Zweites Buch Sozialgesetzbuch - SGB II Fachliche Weisungen - 63 SGB II Bußgeldvorschriften - Fachliche Weisungen SGB II
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Fachliche Weisungen SGB II Zweites Buch Sozialgesetzbuch – SGB II Fachliche Weisungen § 63 SGB II Bußgeldvorschriften BA-Zentrale-GR 11 Stand: 23.04.2020
Fachliche Weisungen § 63 SGB II Wesentliche Änderungen Fassung vom 23.04.2020 • Rz. 63.23: Änderung der Kriterien für eine geringfügige Ordnungswidrigkeit • Rz. 63.6: Rechtsänderung: Zulässigkeit von Beauftragungen (Auftragslösung) • Anlage 1: Ermittlung der Schadenshöhe bei vorläufiger Entscheidung nach § 41a • Anlage 2: Verstoß gegen § 63 Absatz 1 Nr. 6 ist in der Regel keine Unterlassungstat • Anlage 2: Ein Verstoß gegen die Nachweispflicht nach § 41a Absatz 3 Satz 2 stellt keine Ordnungswidrigkeit dar. Fassung vom 01.08.2016 • Rz. 63.3: Änderung der Rechtsauffassung: Es finden die landesrechtlichen Vorschriften über die Zustellung Anwendung. • Rz. 63.13: Gestrichen, da die Zuständigkeit für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit Vermittlungsgutscheinen in den FW zu § 64 geregelt wird. • Rz. 63.23: Änderung der Regelungen zu den Mitteilungspflichten an die Ausländerbehör- den • Kapitel 3.6: Regelungen zum neuen Bußgeldtatbestand nach § 63 Absatz 1 Nr. 6 • Anlage 1: Änderungen aufgrund der Erhöhung des Höchstmaßes des Verwarnungsgel- des auf 55 EUR • Anlage 2: Ausführungen zur fortgesetzten Handlung gestrichen, da dieses Institut im Ordnungswidrigkeitenrecht aufgegeben worden ist • Anlage 3: Änderung der Vertragsgegenstand bei Gerichts- und ähnlichen Kosten • Hinweise/Regelungen zur Zusammenarbeit mit den Hauptzollämtern (Kap. 1.4), zur Ak- tenführung und zum Datenschutz (Kap. 1.15) sowie zu Mitteilungen an das Gewerbe- zentralregister (Kap. 1.12) wurden gestrichen, da sie Gegenstand der Fachlichen Wei- sungen zu § 64 oder der Fachlichen Weisungen „Das Bußgeldverfahren im SGB II“ (ehe- mals Praxishandbuch für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im SGB II) sind. BA-Zentrale-GR 11 Seite 1 Stand: 23.04.2020
Fachliche Weisungen SGB II Gesetzestext § 63 SGB II Bußgeldvorschriften (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 57 Satz 1 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzei- tig erteilt, 2. entgegen § 58 Absatz 1 Satz 1 oder 3 Art oder Dauer der Erwerbstätigkeit oder die Höhe des Arbeitsentgelts oder der Vergütung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht recht- zeitig bescheinigt oder eine Bescheinigung nicht oder nicht rechtzeitig aushändigt, 3. entgegen § 58 Absatz 2 einen Vordruck nicht oder nicht rechtzeitig vorlegt, 4. entgegen § 60 Absatz 1, 2 Satz 1, Absatz 3 oder 4 Satz 1 oder als privater Träger entgegen § 61 Absatz 1 Satz 1 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt, 5. entgegen § 60 Absatz 5 Einsicht nicht oder nicht rechtzeitig gewährt, 6. entgegen § 60 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Ersten Buches eine Angabe nicht, nicht rich- tig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig macht oder 7. entgegen § 60 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Ersten Buches eine Änderung in den Verhält- nissen, die für einen Anspruch auf eine laufende Leistung erheblich ist, nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig mitteilt. (1a) Die Bestimmungen des Absatzes 1 Nummer 1, 4, 5, 6 und 7 gelten auch in Verbindung mit § 6b Absatz 1 Satz 2 oder § 44b Absatz 1 Satz 2 erster Halbsatz. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 6 und 7 mit einer Geld- buße bis zu fünftausend Euro, in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis zu zweitausend Euro geahndet werden. BA-Zentrale-GR 11 Seite 1 Stand: 23.04.2020
Fachliche Weisungen § 63 SGB II Inhaltsverzeichnis 1. Allgemeiner Teil ..................................................................................................... 1 1.1 Einführende Hinweise ............................................................................................ 1 1.2 Besonderheiten im Zusammenhang mit der Einleitung und Einstellung eines Bußgeldverfahrens................................................................................................. 1 1.3 Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften und Gerichten ......................... 2 1.4 Zusammenarbeit mit den Hauptzollämtern .......................................................... 2 1.5 Zuständigkeit und Organisation............................................................................ 2 1.6 Tatbestand einer ordnungswidrigen Pflichtverletzung ....................................... 2 1.7 Begehungsformen: Vorsatz, Fahrlässigkeit, Vorwerfbarkeit, Arten des Irrtums3 1.8 Verfolgungsermessen............................................................................................ 6 1.9 Zumessungskriterien Höhe Geldbuße .................................................................. 6 1.10 Verfolgungsverjährung .......................................................................................... 7 1.11 Mitteilungen an die Ausländerbehörden .............................................................. 7 1.12 Kosten des Verfahrens .......................................................................................... 7 2. Gemeinsame Regelungen zu verschiedenen Tatbeständen des § 63 ................ 8 2.1 „Aufstocker": Gleichzeitige Verletzungen von Mitteilungspflichten bei Bezug von Leistungen nach dem SGB III und dem SGB II ............................................. 8 2.2 Verletzung der Mitteilungspflicht gegenüber mehreren JC bei gleichem anspruchsschädlichem Lebenssachverhalt nach Umzug................................... 9 2.3 Ordnungswidriges Handeln im Zusammenhang mit der Erbringung von Eingliederungsleistungen - Sonderfälle ............................................................... 9 2.4 Verstoß gegen die Pflicht zur Nutzung des vorgesehenen Vordrucks nach §§ 57, 58 Absatz 1, 58 Absatz 2 ........................................................................... 10 2.5 Verstoß gegen Auskunftspflichten nach §§ 57, 58, 60, 61................................. 10 3. Besonderer Teil - die Tatbestände des § 63 Absatz 1........................................ 10 3.1 Nr. 1 - Verletzung der Auskunftspflicht nach § 57 Satz 1 .................................. 10 3.2 Nr. 2 - Verletzung der Pflicht zur Bescheinigung einer Erwerbstätigkeit und Aushändigung der Einkommensbescheinigung nach § 58 Absatz 1 Satz 1 oder 3 ............................................................................................................................. 11 3.3 Nr. 3 - Verletzung der Pflicht zur Vorlage der Einkommensbescheinigung nach § 58 Absatz 2 ........................................................................................................ 13 3.4 Nr. 4 - Verletzung der Pflicht zur Auskunft nach § 60 Absatz 1, 2 Satz 1, Absatz 3 oder 4 Satz 1 oder § 61 Absatz 1 Satz 1 .............................................. 13 3.5 Nr. 5 - Verletzung der Pflicht zur Einsichtsgewährung in Geschäftsunterlagen nach § 60 Absatz 5 ............................................................................................... 16 BA-Zentrale-GR 11 Seite 1 Stand: 23.04.2020
