Zweite Erde gesucht - Thomas Bührke

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Zweite Erde gesucht - Thomas Bührke
PHYSIK & ASTRONOMIE_Exoplaneten

Zweite Erde
gesucht
Nahezu 800 Planeten, die ferne Sterne umkreisen, haben Astronomen mittlerweile entdeckt.
Nur auf drei von ihnen könnten lebensfreundliche Bedingungen herrschen. Vermutlich gibt es in der
Milchstraße aber viele zweite Erden. Doch wie weist man Lebensspuren auf Exoplaneten nach?
Dieser Frage widmet sich Lisa Kaltenegger am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg.

TEXT THOMAS BÜHRKE
                                                                                                    xxxxxxxx

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Zweite Erde gesucht - Thomas Bührke
Die Heimat der Außerirdischen? Allein in der Milchstraße vermuten die
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                                                                           umkreisen. Ob auf dem einen oder anderen Leben existiert, wollen
                                                                           die Forscher in den nächsten Jahren herausfinden.

           M
                          ax Planck sagte einmal       herpendeln. „Mit dem Fahrrad ging das         und kompetentesten Fachleuten für
                          von sich, nach dem Abi-      in zehn Minuten“, kommentiert sie             extrasolare Planeten. Dieses Jahr wurde
                          tur hätte er ebenso gut      heute die Bewältigung dieses Studien-         sie von der Deutschen Forschungs-
                          Musik wie auch Altphilo-     Fünfkampfs gelassen.                          gemeinschaft und dem Forschungsmi-
                          logie studieren können.                                                    nisterium mit dem angesehenen Heinz
           Dass es die Physik wurde, verdankte er      spektraler Fingerabdruck                      Maier-Leibnitz-Preis für Physik ausge-
           seinem Mathematiklehrer und dem             unseres Planeten                              zeichnet.
           „Wunsch, den Naturgesetzen noch et-                                                           Im Jahr 1993 veröffentlichte der
           was näher nachzuforschen“. Sicher wür-      Auf Dauer konnte sie den natürlich            amerikanische Astrophysiker Carl Sagan
           de sich Lisa Kaltenegger in ihrer Be-       nicht durchhalten, und schließlich ent-       den spektralen Fingerabdruck der Erde,
           scheidenheit nicht mit dem Pionier          schied sie sich für technische Physik         der mit der Raumsonde Galileo aufge-
           der Quantenphysik vergleichen wollen,       und Astronomie – obwohl ihr ein Be-           nommen wurde. Ein solches Spektrum
           aber das weitgefächerte Interesse und       rufsberater dringend von einem natur-         können auch Bewohner auf fernen
           den Anstoß zur Astronomie hat sie mit       wissenschaftlichen Berufsweg abgeraten        Planeten von unserem Planeten ma-
           ihm gemeinsam.                              hatte. Eine Frau könne sich darin nur         chen und anhand dessen auf unsere
               Anders als Planck hat sie tatsächlich   schwer behaupten, meinte er.                  Existenz schließen. Umgekehrt müsste
           mit einem breiten Fächerkanon begon-            Knapp 20 Jahre später leitet Lisa         es uns möglich sein, auf einem der
           nen, hat Japanisch, Film- und Medien-       Kaltenegger am Max-Planck-Institut für        Exoplaneten nach solchen Lebensspu-
           kunde, Betriebswirtschaft sowie techni-     Astronomie in Heidelberg eine Emmy-           ren zu suchen.
           sche Physik und Astronomie studiert,        Noether-Gruppe und ist gleichzeitig               Die Entdeckung des ersten Exopla-
           um herauszufinden, was sie am meisten       Research Associate am renommierten            neten, also eines Himmelskörpers, der
           fasziniert. Dafür musste sie zwischen       Harvard-Smithsonian Center for Astro-         um einen fernen Stern kreist, bescherte
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           der Technischen Universität und der         physics, wo sie sich drei Monate im Jahr      im Jahr 1995 nicht nur der Astronomie
           Universität in Graz ständig hin- und        aufhält. Sie zählt zu den kreativsten         einen neuen, stark expandierenden For-

