Zweite Erde gesucht - Thomas Bührke
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PHYSIK & ASTRONOMIE_Exoplaneten Zweite Erde gesucht Nahezu 800 Planeten, die ferne Sterne umkreisen, haben Astronomen mittlerweile entdeckt. Nur auf drei von ihnen könnten lebensfreundliche Bedingungen herrschen. Vermutlich gibt es in der Milchstraße aber viele zweite Erden. Doch wie weist man Lebensspuren auf Exoplaneten nach? Dieser Frage widmet sich Lisa Kaltenegger am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. TEXT THOMAS BÜHRKE xxxxxxxx 48 MaxPlanckForschung 2 | 12
Die Heimat der Außerirdischen? Allein in der Milchstraße vermuten die Astronomen mehrere Milliarden erdähnlicher Planeten, die fremde Sterne umkreisen. Ob auf dem einen oder anderen Leben existiert, wollen die Forscher in den nächsten Jahren herausfinden. M ax Planck sagte einmal herpendeln. „Mit dem Fahrrad ging das und kompetentesten Fachleuten für von sich, nach dem Abi- in zehn Minuten“, kommentiert sie extrasolare Planeten. Dieses Jahr wurde tur hätte er ebenso gut heute die Bewältigung dieses Studien- sie von der Deutschen Forschungs- Musik wie auch Altphilo- Fünfkampfs gelassen. gemeinschaft und dem Forschungsmi- logie studieren können. nisterium mit dem angesehenen Heinz Dass es die Physik wurde, verdankte er spektraler Fingerabdruck Maier-Leibnitz-Preis für Physik ausge- seinem Mathematiklehrer und dem unseres Planeten zeichnet. „Wunsch, den Naturgesetzen noch et- Im Jahr 1993 veröffentlichte der was näher nachzuforschen“. Sicher wür- Auf Dauer konnte sie den natürlich amerikanische Astrophysiker Carl Sagan de sich Lisa Kaltenegger in ihrer Be- nicht durchhalten, und schließlich ent- den spektralen Fingerabdruck der Erde, scheidenheit nicht mit dem Pionier schied sie sich für technische Physik der mit der Raumsonde Galileo aufge- der Quantenphysik vergleichen wollen, und Astronomie – obwohl ihr ein Be- nommen wurde. Ein solches Spektrum aber das weitgefächerte Interesse und rufsberater dringend von einem natur- können auch Bewohner auf fernen den Anstoß zur Astronomie hat sie mit wissenschaftlichen Berufsweg abgeraten Planeten von unserem Planeten ma- ihm gemeinsam. hatte. Eine Frau könne sich darin nur chen und anhand dessen auf unsere Anders als Planck hat sie tatsächlich schwer behaupten, meinte er. Existenz schließen. Umgekehrt müsste mit einem breiten Fächerkanon begon- Knapp 20 Jahre später leitet Lisa es uns möglich sein, auf einem der nen, hat Japanisch, Film- und Medien- Kaltenegger am Max-Planck-Institut für Exoplaneten nach solchen Lebensspu- kunde, Betriebswirtschaft sowie techni- Astronomie in Heidelberg eine Emmy- ren zu suchen. sche Physik und Astronomie studiert, Noether-Gruppe und ist gleichzeitig Die Entdeckung des ersten Exopla- um herauszufinden, was sie am meisten Research Associate am renommierten neten, also eines Himmelskörpers, der fasziniert. Dafür musste sie zwischen Harvard-Smithsonian Center for Astro- um einen fernen Stern kreist, bescherte xxxxxxxx der Technischen Universität und der physics, wo sie sich drei Monate im Jahr im Jahr 1995 nicht nur der Astronomie Universität in Graz ständig hin- und aufhält. Sie zählt zu den kreativsten einen neuen, stark expandierenden For- 2 | 12 MaxPlanckForschung 49