Fachliche Weisungen § 63 SGB II 3.6 Nr. 6 - Verletzung der Pflicht zur Angabe von Tatsachen nach § 60 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I ................................................................................................. 17 3.7 Nr. 7 - Verletzung der Pflicht zur Mitteilung von Änderungen in den Verhältnissen nach § 60 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I ........................................ 18 Anlage 1 – Hinweise zur Höhe einer Geldbuße - § 17 OWiG ................................................. 2 I. Höhe der Geldbuße - Allgemeines ....................................................................................... 3 1. § 17 Absatz 1 OWiG - Allgemeiner Bußgeldrahmen........................................................... 3 2. § 17 Absatz 2 OWiG - Bußgeldrahmen bei Fahrlässigkeit ................................................. 3 3. Zumessung nach § 17 Absatz 3 OWiG ................................................................................ 3 3.1 Bedeutung der Ordnungswidrigkeit .................................................................................. 4 3.2 Vorwurf, der die Täterin oder den Täter trifft .................................................................... 4 3.3 Wirtschaftliche Verhältnisse .............................................................................................. 6 3.4 Gesamtbetrachtung............................................................................................................ 6 3.4.1 Minderungsgründe .......................................................................................................... 7 3.4.2 Erhöhungsgründe ........................................................................................................... 8 4. Einspruch auf die Höhe der Geldbuße beschränkt ............................................................ 9 II. Entscheidungshilfen .......................................................................................................... 10 1. Allgemeines ........................................................................................................................ 10 2. Bußgeldkatalog .................................................................................................................. 10 Anlage 2 – Hinweise zur Verfolgungsverjährung - § 31 OWiG .............................................. 2 I. Grundsätzliches .................................................................................................................... 3 II. Verlauf der Verjährungsfrist ................................................................................................ 3 1. Dauer 3 2. Beginn 3 2. Ende 5 III. Besonderheiten ................................................................................................................... 6 1. Tatmehrheit ........................................................................................................................... 6 2. Dauerordnungswidrigkeit .................................................................................................... 6 3. Unterlassungshandlung....................................................................................................... 6 BA-Zentrale-GR 11 Seite 2 Stand: 23.04.2020
Fachliche Weisungen § 63 SGB II 1. Allgemeiner Teil 1.1 Einführende Hinweise (1) Von der Wiedergabe der einschlägigen Bestimmungen des Ge- setzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) und des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (SchwarzArbG) wurde abgesehen. (2) Die Festsetzung von Zwangsgeldern ist nicht Gegenstand dieser Abgrenzung zur Fachlichen Weisungen. Sie richtet sich, soweit die gemeinsamen Festsetzung von Einrichtungen (gE) tätig werden, nach Bundesrecht (s. § 40 Ab- Zwangsgeldern satz 8). Ein rechtlicher Zusammenhang mit dem Ordnungswidrigkei- (63.1) tenrecht besteht nicht. 1.2 Besonderheiten im Zusammenhang mit der Einlei- tung und Einstellung eines Bußgeldverfahrens (1) Täterin oder Täter einer Ordnungswidrigkeit kann nur eine hand- Ermittlung der lungsfähige natürliche Person sein. Das Bußgeldverfahren wird da- Täterin/des Täters her in Fällen, in denen sich der Vorwurf gegen eine Firma, ein Un- (63.2) ternehmen oder einen Betrieb richtet, stets gegen die Inhaberin oder den Inhaber der Einzelfirma, die gesetzliche Vertretung der ju- ristischen Person oder Personenvereinigungen oder die in ihrem Auftrag handelnden Personen (§ 9 OWiG) eingeleitet. Die Ermitt- lung der gesetzlichen Vertretung im Sinne des § 9 Absatz 1 OWiG ist über das bei den Amtsgerichten geführte Handelsregister mög- lich. (2) Rechtswidrig und daher unzulässig sind Anfragen nach der oder dem „Verantwortlichen" bei einem Unternehmen, da für eine solche personenbezogene Datenerhebung im Bußgeldverfahren die Rechtsgrundlage fehlt. Unternehmen können nicht als Zeuge be- fragt werden, da Zeugen nur natürliche Personen sein können (§ 46 Absatz 1 OWiG i. V. m. § 161a Strafprozessordnung - StPO). Des Weiteren hat die oder der verantwortlich Handelnde als Zeugin bzw. Zeuge ein Auskunftsverweigerungsrecht (§ 46 Absatz 1 OWiG i. V. m. § 55 StPO) oder als betroffene Person ein grundsätzliches Schweigerecht (§ 46 Absatz 1 OWiG i. V. m. § 136 Absatz 1 Satz 2 StPO) und ist damit nicht verpflichtet, an ihrer bzw. seiner eigenen Überführung wegen einer Ordnungswidrigkeit mitzuwirken. (3) Ist ein Bußgeldbescheid nach § 51 OWiG nicht zustellbar, ist das Zustellung von Bußgeldverfahren grundsätzlich nach § 47 OWiG einzustellen. Dies Bußgeldbescheiden gilt nicht bei hohen Geldbußen (mindestens 250,00 EUR). In diesen (63.3) Fällen ist nach den Bestimmungen der landesrechtlichen Zustel- lungsvorschriften von der Möglichkeit der öffentlichen Zustellung Gebrauch zu machen, wenn zuvor sämtliche Maßnahmen der Auf- enthaltsermittlung erfolglos geblieben sind. Eine Einstellung nach § 47 OWiG kommt auch in Betracht, wenn BA-Zentrale-GR 11 Seite 1 Stand: 23.04.2020