                                                                                                                    2 | 12 MaxPlanckForschung   49
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schungszweig, sondern elektrisierte                 Projekt Darwin mit, einem ambitionier-           schaftlicher Sicht böte sie aber auch die
                                      auch die Abiturientin Lisa Kaltenegger.             ten Plan, der mehrere Teleskope im               Chance, etwas über die Entwicklung un-
                                      Befördert hat diese Begeisterung ein gu-            Weltraum vorsah, um erdähnliche Pla-             seres eigenen Planeten zu erfahren und
                                      ter Physiklehrer, der im Unterricht auch            neten bei anderen Sternen aufzuspüren            rein statistisch einen Blick in die Zu-
                                      Astronomie anbot. Freilich, ihr unweit              und zu untersuchen. Hier kam ihr auch            kunft erdähnlicher Planeten zu werfen“,
                                      von Salzburg gelegener Heimatort Kuchl              zugute, dass sie sowohl Ingenieurs- als          schwärmt die Max-Planck-Forscherin.
                                      ist weniger für die Himmelsforschung                auch Astronomiekenntnisse besaß.                     Die Entwicklung der Erde bildet
                                      als für seine Holzverarbeitung und Land-                 Darwin wurde zwar auf Eis gelegt,           letztlich auch den Schwerpunkt ihrer
                                      wirtschaft bekannt. Aber ihre Eltern                ebenso wie eine ähnliche Mission der             Arbeit. Ihre Idee ist im Prinzip einfach:
                                      sorgten in der Familie für geistig anre-            NASA. Das bedeutet jedoch nicht, dass            „Wenn wir in der Lage sind, einen fer-
                                      gende Themen.                                       die Suche nach einer zweiten Erde auf-           nen Gesteinsplaneten spektroskopisch
                                                                                          gegeben wurde – für Lisa Kaltenegger             zu untersuchen, was könnten Indikato-
                                      Paläontologen und                                   schon gar nicht. Besonders die Mission           ren für Leben sein? Wir können ja nicht
                                      Biologen mit im Boot                                Kepler spornte sie an, weil deren faszi-         davon ausgehen, dass sich mögliches
                                                                                          nierende Funde die Zahl der potenziell           Leben dort im selben Entwicklungszu-
                                      „In Österreich arbeitete aber Ende der              erdähnlichen Planeten stark erhöht hat,          stand befindet wie derzeit bei uns.“ Also
                                      1990er-Jahre niemand an Exoplane-                   was Missionen wie Darwin wieder rea-             beschäftigte sie sich in einem ersten
                                      ten“, sagt Lisa Kaltenegger. Blieb also             listischer erscheinen lässt. „Die Entde-         Schritt mit der Entwicklung der Atmo-
                                      nur das Ausland. So folgten Forschungs-             ckung von Lebensspuren auf einem an-             sphäre seit der Entstehung unseres Pla-
                                      aufenthalte am Instituto de Astrofísica             deren Planeten wäre einer der ganz               neten und arbeitete dabei eng mit Bio-
                                      de Canarias auf Teneriffa, an der Johns             großen Schritte in der Erforschung des           logen und Paläontologen zusammen.
                                      Hopkins University in Baltimore und bei             Universums“, sagt Kaltenegger.                       Zu Beginn herrschten in der Urat-
                                      der Europäischen Weltraumorganisati-                     „Diese enorme Erkenntnis hätte na-          mosphäre Kohlendioxid (CO2), Stick-
                                      on ESA in den Niederlanden. Dort arbei-             türlich gesellschaftliche, religiöse und         stoff und Wasser vor. Als vor 3,5 Milli-
                                      tete sie in einem Designteam an dem                 philosophische Folgen. Aus wissen-               arden Jahren die ersten Lebewesen
Anteil des reflektierten Lichts (%)

                                           vor 3,9 Mrd. Jahren                 vor 2,4 Mrd. Jahren                 vor 800 Mio. Jahren                  vor 300 Mio. Jahren

                                                      Wellenlänge (µm)

