Energieinfrastrukturen im klimaneutralen Energiesystem - dena-ZWISCHENBERICHT Leitbild und Strategieempfehlungen für eine integrierte Energie ...

Die Seite wird erstellt Vanessa-Hortensia Stoll
 
WEITER LESEN
dena-ZWISCHENBERICHT

Energieinfrastrukturen im
klimaneutralen Energiesystem
Leitbild und Strategieempfehlungen für eine integrierte
Energie­infrastrukturplanung im Rahmen der dena-Netzstudie III
Impressum
Herausgeber:
Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena)
Chausseestraße 128 a
10115 Berlin
Tel. +49 (0)30 66 777-0
Fax: +49 (0)30 66 777-699
E-Mail: info@dena.de
Internet: www.dena.de

Autoren
Alexander R. D. Müller
Friederike Berger
Dr. Jakob Schieder-Hestermann
Stefan Mischinger
Hannes Seidl

Konzeption und Gestaltung:
die wegmeister GmbH

Stand: 10/2021
Alle Rechte sind vorbehalten. Die Nutzung steht unter dem Zustimmungsvorbehalt der dena.

Bitte zitieren als:
Deutsche Energie-Agentur (Hrsg.) (dena, 2021)
„dena-Zwischenbericht: Energieinfrastrukturen im klimaneutralen Energiesystem“

                                                                                           Impressum   2
Inhalt

             Executive Summary                                                                          4

             Einleitung                                                                                 5

             Teil I: L
                      eitbild und Strategieempfehlungen für eine auf Klimaneutralität ausgerichtete
                     Infrastrukturentwicklung
             1        Endverbrauchssektoren                                                             8
             1.1 Deckung des Energiebedarfs im Industriesektor                                          8
             1.2 Deckung des Energiebedarfs im Verkehrssektor                                           9
             1.3 Deckung des Wärmebedarfs im Gebäudesektor                                              9

             2     Erzeugung und Importe                                                               10
             2.1   Stromerzeugung                                                                      10
             2.2   Erzeugung/Bereitstellung Wasserstoff und Gas                                        11

             3     Energieinfrastrukturen                                                              12
             3.1   Strominfrastruktur                                                                  12
             3.2   Gasinfrastruktur                                                                    12
             3.3   Wasserstoffinfrastruktur                                                            13

             Teil II: Erläuterungen der dena
             1       Energieverbrauch – die Verbrauchssektoren im Einzelnen                            15
             1.1 Deckung des Energiebedarfs im Industriesektor                                         15
             1.2 Deckung des Energiebedarfs im Verkehrssektor                                          17
             1.3 Deckung des Wärmebedarfs im Gebäudesektor                                             18

             2     Erzeugung und Importe                                                               19
             2.1   Stromerzeugung                                                                      19
             2.2   Erzeugung/Bereitstellung Wasserstoff und Gas                                        20

             3     Energieinfrastrukturen                                                              21

             Ausblick auf zukünftige Systementwicklungspläne                                           22
             Anhang I: Übersicht Planungsprämissen und Richtungsentscheidungen                         23

             Literaturverzeichnis                                                                      27
             Abkürzungen                                                                               28