schungszweig, sondern elektrisierte Projekt Darwin mit, einem ambitionier- schaftlicher Sicht böte sie aber auch die auch die Abiturientin Lisa Kaltenegger. ten Plan, der mehrere Teleskope im Chance, etwas über die Entwicklung un- Befördert hat diese Begeisterung ein gu- Weltraum vorsah, um erdähnliche Pla- seres eigenen Planeten zu erfahren und ter Physiklehrer, der im Unterricht auch neten bei anderen Sternen aufzuspüren rein statistisch einen Blick in die Zu- Astronomie anbot. Freilich, ihr unweit und zu untersuchen. Hier kam ihr auch kunft erdähnlicher Planeten zu werfen“, von Salzburg gelegener Heimatort Kuchl zugute, dass sie sowohl Ingenieurs- als schwärmt die Max-Planck-Forscherin. ist weniger für die Himmelsforschung auch Astronomiekenntnisse besaß. Die Entwicklung der Erde bildet als für seine Holzverarbeitung und Land- Darwin wurde zwar auf Eis gelegt, letztlich auch den Schwerpunkt ihrer wirtschaft bekannt. Aber ihre Eltern ebenso wie eine ähnliche Mission der Arbeit. Ihre Idee ist im Prinzip einfach: sorgten in der Familie für geistig anre- NASA. Das bedeutet jedoch nicht, dass „Wenn wir in der Lage sind, einen fer- gende Themen. die Suche nach einer zweiten Erde auf- nen Gesteinsplaneten spektroskopisch gegeben wurde – für Lisa Kaltenegger zu untersuchen, was könnten Indikato- Paläontologen und schon gar nicht. Besonders die Mission ren für Leben sein? Wir können ja nicht Biologen mit im Boot Kepler spornte sie an, weil deren faszi- davon ausgehen, dass sich mögliches nierende Funde die Zahl der potenziell Leben dort im selben Entwicklungszu- „In Österreich arbeitete aber Ende der erdähnlichen Planeten stark erhöht hat, stand befindet wie derzeit bei uns.“ Also 1990er-Jahre niemand an Exoplane- was Missionen wie Darwin wieder rea- beschäftigte sie sich in einem ersten ten“, sagt Lisa Kaltenegger. Blieb also listischer erscheinen lässt. „Die Entde- Schritt mit der Entwicklung der Atmo- nur das Ausland. So folgten Forschungs- ckung von Lebensspuren auf einem an- sphäre seit der Entstehung unseres Pla- aufenthalte am Instituto de Astrofísica deren Planeten wäre einer der ganz neten und arbeitete dabei eng mit Bio- de Canarias auf Teneriffa, an der Johns großen Schritte in der Erforschung des logen und Paläontologen zusammen. Hopkins University in Baltimore und bei Universums“, sagt Kaltenegger. Zu Beginn herrschten in der Urat- der Europäischen Weltraumorganisati- „Diese enorme Erkenntnis hätte na- mosphäre Kohlendioxid (CO2), Stick- on ESA in den Niederlanden. Dort arbei- türlich gesellschaftliche, religiöse und stoff und Wasser vor. Als vor 3,5 Milli- tete sie in einem Designteam an dem philosophische Folgen. Aus wissen- arden Jahren die ersten Lebewesen Anteil des reflektierten Lichts (%) vor 3,9 Mrd. Jahren vor 2,4 Mrd. Jahren vor 800 Mio. Jahren vor 300 Mio. Jahren Wellenlänge (µm) Wer in die Ferne schweifen möchte, muss zunächst das Naheliegende kennen. Aus diesem Grund beschäftigt sich Lisa Kaltenegger mit der Entwicklung der irdischen Atmosphäre, bevor sie diese Erkenntnisse auf andere, noch unbekannte Planeten überträgt. Dabei interessiert sie vor allem, welche Fingerabdrücke in den Spektren aus unterschiedlichen Epochen zu beobachten wären. So herrschten vor 3,9 Milliarden Jahren, also in der Frühgeschichte unseres Planeten, Wasser (H2O) und Kohlendioxid (CO2) vor. Danach erzeugten die ersten Lebewesen Methan (CH4) xxxxxxxx und später Sauerstoff. Dessen Menge wuchs, und parallel zum molekularen Sauerstoff (O2) verbreitete sich in der Atmosphäre auch Ozon (O3). Seit etwa 300 Millionen Jahren ist der Anteil von Sauerstoff mit einem Wert von 21 Prozent nahezu unverändert. 50 MaxPlanckForschung 2 | 12
