +         LC        LC
    Wasseramsel                      +            •          LC        LC          Zitronenzeisig               –           •         LC        NT
    Star                             •            +          LC        LC          Girlitz                      •           •         LC        LC
    Misteldrossel                    +            •          LC        LC          Erlenzeisig²                             •         LC        LC
    Singdrossel                      +            •          LC        LC          Grauammer                    ––          ––        VU        CR
    Amsel                            +            •          LC        LC          Zippammer                    +           +         LC        LC
    Wacholderdrossel                 ––           –          VU        LC          Ortolan                     –––         –––        CR        CR
    Ringdrossel                      –            •          VU       NT           Zaunammer                    +           +         NT        NT
    Grauschnäpper                    –            •          LC       NT           Goldammer                    •           –         LC        LC
    Rotkehlchen                      +            +          LC        LC          Rohrammer                    –           +         VU        NT

1
  Eingeschlossen sind jene Arten, welche seit 1990 mindestens einmal zu den regelmässigen Brutvögeln
gezählt haben (d.h. sie haben in 9 von 10 aufeinanderfolgenden Jahren gebrütet), und für welche wir            Weitere Informationen
die nötigen Datengrundlagen haben. Ohne eingeführte Arten (z.B. Höckerschwan, Rostgans, Jagdfasan)             www.vogelwarte.ch/zustand/brut
sind dies 179 Arten. Für Weissrückenspecht, Halsbandschnäpper und Italiensperling kann wegen fehlen-
der Daten keine Einschätzung vorgenommen werden.
2
  Untersuchungszeitraum 1999–2020
3
  Untersuchungszeitraum 1996–2020
4
  Untersuchungszeitraum 1995–2020

Unregelmässig und ausnahmsweise brütende Arten
                                                                                                           Literaturhinweis
Seit 2000 haben weitere 26 Arten unregelmässig oder nur ausnahmsweise in
                                                                                                           Müller, C. (2021): Seltene und bemerkens-
der Schweiz gebrütet. Deren Brutvorkommen werden möglichst lückenlos do-                                   werte Brutvögel 2020 in der Schweiz. Orni­
kumentiert (Tabelle im Internet unter «Weiterführende Analysen» verfügbar).                                thol. Beob. 118 (im Druck).