3   Inhalt
Executive Summary
Eine integrierte Planung unserer Energieinfrastruk-                          Die Ergebnisse der Diskussion zeigen, dass eine enge
turen ist unerlässlich für ein klimaneutrales Energie-                       Abstimmung zwischen den Infrastrukturen für Strom,
system. Deshalb schlägt die dena in der Netzstudie III                       Gas und Wasserstoff und auf lokaler Ebene auch
die Einführung eines Systementwicklungsplanes (SEP)                          für Wärme essenziell für die zielgerichtete Netz­
vor, der in Zukunft in einem partizipativen Prozess                          entwicklung ist. Eine integrierte Planung muss dafür
erstellt und den Netzentwicklungsplänen vorangestellt                        z. B. Annahmen zu zukünftigen Standorten von Elektro-
wird.1 Der SEP liefert eine abgestimmte, vom Ziel                            lyseuren sowie von Back-up-Kraftwerken abstimmen
her gedachte und optimierte Grundlage für diese                              und Übertragungsbedarfe, die z. B. durch die stoffliche
Planungen.                                                                   Verwendung von Wasserstoff in der Industrie oder auf
                                                                             Grundlage von lokalen Wärmeplanungen entstehen,
Die Methodik des SEP konnte nun in Zusammenarbeit                            einheitlich berücksichtigen.
mit dem BMWi-geförderten Forschungsprojekt der
Langfristszenarien 3 und den Gremien der dena-Netz-                          Durch den Diskussionsprozess wurde der Mehrwert
studie III erstmals in Teilen getestet werden. Durch                         eines Systementwicklungsplans für eine integrierte
die Betrachtung von drei Szenarien mit Fokus auf                             Planung der verschiedenen Energieinfrastrukturen
verschiedene klimaneutrale Energieträger – Strom,                            deutlich. Die Blickwinkel, Standpunkte und Expertisen
Wasser­stoff, synthetische Kohlenwasserstoffe – und                          der verschiedenen Akteure erlauben es, auf Basis einer
die darauf aufbauenden Diskussionen im Partnerkreis                          szenariogestützten Analyse ein Bild der zukünftigen
der dena-Netzstudie III konnten robuste Entwicklun-                          Anforderungen an unsere Infrastrukturen ebenso wie
gen identifiziert, Planungsprämissen abgeleitet und                          der nötigen politischen Richtungsentscheidungen
Handlungsempfehlungen benannt werden. Die Ergeb-                             zu entwickeln. Ein vollständiger Systementwicklungs-
nisse dieses Diskussionsprozesses sind im Folgenden                          plan, der in einem umfassenden, politisch legiti-
als „Leitbild und Strategie­empfehlungen“ für die Ener-                      mierten Prozess auch quantitative Ergebnisse für die
gieinfrastruktur in einem zukünftigen klimaneutralen                         zukünftige Infrastrukturplanung liefert, sollte deshalb
Energiesystem dargestellt.                                                   so bald wie möglich durchgeführt werden.