                                      Wer in die Ferne schweifen möchte, muss zunächst das Naheliegende kennen. Aus diesem Grund beschäftigt sich Lisa Kaltenegger mit der
                                      Entwicklung der irdischen Atmosphäre, bevor sie diese Erkenntnisse auf andere, noch unbekannte Planeten überträgt. Dabei interessiert sie vor
                                      allem, welche Fingerabdrücke in den Spektren aus unterschiedlichen Epochen zu beobachten wären. So herrschten vor 3,9 Milliarden Jahren,
                                      also in der Frühgeschichte unseres Planeten, Wasser (H2O) und Kohlendioxid (CO2) vor. Danach erzeugten die ersten Lebewesen Methan (CH4)
                                                                                                                                                                                       xxxxxxxx

                                      und später Sauerstoff. Dessen Menge wuchs, und parallel zum molekularen Sauerstoff (O2) verbreitete sich in der Atmosphäre auch Ozon (O3).
                                      Seit etwa 300 Millionen Jahren ist der Anteil von Sauerstoff mit einem Wert von 21 Prozent nahezu unverändert.

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PHYSIK & ASTRONOMIE_Exoplaneten

                                                                                    Sternenfinsternis: Es gibt mehrere Methoden, Exoplaneten
                                                                                    nachzuweisen. Eine bedient sich des Transits: Dabei zieht der
                                                                                    Planet, von der Erde aus gesehen, vor seiner Muttersonne
                                                                                    vorüber – ähnlich wie die Venus am 5./6. Juni 2012 vor der Sonne.
                                                                                    Aus der abnehmenden Helligkeit und der Lichtkurve während
                                                                                    der Passage schließen die Astronomen auf die Eigenschaften
                                                                                    des Exoplaneten; im günstigsten Fall erlaubt das Verfahren
                                                                                    außerdem Spektralbeobachtungen seiner Atmosphäre.

