2017-2021 Erwartungen des Deutschen Landkreistages an die Bundespolitik in der 19. Legislaturperiode - Deutscher Landkreistag

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2017-2021 Erwartungen des Deutschen Landkreistages an die Bundespolitik in der 19. Legislaturperiode - Deutscher Landkreistag
2017-2021
Erwartungen des Deutschen Landkreistages
                      an die Bundespolitik
              in der 19. Legislaturperiode
2017-2021 Erwartungen des Deutschen Landkreistages an die Bundespolitik in der 19. Legislaturperiode - Deutscher Landkreistag
Schriften            Band 130
des Deutschen        der Veröffentlichungen
Landkreistages       des Vereins für Geschichte
                     der Deutschen Landkreise e.V.

Herausgeber:         Deutscher Landkreistag
                     Berlin
Redaktion:           DLT-Pressestelle
Gesamtherstellung:   Gödecke+Gut, Berlin

ISSN 0503-9185
2017-2021 Erwartungen des Deutschen Landkreistages an die Bundespolitik in der 19. Legislaturperiode - Deutscher Landkreistag
VORWORT

Die 294 Landkreise in Deutschland haben im Mittel auch         Gemeinden ist daher dringend erforderlich, um überhaupt
in den letzten Jahren eine positive Entwicklung zu ver-        in die Zukunft investieren zu können. Das ist die Kerninten-
zeichnen. Zwar sagen die demografischen Prognosen trotz        tion der vorliegenden Forderungen.
gestiegener Zuwanderung Bevölkerungsverluste gerade
für die Gebiete außerhalb der großen Ballungszentren vo-       Darin nehmen die ländlichen Räume eine Schlüsselstel-
raus. Es gibt aber auch Gegenbewegungen hin zu vielen          lung ein – zehn der 25 Punkte befassen sich explizit mit
Kreisen. Die wirtschaftliche Stärke in der Fläche entwickelt   den Entwicklungsbedingungen der ländlichen Räume und
sich positiver denn je. Mittlerweile findet die Hälfte der     der Fläche: Es geht darum, die Landkreise als Wirtschafts-
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ihren Arbeits-      standorte voranzubringen, zudem geht es um Digitalisie-
platz nicht etwa in Berlin, Düsseldorf, München, Hamburg       rung und Flexibilisierung von Angeboten, um den Ausbau
oder in anderen Großstädten, sondern in Landkreisen wie        des schnellen Internets, um die Sicherstellung des Öffentli-
Teltow-Fläming, Steinfurt, Cham oder Segeberg.                 chen Nahverkehrs auf Straße und Schiene auch in entlege-
                                                               neren Gebieten, um attraktives Wohnen und Wirtschaften
Das ist ein Pfund, mit dem die Landkreise wuchern kön-         im Einklang mit der Umwelt, um eine flächendeckende
nen, das aber auch gepflegt werden muss. Zudem gilt es         medizinische Versorgung und um passende Förderanreize
für diejenigen Gebiete förderliche Bedingungen zu schaf-       bei Unternehmensansiedlungen.
fen, die an dieser guten wirtschaftlichen Entwicklung nur
unterdurchschnittlich partizipieren und oft gleichzeitig mit   Die Themen Digitalisierung und Breitbandausbau sind da-
Einwohnerverlusten umzugehen haben, die etwa auch              bei von besonderer Bedeutung, denn die Verfügbarkeit
die Finanzierung der öffentlichen Infrastrukturen auf eine     der Datenautobahnen hat sich in den letzten Jahren in
grundlegende Probe stellen. Ganz zentral muss es daher         globalisierten wirtschaftlichen, aber auch privaten Zusam-
darum gehen, das Heben wirtschaftlicher und sonstiger          menhängen zu einem harten Standortfaktor entwickelt,
regionaler Potenziale optimal zu unterstützen und den          dem man sich mit maximalem Einsatz widmen muss. Wer
rechtlichen sowie finanziellen Rahmen, in dem kommunale        neben anderen wichtigen Bereichen hier investiert – und
Gestaltung und Entwicklung stattfindet, daraufhin auszu-       dabei muss insbesondere der Bund kraftvoller denn je
richten.                                                       als Unterstützer in Erscheinung treten –, legt den Grund-
                                                               stein dafür, dass die ländlichen Räume auch in Zukunft
In den vom Präsidium des Deutschen Landkreistages am           wirtschaftlich gut dastehen und ihre vielfältigen Wachs-
15./16.5.2017 beschlossenen 25 Forderungen an die Bun-         tumspotenziale nutzen können. Daran wird der Deutsche
despolitik der Legislaturperiode von 2017-2021 geht es         Landkreistag in der neuen Legislaturperiode weiterarbei-
vor allem darum, für eine strukturell verbesserte Finanz-      ten und insgesamt gute Entwicklungsbedingungen für die
ausstattung der Kommunen entsprechend ihren Aufgaben           ländlichen Räume gegenüber dem Bund einfordern.
einzutreten. Denn die Förderung der wirtschaftlichen Ent-
wicklung, das Bestehen im regionalen Attraktivitätswett-
bewerb oder die Anpassung von Infrastruktur an veränder-       Berlin, im Juni 2017
te demografische Bedarfe kosten Geld und erfordern mehr
als punktuelle Finanzspritzen über Projektmittel, Investiti-
onshilfen und Modellvorhaben. Eigenentwicklung hat viel
mit Selbstbewusstsein und mit kommunaler Selbstverwal-
tung sowie Selbstverantwortung in Landkreisen und Ge-
meinden zu tun, die nicht in die Rolle als dauernde Nörg-
                                                               Prof. Dr. Hans-Günter Henneke
ler oder lästige Bittsteller gedrängt werden dürfen. Eine      Geschäftsführendes Präsidialmitglied
auskömmliche originäre Finanzausstattung der Kreise und        des Deutschen Landkreistages

                                                                                                                         3
2017-2021 Erwartungen des Deutschen Landkreistages an die Bundespolitik in der 19. Legislaturperiode - Deutscher Landkreistag
EINLEITUNG

2017-2021
Erwartungen des Deutschen Landkreistages an die Bundespolitik
in der 19. Legislaturperiode