1   Siehe dena (2020): „dena-Zwischenbericht: Der Systementwicklungsplan“.

                                                                                                                                Executive Summary   4
Einleitung

                 Hintergrund                                                                                 Aufbau und Beteiligte des Zwischenberichts
                 Die Entwicklung der Energietransportinfrastrukturen ermög-                                  Die im Rahmen der Gremiendiskussion gewonnenen Erkenntnis-
                 licht eine erfolgreiche Energiewende. Denn eine klimaneutrale,                              se sind in Teil I zusammengefasst. Dort werden zu erwartende
                 sichere und wirtschaftliche Energieversorgung funktioniert nur,                             Entwicklungen auf dem Weg zu einem klimaneutralen Energie-
                 wenn die Energie auch in der benötigten Form dort ankommt,                                  system beschrieben, auf die sich die Planung der Infrastruktu-
                 wo sie gebraucht wird. Da Planung und Bau dieser Infrastruktu-                              ren einstellen sollte. Insbesondere mit Blick auf das gesetzlich
                 ren jedoch lange dauern können und aufeinander abgestimmt                                   festgelegte Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 werden
                 werden müssen, ist es wichtig, frühzeitig eine Idee davon zu ent-                           außerdem dringende Handlungsbedarfe und nötige politische
                 wickeln, wie unser zukünftiges klimaneutrales Energiesystem                                 Entscheidungen benannt, die in der kommenden Legislaturperi-
                 aussehen wird. So kann eine über alle Infrastrukturen hinweg                                ode für eine integrierte Infrastrukturentwicklung anstehen, aber
                 abgestimmte und vorausschauende Planung sichergestellt und                                  auch aufgezeigt, wo Entscheidungen heute noch nicht getroffen
                 so können nötige regulatorische Weichenstellungen rechtzeitig                               werden können oder müssen. Zum besseren Verständnis wird
                 auf den Weg gebracht werden.                                                                Teil I (S. 7–13) in einem zweiten Teil (S. 14–21) durch Erläute-
                                                                                                             rungen der dena ergänzt, die die dort festgehaltenen Aussagen
                 In der dena-Netzstudie III wurde deshalb u. a. die Idee eines                               durch Hintergrundinformationen und Beispiele unterlegen.
                 Systementwicklungsplanes (SEP) entwickelt, der in Zukunft in
                 einem regelmäßigen, partizipativen Prozess den Netzentwick-                                 Die dena-Netzstudie III wird von zwei Gremien, dem Board und
                 lungsplänen vorangestellt werden soll und eine gemeinsame,                                  dem Beirat unterstützt und beraten. Im Board der Netzstudie
                 konsistente und optimierte Basis für die folgende Planung der                               sind Netzbetreiber, Unternehmen und Verbände vertreten, die
                 einzelnen Infrastrukturen liefert.                                                          mit der Planung und dem Bau unserer Energieinfrastrukturen
                                                                                                             befasst sind. Im Beirat der Studie sind Nichtregierungsorganisa-
                 Um die Methodik des SEP zu testen, wurde auf Basis erster                                   tionen und Umweltverbände sowie Energie- und Umweltminis-
                 Ergebnisse der Langfristszenarien 3, dessen Konsortium die                                  terien der Bundesländer versammelt.
                 Gremiendiskussionen im Rahmen der dena-Netzstudie III eng
                 begleitet hat, analysiert, welche Entwicklungen auf dem Weg                                 Die in Teil I zusammengefassten Entwicklungen, Planungsprä-
                 zu einem klimaneutralen Energiesystem für die Infrastruktur-                                missen und nötigen Richtungsentscheidungen wurden intensiv
                 entwicklung von besonderer Bedeutung sind.2 Im Rahmen                                       mit diesen Gremien der Netzstudie diskutiert. Auf Grundlage
                 dieser Überprüfung der Methodik konnten bereits übergreifende                               dieser Diskussionen und der Hinweise der Gremienmitglieder
                 inhaltliche Erkenntnisse gewonnen werden, die für eine integ-                               wurde so ein übergreifendes Bild für die Entwicklung unserer
                 rierte und aufeinander abgestimmte Entwicklung der Energie-                                 zukünftigen Energieinfrastrukturen entwickelt und nötige Rich-
                 infrastrukturen wesentlich sind.                                                            tungsentscheidungen identifiziert. Dieses Bild gibt die Inhalte
                                                                                                             der Diskussion wieder und setzt den Rahmen für die weitere
                 Im vorliegenden Dokument werden keine quantitativen Aus-                                    Debatte um die Infrastrukturplanung.
                 sagen getroffen. Trotzdem konnten bereits im Rahmen dieser
                 Betrachtung robuste Entwicklungen mit Auswirkungen auf den                                  An den Diskussionen im Rahmen der Gremien der dena-Netzstu-
                 Infrastrukturbedarf dargestellt und kurzfristig nötige politische                           die III beteiligten sich Vertreterinnen und Vertreter der folgen-
                 Richtungsentscheidungen identifiziert werden. Das hier zusam-                               den Unternehmen und Organisationen:
                 mengefasste Ergebnis zeigt das große Potenzial einer integrier-
                 ten Planung im Rahmen eines Systementwicklungsplans und                                     50Hertz Transmission GmbH, Amprion GmbH, Bayerisches
                 den Mehrwert der Einbeziehung vieler Perspektiven. Ein voll-                                Staatsministerium für Wirtschaft, Energie und Technologie,
                 ständiger Systementwicklungsplan sollte deshalb so schnell wie                              BDEW–Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft
                 möglich in einem partizipativen Prozess durchgeführt werden.                                e. V., BDI–Bundesverband der Deutschen Industrie e. V., Bundes-
                                                                                                             netzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und
                                                                                                             Eisenbahnen, Bundesverband Erneuerbare Energie e. V. (BEE),
                                                                                                             Bundesverband Neue Energiewirtschaft e. V. (bne), Bündnis 90/
                                                                                                             Die Grünen – Bundestagsfraktion, Deutsche Umwelthilfe (DUH),
                                                                                                             E.ON SE, EWE NETZ GmbH, Fraktion DIE LINKE im Bundestag,
                                                                                                             Germanwatch e. V., Hessisches Ministerium für Wirtschaft,

