1.8 Arbeitskräftenachfrage - Statistik der Bundesagentur für ...

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Blickpunkt Arbeitsmarkt: Akademikerinnen und Akademiker │Juli 2021
Kapitel 1.8

1.8 Arbeitskräftenachfrage
Nachfrage sinkt coronabedingt deutlich
Im Laufe des Jahres 2020 wurden 168.000 Stellenangebote für hoch komplexe Tätigkeiten 1 bei
der Bundesagentur für Arbeit neu gemeldet. Nach einem stetigen Anstieg seit 2014 bis zum
Peak im Jahr 2019 2 ist die Arbeitskräftenachfrage aufgrund der Corona-Pandemie und der zur
Eindämmung beschlossenen Maßnahmen deutlich gesunken. Im Laufe des Jahres 2020 gingen
im Hochqualifizierten-Segment 17 Prozent weniger Stellenangebote als im Vorjahreszeitraum
ein. Im Vergleich zur Stellenentwicklung insgesamt, die einen Rückgang um 25 Prozent ver-
zeichnete, fiel das Minus etwas schwächer aus.

Darüber hinaus wurden weitere 140.000 Stellenangebote gemeldet, die sich an Arbeitsuchende
mit einem Meister-, Techniker- oder Bachelorabschluss wandten (-22 Prozent gegenüber dem
Vorjahreszeitraum). 3 Im Monatsdurchschnitt hatte die öffentliche Arbeitsvermittlung damit 53.000
Arbeitsstellen für Arbeitskräfte mit hoch komplexen Anforderungsprofilen und 54.000 für kom-
plexe Spezialistentätigkeiten im Angebot (Abbildung 1.8 – 1).

Gesamtwirtschaftliche Nachfrage größer als die ge-
meldete Nachfrage
In Deutschland gibt es keine Meldepflicht für offene Stellen. Deshalb ist der gesamtwirtschaftli-
che Bedarf an Arbeitskräften größer als die Zahl der gemeldeten Stellen. Nach Erhebungen des
Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) wurden im 4. Quartal 2020 38 Prozent der
offenen Stellen bei den Vermittlungseinrichtungen angezeigt. Bei Stellen für hochkomplexe Ex-
pertentätigkeiten liegt die Meldequote deutlich niedriger: für knapp 23 Prozent der freien Stellen
wurde hier ein Vermittlungsauftrag erteilt. Laut IAB-Stellenerhebung waren im 4. Quartal 2020
rund 96.000 Stellen mit hochkomplexen Anforderungsprofilen zu besetzen. Das war ein Minus
von 11.000 gegenüber dem Vorjahr. Gleichzeitig waren in den Betrieben und Institutionen
156.000 Stellen für komplexe Spezialistenaufgaben zu besetzen (+3.000 gegenüber Vorjahr).

1
    Das Merkmal (Fach-)Hochschulabschluss ist in der Statistik der gemeldeten Stellen nicht vorhanden. Deshalb werden hier Stellen mit dem An-
forderungsniveau 4 – hoch komplexe Tätigkeiten (Experte) zu Grunde gelegt. Voraussetzung für die Ausübung einer solchen Tätigkeit sind Kennt-
nisse und Fertigkeiten, die einem mindestens vierjährigen (Fach-)Hochschulabschluss entsprechen oder damit vergleichbar sind.

2
    Vergleichbaren Angaben liegen ab dem Jahr 2007 vor.

3
   Stellenangebote mit dem Anforderungsniveau 3 – komplexe Spezialistentätigkeiten (Spezialisten). Eine Differenzierung nach Meister-, Techniker
oder Hochschulausbildung ist nicht möglich. Siehe auch Hinweise zu statistischen Angaben.