Fachliche Weisungen § 63 SGB II der Aufwand für eine Zustellung gemessen an der Höhe des Buß- geldes unverhältnismäßig wäre (z. B. bei Zustellungen im Ausland). Es gelten die landesrechtlichen Zustellungsvorschriften. 1.3 Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften und Gerichten Die Jobcenter 1 (JC) können eine gefestigte Rechtsprechung im Be- Berücksichtigung reich des Straf- und des Ordnungswidrigkeitenrechts der für sie ört- örtlicher lich zuständigen Gerichte bei der Entscheidungsfindung berücksich- Rechtsprechung tigen und hierbei auch von den vorliegenden Weisungen und ggf. (63.4) Empfehlungen abweichen. 1.4 Zusammenarbeit mit den Hauptzollämtern Nähere Ausführungen zur Zusammenarbeit mit den Hauptzolläm- Zusammenarbeit mit tern enthalten die Fachlichen Weisungen zu § 64. den Hauptzollämtern (63.5) 1.5 Zuständigkeit und Organisation Bußgeldbescheide, die von einem nach §§ 37 ff. OWiG unzuständi- Zulässigkeit von Be- gen JC erlassen werden, sind rechtswidrig. Die Zuständigkeit ändert auftragungen sich nicht bei der Beauftragung einer anderen gE, weil es bei der (63.6) rechtlichen Verantwortung des Auftraggebers verbleibt. Das bedeutet, dass eine gE eine andere gE auf der Grundlage des § 44b Absatz 4 Satz 2 i. V. m. §§ 88 ff. SGB X mit der Durchführung von Aufgaben nach dem OWiG beauftragen kann. Hinweise zur Auftragslösung enthält die Information 201706007 vom 20.06.2017. Rechtlich zulässig ist auch eine Zusammenlegung der Sachbearbei- tung für Ordnungswidrigkeiten mit dem Außendienst und/oder der Widerspruchsstelle eines JC. Unzulässig ist die organisatorische Vereinigung mit einem Außendienst, der mehreren JC zugleich zu- geordnet ist. 1.6 Tatbestand einer ordnungswidrigen Pflichtverlet- zung (1) Eine Ordnungswidrigkeit setzt unter anderem voraus, dass der objektive Tatbestand der Ordnungswidrigkeit erfüllt ist, d. h., die ob- jektiven (äußeren)Tatbestandsmerkmale einer Bußgeldvorschrift lie- gen im Einzelfall vor. Das ist beispielsweise bei Verstößen im Sinne des § 63 Absatz 1 Nr. 7 der Fall, wenn bei der leistungsberechtigten Person eine Änderung in den Verhältnissen eingetreten ist, die leistungserheblich ist, und dem JC nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig mitgeteilt wurde. Zwar kann 1 In den Fachlichen Weisungen wird der Übersichtlichkeit wegen einheitlich der Be- griff „Jobcenter“ verwendet. Der Begriff bezieht sich auf die gemeinsamen Einrich- tung nach § 44b und bis 31.12.2011 auch auf die AAgAw. BA-Zentrale-GR 11 Seite 2 Stand: 23.04.2020
Fachliche Weisungen § 63 SGB II nach § 13 OWiG auch der Versuch der Ordnungswidrigkeit geahn- det werden, wenn das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt; da in § 63 der Versuch nicht als Ordnungswidrigkeit bestimmt ist, sind im Bereich des § 63 nur vollendete Taten bußgeldbewehrt. (2) Mitverschulden einer Behörde am Zustandekommen einer Über- Mitverschulden der zahlung (z. B. die Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 9a Behörde SGB III durch eine Agentur für Arbeit) mindert zwar die Vorwerfbar- (63.7) keit der Tat, ändert jedoch grundsätzlich nichts am Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit. In solchen Fällen kommt aber eine mildere Ahndung in Betracht. 1.7 Begehungsformen: Vorsatz, Fahrlässigkeit, Vor- werfbarkeit, Arten des Irrtums (1) Gemäß § 63 Absatz 1 können alle dort aufgeführten Ordnungs- Begehungsformen widrigkeiten vorsätzlich und fahrlässig begangen werden (subjektive (63.8) Tatbestandsmerkmale). Im Rahmen des Anfangsverdachts ist daher zu prüfen, ob die betroffene Person bei der Begehung der Ord- nungswidrigkeit vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Eine fahrlässige Begehung der Tat durch die betroffene Person ist in den Fällen des § 63 Absatz 1 Nr. 1 - 4 möglich, wenn sie auch nach Aufforderung eine Bescheinigung nicht ausgestellt hat. Im Re- gelfall wird aber Vorsatz vorliegen. (2) Vorsätzlich handelt, wer die Tatbestandsmerkmale des Buß- geldtatbestandes kennt und sie willentlich verwirklicht. Die Tatbe- standsmerkmale können tatsächlicher (z. B. Kenntnis des eigenen Erwerbseinkommens) sowie rechtlicher Art (z. B. Kenntnis der eige- nen Mitteilungspflicht) sein. Es werden drei Formen des Vorsatzes unterschieden: Formen des Vorsatzes Absichtlich handelt die betroffene Person, wenn es ihr auf die Tat- (63.9) bestandsverwirklichung ankommt, sie also den Erfolg gezielt an- strebt. Im Regelfall verwendet das Gesetz die Formulierung „um zu", wenn absichtliches Handeln eine Tatbestandsvoraussetzung sein soll. § 63 setzt keine absichtliche Begehung voraus. Direkter Vorsatz ist gegeben, wenn die betroffene Person alle ob- jektiven Tatbestandsmerkmale kennt und willentlich handelt, obwohl sie die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes voraussieht. Beispiel: Der Arbeitgeber K füllt die Einkommensbescheinigung in Kenntnis des Leistungsbezugs bzw. -antrags, der Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt und der Pflicht zur Bescheinigung willentlich nicht aus, da er das Ausfül- len von Formularen für überflüssige Bürokratie hält. BA-Zentrale-GR 11 Seite 3 Stand: 23.04.2020
Fachliche Weisungen § 63 SGB II Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn die betroffene Person die Tatbe- standsverwirklichung als möglich erkannt, sie jedoch billigend in Kauf genommen hat. Beispiel: Der Arbeitgeber Z weiß nicht genau, ob er die Einkommensbescheini- gung für den Leistungsberechtigten A bereits ausgefüllt und abgesandt hat. Da es ihm egal ist, schaut er auch nicht in seinen Unterlagen nach. Er vertraut nicht darauf, dass er sie schon abgeschickt haben wird („es wird schon gutgehen“), sondern nimmt es hin, dass er sie nicht abge- schickt hat („und wenn schon“). (3) Nicht vorsätzlich handelt, wer einem Tatbestandsirrtum (§ 11 Ab- Tatbestandsirrtum satz 1 Satz 1 OWiG) unterliegt. Ein solcher liegt bei Unkenntnis (63.10) auch nur eines einzigen Tatbestandsmerkmals vor. Eine irrtümliche rechtliche Bewertung stellt keinen Tatbestandsirrtum, sondern einen unbeachtlichen Subsumtionsirrtum dar. Bei Tatbestandsmerkmalen wie der Mitteilungspflicht oder der Erheblichkeit einer Tatsache liegt ein Tatbestandsirrtum vor, wenn die Täterin