           auftraten, erzeugten sie Methan, das        sche Zusammensetzung der Erdatmo-             neten handeln, eine Art Mini-Neptun.
           sich rasch in der Luft anreicherte, wäh-    sphäre für mehrere Entwicklungsphasen         Ist er hingegen sehr klein, so wie Mars,
           rend der CO2-Gehalt abnahm. Vor 2,4         auf der Grundlage von Fossilienfunden.        besitzt er eventuell keine Plattentekto-
           Milliarden Jahren produzierten dann         Daraus ergaben sich die spektralen Fin-       nik. Die spielt aber eine sehr bedeuten-
           die ersten Lebewesen Sauerstoff, dessen     gerabdrücke von Leben. Das überra-            de Rolle in der Entwicklung eines Pla-
           Anteil in der Atmosphäre langsam            schend positive Ergebnis: „Etwa über          neten und seiner Atmosphäre – erlaubt
           wuchs und vor etwa 300 Millionen Jah-       die zweite Hälfte der bisherigen Erdge-       sie es doch, Gase zu recyceln.
           ren den bis heute nahezu unverändert        schichte hätten sich für Außerirdische            Die ins Erdinnere absinkende Lava
           gebliebenen Wert von 21 Prozent er-         Lebensspuren in der Atmosphäre nach-          kann Kohlendioxid binden und aus
           reichte. Parallel zu dem Anstieg des mo-    weisen lassen, und zwar als Kombinati-        der Atmosphäre entfernen. Vulkane
           lekularen Sauerstoffs O2 verbreitete sich   on von Sauerstoff oder Ozon mit Me-           hingegen bringen CO2 wieder in die
           auch Ozon (O3). Parallel dazu veränder-     than und Wasser.“                             Atmosphäre ein. Deshalb wirkt Tekto-
           ten sich die Anteile von Kohlendioxid                                                     nik wie ein Kohlendioxidpuffer. Ver-
           und Methan.                                 Ohne Plattentektonik                          fügt ein Planet nicht über diesen Aus-
               Lange Zeit meinten Astrobiologen,       kein Gasrecycling                             gleichsmechanismus, kann er schon
           größere Konzentrationen von Sauerstoff                                                    bei geringer Änderung äußerer Einflüs-
           und Ozon seien bereits sichere Indika-      Vergleichbares könnte dann auch für           se, wie dem Ansteigen der Leuchtkraft
           toren für Leben. Doch Lisa Kaltenegger      andere erdähnliche Exoplaneten gelten.        seiner Sonne, zu heiß werden. Im Ge-
           kommt zu einem anderen Ergebnis:            Voraussetzung bei all diesen Überlegun-       genzug wäre die Erde im jungen Alter
           „Entscheidend sind Kombinationen,           gen ist natürlich, dass das Leben dort        wohl vollständig gefroren gewesen.
           etwa von molekularem Sauerstoff und         zumindest annähernd nach denselben                Bei einem Exoplanet lassen sich
           Ozon mit einem reduzierenden Gas wie        chemischen Prinzipien funktioniert wie        über Lichtjahre hinweg nur dann Be-
           Methan.“ In größeren Mengen vorhan-         bei uns: Es benötigt flüssiges Wasser und     dingungen für Leben, wie wir es ken-
           den, dienen diese Spezies als die besse-    basiert auf einer Kohlenstoffchemie.          nen, in der Atmosphäre nachweisen,
           ren Bioindikatoren. Denn jeder Stoff für    „Die Auswirkungen anderer, uns frem-          wenn er sich innerhalb der sogenann-
           sich kann auch auf anorganische Weise       der Lebensformen auf die Atmosphäre           ten bewohnbaren Zone aufhält. Das ist
           entstehen. Sauerstoff etwa durch die        können wir nicht simulieren“, sagt Lisa       jener Abstandsbereich um einen Stern,
           Spaltung von Kohlendioxid und Wasser        Kaltenegger.                                  in dem auf einem Planeten über länge-
           aufgrund des Sternenlichts.                     Natürlich kann die Wissenschaftle-        re Zeit solche Temperaturen herrschen,
               Aber Sauerstoff und Methan reagie-      rin auch nicht davon ausgehen, dass           dass auf der Oberfläche Wasser in flüs-
           ren schnell miteinander und erzeugen        eine zweite Erde die gleichen physika-        siger Form – und damit auch Leben –
           Wasser und Kohlendioxid oder -mono-         lischen Eigenschaften besitzt wie un-         existieren kann. Die Betonung liegt
           xid. Würden auf der Erde von heute auf      ser Planet. Er kann kleiner oder größer       hier auf kann, denn ob das wirklich der
           morgen alle Pflanzen die Sauerstoffpro-     sein, heißer oder kühler, trockener           Fall ist, hängt von den Bedingungen
           duktion einstellen, so wäre binnen etwa     oder wasserreicher. Auf jeden Fall muss       auf dem Planeten ab.
           einer Million Jahre der Sauerstoff so gut   es sich um einen Gesteinsplaneten                 Deshalb ist die Entdeckung eines
           wie verschwunden. Deswegen dürfte           handeln, wie es in unserem Sonnen-            Exoplaneten in der bewohnbaren Zone
           der Sauerstoffanteil in der Atmosphäre      system neben der Erde noch Merkur,            seiner Sonne zwar aufregend, aber noch
           gering sein, wenn er auf anorganische       Venus und Mars sind.                          lange kein Beweis dafür, dass dort ein
           Weise entsteht.                                 Ist ein Planet mehr als doppelt so        lebensfreundliches Umfeld herrscht.
               Als Postdoc entwickelte Kaltenegger     groß und dadurch bei gleicher Dichte          Venus und Mars, die sich gerade am In-
xxxxxxxx

           in Harvard mit ihrem Atmosphären-           etwa zehnmal so schwer wie die Erde,          nen- beziehungsweise Außenrand der
           Computermodell die variierende chemi-       so wird es sich eher um einen Gaspla-         bewohnbaren Zone um unsere Sonne

                                                                                                                      2 | 12 MaxPlanckForschung    51
Zweite Erde gesucht - Thomas Bührke
bewegen, sind gute Beispiele für unbe-              Sonne

wohnbare Himmelskörper innerhalb
dieser Region.
    Lisa Kaltenegger simuliert im Com-                                                                     Merkur     Venus Erde   Mars
puter mögliche Atmosphären extraso-
                                                                                                                                                 Jupiter
larer Planeten und variiert dabei die