PHYSIK & ASTRONOMIE_Exoplaneten Sternenfinsternis: Es gibt mehrere Methoden, Exoplaneten nachzuweisen. Eine bedient sich des Transits: Dabei zieht der Planet, von der Erde aus gesehen, vor seiner Muttersonne vorüber – ähnlich wie die Venus am 5./6. Juni 2012 vor der Sonne. Aus der abnehmenden Helligkeit und der Lichtkurve während der Passage schließen die Astronomen auf die Eigenschaften des Exoplaneten; im günstigsten Fall erlaubt das Verfahren außerdem Spektralbeobachtungen seiner Atmosphäre. auftraten, erzeugten sie Methan, das sche Zusammensetzung der Erdatmo- neten handeln, eine Art Mini-Neptun. sich rasch in der Luft anreicherte, wäh- sphäre für mehrere Entwicklungsphasen Ist er hingegen sehr klein, so wie Mars, rend der CO2-Gehalt abnahm. Vor 2,4 auf der Grundlage von Fossilienfunden. besitzt er eventuell keine Plattentekto- Milliarden Jahren produzierten dann Daraus ergaben sich die spektralen Fin- nik. Die spielt aber eine sehr bedeuten- die ersten Lebewesen Sauerstoff, dessen gerabdrücke von Leben. Das überra- de Rolle in der Entwicklung eines Pla- Anteil in der Atmosphäre langsam schend positive Ergebnis: „Etwa über neten und seiner Atmosphäre – erlaubt wuchs und vor etwa 300 Millionen Jah- die zweite Hälfte der bisherigen Erdge- sie es doch, Gase zu recyceln. ren den bis heute nahezu unverändert schichte hätten sich für Außerirdische Die ins Erdinnere absinkende Lava gebliebenen Wert von 21 Prozent er- Lebensspuren in der Atmosphäre nach- kann Kohlendioxid binden und aus reichte. Parallel zu dem Anstieg des mo- weisen lassen, und zwar als Kombinati- der Atmosphäre entfernen. Vulkane lekularen Sauerstoffs O2 verbreitete sich on von Sauerstoff oder Ozon mit Me- hingegen bringen CO2 wieder in die auch Ozon (O3). Parallel dazu veränder- than und Wasser.“ Atmosphäre ein. Deshalb wirkt Tekto- ten sich die Anteile von Kohlendioxid nik wie ein Kohlendioxidpuffer. Ver- und Methan. Ohne Plattentektonik fügt ein Planet nicht über diesen Aus- Lange Zeit meinten Astrobiologen, kein Gasrecycling gleichsmechanismus, kann er schon größere Konzentrationen von Sauerstoff bei geringer Änderung äußerer Einflüs- und Ozon seien bereits sichere Indika- Vergleichbares könnte dann auch für se, wie dem Ansteigen der Leuchtkraft toren für Leben. Doch Lisa Kaltenegger andere erdähnliche Exoplaneten gelten. seiner Sonne, zu heiß werden. Im Ge- kommt zu einem anderen Ergebnis: Voraussetzung bei all diesen Überlegun- genzug wäre die Erde im jungen Alter „Entscheidend sind Kombinationen, gen ist natürlich, dass das Leben dort wohl vollständig gefroren gewesen. etwa von molekularem Sauerstoff und zumindest annähernd nach denselben Bei einem Exoplanet lassen sich Ozon mit einem reduzierenden Gas wie chemischen Prinzipien funktioniert wie über Lichtjahre hinweg nur dann Be- Methan.“ In größeren Mengen vorhan- bei uns: Es benötigt flüssiges Wasser und dingungen für Leben, wie wir es ken- den, dienen diese Spezies als die besse- basiert auf einer Kohlenstoffchemie. nen, in der Atmosphäre nachweisen, ren Bioindikatoren. Denn jeder Stoff für „Die Auswirkungen anderer, uns frem- wenn er sich innerhalb der sogenann- sich kann auch auf anorganische Weise der Lebensformen auf die Atmosphäre ten bewohnbaren Zone aufhält. Das ist entstehen. Sauerstoff etwa durch die können wir nicht simulieren“, sagt Lisa jener Abstandsbereich um einen Stern, Spaltung von Kohlendioxid und Wasser Kaltenegger. in dem auf einem Planeten über länge- aufgrund des Sternenlichts. Natürlich kann die Wissenschaftle- re Zeit solche Temperaturen herrschen, Aber Sauerstoff und Methan reagie- rin auch nicht davon ausgehen, dass dass auf der Oberfläche Wasser in flüs- ren schnell miteinander und erzeugen eine zweite Erde die gleichen