oder der Täter die maß- geblichen tatsächlichen Umstände nicht kennt oder aufgrund ihrer bzw. seiner Laienstellung ihren wesentlichen Sinn nicht richtig be- wertet. Liegt ein Tatbestandsirrtum vor, ist zu prüfen, ob eine Ahndung we- gen fahrlässigen Handelns in Betracht kommt. Beispiel 1: Der 19-jährigen Tochter des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wird vorgeworfen, eine Nebentätigkeit nicht mitgeteilt zu haben. Sie behaup- tet jedoch unwiderleglich, nicht gewusst zu haben, dass sie mitteilungs- pflichtig ist. Bisher habe immer ihr Vater alle Angelegenheiten mit dem JC geregelt. Die Betroffene unterliegt einem Tatbestandsirrtum, da sie keine Kenntnis ihrer Mitteilungspflicht hatte. Beispiel 2: Dem Arbeitgeber A wird vorgeworfen, die Auskunft über die Höhe des Arbeitsentgelts der geringfügig beschäftigten Leistungsberechtigten L verweigert zu haben (§ 57). A räumt zwar ein, die Auskunftsverpflichtung zu kennen, er sei aber davon ausgegangen, dass diese für kleinere Un- ternehmen nicht gelte. Ein Tatbestandsirrtum besteht wegen der irrtümlichen rechtlichen Be- wertung nicht. (4) Die betroffene Person handelt fahrlässig, wenn sie die Sorgfalt Fahrlässigkeit außer Acht lässt, zu der sie nach den Umständen verpflichtet ist und (63.11) die sie nach ihren persönlichen Fähigkeiten wahren kann und die Tatbestandsverwirklichung vorhersehbar ist. Neben der unbewussten Fahrlässigkeit - die betroffene Person er- Arten der kennt die Tatbestandsverwirklichung nicht oder sieht sie nicht vo- Fahrlässigkeit raus - gibt es noch die bewusste Fahrlässigkeit: Die oder der Be- (63.12) troffene vertraut zu Unrecht darauf, dass der Tatbestand sich nicht verwirklicht. BA-Zentrale-GR 11 Seite 4 Stand: 23.04.2020
Fachliche Weisungen § 63 SGB II Beispiel 1: Der Arbeitgeber A hat die vom JC verlangte Auskunft über ein beende- tes Arbeitsverhältnis (§ 57) vergessen. Er begeht eine unbewusst fahrlässige Ordnungswidrigkeit nach § 63 Ab- satz 1 Nr. 1. Beispiel 2: Der Arbeitgeber C teilt dem JC auf ein schriftliches Auskunftsverlangen (§ 60 Absatz 3) einen falschen Beschäftigungsbeginn mit. Dabei erkennt er die Möglichkeit einer unrichtigen Auskunft, weil er nicht in den Perso- nalunterlagen nachgesehen, sondern sich auf sein Gedächtnis verlassen hatte, hofft aber, sie werde schon richtig sein. Der Arbeitgeber begeht eine bewusst fahrlässige Ordnungswidrigkeit nach § 63 Absatz 1 Nr. 4. Leichtfertigkeit ist ein gesteigerter Grad der Fahrlässigkeit, ähnlich, Leichtfertigkeit aber nicht identisch mit der groben Fahrlässigkeit des Zivilrechts. (63.13) Leichtfertigkeit ist bei ungewöhnlich groben Pflichtwidrigkeiten gege- ben, beispielsweise wenn die betroffene Person ganz nahe liegende Überlegungen unterlässt oder aus besonderem Leichtsinn oder be- sonderer Gleichgültigkeit handelt. Der Begriff ist nicht identisch mit dem der bewussten Fahrlässigkeit. Jedoch wird Leichtfertigkeit im Verhältnis häufiger bei der bewussten als bei der unbewussten Fahrlässigkeit vorliegen. (5) Nach der Begriffsbestimmung des § 1 Absatz 1 OWiG setzt eine Rechtswidrigkeit Ordnungswidrigkeit u. a. die Rechtswidrigkeit einer Handlung vo- (63.14) raus. Ein Verhalten ist grundsätzlich rechtswidrig, wenn die Tatbe- standsmerkmale einer Bußgeldvorschrift erfüllt sind. Dies gilt aus- nahmsweise nicht, wenn besondere Rechtfertigungsgründe vorlie- gen. Das OWiG nennt ausdrücklich die Notwehr (§ 15 OWiG) und den Notstand (§ 16 OWiG) als Sondersituationen, die den Verstoß gegen eine Bußgeldvorschrift rechtfertigen und infolgedessen die Ahndung ausschließen. Diese Gründe sind jedoch im Ordnungswid- rigkeitenrecht des SGB II kaum von praktischer Bedeutung und da- her nur dann zu prüfen, wenn die oder der Betroffene sich darauf beruft oder Anhaltspunkte für die fehlende Rechtswidrigkeit vorlie- gen. (6) Nach § 1 Absatz 1 OWiG liegt eine Ordnungswidrigkeit nur vor, Vorwerfbarkeit wenn die oder der Betroffene deren Tatbestand auch vorwerfbar (63.15) verwirklicht hat. Der Begriff der Vorwerfbarkeit entspricht dem straf- rechtlichen Schuldbegriff. Vorwerfbarkeit ist regelmäßig bei tatbe- standsmäßigem vorsätzlichem oder fahrlässigem Handeln der be- troffenen Person indiziert. Jedoch gibt es Ausnahmen, etwa bei Pflichtenkollisionen oder massiven Interessenkollisionen. Ob das Rechtsgut oder das Interesse, das mit der Erfüllung sozialrechtlicher Pflichten kollidiert, so schwer wiegt, dass die Vorwerfbarkeit entfällt, muss im Einzelfall abgewogen werden. Ein in der praktischen Handhabung schwieriger Fall fehlender Vor- Unvermeidbarer werfbarkeit ist der unvermeidbare Verbotsirrtum (§ 11 Absatz 2 Verbotsirrtum OWiG). (63.16) BA-Zentrale-GR 11 Seite 5 Stand: 23.04.2020
Fachliche Weisungen § 63 SGB II Ein Verbotsirrtum liegt vor, wenn der betroffenen Person bei Bege- hung der Handlung die Einsicht fehlt, etwas Unerlaubtes zu tun, weil sie das Bestehen oder die Anwendbarkeit einer Rechtsvorschrift nicht kennt. In diesem Fall handelt sie nicht vorwerfbar, wenn sie diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Der Verbotsirrtum ist vermeidbar, wenn die betroffene Person bei Vermeidbarer Anwendung der Sorgfalt, die nach der Sachlage objektiv zu fordern Verbotsirrtum war und die sie nach ihren persönlichen Verhältnissen aufbringen (63.17) konnte, in der Lage gewesen wäre, das Unerlaubte ihres Handelns zu erkennen (sogenannte „Parallelwertung in der Laiensphäre“). Nicht auf einen Verbotsirrtum kann sich die Vertreterin oder der Ver- treter einer Bedarfsgemeinschaft (BG) berufen, wenn sie bzw. er das Einkommen einer sonstigen Person der BG nicht mitteilt, denn ihre bzw. seine auch insoweit bestehende Mitteilungspflicht muss ihr bzw. ihm aus dem ihr bzw. ihm ausgehändigten Merkblatt bekannt sein. 1.8 Verfolgungsermessen (1) Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten steht nach § 47 OWiG Verfolgungs- im Ermessen der Verfolgungsbehörde (Opportunitätsprinzip); so- ermessen lange das Verfahren bei ihr (nicht bei Gericht) anhängig ist, kann sie (63.18) es einstellen. Bei Verjährung ist einzustellen. Die Anwendung des § 47 OWiG orientiert sich an der Vorwerfbarkeit des Handelns. Im Rahmen der Ermessensausübung sind sämtliche weitere Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (etwa Bedeutung und Auswir- kungen der Tat, öffentliche Interessen aufgrund Häufigkeit gleichar- tiger Verstöße und Wiederholungsgefahr, Nachtatverhalten, Verfol- gungsaufwand und Aussicht auf Klärung der Sachlage). (2) Ein laufendes Privatinsolvenzverfahren ist kein Hinderungsgrund Privatinsolvenz für die Einleitung eines Bußgeldverfahrens. Die Eröffnung eines In- (63.19) solvenzverfahrens oder die Durchführung eines Restschuldbefrei- ungsverfahrens stellen kein Verfahrenshindernis für die Einleitung eines Bußgeldverfahrens dar. Vielmehr sind bei der Ermessensaus- übung im Sinne einer gleichmäßigen Verwaltungspraxis dieselben Maßstäbe anzulegen, wie auch sonst bei Personen, die (außerhalb eines Insolvenzverfahrens) über kein pfändbares Einkommen verfü- gen. (3) Die wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Person bleiben Wirtschaftliche bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten in der Regel außer Betracht Verhältnisse (§ 17 Absatz 3 OWiG). Bei nicht nur geringfügigen Ordnungswidrig- (63.20) keiten besteht die Möglichkeit, Zahlungserleichterungen (§ 18 O- WiG) zu gewähren. 