                                                                                                                                                 17
METHODISCHES

   Die Statistik der Vogelbeobachtung
 Im Oktober 2020 ist der zweite Band                         Auch bei den Lebensraum-
 des englischsprachigen Lehrbuchs                         ansprüchen einer Art, einem weiteren
 über ökologische Statistik erschienen,                   wichtigen Thema im Buch, kon-
 welches die Krönung einer langjährigen                   vergieren wissenschaftliche Ana-
 Zusammenarbeit des Populationsöko-                       lytik und ornithologische Erfahrung.
 logen Marc Kéry (Vogelwarte) und des                     Um die Verbreitung von Arten zu
 amerikanischen Statistikers J. Andy                      modellieren und den Einfluss von
 Royle darstellt. Naturgemäss ist das                     Umweltveränderungen vorherzu-
 Lehrbuch sehr technisch. Allerdings                      sagen, werden häufig Verbreitungs-
 ist es bei genauerer Betrachtung                         modelle verwendet, so auch im Brut-
 faszinierend zu erkennen, dass ein                       vogelatlas 2013–2016. Die Kenntnis
 Grossteil der konzeptionellen Grund-                     der Habitatansprüche sind aber auch
 lagen dieser Methoden für Vogel-                         zentral für uns Vogelbeobachterinnen
 beobachterinnen und -beobachter                          und -beobachter, denn dadurch finden
 durchaus auch intuitiv Sinn ergeben                      wir eine gesuchte Art einfacher: In ge-
 werden. Denn in gewisser Weise be-                       wisser Weise entwickeln wir in lang-         Der Umschlag des neuen Lehrbuchs über
 schreibt dieses Lehrbuch die wahr-                       jähriger Erfahrung sozusagen unsere          ökologische Statistik, das Marc Kéry mit
 scheinlichkeitstheoretischen Grund-                      eigenen Artverbreitungsmodelle               einem Kollegen aus den USA verfasst
                                                                                                       hat.
 lagen der Vogelbeobachtung.                              «im Bauch». Solche intuitiven Ver-
    So ist die Antreffwahrscheinlichkeit                  breitungsmodelle helfen selbst bei
 eine zentrale Grösse, welche z.B. die                    der Artbestimmung, denn zahlreiche
 Chance bezeichnet, mit der eine vor-                     Arten treten in gewissen Habitaten         entfernt sind. Dieses Konzept wird
 kommende Art tatsächlich auch be-                        kaum auf.                                  in Artverbreitungsmodellen oft
 obachtet wird. Die meisten Methoden                          Das ebenfalls im Buch beschriebene     verwendet, um bessere Vorher-
 im neuen Lehrbuch beschreiben                            Thema der räumlichen Autokorrelation       sagen zu machen. Auch wir Natur-
 Modelle, mittels derer unsere Ana-                       bezeichnet das fast universelle Muster,    beobachterinnen und -beobachter
 lysen von Verbreitung und Bestand                        dass in der Natur Dinge, die nahe          wissen intuitiv, dass eine Art oft viel
 für die Antreffwahrscheinlichkeit                        beieinanderliegen, ähnlicher sind          eher in einem Gebiet vorkommt, das
 korrigiert werden können.                                als solche, die weiter voneinander         in der Nähe eines bekannten Vor-
                                                                                                     kommens liegt.
                                                                                                        Diese Beispiele mögen dazu bei-
                            1,0
                                                                                                     tragen, Vogelbeobachterinnen und
                                                                                                    -beobachter mit den statistischen
                                                                                                     Modellen etwas zu versöhnen, die
                            0,8                                                                      manchmal sehr mathematisch-
                                                                                                     abstrakt erscheinen, jedoch aus den
Antreffwahrscheinlichkeit

                                                                                                     heutigen Datenanalysen in Wissen-
                            0,6                                                                      schaft, Naturschutz und Biodiversitäts-
                                                                                                     monitoring nicht mehr wegzudenken
                                                                                                     sind. Bei genauer Betrachtung wird
                                                                                                     man in den meisten dieser Modelle
                            0,4
                                                                                                     intuitiv sehr viel Sinn erkennen.

                            0,2

                            0,0

                                  20.4.   10.5.   30.5.        19.6.       9.7.        29.7.
  Die Antreffwahrscheinlichkeit ist die Wahrscheinlichkeit, eine anwesende Art auch tatsäch-
  lich festzustellen. Bei den meisten Arten gibt es deutliche saisonale Schwankungen, wie
  diese Beispiele zeigen: schwarz = Haselhuhn, blau = Gartenrotschwanz, rot = Stockente,
  braun = Sumpfmeise, gelb = Steinschmätzer, grün = Buchfink.

              18
Die Antreffwahrscheinlichkeit variiert
von Art zu Art. Dies ist allen Be-
obachterinnen und Beobachtern klar,
und kaum jemand erwartet, ein Hasel-
huhn schon bei der ersten Suche zu
finden. Bei einem Buchfinken hingegen
wäre man sehr erstaunt, ihn nicht bereits
beim ersten Rundgang nachzuweisen.
Aufgrund seines Bestandsrückgangs ist der Rotfussfalke auf der europäischen Roten Liste in der Kategorie «potenziell gefährdet» (NT)
 aufgeführt.