                                                                                        Statistik/Arbeitsmarktberichterstattung
                                                                              arbeitsmarktberichterstattung@arbeitsagentur.de
Blickpunkt Arbeitsmarkt: Akademikerinnen und Akademiker – Kapitel 1.8

 Abbildung 1.8. - 1

 Kräftenachfrage 2020 coronabedingt eingebrochen
 Gemeldete Arbeitsstellen für Expert/-innen

                                                                                195.000 201.000 202.000
                                                                      193.000
         Zugang                                 166.000                                                   168.000
         (Jahressumme)
                        150.000 144.000 147.000
                144.000
       124.000

         Bestand
                                                                  63.000 63.000
         (Jahresdurchschnitt)                       56.000 59.000               53.000
                                             46.000
                 38.000 42.000 39.000 41.000
        30.000

         2010          2011         2012         2013   2014   2015    2016      2017    2018    2019     2020

  Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Wirtschaftswissenschaftliche, soziale und IT-Berufe
am häufigsten gesucht
Die Liste der „gefragtesten“ Akademiker/-innen wurde 2020 angeführt von den Wirtschafts-
Experten: Rund 30.000 Stellenangebote für Tätigkeiten in Management, Handel, Finanzen oder
Wirtschaftswissenschaften gingen im Laufe des Jahres 2020 bei der Bundesagentur für Arbeit
ein (Abbildung 1.8 – 2). Es folgten soziale Berufe, IT-Berufe und im Kontext der anhaltend guten
Baukonjunktur Bau- und Architekturberufe. Das technische Ingenieurwesen, das 2018 noch auf
dem 2. Platz rangierte und 2019 aufgrund der Konjunkturschwäche von sozialen Berufen und IT-
Berufen abgelöst wurde, fand sich 2020 auf dem fünften Platz wieder.

Weniger Stellenzugänge im Ingenieurwesen
In Folge der Corona-Krise lag die Nachfrage in allen Berufen unter dem Vorjahr (Abbildung 1.8 –
3). Prozentual und absolut am stärksten sind die Stellenmeldungen im technischen Ingenieurwe-
sen eingebrochen mit -7.300 (-31 Prozent). Besonders starke prozentuale Rückgänge verzeich-
nete auch die Mediengestaltung, Werbung, Marketing (-29 Prozent) sowie Geistes-, Gesell-
schaftswissenschaften, Publizistik (-25 Prozent). Für wirtschaftswissenschaftliche Berufen wur-
den 7.300 weniger Stellen gemeldet, was einem Rückgang von 20 Prozent entsprach. Die ge-
ringsten Rückgänge verzeichneten die Rechtswissenschaften, Medizin und Pharmazie sowie
Bau und Architektur mit -6 bis -7 Prozent.

                                                                                                           Kapitel 1.8 – 2
Blickpunkt Arbeitsmarkt: Akademikerinnen und Akademiker – Kapitel 1.8

Abbildung 1.8. - 2

Die gefragtesten akademischen Berufe
Zugänge gemeldeter Arbeitsstellen (Jahressumme) für Expert/-innen in akademischen Berufen
2020

                               Wirtschaftswissenschaften                                                         29.900
                                                      Sozialwesen                                       24.800
                                                        Informatik                              20.400
                                          Bau und Architektur                                 18.200
                           Technisches Ingenieurwesen                                       16.500
                                                        Lehrkräfte                  9.400
                                          Medizin, Pharmazie                      7.400
                                      Verwaltung, Bibliothek                  6.500
            Geistes-, Gesellschaftswiss., Publizistik                         6.300              168.000 Stellenzugänge für
                                                                                                 Expert/-innen insgesamt,
                                       Naturwissenschaften                   5.400               17% weniger als im Vorjahr
                                      Rechtswissenschaften                   5.300
                                                      Psychologie         2.600                  Arbeitsmarkt insgesamt:
                                                                                                 1,6 Mio Stellenzugänge,
            Mediengestaltung, Werbung, Marketing                      1.500                      25% weniger als im Vorjahr

Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

Abbildung 1.8. - 3

Corona-Pandemie lässt Nachfrage in allen Fachrichtungen zurückgehen
Veränderung der Zugänge gemeldeter Arbeitsstellen für Expert/-innen (Jahressumme)
2020 gegenüber Vorjahr

                                    Technisches Ingenieurwesen                -7.300                                (-31%)
                                        Wirtschaftswissenschaften             -7.300                                (-20%)
                                                             Informatik                     -4.330                  (-18%)
                                                          Sozialwesen                       -4.230                  (-15%)
                                                             Lehrkräfte                               -2.660        (-22%)
                    Geistes-, Gesellschaftswiss., Publizistik                                            -2.000     (-24%)
                                                  Bau und Architektur                                -1.300          (-7%)
                                              Verwaltung, Bibliothek                                    -900        (-12%)
                    Mediengestaltung, Werbung, Marketing                                                  -600      (-29%)
                                                  Medizin, Pharmazie                                      -500       (-6%)
                                               Naturwissenschaften                                        -500       (-9%)
                                                           Psychologie                                    -500      (-16%)
                                              Rechtswissenschaften                                        -400       (-6%)

Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

                                                                                                                      Kapitel 1.8 – 3
Blickpunkt Arbeitsmarkt: Akademikerinnen und Akademiker – Kapitel 1.8

Vakanzzeit als ein Indikator für mögliche Beset-
zungsprobleme
Die Zeitspanne zwischen dem vom Arbeitgeber gewünschten Besetzungstermin und der tat-
sächlichen Abmeldung eines Stellenangebotes bei der Arbeitsvermittlung, die sogenannte Va-
kanzzeit, liefert Anhaltspunkte dafür, wie schnell es Unternehmen gelingt, freie Stellen zu beset-
zen. Ein hohes Niveau kann einen Engpass signalisieren. 4 Allerdings kann die Vakanzzeit auch
von anderen Faktoren beeinflusst werden, zum Beispiel wie zeitig mit der Personalsuche begon-
nen wird oder wie aufwändig und formal ein Auswahlverfahren gestaltet wird. In einem begin-
nenden Konjunkturabschwung können steigende Vakanzzeiten daraus resultieren, dass Be-
triebe Entscheidungsprozesse hinauszögern, weil unklar ist, wie sich die Auftragslage weiterent-
wickelt. Ähnlich hat sich wohl auch die Corona-Krise ausgewirkt: Die leicht steigende Vakanzzeit
könnte für ins Stocken geratene oder sogar auf Eis gelegte Stellenbesetzungsverfahren stehen.
Auch veränderte Aufgabenprioritäten im Arbeitgeber-Service der öffentlichen Arbeitsvermittlun-
gen, z. B. in der Beratung und Gewährung von Kurzarbeitergeld, haben merkliche Auswirkun-
gen.

    Abbildung 1.8. - 4

    Sehr hohe Vakanzzeiten in Medizin, Ingenieurwesen und Informatik
    Durchschnittliche Vakanzzeit gemeldeter sozialversicherungspflichtiger Arbeitsstellen in Tagen,
    gemessen bei Abmeldung der Stellen, ohne gemeldeten Stellen von Zeitarbeitsunternehmen
    2020, Veränderung gegenüber Vorjahr in Tagen

                                                                             2012
                                                                             2014
                                                     Medizin, Pharmazie                                                      153 (+8)
                                       Technisches Ingenieurwesen                                                     131 (-6)
                                                              Informatik                                            127 (-2)
                                           Wirtschaftswissenschaften                                             118 (+4)
                                                     Bau und Architektur                                        114 (-1)
                       Anforderungsniveau Experte insgesamt
                                    Expert/-innen insgesamt                                                 103 (+1)
                        Mediengestaltung, Werbung, Marketing                                              91 (+6)
                                                 Rechtswissenschaften                                   87 (+6)
                                                            Psychologie                                82 (+4)
                                                           Sozialwesen                               77 (+9)
                                                  Naturwissenschaften                               73 (-2)
                                                              Lehrkräfte                           72 (-6)
                       Geistes-, Gesellschaftswiss., Publizistik                                 66 (+1)
                                                 Verwaltung, Bibliothek                    48 (+5)
    Datenquelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit

4
    Die Qualität der Kennziffer hängt unter anderem davon ab, mit welchem zeitlichen Vorlauf Arbeitgeber Stellenangebote melden und wie schnell
sie die Arbeitsvermittlung über die erfolgreiche Besetzung freier Stellen informieren. Engpässe lassen sich nicht an einem einzelnen Indikator able-
sen. Vielmehr ist zu empfehlen, dass ein Set an Indikatoren herangezogen wird (vgl. BA-Fachkräfteengpassanalyse).