                                                              Masse des Sterns (in Sonnenmassen)
verschiedenen Parameter wie Masse
und Radius des Planeten sowie Leucht-
kraft und Temperatur des Sterns. Letz-
tere ist auch deswegen eine sehr kriti-
sche Größe, weil sie mit dem Alter des
Sterns zunimmt. So hat sich die Leucht-
kraft unserer Sonne in den vergange-                                                                                    Masse des Sterns (in Sonnenmassen)
nen zwei Milliarden Jahren um etwa 20
Prozent erhöht.
    Dieser langsamen Veränderung wird                                                                                          Bewohnbare Zone

sich der Planet mit seiner Atmosphäre
anpassen. Und in vielen Fällen wird ein
Exoplanet dadurch nach einer gewissen
Zeit aus der bewohnbaren Zone heraus-                                                              Entfernung vom Stern (AE)
wandern: Es wird auf ihm zu heiß. Auch
der Erde wird dieses Schicksal nicht er-
spart bleiben. Allerdings haben wir bis        Eine Nische für das Leben: Nicht jeder Stern und nicht jeder Abstand von ihm sind für das Leben
dahin noch einige Hundert Millionen            geeignet. Jedenfalls nicht für solches, wie wir es kennen. Nur innerhalb der bewohnbaren Zone
Jahre Zeit.                                    herrschen günstige Bedingungen, bei denen etwa Wasser flüssig ist. Das gilt beispielsweise für
                                               die Exoplaneten Gliese 581d und HD 85512b (grüne Kugeln).
    Astronomen haben seit 1995 rund
800 Exoplaneten entdeckt, fast täglich
kommen neue hinzu. Doch bei der              befindliche HD 85512b von einer dich-                         renden Teleskopen die Atmosphäre ei-
überwiegenden Zahl handelt es sich um        ten Wolkenschicht umgeben sein, die                           nes Exoplaneten zu studieren, bieten so-
Gasplaneten, die sich wegen ihrer gro-       das Licht seiner Sonne weitgehend ab-                         genannte Transits. Sie finden immer
ßen Masse und ihrer Größe einfacher          blockt: „Die Wolken müssten den Plane-                        dann statt, wenn wir zufällig auf die
aufspüren lassen. Nur wenige gehören         ten kühlen“, sagt Kaltenegger.                                Kante eines exoplanetaren Systems
zu den sogenannten Super-Erden. Das              Beides verändert den beobachtbaren                        schauen. Dann laufen dessen Planeten
sind Planeten, die bis zu zehnmal mas-       spektralen Fingerabdruck signifikant                          bei jedem Umlauf einmal vor dem Stern
sereicher sind als die Erde und gesteins-    und gibt uns einen ersten kleinen Ein-                        vorbei, und dessen Licht passiert deren
artig sein könnten.                          blick in die spannende Vielfältigkeit der                     Atmosphäre, bevor es zu uns gelangt.
                                             potenziell erdähnlichen Exoplaneten.                              Auf diese Weise hinterlassen die Mo-
Atmosphärenmodelle für                       Rein philosophisch ist es auch reizvoll,                      leküle ihren spektralen Fingerabdruck
zwei heiSSe Kandidaten                       sich Lebewesen vorzustellen, die stets                        im Sternenlicht. Doch darin die Biomar-
                                             unter einer dichten Wolkendecke leben                         ker zu identifizieren gestaltet sich enorm
Zwei solche Super-Erden finden sich an       und daher niemals den Himmel und die                          schwierig, weil die Planetenatmosphäre
den Rändern ihrer jeweiligen bewohn-         Sterne sehen. Was hätten sie für ein                          so dünn ist. Auf Satellitenaufnahmen
baren Zone: der 20 Lichtjahre entfernte      Weltbild?                                                     von der Erde kann man das gut nach-
Gliese 581d mit sieben Erdmassen und             Unabhängig davon wird es letztlich                        vollziehen. Lisa Kaltenegger vergleicht
der 36 Lichtjahre entfernte HD 85512b        nur eine Möglichkeit geben, die Frage                         den Planeten und seine Atmosphäre mit
mit 3,6 Erdmassen. Für diese heißen          nach Leben im Universum zu beantwor-                          einem Apfel und seiner Schale.
Kandidaten hat Lisa Kaltenegger mit ih-      ten: durch Beobachtungen. Lisa Kalten-                            Vom Jahr 2018 an soll der Nachfol-
rem Computermodell die atmosphäri-           eggers Wunschtraum ist es, bald den                           ger von Hubble, das Weltraumteleskop
schen Bedingungen ausgerechnet, die          ersten spektralen Fingerabdruck eines                         James Webb, ganz neue Möglichkeiten
Temperaturen zwischen null und hun-          extrasolaren Gesteinsplaneten zu be-                          bieten. Doch trotz seines großen Haupt-
dert Grad ermöglichen würden.                kommen, den sie dann mit ihren Atmo-                          spiegels mit 6,5 Metern Durchmesser er-
    Die Resultate fallen sehr unterschied-   sphärenmodellen nach Biomarkern ab-                           reicht man für erdähnliche Planeten das
lich aus: Auf dem am äußeren Rand der        sucht. Doch selbst mit der kommenden                          Limit. Kaltenegger und andere interna-
bewohnbaren Zone kreisenden Gliese           Generation an Teleskopen wird dieses                          tionale Kollegen haben für ein ähnli-
581d müsste allein das CO2 in der Atmo-      Vorhaben an die Grenzen der Technik                           ches System wie das von Erde und Son-
sphäre einen Druck von sieben Bar be-        stoßen und die Kreativität der Forscher                       ne abgeschätzt, dass man ein Spektrum
sitzen, damit ihn der Treibhauseffekt        und Ingenieure auf die Probe stellen.                         im Schnitt hundert Stunden lang auf-
                                                                                                                                                             xxxxxxxx