 Wechselhafter Frühjahrszug
Der Durchzug der Weissbartsee-                         nicht erreicht. Die nächsten Brut-                       einen neuen Höchstwert. Diese lag
schwalbe war im Frühling 2020 so                       plätze liegen in den Dombes F, die                       zwischen 2015 und 2019 bei durch-
stark wie seit 20 Jahren nicht mehr.                   Kerngebiete aber in Osteuropa. Dort                      schnittlich 157, 2020 aber bei 261. Die
Die eleganten Vögel erscheinen auf                     nehmen die Bestände der Weissbart-                       Summe der beobachteten Vögel blieb
dem Heimzug selten, aber regelmässig                   seeschwalbe zu und sie breitet sich                      allerdings bescheiden, und der grösste
und in von Jahr zu Jahr schwankender                   nach Norden aus.                                         Trupp bestand nur aus 12 Vögeln. Das
Zahl über den Schweizer Seen und                                                                                ist weit entfernt von den 2008 ge-
Feuchtgebieten. 2020 erreichte der                    Der Falke aus dem Osten                                   meldeten 60er-Trupps oder den rund
Durchzug in der zweiten Maihälfte                     Auch der Rotfussfalke ist für seine                       100 Individuen, die 1990 zusammen
den Höhepunkt. Mit einer maximalen                    markanten Schwankungen beim                               beobachtet worden sind. Die mittlere
Truppgrösse von 29 Individuen wurden                  Frühjahrszug bekannt. 2020 er-                            Truppgrösse ist bei uns in den letzten
die Rekordwerte von 1999 jedoch                       reichte die Zahl der Beobachtungsorte                     30 Jahren denn auch von 3,5 in den

                  500                                                                       250

                  450

                  400                                                                       200

                  350
Auftretensindex

                                                                          Auftretensindex

                  300                                                                       150

                  250

                  200                                                                       100

                  150

                  100                                                                        50

                  50

                   0                                                                          0
                        1990   1995   2000   2005   2010   2015   2020                            1990   1995    2000    2005    2010    2015    2020
 Die Intensität des Frühjahrszugs schwankt beim Rotfussfalken von Jahr      Der Frühjahrszug der Weissbartseeschwalbe in der Schweiz fällt jahr-
 zu Jahr massiv. Die stärksten Invasionen der letzten dreissig Jahre        weise sehr unterschiedlich aus; 2020 war er so intensiv wie seit 2000
 erfolgten 1990 und 2008.                                                   nicht mehr.

        20
DURCHZÜGLER

                                     März         April           Mai          Juni          Juli
                  250
                                                                                      2020
                                                                                      ø 2010–2019
                  200
Auftretensindex

                  150

                  100

                   50

                       0
                              11          16          21      26          31          36       41
                                   Pentaden
 2020 begann der Frühjahrszug des Schwarzkehlchens etwas früher                                      Neuere Arealgewinne des Schwarzkehlchens in Nordeuropa dürften auf
 und war deutlich stärker als im Durchschnitt.                                                       mildere Winter zurückgehen. Dagegen nehmen die Bestände im Süden
                                                                                                     ab, vermutlich als Folge der intensiveren landwirtschaftlichen Nutzung.