                                                                                                                             Kapitel 1.8 – 4
Blickpunkt Arbeitsmarkt: Akademikerinnen und Akademiker – Kapitel 1.8

2020 waren Stellen für akademische Expert/-innen durchschnittlich 103 Tage vakant. Das war
zwar ein Tag mehr als im Vorjahr. Gemeldete Arbeitsstellen für Fachkräfte mit Berufsausbildung
wiesen aber insgesamt mit 138 Tagen eine erheblich höhere Vakanzzeit auf.

Zwischen den Berufen gibt es eklatante Unterschiede. Hohe, weit überdurchschnittliche Vakanz-
zeiten kennzeichnen die Stellenangebote in Medizin und Pharmazie, im Ingenieurwesen und in
der Informatik (Abbildung 1.8 – 4). Im Vergleich zum Vorjahr hat die Vakanzzeit in Medizin und
Pharmazie deutlich zugenommen, während sie im Ingenieurwesen und IT-Berufen zurückgegan-
gen ist. In dieser Entwicklung könnte sich die unterschiedliche Betroffenheit von Produzierenden
Berufen einerseits und Gesundheitsberufen andererseits durch die Pandemie widerspiegeln.
Auch die Transformation der Automobilbranche könnte zur rückläufigen Vakanzzeit von Ingeni-
eurberufen beigetragen haben. Die geschilderten Einflussfaktoren auf die Vakanzzeiten machen
jedoch eine eindeutige Interpretation der Daten schwierig.

Engpässe haben coronabedingt abgenommen
Auf Basis eines Indikatorensets, zu dem neben der Vakanzzeit beispielsweise die Arbeitsuchen-
den-Stellen-Relation, die berufsspezifische Arbeitslosenquote oder auch die Entwicklung des
Entgelts gehört, hat die Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2020 insge-
samt für 30 akademisch geprägte Berufe 5 einen Fachkräfteengpass ausgewiesen. Im Zuge der
Pandemie hat sich die Anzahl der Engpassberufe deutlich reduziert – im Vorjahr wurden noch
40 ermittelt (Abb. 1.8 – 5).

Engpässe zeigten sich vor allem in ärztlichen und pharmazeutischen Berufen. In IT-Berufen
schlägt sich die zunehmende Digitalisierung in Fachkräfteengpässen nieder. Des Weiteren tra-
ten in der Rechts- und Steuerberatung, im Versicherungswesen und in der Wirtschaftsprüfung
Besetzungsprobleme zu Tage. Auch die Berufsfelder Bau, Landschaftsbau, Automatisierungs-
und Elektrotechnik sowie Ver- und Entsorgung waren betroffen.

Die Engpassbewertung zeigt weitere Berufe auf, für die zwar kein Engpass erkannt wurde, aber
mit Blick auf die Altersstruktur der Beschäftigten und mögliche Effekte durch die Digitalisierung
Risiken erkannt wurden und die sozusagen unter Beobachtung sind. Dabei stehen hauptsächlich
soziale und lehrende Berufe in Fokus.

Differenzierte Informationen zu Fachkräfteengpässen im Jahr 2020, auch in nichtakademischen
Berufen, sind in der Fachkräfte-Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit zu finden. 6

5
    Berufsgattungen (Fünfsteller) der KldB 2010 mit Anforderungsniveau 4 - Experte
6
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                                                                                     Kapitel 1.8 – 5
Blickpunkt Arbeitsmarkt: Akademikerinnen und Akademiker – Kapitel 1.8

Abbildung 1.8. - 5

Engpassanalyse für 2020: Engpässe unter anderem in Medizin und
Informatik
Berufe mit Kennzeichen für einen Fachkräfteengpass
Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit 2020

  Informatikberufe (z.B. Softwareentwicklung, Technische Informatik, Bio-, Medizininformatik)
  Rechtsanwälte/-innen, Steuerberater/-innen, Versicherungskaufleute, Wirtschaftsprüfer/-innen
  Medizin und Pharmazie (z.B. Anästhesie, Chirurgie, Kinder-/Jugendmedizin)
  Bau, Landschaftsbau, Gebäudetechnik, Vermessungstechnik
  Automatisierungstechnik, Elektrotechnik
  Ver- und Entsorgung

      Außerdem:
  32 Berufe auf Spezialistenniveau (Meister, Techniker, Bachelor)
  69 Berufe auf Fachkräfteniveau (betriebliche oder schulische Berufsausbildung)

                                                                             Kapitel 1.8 – 6
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