Wir sind der kommunale Spitzenverband aller 294 deut-             sowie Leistungen für Asylbewerber,
schen Landkreise auf Bundesebene.                               • Leistungen für behinderte Menschen im Rahmen
                                                                  der Eingliederungshilfe,
Wir setzen uns insbesondere für die Belange der ländlichen      • Wohngeld, Schüler- und Meister-BAföG,
Räume und die Förderung der diesbezüglichen wirtschaft-         • Angebote der Kinder- und Jugendhilfe wie z. B. Kin-
lichen Entwicklungsbedingungen ein. In den ländlichen             derbetreuung und
Räumen                                                          • Integrationsleistungen für Flüchtlinge (allein 1,3
                                                                  Mio. in den Jahren 2015/2016)
    • erfolgt mit 1.212 Mrd. € knapp die Hälfte der ge-
      samten deutschen Bruttowertschöpfung,                  und geben dafür pro Jahr mehr als 31 Mrd. € aus.
    • erfolgt mit 361 Mrd. € mehr als die Hälfte der Brut-
      towertschöpfung im produzierenden Gewerbe,             Die Landkreise sind zentraler Akteur im Bildungsbe-
    • finden 50 % (= 15 Mio. Personen) der sozialversi-      reich als
      cherungspflichtig Beschäftigten ihren Arbeitsplatz,
      wobei dieser Anteil im Handwerk (63 % oder 2,4            • Träger von weiterführenden Schulen sowie von
      Mio.) und im verarbeitenden Gewerbe (63 % oder              Berufsschulen,
      4,2 Mio.) sogar noch größer ist.                          • Träger der Kreismusikschulen und vieler Volkshoch-
                                                                  schulen,
Die ländlichen Räume mit ihren mittelständischen Un-            • Träger von Museen,
ternehmen, starken Sparkassen vor Ort und einer hand-           • maßgebliche Gestalter der Schulentwicklungspla-
lungsfähigen kommunalen Selbstverwaltung tragen damit             nung und
entscheidend zu Deutschlands ökonomischer Stärke und            • Verantwortliche für die Schülerbeförderung.
Stabilität bei.
                                                             Wir vertreten mit den Landkreisen und ihren 250.000
Die Landkreise sichern die öffentliche Daseinsvorsorge       Mitarbeitern
und wichtige Infrastrukturen vor Ort und sorgen so für
attraktive Lebens- und Arbeitsbedingungen für Bürger und        • 55 Mio. Einwohner und damit 68 % der Bevölkerung
Unternehmen in der Fläche. So sind sie etwa                     • auf rund 96 % der Fläche Deutschlands,
                                                                • das sind drei Viertel der bundesgesetzlich angespro-
    • Träger von ca. 380 Krankenhäusern,                          chenen kommunalen Aufgabenträger, die als leis-
    • Träger von 259 der 398 Sparkassen und von 75 %              tungsstarke Einheiten mit einem Haushaltsvolumen
      der Zweigstellen,                                           von ca. 74 Mrd. € die maßgeblichen Gestalter in der
    • Träger der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung          Fläche und in den ländlichen Räumen darstellen.
      und Umweltbehörden mit Zuständigkeiten für sau-
      bere Luft, Böden und Gewässer,                         Wir blicken in der zu Ende gehenden Legislaturperiode ins-
    • verantwortlich für den Erhalt und den Ausbau der       besondere auf ein erfolgreiches Jahr 2016 zurück, in dem
      91.700 km an Kreisstraßen, was einem Anteil von 40 %   auf Bundesebene viel für die Landkreise erreicht worden ist.
      des überörtlichen Straßennetzes entspricht,            Das betrifft vor allem die Stärkung der Kommunalfinanzen
    • Träger des Öffentlichen Personennahverkehrs und        um jährlich 5 Mrd. € ab 2018. Wir können mit diesem Zwi-
    • Eigentümer hochleistungsfähiger Breitbandnetze.        schenergebnis zufrieden sein, allerdings muss in strukturel-
                                                             ler Hinsicht, aber auch quantitativ bei weitem mehr für die
Die Landkreise erbringen wichtige Sozialleistungen           Kommunalfinanzen erreicht werden, denn: Über kurz oder
für ihre Bürger wie z. B.                                    lang bleibt es dabei, dass es um die finanzielle Ausstattung
                                                             der Landkreise, Städte und Gemeinden dem Grunde nach
    • Regel-, Eingliederungs- und psychosoziale Leis-        nicht gut bestellt ist – zu hoch sind die Kassenkredite und zu
      tungen der Jobcenter für SGB II-Empfänger sowie        gering ist die Investitionskraft aufgrund struktureller Unter-
      Wohnkosten,                                            finanzierung. Es ist daher höchste Zeit, strukturell und dau-
    • Leistungen der Sozialämter im Rahmen der Hilfe         erhaft etwas für die Landkreise, Städte und Gemeinden zu
      zum Lebensunterhalt, der Grundsicherung im Al-         tun, statt immer wieder nur punktuell die größten Löcher
      ter und bei Erwerbsminderung, der Hilfe zur Pflege     zu stopfen.

4
EINLEITUNG

   Kostentragung Sozialausgaben auf kommunaler Ebene

                                                                                         Landkreise 45,80 %
                                                                                         entspricht 27,1 Mrd. €

          kreisfreie Städte 29,20 %            Höhere Kommunalverbände                   kreisangehörige Gemeinden 6,10 %
          entspricht 17,2 Mrd. €               in einigen Bundesländern 18,90 %          entspricht 3,6 Mrd. €
                                               entspricht 11,1 Mrd. €

Wir wollen optimale Entwicklungsbedingungen für die             eine Erhöhung des kommunalen Umsatzsteueranteils
Menschen in der Fläche und eine Stärkung der ländli-            erfolgen. Darin müssen auch die Landkreise einbezogen
chen Räume. Die deutsche Wirtschaftsstruktur ist nicht          werden, die bislang nicht an den großen Kommunalsteu-
nur sehr mittelständisch geprägt, sondern zeichnet sich         ern partizipieren, aber im kommunalen Bereich den bei
vor allem auch durch eine starke dezentrale Verankerung         weitem größten Anteil der Sozialausgaben zu tragen
aus. Von den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten         haben. Das ist eine Unwucht, die zu Beginn der neuen
findet über die Hälfte ihren Arbeitsplatz in den ländlichen     Legislaturperiode angegangen werden muss.
Räumen. Auf dieses Potenzial gilt es aufzubauen. Deshalb
müssen die flächenbezogenen Belange seitens des Bundes          Gerade in Anbetracht weiter stark aufwachsender Sozial­
weiter gebündelt werden, und zwar in einem kompeten­            ausgaben, kommunaler Investitionserfordernisse etwa in
ziell aufzuwertenden Ministerium für die ländliche Ent-         Schulen und Digitalisierung sowie im Zusammenhang mit
wicklung, das daneben auch für Ernährung und Landwirt-          der Integration von Flüchtlingen wird die gestaltende Rolle
schaft verantwortlich ist.                                      der Landkreise, Städte und Gemeinden für unser Gemein-
                                                                wesen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Fort-
Wir wollen eine für alle Kommunen aufgabengerech­               schritt weiter zunehmen. Dafür benötigen sie entsprechend
tere Steuerverteilung, die nicht nur diejenigen begüns-         ausgestattete kommunale Haushalte.
tigt, die wirtschaftsstark sind. Das kann und muss über

                                                                                                                            5
Die deutschen Landkreise
    Verwaltungsgrenzen, Stand: 1.11.2016

6
FORDERUNGEN

Die nachfolgenden 25 Forderungen richten wir an die
Bundespolitik in der 19. Legislaturperiode (2017-2021):

1.   Kommunale Umsatzsteuerbeteiligung            17. Rolle der Kommunen in der Pflege stärken
     erhöhen und neu justieren
                                                  18. Vorgelagerte Sicherungssysteme inklusiv
2.   Koordinierungsstelle der Bundesregierung         ausgestalten
     für kommunale Belange einrichten
                                                  19. Kommunale Mehrkosten durch
3.   Gewerbe- und Körperschaftsteuer gerecht          Bundesteilhabegesetz und
     verteilen                                        Pflegestärkungsgesetze kompensieren

4.   Bankenregulierung: Keine Gefährdung der      20. Eingliederung in Arbeit unterstützen und
     kommunalen Sparkassen zulassen                   SGB II-Leistungsrecht vereinfachen

5.   Europäische Zinspolitik: Negativzinsen       21. Ausbau der Kindertagesbetreuung weiter
     beenden                                          forcieren

6.   Ländliche Räume als Wirtschaftsstandorte     22. Medizinische Versorgung überall
     voranbringen                                     sicherstellen

7.   Förderung durch die Gemeinschaftsaufgaben    23. Krankenhäuser in der Fläche halten
     schlagkräftiger machen
                                                  24. Koordinierende Rolle des öffentlichen
8.   EU-Förderung stärker auf den ländlichen          Gesundheitsdienstes stärken
     Raum zuschneiden
                                                  25. Zahl der kommunalen Vertreter im
9.   Breitbandausbau intensivieren                    Ausschuss der Regionen erhöhen

10. Digitalisierungsoffensive starten

11. Verkehrsanbindung und ÖPNV in der Fläche
    sichern

12. Attraktives Wohnen in ländlichen Räumen
    befördern

13. Wirtschaftliche und ökologische Entwicklung
    in der Fläche ermöglichen

14. Strukturen der Flüchtlingsintegration
    verbessern

15. Asyl- und Ausländerrecht konsequenter
    ausgestalten

16. Unterkunftskosten für Flüchtlinge auch nach
    2018 dauerhaft übernehmen

                                                                                                 7
FORDERUNGEN

Finanzielles Fundament der Kommunen                                                                               rufen, eine grundlegendere Weichenstellung zur Sicherung
stärken                                                                                                           zukunftsfähiger Kommunalfinanzen nach Maßgabe der
                                                                                                                  Ausgabenbelastung der Kreise, Städte und Gemeinden ins-
1. Kommunale Umsatzsteuerbeteiligung                                                                              besondere bei den Soziallasten vorzunehmen.
   erhöhen und neu justieren
                                                                                                                  Wir fordern vom Bund, eine deutliche Anhebung des
Der Bund hat in der 18. Legislaturperiode in vielfältiger Wei-                                                    kommunalen Anteils am Umsatzsteueraufkommen vor-
se Maßnahmen ergriffen, um die Kommunen finanziell zu                                                             zunehmen. Zur Gewährleistung der Aufgabengerechtigkeit
unterstützen. Hierzu nutzte er bislang insbesondere den                                                           muss dabei der bislang wirtschaftskraftabhängig ausgestalte-
Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft im Rahmen des                                                           te Verteilungsschlüssel für die kommunalen Ebenen – wie
SGB II (KdU) und zuletzt auch den kommunalen Anteil an der                                                        bei Ländern seit Jahrzehnten erfolgreich praktiziert – durch ei-
Umsatzsteuer. Der Entlastungspfad der Erhöhung der Bun-                                                           nen einwohnerbasierten Schlüssel, der belastungsorientiert
desbeteiligung an den KdU kann allerdings nur um den Preis                                                        gewichtet und ausgestaltet werden kann, ersetzt werden.
der weder vom Bund noch von den Landkreisen gewollten
Bundesauftragsverwaltung fortgeführt werden, die nach                                                             Wir fordern vom Bund, bei finanzieller Beteiligung an
geltender Verfassungsrechtslage eintritt, wenn der Bund die                                                       von den Kommunen ausgeführten Geldleistungsgesetzen
Hälfte oder mehr der Ausgaben trägt. Zudem ändern Bun-                                                            weiterhin ein Umschlagen in Bundesauftragsverwal-
desinvestitionshilfen wie über das Kommunalinvestitions-                                                          tung zu verhindern. Dies könnte auch durch eine Ver-