physika- siger Form – und damit auch Leben – Wasser und Kohlendioxid oder -mono- lischen Eigenschaften besitzt wie un- existieren kann. Die Betonung liegt xid. Würden auf der Erde von heute auf ser Planet. Er kann kleiner oder größer hier auf kann, denn ob das wirklich der morgen alle Pflanzen die Sauerstoffpro- sein, heißer oder kühler, trockener Fall ist, hängt von den Bedingungen duktion einstellen, so wäre binnen etwa oder wasserreicher. Auf jeden Fall muss auf dem Planeten ab. einer Million Jahre der Sauerstoff so gut es sich um einen Gesteinsplaneten Deshalb ist die Entdeckung eines wie verschwunden. Deswegen dürfte handeln, wie es in unserem Sonnen- Exoplaneten in der bewohnbaren Zone der Sauerstoffanteil in der Atmosphäre system neben der Erde noch Merkur, seiner Sonne zwar aufregend, aber noch gering sein, wenn er auf anorganische Venus und Mars sind. lange kein Beweis dafür, dass dort ein Weise entsteht. Ist ein Planet mehr als doppelt so lebensfreundliches Umfeld herrscht. Als Postdoc entwickelte Kaltenegger groß und dadurch bei gleicher Dichte Venus und Mars, die sich gerade am In- xxxxxxxx in Harvard mit ihrem Atmosphären- etwa zehnmal so schwer wie die Erde, nen- beziehungsweise Außenrand der Computermodell die variierende chemi- so wird es sich eher um einen Gaspla- bewohnbaren Zone um unsere Sonne 2 | 12 MaxPlanckForschung 51
bewegen, sind gute Beispiele für unbe- Sonne wohnbare Himmelskörper innerhalb dieser Region. Lisa Kaltenegger simuliert im Com- Merkur Venus Erde Mars puter mögliche Atmosphären extraso- Jupiter larer Planeten und variiert dabei die Masse des Sterns (in Sonnenmassen) verschiedenen Parameter wie Masse und Radius des Planeten sowie Leucht- kraft und Temperatur des Sterns. Letz- tere ist auch deswegen eine sehr kriti- sche Größe, weil sie mit dem Alter des Sterns zunimmt. So hat sich die Leucht- kraft unserer Sonne in den vergange- Masse des Sterns (in Sonnenmassen) nen zwei Milliarden Jahren um etwa 20 Prozent erhöht. Dieser langsamen Veränderung wird Bewohnbare Zone sich der Planet mit seiner Atmosphäre anpassen. Und in vielen Fällen wird ein Exoplanet dadurch nach einer gewissen Zeit aus der bewohnbaren Zone heraus- Entfernung vom Stern (AE) wandern: Es wird auf ihm zu heiß. Auch der Erde wird dieses Schicksal nicht er- spart bleiben. Allerdings haben wir bis Eine Nische für das Leben: Nicht jeder Stern und nicht jeder Abstand von ihm sind für das Leben dahin noch einige Hundert Millionen geeignet. Jedenfalls nicht für solches, wie wir es kennen. Nur innerhalb der bewohnbaren Zone Jahre Zeit. herrschen günstige Bedingungen, bei denen etwa Wasser flüssig ist. Das gilt beispielsweise für die Exoplaneten Gliese 581d und HD 85512b (grüne Kugeln). Astronomen haben seit 1995 rund 800 Exoplaneten entdeckt, fast täglich kommen neue hinzu. Doch bei der befindliche HD 85512b von einer dich- renden Teleskopen die Atmosphäre ei- überwiegenden Zahl handelt es sich um ten Wolkenschicht umgeben sein, die nes Exoplaneten zu studieren, bieten so- Gasplaneten, die sich wegen ihrer gro- das Licht seiner Sonne weitgehend ab- genannte Transits. Sie finden immer ßen Masse und ihrer Größe einfacher blockt: „Die Wolken müssten den Plane- dann statt, wenn wir zufällig auf die aufspüren lassen. Nur wenige gehören ten kühlen“, sagt Kaltenegger. Kante eines exoplanetaren Systems zu den sogenannten Super-Erden. Das Beides verändert den beobachtbaren schauen. Dann laufen dessen Planeten sind Planeten, die bis zu zehnmal mas- spektralen Fingerabdruck signifikant bei jedem Umlauf einmal vor