1990er-Jahren auf 1,9 in den 2010er-                                       Durchzügler. Die ersten Bruten sind                in der Schweiz. Der Brutbestand in
Jahren gesunken. Obwohl sich in                                            2012 im Wallis und 2016 im Tessin ent-             Westeuropa ist stabil oder nimmt leicht
Italien vor kurzer Zeit ein kleiner Brut-                                  deckt worden; beides sind Kerngebiete              zu. An der nördlichen Arealgrenze in
bestand von 50–70 Paaren gebildet                                          für die Art in unserem Land. Ab 2005               Frankreich und Portugal ist sogar eine
hat, nehmen die Zahlen in Osteuropa                                        hat sich die Beobachtungszahl verviel-             leichte Ausbreitung im Gang.
stark ab. Dort führt die Intensivierung                                    facht. Wurde der elegante Schlangen-
der Landwirtschaft zu Lebensraumver-                                       jäger zwischen 2010 und 2019 all-                  Schwarzkehlchen im Hoch
lusten und einem markanten Rück-                                           jährlich aus 9–11 Kantonen gemeldet,               Nach dem Rekordwinter 2019/20, in
gang bei den als Nahrung wichtigen                                         erfolgten 2020 sogar Nachweise                     dem der Auftretensindex dem drei-
Grossinsekten.                                                             in 16 Kantonen. Dazu zeichnet sich                 einhalbfachen Durchschnittswert der
                                                                           eine Tendenz zu immer früheren Erst-               letzten 10 Winter entsprach, zeigte
 Schlangenadler auf                                                        beobachtungen ab: Diese lagen in den               sich das Schwarzkehlchen auch im
 Eroberungstour                                                            2000er-Jahren noch um den 14. April,               übrigen Verlauf des Jahres 2020 häufig.
 War der Schlangenadler im 20. Jahr-                                       in den 2010er-Jahren aber schon um                 Waren Überwinterer in den 1990er-
 hundert bei uns noch ein seltener                                         den 27. März. Der 2020er-Erstnach-                 Jahren noch auf die Kantone Tessin,
 Gast, ist er seit 2005 im ganzen Land                                     weis vom 13. März bei Satigny GE ist               Wallis, Waadt, Genf sowie auf das St.
 ein spärlicher, aber regelmässiger                                        aktuell sogar die früheste Beobachtung             Galler Rheintal beschränkt, dehnten
                                                                                                                              sich diese Gebiete in den letzten Jahren
                                                                                                                              auch auf weitere Kantone der Alpen-
                  40
                                                                                                                              nordseite wie Solothurn, Luzern oder
                  35                                                                                                          Aargau aus. Der Frühjahrszug 2020
                                                                                                                              schlug alle Rekorde; sein Höhepunkt
                  30
                                                                                                                              lag mit Anfang März zudem recht
Auftretensindex

                  25                                                                                                          früh. Der Wegzug, der Mitte Oktober
                                                                                                                              gipfelte, war ebenfalls markant:
                  20
                                                                                                                              Grössere Ansammlungen von 17 bzw.
                  15                                                                                                          21 Vögeln wurden am 14. Oktober von
                                                                                                                              Gwatt BE bzw. Alpnach OW und am
                  10
                                                                                                                              18. Oktober mit 22 Individuen aus dem
                  5                                                                                                           Wauwilermoos LU gemeldet.

                  0
                       1990        1995        2000        2005         2010      2015        2020
 Nach einer starken Zunahme seit 2015 hat die Präsenz des Schlangen-                                                                  Weitere Informationen
 adlers im Jahr 2020 einen neuen Höchstwert erreicht.                                                                                 www.vogelwarte.ch/zustand/zug