     Entwicklung des Kassenkreditbestands
     und des Finanzierungssaldos der Landkreise
     (in Mrd. €)

     8,00

     6,00

     4,00

     2,00

     0,00

    -2,00
                                                                                                                                                                                                                 (Prognose)
     Mrd. €

              2000        2001        2002        2003        2004       2005         2006        2007       2008        2009        2010        2011        2012        2013        2014        2015        2016

                     Kassenkreditbestand zum 31. Dezember                         Finanzierungssaldo

     Quelle: Eigene Darstellung nach Daten der Fachserie 14, verschiedene Reihen, des Statistischen Bundesamtes (bis 2014 Rechnungsergebnisse), verschiedene Jahrgänge sowie auf Basis der Haushaltsumfrage des DLT.

förderungsgesetz nichts an den Ursachen unterbliebener                                                            schiebung dieser Grenze in Art. 104a Abs. 3 S. 2 GG etwa
Investitionen, die in der strukturellen Unterfinanzierung der                                                     auf 75 % statt wie bisher auf 50 % bewirkt werden. Ge-
Kommunen liegen. Es ist deshalb höchste Zeit, statt situa-                                                        nerell muss sichergestellt werden, dass Sozialleistungen,
tionsbezogen immer wieder nach neuen Bundeshilfen zu                                                              die nach individuellen Bedarfen und nach unterschiedlichen

8
FORDERUNGEN

Gegebenheiten vor Ort gewährt werden, auch bei einer an-                                                                                      3. Gewerbe- und Körperschaftsteuer gerecht
teiligen Finanzierung durch den Bund in kommunaler Ge-                                                                                           verteilen
staltungsverantwortung erbracht werden.
                                                                                                                                              Die deutsche Wiedervereinigung liegt mittlerweile fast 27
                                                                                                                                              Jahre zurück. Demzufolge laufen die mit der Deutschen
 Ausgaben der Landkreise für Soziale Leistungen                                                                                               Einheit im Zusammenhang stehenden Sonderregelungen
 (in Mrd. Euro)                                                                                                                               perspektivisch aus. Nach geltender Rechtslage soll dazu u.
                                                                                                                                              a. ab 2020 der für die Gemeinden der alten Länder erhöhte
  30,00                                                                                                                                       Landesvervielfältiger bei der Gewerbesteuerumlage um 29
                                                                                                                                              Prozentpunkte gesenkt werden.

  25,00                                                                                                                                       Wir fordern vom Bund, an der Absenkung des Lan-
                                                                                                                                              desvervielfältigers für die alten Länder bei der Gewer-
  20,00                                                                                                                                       besteuerumlage festzuhalten. Die seinerzeitigen Zusagen
                                                                                                                                              sind einzuhalten.

  15,00                                                                                                                                       Außerdem werden bislang die Standorte von Unterneh-
                                                                                                                                              menszentralen mit ihren hohen Manager- und Verwal-
  10,00                                                                                                                                       tungsgehältern bei der Verteilung der Gewerbesteuer
                                                                                                                                              und der Körperschaftsteuer dadurch bevorzugt, dass das
                                                                                                                                              Aufkommen an diesen Steuern nach Arbeitslöhnen verteilt
   5,00                                                                                                                                       wird.
                                                                                                                                 (Prognose)

   0,00                                                                                                                                       Wir fordern vom Bund, dafür Sorge zu tragen, dass bei
                                                                                                                                              mehreren Betriebsstätten von Unternehmen die Gewerbe-
          2000
                 2001
                        2002
                               2003
                                      2004
                                             2005
                                                    2006
                                                           2007
                                                                  2008
                                                                         2009
                                                                                2010
                                                                                       2011
                                                                                              2012
                                                                                                     2013
                                                                                                            2014
                                                                                                                   2015
                                                                                                                          2016

                                                                                                                                              steuer und die Körperschaftsteuer dorthin fließen, wo
                                                                                                                                              die Wertschöpfung stattfindet. Dazu ist eine Verteilung
                                                                                                                                              nach Arbeitskräften notwendig.

2. Koordinierungsstelle der Bundesregierung für                                                                                               4. Bankenregulierung: Keine Gefährdung der
   kommunale Belange einrichten                                                                                                                  kommunalen Sparkassen zulassen

Für sämtliche kommunalrelevanten Gesetzgebungsvorhaben                                                                                        Die fortdauernde Durchregulierung des Bankenmarktes mit
und Maßnahmen des Bundes ist eine bestmögliche Abstim-                                                                                        Regeln, die für global und risikoreich agierende Institute
mung in Bezug auf die Interessen von Landkreisen, Städten                                                                                     und für Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken glei-
und Gemeinden notwendig. Die bisherigen Beteiligungs-                                                                                         chermaßen gelten, ist für die kleinen Institute vor Ort, die
rechte der kommunalen Spitzenverbände reichen nicht aus,                                                                                      insbesondere in der Fläche die Finanzierung der dort stark
um zu einer in sich stimmigen Politik des Bundes in Bezug                                                                                     verankerten stabilen mittelständischen Wirtschaft sicher-
auf die kommunale Ebene zu gelangen.                                                                                                          stellen, unangemessen und auf Dauer existenzgefährdend.
                                                                                                                                              Sowohl durch die risikoundifferenzierte und den Kommu-
Wir fordern vom Bund, eine Koordinierungsverant-                                                                                              nalkredit für die Institute unattraktiv machende Kennziffer
wortlichkeit innerhalb der Bundesregierung für kom-                                                                                           der Leverage Ratio als auch durch Überlegungen, die sog.
munale Belange beim Staatsminister für die Bund-Län-                                                                                          Staatenforderungen der Kreditinstitute mit Eigenkapital zu
der-Koordinierung im Kanzleramt einzurichten. Bei der                                                                                         hinterlegen, drohen eine Verteuerung des Kommunalkre-
Flüchtlingsfrage hat sich die Koordinierung im Kanzleramt                                                                                     dits und ein Unterlaufen der Bemühungen zur Stärkung der
sehr bewährt.                                                                                                                                 kommunalen Investitionstätigkeit.

Die kommunalen Spitzenverbände sind mit verbindlichen                                                                                         Wir fordern vom Bund, sich gegenüber europäischen Ins-
Beteiligungsrechten ausgestattet, um eine unmittelba-                                                                                         titutionen weiterhin für den Erhalt der besonderen Struktur
re frühzeitige Einbeziehung bei Gesetzgebungsvorhaben                                                                                         deutscher Sparkassen, Genossenschaftsbanken und ande-
und Maßnahmen mit kommunalem Bezug sicherzustellen.                                                                                           rer öffentlich-rechtlicher Banken einzusetzen. Es ist durch
Dennoch ist auch in der laufenden Legislaturperiode diese                                                                                     Änderung der EU-Eigenkapitalrichtlinie (CRD) sicherzu-
Beteiligung oftmals und von zahlreichen Ressorts nicht aus-                                                                                   stellen, dass Vertretern von Trägern einer Sparkasse oder
reichend beachtet worden. Wir fordern deshalb eine ver-                                                                                       einer anderen öffentlich-rechtlichen Bank, die regelmäßig
bindliche Beteiligung mit einer mindestens sechswöchigen                                                                                      aus der Lokalpolitik oder aus dem öffentlichen Dienst stam-
Frist. Nur so sind kommunale Praxiserfahrungen repräsenta-                                                                                    men, nicht allein aufgrund dieser Tatsache Interessenkon-
tiv zu ermitteln und wirksam einzubringen.                                                                                                    flikte und daher die fehlende Unvoreingenommenheit und