1.9 Zumessungskriterien Höhe Geldbuße Hinweise zur Höhe einer Geldbuße enthält die Anlage 1. Höhe einer Geldbuße (63.21) BA-Zentrale-GR 11 Seite 6 Stand: 23.04.2020
Fachliche Weisungen § 63 SGB II 1.10 Verfolgungsverjährung Hinweise zur Verfolgungsverjährung enthält die Anlage 2. Verfolgungs- verjährung 1.11 Mitteilungen an die Ausländerbehörden (63.22) (1) Im Fall von Ausländerinnen und Ausländern, für die das Aufent- Mitteilungen an die haltsgesetz Anwendung findet, gilt: Den Ausländerbehörden ist un- Ausländerbehörden aufgefordert ein Verstoß gegen Rechtsvorschriften mitzuteilen, so- (63.23) fern dieser nicht nur vereinzelt begangen wurde oder als nicht nur geringfügig zu werten ist (§ 71 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 SGB X, § 87 Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 54 Absatz 2 Nr. 9 Aufenthaltsgesetz - AufenthG). Im Wiederholungsfall sind jedoch auch geringfügige Verstöße mitzuteilen. Eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geld- buße von über 1.000,00 EUR geahndet wurde, ist nicht mehr als ge- ringfügig anzusehen und daher der Ausländerbehörde mitzuteilen. Eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von nicht mehr als 1.000 Euro geahndet wurde, ist der Ausländerbehörde mitzuteilen, wenn es sich um einen Wiederholungsfall handelt. Für die Frage, ob ein Wiederholungsfall vorliegt, ist auf die Kenntnis der zuständigen mitteilungspflichtigen Stelle abzustellen. Hinsichtlich der Unterrich- tung über den Verfahrensausgang ist die Rechtskraft der Entschei- dung abzuwarten. Die sich aus § 87 Abs. 2 AufenthG ergebende Übermittlungspflicht bei Drittstaatsangehörigen wird durch § 11 Abs. 1 S. 9 FreizügG/EU für Unionsbürger erweitert, falls Umstände bekannt werden, die für eine Feststellung über den Verlust oder das Nichtbestehen des Frei- zügigkeitsrechts entscheidungserheblich sein können. (2) Zu unterrichten ist die örtlich zuständige Ausländerbehörde. Wel- che Behörde örtlich zuständig ist, ergibt sich aus den landesrechtli- chen Vorschriften, insbesondere dem Verwaltungsverfahrensgesetz des jeweiligen Landes, ggf. in Verbindung mit dem Verwaltungsver- fahrensgesetz (VwVfG) des Bundes; danach ist örtlich zuständig grundsätzlich die Behörde, in deren Bezirk die Ausländerin oder der Ausländer ihren bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder hatte (§ 3 Absatz 1 Nr. 3 VwVfG). 1.12 Kosten des Verfahrens Notwendige Auslagen i. S. des § 464a Absatz 2 StPO fallen nur bei Notwendige der oder dem Betroffenen selbst an, nicht bei anderen Personen, Auslagen die zum Taterfolg beigetragen haben. Diese Form der Tatmitwir- (63.24) kung kann auch nicht zur Begründung einer Erhöhung der Auslagen herangezogen werden. Beispiel: Gegen den Vertreter der BG wurde ein Bußgeldverfahren eingeleitet, nicht aber gegen seinen Sohn, der sein Erwerbseinkommen verschwie- gen hat. Auf die Tatbeteiligung des Sohnes kommt es bei der Feststel- lung der notwendigen Auslagen des Vertreters der BG nicht an. BA-Zentrale-GR 11 Seite 7 Stand: 23.04.2020
Fachliche Weisungen § 63 SGB II 2. Gemeinsame Regelungen zu verschiedenen Tatbe- ständen des § 63 2.1 „Aufstocker": Gleichzeitige Verletzungen von Mit- teilungspflichten bei Bezug von Leistungen nach dem SGB III und dem SGB II (1) Bezieht eine Person für den gleichen Zeitraum Leistungen nach Aufstocker/in: dem SGB III und nach dem SGB II („Aufstocker") und tritt eine so- Verletzung von wohl für die Leistung nach SGB III als auch für die Leistung nach Mitwirkungspflichten SGB II erhebliche Änderung des Sachverhalts ein, die gleichzeitig nach SGB III und beide Leistungsansprüche ausschließt oder mindert, so liegen in SGB II dem Unterlassen der Mitteilung an die AA und an das JC in der Re- (63.25) gel zwei Taten vor, weil es gegenüber der AA und dem JC regelmä- ßig eines jeweils gesonderten Tatentschlusses bedarf. Ein Sonderfall liegt vor, wenn die leistungsberechtigte Person die Änderung in den Verhältnissen rechtzeitig gegenüber einer anderen Behörde, nicht jedoch gegenüber dem Jobcenter mitgeteilt hat. Un- terrichtet in diesem Fall die Behörde unverzüglich das JC (siehe z. B. § 9a SGB III), ist der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 63 Absatz 1 Nr. 7 bereits deswegen nicht erfüllt, weil die Mit- teilung durch die Behörde auf Veranlassung der oder des Leistungs- berechtigten erfolgte und die leistungsberechtigte Person damit ih- rer Verpflichtung nach § 60 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I nachge- kommen ist. Unterbleibt eine Mitteilung der Änderung der Verhältnisse gegen- über dem JC seitens der veranlassten Behörde, liegt objektiv der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit vor, weil die oder der Leis- tungsberechtigte Normadressat/in des § 60 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I bleibt. Erst die im JC über die AA oder eine andere Behörde eingegangene Änderungsanzeige beendet die Mitteilungspflicht. Je- doch entfällt in diesen Fällen ein Schuldvorwurf (subjektiver Tatbe- stand). Der oder dem Leistungsberechtigten kann – selbst in Form von Fahrlässigkeit – kein Schuldvorwurf gemacht werden, da es nicht sorgfaltswidrig ist, auf die Weitergabe einer Änderungsmittei- lung an das JC zu vertrauen. Insbesondere, da der AA und dem JC ein entsprechendes Verhalten vom Gesetzgeber ausdrücklich vor- geschrieben ist (§ 9a SGB III, § 18a). (2) Es empfiehlt sich, neben der Information an die Arbeitsagentur nach § 18a im Falle der Abgabe des Falles an die Staatsanwalt- schaft oder ein HZA diese Stellen darauf hinzuweisen, dass wegen des gleichen Lebenssachverhaltes auch Leistungen nach dem SGB III überzahlt sein können. Diese Information kann auch für diese Stellen nützlich sein. BA-Zentrale-GR 11 Seite 8 Stand: 23.04.2020