                                                                                                                                                                        21
DURCHZÜGLER

Der Aufschwung des Sichlers
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts galt            allein in der Doñana über 10 000 Paare!
der Sichler in der Schweiz als unregel-         Bei dieser Bestandsexplosion spielte die                       Schweizerische Avifaunistische
mässiger Gast; zwischen 1980 und                Ausbreitung des Reisanbaus vermut-                             Kommission
2010 gelangen höchstens vier Nach-              lich eine entscheidende Rolle. 2005                            Die Schweizerische Avifaunistische
weise pro Jahr. Seit 2010 wird der              erfolgte der erste Brutnachweis in                             Kommission (SAK) ist eine unabhängige
                                                                                                               Expertinnen- und Expertengruppe. Ihre
Sichler aber alljährlich beobachtet. Der        Portugal und 2006, mit 14 Paaren, in
                                                                                                               Hauptaufgabe ist es zu prüfen, ob die
erste grössere Einflug mit 44 Vögeln            der Camargue F. Bereits 2017 hatte                             Meldungen ungewöhnlicher Vogel-
erfolgte 2013. 2018 waren es dann               der Bestand an verschiedenen Orten in                          beobachtungen aus der Schweiz aus-
15, 2019 38 und 2020 37 Individuen.             Südfrankreich auf über 2000 Paare zu-                          reichend dokumentiert sind, um in die
                                                                                                               wissenschaftliche Literatur aufgenommen
Die Meldungen verteilen sich auf alle           genommen. Seit 2011 brütet der Sichler                         zu werden. Dies gilt für Nachweise von
Monate, wobei Winternachweise                   in wenigen Paaren an der französischen                         generell selten in der Schweiz auf-
erst ab 2013 vorliegen, wenn man                Atlantikküste und unternimmt auch                              tretenden Arten wie dem Sichler bis 2019.
jenen Sichler ausser Acht lässt, der            vereinzelte Brutversuche in noch nörd-                         Es betrifft aber auch Nachweise von
                                                                                                               häufigeren Arten, die räumlich oder zeit-
sich 1960/61 mehr als ein Jahr lang in          licheren Gebieten, insbesondere in                             lich aus dem Rahmen fallen, oder von
den Grangettes VD aufhielt. Längere             Grossbritannien. Der Sichler hat sein                          Arten, die erstmals in der Schweiz brüten.
Winteraufenthalte aus jüngerer Zeit             Brutgebiet auch in Italien und in Ost-                            Die SAK publiziert jedes Jahr einen
sind vom 7.–24. Dezember 2018 aus               europa erweitert. Die meisten Vögel                            deutschsprachigen Bericht im «Ornitho-
                                                                                                               logischen Beobachter» und einen
Yverdon VD sowie aus dem Winter                 überwintern zwar im tropischen Afrika,                         französischen Bericht in «Nos Oiseaux».
2020/21 bekannt.                                aber in Südwesteuropa sind einige
                                                auch Standvögel. Zwischen 2014 und
Grossräumige Arealgewinne                       2018 harrten jeweils rund 6600 Vögel
Die Zunahme der Beobachtungen in                im Ebrodelta E aus und 2016 etwa
der Schweiz erfolgt im Rahmen einer             20 000 Individuen in der Doñana E.
grossräumigen Arealerweiterung in
westlicher und nördlicher Richtung.              Südwestliche Herkunft
Nach einem massiven Bestandsrück-                Zwei als Nestlinge in der Camargue be-
gang im Verlauf des 20. Jahrhunderts             ringte Vögel wurden 2012 bzw. 2014
in den wichtigsten Brutgebieten in Süd-          in der Schweiz gesichtet. Einige der
osteuropa setzte die Erholung erst in            bei uns auftretenden Sichler könnten
den 1990er-Jahren ein. In Spanien kam            auch aus Spanien stammen, denn dort
es ab 1993 zur Wiederansiedlung der              markierte Vögel sind später aus Nord-                             Weitere Informationen
ersten Brutpaare, deren Zahl sich dann           und Osteuropa, Nordafrika und sogar                               www.vogelwarte.ch/sak
rasch vervielfachte. So brüteten 2017            der Karibik gemeldet worden.

  Höchstzahl von Individuen pro km2                                                       60
      1–2
      3–5                                                                                 50
      6–10
      >10
                                                                      Anzahl Individuen

                                                                                          40

                                                                                          30

                                                                                          20

                                                                                          10

                                                                                           0
                                                                                               J   F   M   A   M      J   J     A    S     O    N    D

                                                                                                                     Monate
Praktisch alle Nachweise des Sichlers in der Schweiz von 1900 bis      Jahreszeitliche Verteilung der Nachweise des Sichlers in der Schweiz
2020 stammen aus Tieflagen nördlich der Alpen. Ausnahmen bilden        zwischen 1900 und 2020 pro Dekade. Die Meldungen konzentrieren
lediglich ein alter Nachweis vom Col de Bretolet VS und zwei neuere    sich auf die Zugzeiten zwischen Mitte April und Mitte Mai bzw.
Meldungen aus dem Tessin.                                              zwischen Mitte September und Ende Oktober.

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