ausreichend wärmt. Dagegen müsste der            Die vermutlich beste Möglichkeit, in                      nehmen muss, um die schwachen Bio-
am Innenrand der bewohnbaren Zone            den nächsten zehn Jahren mit existie-                         signaturen zu erkennen.

52   MaxPlanckForschung 2 | 12
Zweite Erde gesucht - Thomas Bührke
PHYSIK & ASTRONOMIE_Exoplaneten

                                                                                                                 werden die Großteleskope der nächs-
                                                                                                                 ten Generation bieten. Hierzu zählt vor
                                                                                                                 allem das European Extremely Large
                                                                                                                 Telescope, für dessen Bau in den chile-
                                                                                                                 nischen Anden die Europäische Süd-
                                                                                                                 sternwarte ESO kürzlich grünes Licht
                                                                                                                 gab. Es wird einen Hauptspiegel von
                                                                                                                 39 Metern Durchmesser erhalten und
                                                                                                                 soll bis Ende dieses Jahrzehnts in Be-
                                                                                                                 trieb gehen.
                                                                                                                     Doch hier gibt es ein grundsätzliches
                                                                                                                 Problem: „Die Spektrallinien, die wir bei
                                                                                                                 den erdähnlichen Exoplaneten nach-
                                                                                                                 weisen wollen, entstehen natürlich
                                                                                                                 auch, wenn das Sternenlicht die Erdat-
                                                                                                                 mosphäre durchquert“, erklärt Kalten-
                                                                                                                 egger. Hier wird es entscheidend darauf
                                                                                                                 ankommen, ob es gelingt, die irdischen
                                                                                                                 von extraterrestrischen Spektrallinien zu
                                                                                                                 trennen. Es bleibt also noch viel zu tun,
                                                                                                                 und die Aufgabe ist schwierig. „Aber das
                                                                                                                 macht doch gerade die Forschung inte-
           Ausgezeichnete Astronomin: Lisa Kaltenegger leitet am Heidelberger Max-Planck-Institut                ressant“, so Kaltenegger.
           für Astronomie eine Emmy-Noether-Gruppe und ist gleichzeitig Research Associate am                        Zunächst hat die Forscherin am
           Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. Für ihre Forschungen an Exoplaneten erhielt              Heidelberger Max-Planck-Institut eine
           sie den Heinz Maier-Leibnitz-Preis 2012.
                                                                                                                 wissenschaftliche Heimat gefunden,
                                                                                                                 doch die ist mit der Emmy-Noether-