Fachliche Weisungen § 63 SGB II 2.2 Verletzung der Mitteilungspflicht gegenüber mehre- ren JC bei gleichem anspruchsschädlichem Le- benssachverhalt nach Umzug Unterlässt eine Leistungsbezieherin oder ein Leistungsbezieher die Umzug, fortgesetzte unverzügliche Mitteilung von erheblichen Änderungen der Verhält- Verletzung der nisse gegenüber dem JC, kann der Bußgeldtatbestand des § 63 Ab- Mitteilungspflicht satz 1 Nr. 7 verwirklicht worden sein; gibt sie bzw. er nach ihrem (63.26) bzw. seinem Umzug in den Zuständigkeitsbereich eines anderen JC diesem gegenüber in dem neuen Leistungsantrag die die Änderung betreffenden Tatsachen (erneut) nicht an, ist zu unterscheiden: Das Unterlassen und die unvollständige oder unrichtige Angabe von Tat- sachen, die für die Leistung erheblich sind (§ 60 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I), sind in § 63 als Ordnungswidrigkeit geregelt; es kann aber Betrug (§ 263 StGB) in Tatmehrheit zur Ordnungswidrigkeit nach § 63 Absatz 1 Nr. 7 in Betracht kommen. Denn die zweite gleichartige Tat kann nur durch eine (ggf.: erneute) Handlung - nicht: Unterlassung, denn jeder erneute Bezug bei einem anderen JC setzt einen Neuantrag voraus - verwirklicht werden. 2.3 Ordnungswidriges Handeln im Zusammenhang mit der Erbringung von Eingliederungsleistungen - Sonderfälle (1) Soweit eine arbeitsuchende Person, ein Arbeitgeber oder eine Eingliederungs- dritte Person, die Leistungen beantragt hat oder erhält, gegenüber leistungen dem JC im Rahmen der Erbringung einer Eingliederungsleistung (63.27) des JC eine Pflichtverletzung begeht, kommt deren Ahndung durch das JC nur in Betracht, wenn sich diese Möglichkeit aus § 63 ergibt. So treffen die Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I auch einen Ar- beitgeber, der eine laufende Leistung erhält. Der Verstoß gegen die Pflicht aus § 60 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I ist deshalb bei Vorlie- gen der vorgenannten weiteren Voraussetzungen eine Ordnungs- widrigkeit nach § 63 Absatz 1 Nr. 7, die von dem JC in seinem Zu- ständigkeitsbereich (§ 64 Absatz 2 Nr. 2) geahndet werden kann. (2) Ein Verstoß z. B. gegen § 296 Absatz 2 SGB III (Entgegen- Ordnungswidrigkei- nahme einer Vermittlungsvergütung, obwohl der Arbeitsvertrag nicht ten im Zusammen- oder nicht infolge der Vermittlung des Vermittlers zustande gekom- hang mit Vermitt- men ist oder Entgegennahme eines Vorschusses auf die Vermitt- lungsvergütungen lungsvergütung) oder § 296a SGB III (Entgegennahme einer Vergü- (63.28) tung von Ausbildungsuchenden) stellt dagegen keinen im SGB II bußgeldbewehrten Verstoß gegen Pflichten dar. Bei Bekanntwerden eines derartigen Sachverhalts hat das JC diesen deshalb an die Ar- beitsagentur als zuständige Verfolgungsbehörde nach § 405 Ab- satz 1 Nr. 2 SGB III abzugeben. Sofern Straftatverdacht besteht, ist der Vorgang an die Staatsan- waltschaft abzugeben (§ 41 OWiG). BA-Zentrale-GR 11 Seite 9 Stand: 23.04.2020
Fachliche Weisungen § 63 SGB II 2.4 Verstoß gegen die Pflicht zur Nutzung des vorgese- henen Vordrucks nach §§ 57, 58 Absatz 1, 58 Ab- satz 2 Teilt ein Arbeitgeber dem JC alle anspruchsrelevanten Tatsachen Arbeitgeber mit, verwendet hierfür aber nicht die nach § 57 und § 58 Absatz 1 verwendet Vordrucke vorgesehenen Vordrucke, liegt keine Ordnungswidrigkeit vor. Denn des JC nicht dieses Fehlverhalten erfüllt keinen Bußgeldtatbestand, insbeson- (63.29) dere keinen nach § 63 Absatz 1 Nr. 1 und 2. In Betracht kommt bei derartigen Sachverhalten allenfalls die Ahn- dung eines Fehlverhaltens der Arbeitnehmerin oder des Arbeitneh- mers nach §§ 63 Absatz 1 Nr. 3, 58 Absatz 2. Ein solches Fehlver- halten wird allerdings häufig nicht nachweisbar sein. 2.5 Verstoß gegen Auskunftspflichten nach §§ 57, 58, 60, 61 Beim Ordnungswidrigkeitenrecht handelt es sich um Nebenstraf- Auskunftspflichten recht. Daher gilt insoweit – wie im allgemeinen Strafrecht – ein Ana- Dritter logieverbot zu Lasten der Betroffenen. Es ist daher unzulässig, im (63.30) Wege der Analogie neue Bußgeldtatbestände zu schaffen oder be- stehende zu verschärfen. Da die in § 63 Absatz 1 Nr. 1 bis Nr. 5 ge- nannten Normen (§§ 57, 58, 60, 61) Auskunfts- und Mitwirkungs- pflichten gegenüber der Agentur für Arbeit (AA) festlegen, wäre grundsätzlich allein ein Pflichtverstoß gegenüber der AA bußgeldbe- wehrt. Mit der Einfügung des § 63 Absatz 1a wird klargestellt, dass solche Pflichtverletzungen auch dann bußgeldbewehrt sind, wenn sie gegenüber dem jeweiligen Jobcenter (gE/zkT) begangen wer- den. 3. Besonderer Teil - die Tatbestände des § 63 Ab- satz 1 3.1 Nr. 1 - Verletzung der Auskunftspflicht nach § 57 Satz 1 (1) Nach § 57 Satz 1 haben Arbeitgeber dem JC auf dessen Verlan- Tatbestand gen Auskunft über solche Tatsachen zu geben, die für die Entschei- (63.31) dung über einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II erheb- lich sein können; das JC kann hierfür die Benutzung eines Vor- drucks verlangen. Nach § 57 Satz 2 erstreckt sich die Auskunfts- pflicht auch auf Angaben über das Ende und den Grund für die Be- endigung des Beschäftigungsverhältnisses. § 57 ist in Zusammen- hang mit § 312 SGB III zu sehen und entspricht diesem in verkürz- ter, modifizierter Form. Nach dieser Vorschrift des SGB III ist bei Beendigung einer Beschäftigung durch den Arbeitgeber eine Ar- beitsbescheinigung auszustellen. BA-Zentrale-GR 11 Seite 10 Stand: 23.04.2020