dem Stern sereicher sind als die Erde und gesteins- und gibt uns einen ersten kleinen Ein- vorbei, und dessen Licht passiert deren artig sein könnten. blick in die spannende Vielfältigkeit der Atmosphäre, bevor es zu uns gelangt. potenziell erdähnlichen Exoplaneten. Auf diese Weise hinterlassen die Mo- Atmosphärenmodelle für Rein philosophisch ist es auch reizvoll, leküle ihren spektralen Fingerabdruck zwei heiSSe Kandidaten sich Lebewesen vorzustellen, die stets im Sternenlicht. Doch darin die Biomar- unter einer dichten Wolkendecke leben ker zu identifizieren gestaltet sich enorm Zwei solche Super-Erden finden sich an und daher niemals den Himmel und die schwierig, weil die Planetenatmosphäre den Rändern ihrer jeweiligen bewohn- Sterne sehen. Was hätten sie für ein so dünn ist. Auf Satellitenaufnahmen baren Zone: der 20 Lichtjahre entfernte Weltbild? von der Erde kann man das gut nach- Gliese 581d mit sieben Erdmassen und Unabhängig davon wird es letztlich vollziehen. Lisa Kaltenegger vergleicht der 36 Lichtjahre entfernte HD 85512b nur eine Möglichkeit geben, die Frage den Planeten und seine Atmosphäre mit mit 3,6 Erdmassen. Für diese heißen nach Leben im Universum zu beantwor- einem Apfel und seiner Schale. Kandidaten hat Lisa Kaltenegger mit ih- ten: durch Beobachtungen. Lisa Kalten- Vom Jahr 2018 an soll der Nachfol- rem Computermodell die atmosphäri- eggers Wunschtraum ist es, bald den ger von Hubble, das Weltraumteleskop schen Bedingungen ausgerechnet, die ersten spektralen Fingerabdruck eines James Webb, ganz neue Möglichkeiten Temperaturen zwischen null und hun- extrasolaren Gesteinsplaneten zu be- bieten. Doch trotz seines großen Haupt- dert Grad ermöglichen würden. kommen, den sie dann mit ihren Atmo- spiegels mit 6,5 Metern Durchmesser er- Die Resultate fallen sehr unterschied- sphärenmodellen nach Biomarkern ab- reicht man für erdähnliche Planeten das lich aus: Auf dem am äußeren Rand der sucht. Doch selbst mit der kommenden Limit. Kaltenegger und andere interna- bewohnbaren Zone kreisenden Gliese Generation an Teleskopen wird dieses tionale Kollegen haben für ein ähnli- 581d müsste allein das CO2 in der Atmo- Vorhaben an die Grenzen der Technik ches System wie das von Erde und Son- sphäre einen Druck von sieben Bar be- stoßen und die Kreativität der Forscher ne abgeschätzt, dass man ein Spektrum sitzen, damit ihn der Treibhauseffekt und Ingenieure auf die Probe stellen. im Schnitt hundert Stunden lang auf- xxxxxxxx ausreichend wärmt. Dagegen müsste der Die vermutlich beste Möglichkeit, in nehmen muss, um die schwachen Bio- am Innenrand der bewohnbaren Zone den nächsten zehn Jahren mit existie- signaturen zu erkennen. 52 MaxPlanckForschung 2 | 12
PHYSIK & ASTRONOMIE_Exoplaneten werden die Großteleskope der nächs- ten Generation bieten. Hierzu zählt vor allem das European Extremely Large Telescope, für dessen Bau in den chile- nischen Anden die Europäische Süd- sternwarte ESO kürzlich grünes Licht gab. Es wird einen Hauptspiegel von 39 Metern Durchmesser erhalten und soll bis Ende dieses Jahrzehnts in Be- trieb gehen. Doch hier gibt es ein grundsätzliches Problem: „Die Spektrallinien, die wir bei den erdähnlichen Exoplaneten nach- weisen wollen, entstehen natürlich auch, wenn das Sternenlicht die Erdat- mosphäre durchquert“, erklärt Kalten- egger. Hier wird es entscheidend darauf ankommen, ob es gelingt, die irdischen von extraterrestrischen Spektrallinien zu trennen. Es bleibt also noch viel zu tun, und die Aufgabe ist schwierig. „Aber das macht doch gerade die Forschung inte- Ausgezeichnete