                                                                                                                                                                                                        9
FORDERUNGEN

10
FORDERUNGEN

Integrität unterstellt werden. Die Anforderungen an die klei-   Neue verwaltungsaufwändige Belastungen dürfen nur dort
neren Institute müssen gelockert und nach Institutsgröße        zugelassen werden, wo es zwingend erforderlich ist, und
und Risiko differenziert werden. Ein System europäischer        müssen von einer Entlastung an anderer Stelle begleitet
Einlagensicherung darf nicht weiterverfolgt werden, so-         werden. Außerdem müssen die flächenbezogenen Belan-
lange nicht alle Mitgliedstaaten die Regeln der Bankenuni-      ge seitens des Bundes weiter gebündelt werden, und zwar
on vollständig umgesetzt haben sowie sichergestellt ist,        in einem kompetenziell aufzuwertenden Ministerium für
dass eine Vergemeinschaftung der Risiken nicht stattfin-        die ländliche Entwicklung, das daneben auch für Ernäh-
det und eine angemessene Berücksichtigung des Systems           rung und Landwirtschaft verantwortlich ist.
der Institutssicherung erfolgt. Bei den Plänen zur Eigen-
kapitalunterlegung von Staatenforderungen ist zumindest
eine risikoorientierte Differenzierung zwischen den             7. Förderung durch die Gemeinschaftsaufgaben
Mitgliedstaaten und die Möglichkeit zu erhalten, die nach-         schlagkräftiger machen
geordneten Gebietskörperschaftsebenen weiterhin wie
die Zentralebene einzustufen. Die bestehenden Großkre-          Eine gezielte Förderung der wirtschaftlichen Potenziale in
ditregeln bezogen auf staatliche Schuldner dürfen nicht         der Fläche und in den ländlichen Räumen ist mit den Förder-
verändert werden.                                               instrumenten der Gemeinschaftsaufgaben „Verbesserung
                                                                der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) sowie „Agrar-
                                                                struktur und Küstenschutz“ (GAK) derzeit nicht ausreichend
5. Europäische Zinspolitik: Negativzinsen                       möglich.
   beenden
                                                                Wir fordern vom Bund, die GAK durch eine Verfassungs-
Die aktuelle Zinspolitik der Europäischen Zentralbank           änderung zu einer „Gemeinschaftsaufgabe Ländliche
schafft für die Anleger, aber auch die Landkreise und ihre      Entwicklung, Agrarstruktur und Küstenschutz“ weiter-
Sparkassen vielfältige Problemlagen. Einlagen dürfen nicht      zuentwickeln und finanziell beträchtlich aufzustocken. Das
durch Strafzinsen dezimiert werden. Negativzinsen dürfen        Förderspektrum des ELER ist dabei umfassend auszuschöp-
auch nicht den öffentlichen Auftrag der kommunalen Spar-        fen und es muss die Unterstützung nicht-landwirtschaftlicher
kassen gefährden, die Versorgung der Bevölkerung und            Kleinbetriebe mit bis zu 50 Beschäftigten und max. 10 Mio.
Wirtschaft mit Finanzdiensten sicherzustellen sowie den         € Umsatz ermöglicht werden. Die Erfahrungen aus Modell-
Sparsinn und die Vermögensbildung zu fördern.                   vorhaben zur ländlichen Entwicklung sollten in die GAK
                                                                überführt sowie die Fördermöglichkeiten der GRW für In­
Wir fordern vom Bund, darauf hinzuwirken, die europä-           frastrukturmaßnahmen zur Verkehrsanbindung und Breitb-
ische Niedrig- und Negativzinspolitik zügig zu beenden. ■       anderschließung behutsam geöffnet werden. Die inhaltliche
                                                                Koordinierung der Förderprogramme auf Bundesebene sollte
                                                                über eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Feder-
                                                                führung des Bundeskanzleramts sowie unter Einbindung der
Gute Entwicklungsbedingungen für die                            kommunalen Spitzenverbände sichergestellt werden.
Menschen in der Fläche

6. Ländliche Räume als Wirtschaftsstandorte
   voranbringen                                                   Anteil der Fläche (Landkreise) an der Wirtschaftskraft
                                                                  der deutschen Volkswirtschaft - Bruttowertschöpfung
Die deutsche Wirtschaftsstruktur ist nicht nur sehr mittel-
ständisch geprägt, sondern zeichnet sich vor allem auch           Bruttowertschöpfung (2014)                            ... im produzierenden Gewerbe
durch eine starke dezentrale Verankerung aus. Knapp die           (2.623 Mrd. €)                                        (674 Mrd. €)

Hälfte der Bruttowertschöpfung Deutschlands wird in den                                                       80 %
                                                                                                                              436
                                                                       1.488
ländlichen Räumen erwirtschaftet und sogar nahezu zwei                 Mrd. €
                                                                                                                             Mrd. €
                                                                                                                                                  361
                                                                                                              60 %
Drittel der Beschäftigten im produzierenden Gewerbe und                                      1.212                                               Mrd. €
                                                                                             Mrd. €
im Handwerk finden hier ihren Arbeitsplatz.
                                                                                                              40 %
                                                                                    332                                                  89
Wir fordern vom Bund, die Potenziale der ländlichen Räu-                           Mrd. €                                               Mrd. €
                                                                                                              20 %
me als unverzichtbare Wirtschaftsstandorte gleichberech-
tigt zu den urbanen Zentren zu fördern. Insbesondere das              56,7 % 12,7 % 46,2 %                                   64,6 % 13,3 % 53,6 %
                                                                                                               0%
Handwerk ist als Stabilitätsanker auch für wirtschaftlich
                                                                             Landkreise (insg.)                im verdicht. Raum                 ländl. Raum
schwächere Räume mit einem gezielten Förderprogramm,
das auch die Digitalisierung berücksichtigt, zu stärken. Da-
                                                                  Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Daten vom DESTATIS,
rüber hinaus sind weitere Hürden durch gezielten Stan-            räumliche Abgrenzung auf Basis der Thünen-Typisierung nach Küpper 2016.
dardabbau und Deregulierung (z. B. der immer weiter
zunehmenden Dokumentationspflichten) zu reduzieren.

                                                                                                                                                               11
FORDERUNGEN

  Anteil der Fläche (Landkreise) an der Wirtschaftskraft                                              werden dürfen. Zwingend ist die Förderbürokratie auf eu-
  der deutschen Volkswirtschaft - Beschäftigte                                                        ropäischer Ebene abzubauen. Für eine bedarfsgerechte Mit-
                                                                                                      telverwendung sind den Landkreisen Gestaltungs- und Ent-
                                                                                                      scheidungskompetenzen in Abstimmung mit den Gemeinden
     Sozialversicherungspflichtig                          ... im verarbeitenden Gewerbe
     Beschäftigte am Arbeitsort (2014)                     (6,6 Mio.)                                 zuzuordnen. Für die Maßnahmen der ländlichen Entwicklung
     (30 Mio.)                                                                                        sind den Landkreisen aus den europäischen Investitionsfonds
                                                 80 %                                                 Regionalbudgets bereit zu stellen.
                                                                4,8 Mio.
                                                 70 %                                   4,2 Mio.
          17,8 Mio.
                                                 60 %
                                  15,2 Mio.
                                                 50 %                                                 9. Breitbandausbau intensivieren
                                                 40 %                                                 Flächendeckende Glasfaserinfrastrukturen und hochleis-
                                                 30 %                                                 tungsfähige Mobilfunknetze sind die notwendige Basis
                       3,4 Mio.
                                                 20 %                       0,79 Mio.                 dafür, dass auch in den ländlichen Räumen die das Leben
                                                 10 %                                                 in der Gigabit-Gesellschaft prägenden Dienste aus den Be-
          59,1 % 11,1 % 50,5 %                                  72,3 % 12,0 % 62,8 %
                                                  0%                                                  reichen E-Health, E-Learning oder E-Government genutzt
                                                                                                      werden können. Auch die Landwirtschaft sowie fortschritt-
     ... im Handwerk                                       Bevölkerung 2014                           liche Anwendungen wie das autonome Fahren benötigen
     (3,7 Mio.)                                            (81,2 Mio.)
                                                 80 %
                                                                                                      diese Infrastrukturen, die insofern Voraussetzung für die
          2,6 Mio.
                                                 70 %
                                                                55,2 Mio.                             Zukunftsfähigkeit der ländlichen Räume sind. Eine Vielzahl
                                  2,4 Mio.
                                                 60 %
                                                                                        46,3 Mio.     von Landkreisen hat das Breitbandförderprogramm des
                                                 50 %                                                 Bundes genutzt, um eigene, hochleistungsfähige Breit-
                                                 40 %                                                 bandnetze – in der Regel auf Glasfaserbasis – zu errichten
                                                 30 %                                                 oder Telekommunikationsunternehmen bei der Errichtung
                      0,39 Mio.                  20 %                       10,3 Mio.                 kreisweiter Netze zu unterstützen. Es ist allerdings abseh-
          70,7 % 10,5 % 62,8 %
                                                 10 %
                                                                68,0 % 12,7 % 57,1 %
                                                                                                      bar, dass die zur Verfügung gestellten Fördermittel nicht
                                                  0%                                                  genügen, um alle Betriebe und Haushalte in der Fläche ent-
                  Landkreise (insg.)              im verdicht. Raum                     ländl. Raum   sprechend zu versorgen.

     Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Daten vom DESTATIS,
                                                                                                      Wir fordern vom Bund, dass Förderungen zum Breit-
     räumliche Abgrenzung auf Basis der Thünen-Typisierung nach Küpper 2016.                          bandausbau fortentwickelt und so dotiert werden, dass
                                                                                                      in allen Landkreisen flächendeckende, hochleistungsfähige
                                                                                                      Breitbandnetze als wichtiges Element der Daseinsvorsorge
                                                                                                      vor Ort entstehen können. Die Förderung muss sich vor
8. EU-Förderung stärker auf den ländlichen                                                            allem auf die Errichtung von Glasfasernetzen konzentrie-
   Raum zuschneiden                                                                                   ren und alle gängigen Formen (Deckungslückenmodell und
                                                                                                      kommunales Betreibermodell) gleich behandeln. Zudem ist
Bei der anstehenden Neuausrichtung der EU-Förderpoli-                                                 eine Praxis des sog. „Rosinenpickens“ effektiv zu verhin-
tiken muss die Stabilisierungsfunktion einer räumlich de-                                             dern: Dies setzt in einem ersten Schritt voraus, dass das
zentral aufgestellten Wirtschaft stärkere Berücksichtigung                                            Markterkundungsverfahren rechtsverbindlich ausgestaltet
finden.                                                                                               wird. Unternehmen, die keine Ausbauabsichten bekunden,
                                                                                                      müssen für einen befristeten Zeitraum an einer eigenwirt-
Wir fordern vom Bund, sich für eine Aufrechterhaltung des                                             schaftlichen Erschließung nur der lukrativen Bereiche eines
bisherigen Förderniveaus und eine gleichberechtigte För-                                              Fördergebiets gehindert werden. Darüber hinaus sind die
derung der ländlichen Räume einzusetzen. Bisher förderfä-                                             rechtlichen Grundlagen dafür zu schaffen, dass in schwer zu
hige Gebiete dürfen nach dem Austritt Großbritanniens nicht                                           versorgenden Gebieten exklusive Rechte („Konzessionen“)
aufgrund des statistischen Effekts ausgeschlossen werden.                                             zur Errichtung und zum Betrieb flächendeckender Glasfa-
Bei der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) muss es weiterhin                                              serinfrastrukturen vergeben werden können. Die Vergabe
eine kraftvolle 1. Säule sowie gleichzeitig eine Stärkung der                                         muss auf der Grundlage fairer und diskriminierungsfreier
agrarsektorübergreifenden Förderung der ländlichen                                                    Auswahlverfahren beruhen und zeitlich beschränkt erfol-
Entwicklung in der 2. Säule (ELER) geben. Vor dem Ab-                                                 gen. Die so errichteten Infrastrukturen müssen allen Dienste-
schluss einer neuen Partnerschaftsvereinbarung und für die                                            anbietern offen stehen. Schließlich müssen im Rahmen der
Programmierung der neuen Förderperiode müssen alle                                                    Vergabe der Frequenzen für den Ausbau von Mobilfunk-
maßgeblichen Fonds-Verordnungen als endgültige Texte vor-                                             netzen der nächsten Generation (5G) Auflagen zur flä-
liegen. Alle strategischen Ziele der Fonds-Verordnungen müs-                                          chendeckenden Versorgung ausgesprochen werden. Eine
sen uneingeschränkt auch für Deutschland gelten. Die Mittel                                           digitale Spaltung ist von vorneherein zu vermeiden. Des-
der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI)                                                halb wird es auch nicht ausreichen, allein auf die Kräfte des
müssen in ländlichen Räumen insbesondere für den weiteren                                             Marktes zu vertrauen.
Ausbau der Breitband- und Verkehrsinfrastruktur eingesetzt

12
FORDERUNGEN

  Breitbandverfügbarkeit in Deutschland                                                                 Länderportalen einzubeziehen.
  Je Bandbreitenklasse für alle Technologien
                                                                                                        Auch die Daten der Bürger sollten dezentral über die Porta-
                                                                                                        le der Kommunen vorgehalten werden; das ist nicht zuletzt
  100
                                                                                                        ein Beitrag auch zum Datenschutz. Wenn Daten in bundes-
             99,9 %

                             99,9 %

                                                                                                        weiten, zentralen Registern wie z. B. dem Ausländerzent-
                                            98,8 %
   90
                                                                                                        ralregister abgelegt werden, muss gewährleistet sein, dass

                                                            89,5 %
   80
                                                                                                        alle Behörden auf diese Daten zugreifen können, am besten

                                                                            83,0 %
   70                                                                                                   im Wege eines automatisierten Datenaustauschs auf der

                                                                                           75,5 %
                                                                                                        Grundlage einheitlicher Standards.
   60

   50                                                                                                   Zudem sollten die Steuermittel im Rahmen der Strategie
                                                                                                        „Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesell-
   40
                                                                                                        schaft“ ausschließlich den Schulaufwandsträgern zu Gute
   30                                                                                                   kommen.

   20

   10                                                                                                   11. Verkehrsanbindung und ÖPNV in der Fläche
                                                                                                            sichern
    0
          ≥ 1 Mbit/s      ≥ 2 Mbit/s     ≥ 6 Mbit/s     ≥ 16 Mbit/s ≥ 30 Mbit/s ≥ 50 Mbit/s
                                                                                                        Grundvoraussetzung für eine weiterhin starke Wirtschaft in
                       Verfügbarkeit (% der Haushalte) je Breitbandklasse
                                                                                                        der Fläche ist die Sicherstellung einer den Bedürfnissen ent-
                                                                                                        sprechenden verkehrlichen Anbindung. Die Anstrengungen
  Quelle: BMVi/TÜV Rheinland, Aktuelle Breitbandverfügbarkeit in Deutschland (Stand Ende 2016), S. 4.   des Bundes für die Sanierung und den weiteren Ausbau ver-
                                                                                                        kehrswichtiger Straßen müssen fortgesetzt werden. Dabei
                                                                                                        ist auch für den ländlichen Raum ein leistungsfähiges Stra-
10. Digitalisierungsoffensive starten                                                                   ßennetz zu gewährleisten. Gerade in den ländlichen Räu-
                                                                                                        men ist der ÖPNV zudem Teil der Daseinsvorsorge und muss
Die Digitalisierung betrifft vielfältige Handlungsfelder. Gera-                                         als maßgebliches Element der Alltagsmobilität erhalten und
de für die ländlichen Räume werden durch Digitalisierung                                                gestärkt werden.
neue (dezentrale) Produktions- und Vertriebsmodelle mög-
lich, die helfen können, Standortnachteile an anderer Stelle                                            Wir fordern vom Bund, beim Aus-, Neu- und Umbau
auszugleichen. Zudem können auch im Dienstleistungssek-                                                 auch die „Flächenadern“ und nicht nur die „Hauptadern“
tor neue Arbeitsplätze geschaffen werden, u. a. durch mo-                                               zu stärken. Die Gestaltungsmöglichkeiten der ÖPNV-Aufga-
derne Telearbeitsplätze und „Satellitenbüros“. Gleichzeitig                                             benträger sind im Rahmen des geltenden Personenbeförde-
bietet die Digitalisierung Chancen bei der Sicherstellung der                                           rungs- und Vergaberechts durch Streichung der derzeiti-
Daseinsvorsorge und der Verwaltungsmodernisierung.                                                      gen Regelungen im Personenbeförderungsgesetz (PBefG)
                                                                                                        zum Vorrang „eigenwirtschaftlicher“ Verkehre abzu-
Wir fordern vom Bund, dass intelligente Infrastrukturen                                                 sichern. Der bestehende Behördendualismus aus Aufgaben-
so ausgestaltet werden, dass kommunale Handlungsmög-                                                    träger und Genehmigungsbehörde ist zu beenden. Es ist
lichkeiten gesichert werden. Bei der Digitalisierung gilt es                                            jedoch zumindest zu gewährleisten, dass „eigenwirtschaftli-
stärker den ländlichen Raum in den Blick zu nehmen, um die                                              che“ Angebote stets an den gleichen qualitativen Anfor-
Stärken als Wohn- und Wirtschaftsstandort neben dem nö-                                                 derungen wie gemeinwirtschaftliche Angebote zu messen
tigen Ausbau der Glasfaserinfrastruktur auch durch prakti-                                              sind, v. a. bezogen auf das preisgünstigere (zuschussfreie)
sche Anwendungen in der Daseinsvorsorge, bei der Bildung,                                               bzw. das bessere/wirtschaftlichere Angebot. Überdies müs-
der Wirtschaftsförderung und der Verwaltungsleistungen                                                  sen Sanktionierungsmöglichkeiten für einen Verstoß
zu stärken. Dazu gehört insbesondere, dass der Zugang zu                                                gegen Zusicherungen eingeführt werden. Auch muss im
elektronischen Verwaltungsleistungen vorrangig über die                                                 PBefG eine vom ÖPNV-Aufgabenträger im Rahmen der Di-
vielfältigen Portale erfolgt, die bei den Landkreisen und an-                                           gitalisierung gesteuerte flexible Einbeziehung gewerblicher
deren Kommunen bestehen, da diese für die meisten die-                                                  und privater Mitnahmemöglichkeiten ermöglicht und
ser Leistungen zuständig sind. Diese Zuständigkeitsordnung                                              durch steuerliche Erleichterungen o. ä. entsprechende An-
muss erkennbar bleiben und darf nicht durch die Schaf-                                                  reize für ein ehrenamtliches Engagement gefördert werden.
fung eines übergeordneten Portals des Bundes verschleiert
werden. Auch für eine durchgängig medienbruchfreie                                                      Zudem ist – insbesondere mit Blick auf die Einhaltung der
Vorgangsbearbeitung ist es wichtig, die auf kommunaler                                                  ambitionierten Klimaschutzziele – die Alltagstauglichkeit von
Ebene bestehenden fachlichen Zuständigkeiten bei der Aus-                                               Elektromobilität und regionalen Energiekreisläufen gerade
gestaltung von Portalen einzubeziehen. Das schließt es nicht                                            auch in der Fläche zu erproben. Dazu gehören der Aufbau ei-
aus, kommunale Portale in einen Verbund von Bundes- und                                                 ner adäquaten Ladeinfrastruktur, verbesserte Reichweiten und