Fachliche Weisungen § 63 SGB II (2) Der Arbeitgeber hat nur Auskunft über Tatsachen zu erteilen, je- doch keine rechtlichen Würdigungen vorzunehmen. Die direkte An- forderung einer Einkommensbescheinigung durch das JC bei dem Arbeitgeber ist ebenfalls auf § 57 zu stützen. § 58 regelt insoweit (nur) die Verpflichtung zur Aushändigung der Einkommensbeschei- nigung an leistungsberechtigte Personen. (3) Tathandlung ist das Unterlassen der Auskunftserteilung an das Tathandlung JC sowie die nicht richtige, nicht vollständige oder nicht rechtzeitige (63.32) Erteilung einer Auskunft an das JC auf dessen Verlangen. Eine Auskunft ist nicht erteilt, wenn sie beim JC bis zum Erlasszeit- punkt des Bußgeldbescheides nicht eingegangen ist. Die erteilte Auskunft ist nicht richtig, wenn sie im Widerspruch zu Tatsachen steht. Unvollständig ist die erteilte Auskunft, wenn sie hinter der verlang- ten Auskunft inhaltlich zurückbleibt. Eine Auskunft ist nicht rechtzeitig, wenn sie nicht in der vom JC ge- setzten angemessenen Frist erteilt wird, sondern zu einem späteren Zeitpunkt. (4) Die Tat kann in Tateinheit stehen zu einer Tat nach § 63 Ab- Konkurrenzen satz 1 Nr. 2 oder 4 i. V. m. § 58 Absatz 1 (vgl. Rz. 63.39 und 63.53). (63.33) (5) Normadressat des § 57 ist der Arbeitgeber; dies kann eine natür- Normadressat liche Person, aber auch eine juristische Person sein. Dagegen ist (63.34) Täter einer Ordnungswidrigkeit immer eine natürliche Person, nicht aber eine juristische Person. Eine Ordnungswidrigkeit begehen kann der Arbeitgeber, der eine natürliche Person ist oder nach § 9 OWiG seine Vertretung oder eine beauftragte Person als für den Ar- beitgeber handelnde natürliche Person. (6) Das Auskunftsverlangen nach § 57 ist ein Verwaltungsakt (VA) Bußgeldverfahren im Sinne des § 31 SGB X. Daraus folgt, dass eine Zuwiderhandlung nur bei Bestandskraft nur und erst dann bußgeldbewehrt ist, wenn der VA für die oder den des Verwaltungsak- Betroffenen in dem Sinne „verbindlich" ist, dass er entweder nicht tes mehr anfechtbar ist oder dass Rechtsbehelfe gegen ihn keine auf- (63.35) schiebende Wirkung haben. 3.2 Nr. 2 - Verletzung der Pflicht zur Bescheinigung ei- ner Erwerbstätigkeit und Aushändigung der Ein- kommensbescheinigung nach § 58 Absatz 1 Satz 1 oder 3 (1) Wer jemanden, der laufende Geldleistungen nach dem SGB II Tatbestand beantragt hat oder bezieht, gegen Arbeitsentgelt beschäftigt, ist ver- (63.36) pflichtet, diesem unverzüglich Art und Dauer dieser Erwerbstätigkeit sowie die Höhe des Arbeitsentgelts oder der Vergütung für die Zei- ten zu bescheinigen, für die diese Leistung beantragt worden ist BA-Zentrale-GR 11 Seite 11 Stand: 23.04.2020
Fachliche Weisungen § 63 SGB II oder bezogen wird. Die Bescheinigung ist der oder demjenigen, die oder der die Leistung beantragt hat oder bezieht, unverzüglich aus- zuhändigen. (2) Dem Arbeitgeber wird die Ordnungswidrigkeit häufig nur nachzu- weisen sein, wenn entweder die leistungsberechtigte Person ihm die Bescheinigung nach § 58 Absatz 2 übergeben oder das JC sie ihm übersandt hat. (3) Tathandlung ist die Nichtbescheinigung oder die nicht richtige, Tathandlung nicht vollständige oder nicht rechtzeitige Bescheinigung, außerdem (63.37) die nicht erfolgte oder nicht rechtzeitige Aushändigung der Beschei- nigung an die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer. Beispiele: Der Arbeitgeber füllt die Einkommensbescheinigung nicht aus, weil es sich hierbei seiner Meinung nach um überflüssige Bürokratie handelt. Die Einkommensbescheinigung wurde gemäß § 58 Absatz 1 Satz 1 nicht erstellt, eine Ordnungswidrigkeit liegt nach § 63 Absatz 1 Nr. 2 vor. Der Arbeitgeber trägt in der Einkommensbescheinigung einen unzutref- fenden Beschäftigungszeitraum ein. Die Einkommensbescheinigung ist demnach nicht richtig ausgefüllt worden. Eine Ordnungswidrigkeit ist ge- mäß § 63 Absatz 1 Nr. 2 i. V. m. § 58 Absatz 1 Satz 1 gegeben. Die leistungsberechtigte Person hat die Einkommensbescheinigung nicht wie versprochen von ihrem Arbeitgeber erhalten. Hier kommt eine Ordnungswidrigkeit nach § 63 Absatz 1 Nr. 2 i. V. m. § 58 Absatz 1 Satz 3 in Betracht. (4) Normadressat des § 58 Absatz 1 Satz 1 und Satz 3 ist ein Ar- Normadressat beitgeber; dies kann eine natürliche Person, aber auch eine juristi- (63.38) sche Person sein. Dagegen ist Täter einer Ordnungswidrigkeit im- mer eine natürliche Person, nicht aber eine juristische Person. Dies kann der Arbeitgeber selbst sein (z. B. Einzelkaufmann) oder eine für den Arbeitgeber handelnde natürliche Person, also seine Vertre- tung oder eine beauftragte Person im Sinne des § 9 OWiG (z. B. die Geschäftsführerin oder der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung – GmbH, der Vorstand einer Aktiengesell- schaft – AG, eines eingetragenen Vereins oder einer Genossen- schaft). Auch wenn eine juristische Person nicht selbst Täter einer Ordnungswidrigkeit sein kann, kann gegen die juristische Person eine Geldbuße unter den Voraussetzungen des § 30 OWiG festge- setzt werden. (5) Bei dem Bezug oder der Beantragung von laufenden Geldleis- Konkurrenzen tungen nach dem SGB II durch einen beschäftigten Arbeitnehmer (63.39) eines Arbeitgebers verstößt der Arbeitgeber als Normadressat des § 57, der über anspruchserhebliche Tatsachen trotz direkter Auffor- derung durch das JC die Auskunft nicht erteilt, gegen § 57 (zu ahn- den nach § 63 Absatz 1 Nr. 1, vgl. Kap. 3.1). Nach Beendigung des Leistungsfalles endet die Bescheinigungspflicht des Arbeitgebers BA-Zentrale-GR 11 Seite 12 Stand: 23.04.2020
Fachliche Weisungen § 63 SGB II nach § 58 Absatz 1 für Beschäftigungszeiten nach dem Leistungs- ende. Sie besteht allerdings weiterhin für Zeiträume, in denen zeitli- che Kongruenzen zwischen der Beschäftigung mit dem Leistungs- bezug bestehen und für die noch keine Bescheinigung ausgestellt wurde. 3.3 Nr. 3 - Verletzung der Pflicht zur Vorlage der Ein- kommensbescheinigung nach § 58 Absatz 2 (1) Nach § 58 Absatz 2 ist eine Person, die Leistungen nach dem Tatbestand SGB II beantragt hat oder bezieht, verpflichtet, dem Arbeitgeber, für (63.40) den sie tätig ist, den Vordruck für die Bescheinigung des Einkom- mens unverzüglich vorzulegen. § 58 Absatz 1 und Absatz 2 sind an die Norm des § 313 SGB III angelehnt. (2) Tathandlung ist die Nichtvorlage oder nicht rechtzeitige Vorlage Tathandlung des Vordrucks bei dem Arbeitgeber. (63.41) Eine unverzügliche Vorlage liegt vor, wenn diese ohne schuldhaftes Zögern erfolgt ist. (3) Nr. 3 ist die einzige Bußgeldvorschrift des § 63 Absatz 1, die ausdrücklich die Vorlage des amtlichen Vordrucks verlangt. Das Nichtvorlegen des Vordrucks ist bußgeldbewehrt. Ein solches Fehl- verhalten ist in der Praxis allerdings nur schwer nachweisbar. (4) Normadressat ist die eine Leistung beantragende oder bezie- Normadressat hende Person. (63.42) 3.4 Nr. 4 - Verletzung der Pflicht zur Auskunft nach § 60 Absatz 1, 2 Satz 1, Absatz 3 oder 4 Satz 1 oder § 61 Absatz 1 Satz 1 (1) Nach § 60 sind Dritte unter bestimmten Voraussetzungen ge- Tatbestand genüber dem JC auskunfts- und mitwirkungspflichtig. Dies gilt für (63.43) den Fall, dass sie • jemanden, der Leistungen nach dem SGB II beantragt hat o- der bezieht, Leistungen erbringen oder zu Leistungen ver- pflichtet sind oder • für die leistungsberechtigte Person Guthaben führen oder Vermögensgegenstände verwahren oder • die leistungsberechtigte Person, ihre Partnerin oder ihren Partner oder eine ihr gegenüber auskunftsverpflichtete Per- son beschäftigen. (2) Bei den erbrachten oder zu erbringenden Leistungen muss es sich um solche handeln, die die Geldleistung ausschließen oder mindern können. Die Auskünfte sind nur auf Verlangen des JC zu erteilen. Eine abschließende Aufzählung hinsichtlich Art und Um- fang der Auskünfte ist in §§ 60, 61 nicht enthalten. BA-Zentrale-GR 11 Seite 13 Stand: 23.04.2020