           Die Transitdauer beträgt aber nur rund            che Planeten bei nahen hellen Sternen               Gruppe bis 2015 zeitlich befristet. Auf
           zwölf Stunden – und für einen Umlauf              suchen soll. Das ist für die nachfolgen-            die Frage, welches ihr Traumziel wäre,
           um einen sonnenähnlichen Stern be-                den Beobachtungen mit James Webb                    hat Kaltenegger keine spezifische Ant-
           nötigt der Planet rund ein Jahr. Damit            wichtig, weil nur bei hellen Sternen die            wort parat. Keine spezielle Universität,
           hätte man also erst nach zehn Jahren              Chance besteht, ein gutes Spektrum in               kein namhaftes Institut ist ihr Ziel.
           ein Spektrum mit der ausreichenden                einem angemessenen Zeitraum zu be-                  Nicht einmal der Kontinent ist ihr
           Qualität aufaddiert. Eine ernüchternde            kommen.                                             wichtig. Entscheidend sei für sie die
           Rechnung, zumal das die voraussicht-                  Auch die Mission PLAnetary Transits             Möglichkeit, möglichst frei ihre For-
           liche Lebensdauer von James Webb                  and Oscillation of stars (PLATO), die sich          schung verfolgen zu können, Kontakt
           überschreitet.                                    mit vier anderen Satellitenprojekten in             mit Studenten zu haben und eine in-
                                                             der Auswahlphase der Europäischen                   ternationale Gruppe leiten zu können.
           Nur helle Sterne liefern                          Weltraumbehörde ESA befindet, ver-                      Wer weiß, vielleicht gehört sie der-
           sichere Messergebnisse                            folgt dieses Ziel. Deren Start würde                einst zu jenem Team, das die ersten
                                                             aber nicht vor 2022 erfolgen, was die               Lebensspuren auf einem fernen Him-
           Mehr Hoffnung bieten Muttersterne,                ersten PLATO-Resultate in die Zeit                  melskörper entdeckt. Was werden wir
           die kleiner, kühler und viel häufiger             nach der nominellen Lebensdauer von                 dann mit diesen Erkenntnissen an-
           sind als die Sonne, sogenannte M-Zwer-            James Webb legen würde.                             fangen? Und welche neuen, spannen-
           ge. Deren bewohnbare Zone liegt näher                 Eine zweite Möglichkeit, Lebens-                den Fragen werden sich damit gleich-
           am Stern als bei uns. Demzufolge benö-            spuren auf Exoplaneten zu entdecken,                zeitig auftun?
           tigen dort Planeten nur ein paar Mona-
           te für einen Umlauf. Transits ereignen
           sich also wesentlich häufiger, was trotz
           der kürzeren individuellen Transitdau-                AUF DEN PUNKT GEBRACHT
           er vor dem Stern pro Erdjahr mehr spek-               l   	Unter den rund 800 bisher entdeckten Exoplaneten bieten allenfalls drei
           trale Aufnahmen ermöglichen würde.                           lebensfreundliche Bedingungen.
               „Deswegen ist es extrem wichtig, bis              l   	Mithilfe der Spektralanalyse wollen die Astronomen eines Tages Lebensspuren auf
           zum Start von James Webb einen oder                          Exoplaneten nachweisen. Doch die Beobachtung solcher Biomarker geht an die
           mehrere optimale Kandidaten zu fin-                          instrumentellen Grenzen. Und: Wie könnte die Signatur im Spektrum aussehen?
           den“, sagt Lisa Kaltenegger. Aus diesem               l   	Dazu simuliert Lisa Kaltenegger im Computer mögliche Atmosphären extrasolarer
           Grund engagiert sie sich in dem ame-                         Planeten und variiert dabei die verschiedenen Parameter wie Masse und Radius
                                                                        des Planeten sowie Leuchtkraft und Temperatur des Sterns.
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           rikanischen Projekt Transiting Exopla-
           net Survey Satellite (TESS), das erdähnli-

                                                                                                                                 2 | 12 MaxPlanckForschung   53
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