                                                                                                                                                                  13
FORDERUNGEN

angemessene Preise. Die regionale Schieneninfrastruktur           duale Entsorgungssystem für Verpackungen nicht bewährt
sollte durch ein besonderes Sonderprogramm im Verkehrsetat        hat, ist den Landkreisen im Rahmen eines Wertstoffgeset-
bei deutlich verkürzten Planfeststellungsverfahren ertüchtigt     zes die Zuständigkeit für die gemeinsame Sammlung sämtli-
und modernisiert sowie – auch mit besonderem Blick auf die        cher wertstoffhaltiger Abfälle einschließlich der Verpackun-
Erreichung der Klimaschutzziele – soweit möglich elektrifiziert   gen zu übertragen. Die Möglichkeit von Unternehmen, u.
werden. Auf den verbleibenden Schienenwegen ohne Elekt-           a. Alttextilien freiwillig zurückzunehmen und damit den
rifizierung müssen alternative Antriebe, z. B. mit Wasserstoff,   öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu entziehen, ist
unterstützt werden. Bevor grundlegende verkehrspolitische         zu begrenzen.
Änderungen und eine Abkehr vom Verbrennungsmotor
in die Wege geleitet werden, müssen frühzeitig die Auswir-        Darüber hinaus sind durch den Bund die umweltrechtlichen
kungen auf die ländlichen Räume als Wirtschaftsstandorte          Rahmenvorgaben in Bezug auf den Immissions-, den Bo-
betrachtet und ggfs. abgefedert werden. Auch die Potenziale       den- und den Gewässerschutz so auszugestalten, dass ein
und Risiken des autonomen Fahrens müssen mit besonde-             angemessener Ausgleich insbesondere bezogen auf die Ent-
rem Blick auf die ländlichen Räume aktiv begleitet und näher      wicklungsperspektiven der Landwirtschaft gewährleis-
untersucht werden.                                                tet wird. Dem Schutz der Trinkwasserressourcen und der
                                                                  weiteren natürlichen Lebensgrundlagen muss dabei ein be-
                                                                  sonders hoher Stellenwert zukommen.
12. Attraktives Wohnen in ländlichen Räumen
    befördern                                                     Die Landkreise sind als Akteure bei der notwendigen Anpas-
                                                                  sung der ländlichen Räume an die Folgen des Klimawandels
Die bisherige städtebauliche Entwicklung konzentriert sich        zu stärken. Die Förderung der zahlreichen Klimaschutz-
stark auf Großstädte und Ballungszentren. Es gilt, auch die       aktivitäten der Landkreise durch den Bund ist besser auf
ländlichen Räume im Zuge einer umfassenden Wohnungs-              die gleichzeitig bestehenden Förderprogramme mit dem
baupolitik in den Blick zu nehmen, wobei der Ertüchtigung         Schwerpunkt Energieeffizienz abzustimmen. ■
von Leerständen eine besondere Rolle zukommt.

Wir fordern vom Bund, die bis Ende 2019 gewährten Mit-
tel zur Unterstützung der sozialen Wohnbauförderung               Bedingungen für Integration von Flüchtlingen
der Länder auch mit einer politischen Zweckbestimmung             verbessern
zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums in den ländlichen
Räumen zu versehen. Ferner muss von weiteren Verschär-            14. Strukturen der Flüchtlingsintegration
fungen der energetischen Standards abgesehen werden, um               verbessern
die Baukosten nicht immer weiter steigen zu lassen. Darü-
ber hinaus sollte der Bund nach den guten Erfahrungen mit         Die Landkreise sind im Hinblick auf ihre Rolle als Träger der
bestehenden kommunalen Programmen zum Thema „Jung                 Ausländerbehörden, der Gymnasien, Berufsschulen und
kauft Alt“ ein eigenes, gut dotiertes Programm zur gezielten      ggfs. weiterer allgemeinbildender Schulen, der Volkshoch-
Setzung von Kaufanreizen für den Immobilienerwerb in              schulen, der Sozial- und Jugendämter, der Jobcenter so-
ländlichen Räumen auflegen.                                       wie der Gesundheitsämter bei der Integration geflüchteter
                                                                  Menschen besonders gefordert. Sie begleiten die Flüchtlin-
                                                                  ge von Anfang an, kennen ihre individuellen Bedürfnisse
13. Wirtschaftliche und ökologische Entwick-                      und sind daher wie keine andere Institution in der Lage,
    lung in der Fläche ermöglichen                                den Integrationsprozess zu steuern und Integrationsange-
                                                                  bote aus einer Hand anzubieten. Zudem unterstützen sie
Die Landkreise stehen für die Entwicklung der ländlichen Räu-     die ehrenamtlichen Strukturen vor Ort.
me und betrachten die natürlichen Ressourcen, vor allem die
verfügbare Fläche, als grundlegendes Potenzial für Wertschöp-     Wir fordern vom Bund, in ausreichendem Umfang Plätze
fung und Wohlstand. Dabei ist es unerlässlich, unterschiedli-     in Integrationskursen zur Verfügung zu stellen sowie be-
che Nutzungsansprüche – u. a. Wohnen, Gewerbe, Landwirt-          sondere Anstrengungen zur Gewinnung geeigneten Lehr-
schaft und Naturschutz – in einen angemessenen Ausgleich          personals zu unternehmen. Gerade in den ländlichen Räu-
zu bringen, um so letztlich eine gedeihliche und verträgliche     men bedarf es einer Instanz, die Angebot und Nachfrage
Entwicklung zu ermöglichen. Zudem sind die Landkreise be-         zur Deckung bringt, um allen Teilnahmeberechtigten bzw.
strebt, eine bürgernahe und leistungsfähige Abfallentsorgung      -verpflichteten zu ermöglichen, möglichst schnell Deutsch
zu gewährleisten, die durch hohe Recyclingquoten ebenfalls        zu lernen. Den Landkreisen muss daher ermöglicht werden,
zur Schonung der natürlichen Ressourcen beiträgt.                 die Koordinierung der Integrationskurse einschließlich
                                                                  der sozialpädagogischen und migrationsspezifischen Bera-
Wir fordern vom Bund, die Verantwortung der Landkreise            tungsangebote zu übernehmen.
als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger für die Bewirt-
schaftung von Siedlungsabfällen zu stärken. Da sich das