Fachliche Weisungen § 63 SGB II (3) Die Auskunftspflicht besteht jedoch nur, soweit dies für die Erforderlichkeit von Durchführung der Aufgaben nach dem SGB II erforderlich ist (so die Auskünften Formulierung in allen Absätzen des § 60). Erforderlich ist, was das (63.44) JC noch nicht weiß, aber wissen muss, um über die erstmalige Leis- tungsgewährung oder die Weitergewährung von Leistungen ent- scheiden zu können, oder was es weiß, aber noch überprüfen muss. Auskünfte, die lediglich der Aufgabenerleichterung des JC dienen, sind nicht erforderlich. (4) § 60 Absatz 1 regelt Auskunftspflichten im Zusammenhang mit § 63Absatz 1 Nr. 4 der Bedürftigkeitsprüfung. Die Vorschrift eröffnet den JC die Mög- i. V. m. § 60 Absatz 1 lichkeit, Auskünfte über alle geldwerten Leistungen von der Person (63.45) einzuholen, die der Antragstellerin oder dem Antragsteller oder Be- zieherin oder Bezieher von Leistungen nach dem SGB II Leistungen erbringt, die geeignet sind, die Zahlung von Leistungen nach dem SGB II auszuschließen oder zu mindern. Hierzu zählen Einnahmen jeglicher Art, die nicht bei der Einkommensprüfung privilegiert sind. Die Vorschrift erfasst auch Unterhaltsleistungen jeglicher Art, die die leistungsberechtigte Person tatsächlich erhält. Die gegenüber dem JC bestehende Auskunftspflicht ist nach § 63 Absatz 1 Nr. 4 buß- geldbewehrt. (5) § 60 Absatz 2 betrifft jegliche Leistungsverpflichtung Dritter ge- § 63 Absatz 1 Nr. 4 genüber der leistungsberechtigten Person, sofern diese Leistungs- i. V. m. § 60 Absatz 2 verpflichtung zum Ausschluss oder zur Minderung von Leistungen (63.46) nach dem SGB II geeignet ist. Die Leistungsverpflichtung (z. B. Un- terhaltsleistung) muss nicht schon feststehen, um einen Auskunfts- anspruch zu begründen. Es ist für die Auskunftspflicht unerheblich, ob tatsächlich Leistungen an die leistungsberechtigte Person er- bracht werden; es kommt allein darauf an, dass ein Rechtsanspruch dem Grunde nach besteht. Die Auskunftspflicht nach Absatz 2 trifft auch Geld- und Kreditinsti- tute und Versicherungsunternehmen hinsichtlich aller Anlagefor- men, die dazu führen, dass Einkommen oder Vermögen zu berück- sichtigen sind. Der Auskunftsanspruch setzt voraus, dass konkrete Anhaltspunkte für eine absehbare oder bestehende Leistungsverpflichtung festste- hen und die Auskunft zur Durchführung der Aufgaben nach dem SGB II erforderlich ist. Die Auskunftspflicht beinhaltet Auskünfte über die Leistungsver- pflichtung selbst sowie über Einkommen und Vermögen des aus- kunftspflichtigen Dritten, soweit Einkommen und Vermögen im Zu- sammenhang mit der Leistungspflicht gegenüber dem Leistungsbe- rechtigten stehen und soweit die Auskunft zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist. Diese gegenüber dem JC bestehenden Auskunftspflichten sind nach § 63 Absatz 1 Nr. 4 bußgeldbewehrt. BA-Zentrale-GR 11 Seite 14 Stand: 23.04.2020
Fachliche Weisungen § 63 SGB II Im Hinblick auf dauernd getrennt lebende oder geschiedene Ehe- Auskunftspflichten gatten begründen sich die Auskunftspflichten Dritter, wenn die Aus- Dritter in Bezug auf kunft bei dem getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten ein- dauernd getrennt le- geholt werden soll, nach § 60 Absatz 2; wenn die Auskunft bei dem bende oder geschie- Arbeitgeber des nach § 60 Absatz 2 zur Auskunft verpflichteten ge- dene Ehegatten trennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten eingeholt werden (63.47) soll, nach § 60 Absatz 3 Nr. 2, nicht aber nach § 60 Absatz 3 Nr. 1, 3. Variante oder Absatz 4. Die gegenüber dem JC bestehende Aus- kunftspflicht ist nach § 63 Absatz 1 Nr. 4 bußgeldbewehrt. (6) § 60 Absatz 3 regelt die Auskunftspflicht von Arbeitgebern, die § 63 Absatz 1 Nr. 4 Antragsteller oder Bezieher von Leistungen nach dem SGB II oder i. V. m. § 60 Absatz 3 deren Partner oder nach Absatz 2 zur Auskunft verpflichtete Perso- (63.48) nen beschäftigen. Die Auskunftspflicht umfasst Angaben über das Beschäftigungsverhältnis, insbesondere über das Arbeitsentgelt. Die gegenüber dem JC bestehende Auskunftspflicht ist nach § 63 Absatz 1 Nr. 4 bußgeldbewehrt. (7) § 60 Absatz 4 betrifft ausschließlich das Einkommen und Vermö- § 63 Absatz 1 Nr. 4 gen der Partnerin oder des Partners. Die Partnerin oder der Partner i. V. m. § 60 Absatz 4 selbst und Dritte (z. B. Geld- und Kreditinstitute, Versicherungen), (63.49) die für die Partnerin oder den Partner Guthaben führen oder Vermö- gensgegenstände verwahren, die zu zu berücksichtigendem Ein- kommen oder Vermögen führen, sind nach dieser Vorschrift zur Auskunft verpflichtet. Die gegenüber dem JC bestehende Aus- kunftspflicht ist nach § 63 Absatz 1 Nr. 4 bußgeldbewehrt. (8) Nach § 61 Absatz 1 Satz 1 haben Träger, die eine Leistung zur Tatbestand Eingliederung in Arbeit erbracht haben oder erbringen, dem JC un- (63.50) verzüglich Auskünfte über Tatsachen zu erteilen, die Aufschluss darüber geben, ob und inwieweit Leistungen zu Recht erbracht wor- den sind oder werden. Die Bußgeldvorschrift des § 63 Absatz 1 Nr. 4 betrifft nur private Träger. Öffentliche Träger sind zwar auch zur Erteilung der Auskünfte verpflichtet, werden jedoch von der Bußgeldvorschrift des § 63 Absatz 1 Nr. 4 ausdrücklich nicht er- fasst. Die Träger müssen eigeninitiativ tätig werden. Eine Aufforde- rung hierzu ist nicht erforderlich. Art und Umfang der Auskünfte sind in § 61 nicht beschrieben. Die Formulierung „die Aufschluss darüber geben, ob und inwieweit Leis- tungen zu Recht erbracht worden sind oder werden" lässt eine weite Auslegung zu. Eine Auskunftsverpflichtung besteht jedoch nur, „so- weit es für die Durchführung der Aufgaben nach dem SGB II erfor- derlich ist". Tatsachen sind alle konkreten vergangenen oder gegenwärtigen Geschehnisse oder Zustände, nicht aber Werturteile oder Rechtsan- sichten, ebenso wenig Mutmaßungen oder Spekulationen. Sie müs- sen leistungsrechtlich erheblich sein. (9) Tathandlung ist die Nichterteilung oder die nicht richtige, nicht Tathandlung vollständige oder nicht rechtzeitige Erteilung einer Auskunft. (63.51) BA-Zentrale-GR 11 Seite 15 Stand: 23.04.2020
Sie können auch lesen