Astronomin: Lisa Kaltenegger leitet am Heidelberger Max-Planck-Institut ressant“, so Kaltenegger. für Astronomie eine Emmy-Noether-Gruppe und ist gleichzeitig Research Associate am Zunächst hat die Forscherin am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. Für ihre Forschungen an Exoplaneten erhielt Heidelberger Max-Planck-Institut eine sie den Heinz Maier-Leibnitz-Preis 2012. wissenschaftliche Heimat gefunden, doch die ist mit der Emmy-Noether- Die Transitdauer beträgt aber nur rund che Planeten bei nahen hellen Sternen Gruppe bis 2015 zeitlich befristet. Auf zwölf Stunden – und für einen Umlauf suchen soll. Das ist für die nachfolgen- die Frage, welches ihr Traumziel wäre, um einen sonnenähnlichen Stern be- den Beobachtungen mit James Webb hat Kaltenegger keine spezifische Ant- nötigt der Planet rund ein Jahr. Damit wichtig, weil nur bei hellen Sternen die wort parat. Keine spezielle Universität, hätte man also erst nach zehn Jahren Chance besteht, ein gutes Spektrum in kein namhaftes Institut ist ihr Ziel. ein Spektrum mit der ausreichenden einem angemessenen Zeitraum zu be- Nicht einmal der Kontinent ist ihr Qualität aufaddiert. Eine ernüchternde kommen. wichtig. Entscheidend sei für sie die Rechnung, zumal das die voraussicht- Auch die Mission PLAnetary Transits Möglichkeit, möglichst frei ihre For- liche Lebensdauer von James Webb and Oscillation of stars (PLATO), die sich schung verfolgen zu können, Kontakt überschreitet. mit vier anderen Satellitenprojekten in mit Studenten zu haben und eine in- der Auswahlphase der Europäischen ternationale Gruppe leiten zu können. Nur helle Sterne liefern Weltraumbehörde ESA befindet, ver- Wer weiß, vielleicht gehört sie der- sichere Messergebnisse folgt dieses Ziel. Deren Start würde einst zu jenem Team, das die ersten aber nicht vor 2022 erfolgen, was die Lebensspuren auf einem fernen Him- Mehr Hoffnung bieten Muttersterne, ersten PLATO-Resultate in die Zeit melskörper entdeckt. Was werden wir die kleiner, kühler und viel häufiger nach der nominellen Lebensdauer von dann mit diesen Erkenntnissen an- sind als die Sonne, sogenannte M-Zwer- James Webb legen würde. fangen? Und welche neuen, spannen- ge. Deren bewohnbare Zone liegt näher Eine zweite Möglichkeit, Lebens- den Fragen werden sich damit gleich- am Stern als bei uns. Demzufolge benö- spuren auf Exoplaneten zu entdecken, zeitig auftun? tigen dort Planeten nur ein paar Mona- te für einen Umlauf. Transits ereignen sich also wesentlich häufiger, was trotz der kürzeren individuellen Transitdau- AUF DEN PUNKT GEBRACHT er vor dem Stern pro Erdjahr mehr spek- l Unter den rund 800 bisher entdeckten Exoplaneten bieten allenfalls drei trale Aufnahmen ermöglichen würde. lebensfreundliche Bedingungen. „Deswegen ist es extrem wichtig, bis l Mithilfe der Spektralanalyse wollen die Astronomen eines Tages Lebensspuren auf zum Start von James Webb einen oder Exoplaneten nachweisen. Doch die Beobachtung solcher Biomarker geht an die mehrere optimale Kandidaten zu fin- instrumentellen Grenzen. Und: Wie könnte die Signatur im Spektrum aussehen? den“, sagt Lisa Kaltenegger. Aus diesem l Dazu simuliert Lisa Kaltenegger im Computer mögliche Atmosphären extrasolarer Grund engagiert sie sich in dem ame- Planeten und variiert dabei die verschiedenen Parameter wie Masse und Radius des Planeten sowie Leuchtkraft und Temperatur des Sterns. xxxxxxxx rikanischen Projekt Transiting Exopla- net Survey Satellite (TESS), das erdähnli- 2 | 12 MaxPlanckForschung 53
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