14
FORDERUNGEN

  Stattgebende Asylentscheidungen
                                                                                in Gesprächen mit den Herkunftsländern – sicherstellen,
                                                                                dass abgelehnte Asylbewerber zeitnah zurückgeführt
  450.000
                                                                                werden können. Neben der zwangsweisen Rückführung
                                                                                sind auch die Maßnahmen zur freiwilligen Rückkehr zu
  400.000
                                                                                stärken.
  350.000

  300.000

  250.000
                                                                                16. Unterkunftskosten für Flüchtlinge auch nach
                                                                                    2018 dauerhaft übernehmen
  200.000

  150.000                                                                       Der Bund beteiligt sich in den Jahren 2016 bis 2018 an den
  100.000                                                                       flüchtlingsbedingten SGB II-Unterkunftskosten und leistet
   50.000                                                                       damit einen wichtigen Beitrag zur Freihaltung der Haushal-
                                                                                te der Landkreise von diesen Zusatzkosten.
         0
                     2013                2014                 2015       2016
                                                                                Wir fordern vom Bund, die vollständige Übernahme der
  Datengrundlage: BAMF, Aktuelle Zahlen zu Asyl, Ausgabe Februar 2017.          flüchtlingsbedingten Unterkunftskosten im SGB II
                                                                                auch über 2018 hinaus sicherzustellen. Weiterhin ist das
                                                                                AsylbLG zu erhalten, weil es anderenfalls im Rahmen des
15. Asyl- und Ausländerrecht konsequenter                                       SGB II/SGB XII zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung
    ausgestalten                                                                dieses Personenkreises kommen würde. ■

Das Asyl- und Ausländerrecht ist vor dem Hintergrund
des massiven Flüchtlingszustroms – unter intensiver Be-
teiligung der kommunalen Spitzenverbände seitens der                            Soziale Sicherung stärker vor Ort verankern
Bundesregierung – in der letzten Zeit wiederholt geändert
worden, insbesondere bezogen auf eine schnellere Rück-                          17. Rolle der Kommunen in der Pflege stärken
führung abgelehnter Asylbewerber. Eine konsequente Ab-
schiebung ausreisepflichtiger Personen, die nicht freiwillig                    Für ältere, alte Menschen und pflegebedürftige Menschen
in ihre Heimatländer zurückkehren, ist dabei von größter                        und ihre Familien erbringen die Landkreise umfangreiche
Bedeutung.                                                                      Unterstützung, beginnend mit der Altenhilfe und der Hilfe
                                                                                zur Pflege über Beratungs- und Koordinierungsstellen über
Wir fordern vom Bund die Einrichtung von Transitzo-                             familienentlastende und -unter-stützende Hilfen bis hin zu
nen an der Grenze oder in deren Nähe, in denen insbe-                           rechtlicher Betreuung. Dem stehen im Bereich Pflege nur
sondere die Asylverfahren von Antragstellern aus sicheren                       geringe Gestaltungsmöglichkeiten gegenüber.
Herkunftsländern abschließend entschieden werden. Aus
diesen sollten ausreisepflichtige Asylbewerber direkt zu-                       Wir fordern vom Bund, die gesetzlichen Grundlagen für
rückgeführt werden. Weiterhin ist z. B. durch Residenz-                         eine wirkungsvolle kommunale Pflegeplanung im SGB
pflichten in Landeseinrichtungen sicherzustellen, dass                          XI und ggfs. im SGB XII zu schaffen. Die Kreispflegepla-
Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive nicht auf die Land-                          nung muss Einfluss auf die Versorgungslandschaft – etwa
kreise verteilt werden. Bei ausreisepflichtigen Asylbewer-                      durch die verpflichtende Berücksichtigung bei der Zulas-
bern muss überdies ausgeschlossen werden, dass durch                            sung von Pflegeheimen – nehmen können. Zudem müssen
das Stellen eines Asylfolgeantrags von einer sofortigen                         die Sozialhilfeträger gleichberechtigt im Vertragsgesche-
Abschiebung abgesehen wird. Zudem ist das Recht auf                             hen zu den Pflegekassen einbezogen werden. Auch ist die
Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte auch                            Verantwortung der Landkreise für das Fallmanagement
über den März 2018 hinaus auszusetzen. Schließlich ist                          federführend und nicht nachrangig zu den Pflegekassen
das Instrumentarium des SGB VIII nicht auf die unbeglei-                        auszugestalten.
teten minderjährigen Flüchtlinge ausgerichtet, so dass
den Bedarfen und Erfordernissen dieser Personengruppe
auf andere Weise Rechnung getragen werden muss. Ne-                             18. Vorgelagerte Sicherungssysteme inklusiv
ben der Fortentwicklung der gesetzlichen Regelungen ist                             ausgestalten
dafür Sorge zu tragen, dass die beim BAMF offenkundig
gewordenen Vollzugsdefizite abgebaut werden. Die Regis-                         Die Regelleistungssysteme – Krankenversicherung, Pflege-
trierung aller unerlaubt aufhältigen Drittstaatangehörigen                      versicherung, Arbeitsförderung, BAföG, Schule – sind noch
muss vollständig erfolgen. Die Zahl der immer noch nicht                        immer nicht hinreichend inklusiv ausgestaltet, so dass für
entschiedenen Asylanträge muss deutlich verringert wer-                         Menschen mit Behinderungen ergänzende Leistungen der
den, ohne dass darunter die Gründlichkeit der Prüfung von                       Eingliederungshilfe erforderlich werden. Inklusion ist aber
Asylbegehren leiden darf. Der Bund muss – nicht zuletzt                         nicht allein Aufgabe des Bundesteilhabegesetzes.

                                                                                                                                          15
FORDERUNGEN

Wir fordern vom Bund, die vorgelagerten Regelleis-              Darüber hinaus ist das Leistungsrecht des SGB II komplex
tungssysteme der Sozialversicherungen inklusiv auszuge-         und führt zu einem beträchtlichen Verwaltungsaufwand
stalten und die Bedarfe von Menschen mit Behinderungen          für die Jobcenter. Das im Sommer 2016 in Kraft getretene
zu berücksichtigen. Insbesondere müssen pflegebedürf-           9. SGB II-Änderungsgesetz bleibt hinter den Erwartungen
tige behinderte Menschen in Einrichtungen der Behin-            nach einer spürbaren Rechtsvereinfachung, die auch Res-
dertenhilfe die vollen Pflegeleistungen erhalten.               sourcen für eine intensivere Betreuung freisetzen könnte,
                                                                deutlich zurück.

19. Kommunale Mehrkosten durch Bundesteil-                      Wir fordern vom Bund eine für die Jobcenter spürba-
    habegesetz und Pflegestärkungsgesetze                       re Rechtsvereinfachung. Dies gilt etwa für den Wegfall
    kompensieren                                                des Eigenanteils von 1 € bei Teilnahme an einer gemein-
                                                                schaftlichen Mittagsverpflegung im Rahmen der Leistun-
Das Bundesteilhabegesetz lässt in mehreren Punkten, wie         gen für Bildung und Teilhabe oder eine deutlich nach
z. B. den neuen Leistungstatbeständen im Bereich der Bil-       oben zu setzende Bagatellgrenze im Zusammenhang mit
dung, Sozialen Teilhabe, Mobilität und Assistenz eine neue      der Geltendmachung von Erstattungsforderungen seitens
Ausgabendynamik in der Eingliederungshilfe für Menschen         der Jobcenter. Die Leistungen für Unterkunft und Heizung
mit Behinderungen befürchten. Zugleich sind nur wenige          bedürfen rechtssicherer Regelungen. Zudem müssen Dol-
Maßnahmen enthalten, um die heutige Ausgabendynamik             metscherkosten anlässlich von durch die Krankenkassen
zu bremsen. Auch durch die Pflegereformen in den Pflege-        zu finanzierenden Therapien für anerkannte Flüchtlinge
stärkungsgesetzen II und III sind deutliche Mehrbelastun-       auch von den Kassen getragen werden.
gen in der Sozialhilfe zu erwarten.

Wir fordern vom Bund, gemeinsam mit den Ländern                 21. Ausbau der Kindertagesbetreuung weiter
geeignete Wege zu finden, wie die Ausgaben bei der Ein-             forcieren
gliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege begrenzt und die
Mehrbelastungen ab Inkrafttreten der Bundesgesetze unter        Die Kommunen haben in den letzten Jahren erhebliche An-
Berücksichtigung der unterschiedlichen Zuständigkeiten in       strengungen für den Ausbau der Anzahl der Kindertages-
den Ländern vollständig und dynamisch kompensiert werden.       betreuungsplätze unternommen. Wesentlich ist darüber
                                                                hinaus deren qualitativer Ausbau.

20. Eingliederung in Arbeit unterstützen und                     Kinder in Kindertageseinrichtungen
    SGB II-Leistungsrecht vereinfachen                           und in Kindertagespflege

Die Landkreise sind in den Jobcentern – eigenverantwort-         3.200.000
lich als Optionskommunen oder in gemeinsamen Einrich-
tungen – wesentliche Akteure auf dem Arbeitsmarkt. Um            2.700.000
die Ziele des SGB II zu erreichen, sind örtliche Gestaltungs-
möglichkeiten unabdingbar.
                                                                 2.200.000

Wir fordern vom Bund eine Weiterentwicklung der SGB
II-Eingliederungsleistungen im Sinne einer Flexibilisie-         1.700.000
rung der bestehenden Instrumente, damit Leistungsberech-
tigte noch besser unterstützt werden können. Zudem be-
                                                                                                                                                                  2.335.835

                                                                 1.200.000
                                                                                                                                                      2.299.263
                                                                                                                                     2.286.987
                                                                                                                 598.422 2.264.959

darf es eines Ausbaus des Sozialen Arbeitsmarktes mit
                                                                                       560.158 2.255.639

öffentlich geförderter Beschäftigung, um in Anbetracht des
                                                                   700.000
hohen Anteils von Leistungsberechtigten, die keine unmit-
                                                                                                                                     662.701

                                                                                                                                                      695.239

                                                                                                                                                                  721.364

telbare Aussicht auf ungeförderte Beschäftigung haben,
                                                                   200.000
eine Perspektive zu bieten. Insoweit sind auch die Mittel für
Beschäftigungsgesellschaften aufzustocken. Außerdem                                   2012                      2013                 2014             2015        2016
sind die Jobcenter insgesamt finanziell ausreichend aus-
zustatten. Zugleich muss die Verantwortung für die Aus-                                                    0 bis 3 Jahre                         3 bis 6 Jahre
bildungsvermittlung jugendlicher Arbeitsloser in den Job-
centern verbleiben und darf nicht ins SGB III ausgegliedert       Eigene Darstellung auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes
werden. Eine Zuständigkeitsverlagerung wäre nicht sachge-
recht und sogar kontraproduktiv: Sie würde die Unterstüt-
zung der Jugendlichen bei der Ausbildungssuche „aus einer       Wir fordern vom Bund, die Gestaltungsverantwortung
Hand“ auflösen, zusätzliche Schnittstellen schaffen und die     von Ländern und Kommunen für die Kindertagesbetreu-
Abläufe zu Lasten der Jugendlichen komplizierter machen.        ung zu wahren. Insofern ist hinsichtlich der Frage der

16
FORDERUNGEN

Qualitätsentwicklung ein neues Bundesgesetz abzuleh-           Akutversorgung in ländlichen Räumen ermöglicht werden.
nen, in dem der Bund Qualitätsstandards abschließend de-       Weiterhin ist das Instrument der Sicherstellungszuschlä-
finiert. In Bezug auf den weiteren Ausbau der Plätze in Kin-   ge dadurch zu stärken, dass keine Anrechnung auf den
dertageseinrichtungen ist die finanzielle Unterstützung des    Landesbasisfallwert erfolgt. Die Notfallversorgung in
Bundes auszubauen, und zwar in Gestalt der Erhöhung des        Krankenhäusern ist gerade angesichts der erheblichen
Anteils der Kommunen am Aufkommen der Umsatzsteuer.            Versorgungsdefizite im ambulanten Sektor auskömmlich
                                                               zu finanzieren. Gesundheitspolitische Entscheidungen sind
                                                               zukünftig verstärkt auch politisch zu treffen und nicht auf
22. Medizinische Versorgung überall                            den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) – bei dem zu-
    sicherstellen                                              dem eine kommunale Mitgliedschaft eingefordert wird – zu
                                                               übertragen. Auch bedarf es einer Förderung intelligenter
Die Koordinierung der Sicherstellung einer flächendecken-      übergreifender Versorgungskonzepte. Darüber hinaus
den gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung ist eine       ist in ländlichen Räumen auch unter Nutzung der Chan-
wichtige Kreisaufgabe. Zudem benötigen die für den Si-         cen der Digitalisierung eine flächendeckende Versorgung
cherstellungsauftrag einer ambulanten vertragsärztlichen       der Bevölkerung mit Arzneimitteln und pharmazeutischen
Versorgung verantwortlichen Kassenärztlichen Vereinigun-       Dienstleistungen auf Basis der bestehenden Apotheken
gen sowie die Kassenärztliche Bundesvereinigung gerade         vor Ort sicherzustellen.
in strukturschwächeren ländlichen Räumen zunehmend die
Unterstützung der Landkreise. Die Maßnahmen zur Stär-
kung der ärztlichen Ausbildung (Masterplan Medizinstu-         24. Koordinierende Rolle des öffentlichen
dium 2020) sind darüber hinaus sinnvoll und erforderlich.          Gesundheitsdienstes stärken
Angesichts der Veränderungen in der Gesundheitsversor-
gung und des demografischen Wandels gewinnt auch der           Ein wachsendes Problem im öffentlichen Gesundheitsdienst
Rettungsdienst in der medizinischen Versorgung weiter an       ist die Gewinnung von Ärzten. Gleichzeitig scheinen viele
Bedeutung.                                                     der durch Bundes- und Europarecht übertragenen Aufga-
                                                               ben, die erhebliche Kräfte im öffentlichen Gesundheits-
Wir fordern vom Bund, den kommunalen Spitzenver-               dienst binden, nicht zwingend erforderlich zu sein.
bänden in den Beschlussgremien auf Bundesebene echte
Mitwirkungsbefugnisse einzuräumen sowie ein sekto-             Wir fordern vom Bund, das von den Gesundheitsämtern
renübergreifendes Landesgremium verbindlich vorzugeben         zu vollziehende Bundesrecht einer systematischen Aufga-
und die Kommunen darin einzubeziehen. Des Weiteren             benkritik – insbesondere bezogen auf EU-Vorgaben – zu
ist eine Reformkommission „Sektorenübergreifende               unterziehen und im SGB V sicherzustellen, dass der öffent-
Versorgung“ einzusetzen, um die rechtlichen Vorausset-         liche Gesundheitsdienst der Landkreise jedenfalls dann mit
zungen für eine Leistungskoordinierung ambulant tätiger        der regionalen Koordination von Maßnahmen der Ge-
Ärzte, Krankenhäuser sowie Vorsorge- und Rehabilitations-      sundheitsförderung betraut wird, wenn es um kommuna-
kliniken nach Maßgabe einer integrierten regionalen Ver-       le Zusammenhänge bzw. kassenübergreifende Leistungen
sorgungsplanung zu schaffen und gesetzlich sicherzustel-       geht. ■
len, dass die kommunale Ebene in den Landesausschüssen
der Ärzte und Krankenkassen an der Bedarfsplanung mit
Einflussrechten mitwirken kann.
                                                               Kommunale Belange in Europa wirksam
                                                               berücksichtigen
23. Krankenhäuser in der Fläche halten
                                                               25. Zahl der kommunalen Vertreter im Aus-
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, aber               schuss der Regionen erhöhen
auch im Hinblick auf den zunehmenden Ärztemangel im
ambulanten Bereich kommt den ländlichen Krankenhäu-            Um der institutionellen Rolle der Landkreise, Städte und
sern eine besondere Bedeutung zu. Erforderlich ist eine        Gemeinden gerecht zu werden, müssen die Vertretungen
deutliche Aufstockung der Landesmittel für Krankenhaus-        der kommunalen Spitzenverbände auf europäischer Ebene
investitionen, um die Infrastruktur auf einem angemesse-       noch besser in die politische Arbeit einbezogen werden.
nen Niveau zu halten.
                                                               Wir fordern vom Bund, sich im Zuge der Neuausrichtung
Wir fordern vom Bund, die Bemessung von Kostensteige-          der Europäischen Union für eine deutlich wirksameren
rungen im Krankenhausbereich nicht politisch festzulegen,      Schutz der Kommunen vor europäischen Einwirkungen in
sondern an realen Preissteigerungsraten auszurichten so-       einzelnen Fachpolitiken einzusetzen. Es bedarf einer ech-
wie im Fallpauschalensystem die Leistungen der Grund-          ten Subsidiarität, so dass den kommunalen Akteuren mehr
versorgung auszufinanzieren. So kann eine Refinanzie-          Entscheidungsspielräume verbleiben. Zudem ist eine Erhö-
rung höherer Vorhaltekosten für die notfallmedizinische        hung der Anzahl der Vertreter deutscher Kommunen im

                                                                                                                       17
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