                 2   Das Projekt „Langfristszenarien für die Transformation des Energiesystems in Deutschland“ (Langfristszenarien 3)
                     untersucht im Auftrag des BMWi mögliche Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem:  www.langfristszenarien.de.

5   Einleitung
Energie, Verkehr und Wohnen, Hitachi ABB Power Grids, Minis-
terium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und
Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein, Ministerium für
Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten des Landes Rhein-
land-Pfalz, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft
Baden-Württemberg, Ministerium für Wirtschaft und Energie
Brandenburg, Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und
Verkehr des Saarlandes, Ministerium für Wirtschaft, Innovation,
Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen,
Mitteldeutsche Netzgesellschaft Strom mbH, Netze BW GmbH,
NABU - Naturschutzbund Deutschland e. V., Niedersächsisches
Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz,
Siemens AG, Siemens Energy AG, SPD-Bundestagsfraktion,
TenneT TSO GmbH, Thüriger Ministerium für Umwelt, Energie
und Naturschutz, TransnetBW GmbH, VDMA–Verband Deut-
scher Maschinen- und Anlagenbau e. V., Verband kommunaler
Unternehmen e. V. (VKU), Verbraucherzentrale Bundesverband
e. V., Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas e. V., WWF
Deutschland.

Ausgestaltung der Kooperation zwischen
dena-Netzstudie III und Langfristszenarien 3
Das Konsortium der Langfristszenarien 3 hat die Prüfung der
Methodik des Systementwicklungsplans umfangreich unter-
stützt, indem es den Gremien der dena-Netzstudie III die,
Ergebnisse und Berechnungen von drei Szenarien zur Verfügung
stellte und für Erläuterungen und Nachfragen zur Verfügung
stand.

Die Szenarien betrachten jeweils unterschiedliche Wege zu
einem klimaneutralen Zielsystem, die sich durch die Bedeutung
der verschiedenen Energieträger unterscheiden (Strom, Wasser-
stoff, PtG/PtL). Ausgehend von diesen drei Szenarien, einer
Einordnung durch den Gutachter der dena-Netzstudie III BET
und unter Berücksichtigung des Wissens und der Empfehlungen
der Gremien der dena-Netzstudie III wurden mögliche Wege auf
dem Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem betrachtet,
robuste Entwicklungen identifiziert und Konsequenzen von
verschiedenen Entwicklungspfaden untersucht.

So konnte im Zusammenspiel der beiden Projekte Langfrist-
szenarien 3 und dena-Netzstudie III die Methodik der System-
entwicklungsplanung weiterentwickelt und validiert sowie das
Leitbild ausgearbeitet werden.

                                                                  Einleitung   6
Leitbild und Strategieempfehlungen für
eine auf Klimaneutralität ausgerichtete
Infrastrukturentwicklung
Das in diesem Kapitel formulierte „Leitbild“ wurde                      missen und zeigt notwendige politische Richtungs-
mit den Mitgliedern der Gremien der dena-Netz-                          entscheidungen auf.
studie III intensiv diskutiert und beschreibt die für
die Infrastrukturentwicklung zentralen Aspekte und                      Damit sich die im Leitbild für 2045 beschriebenen Ent-
Veränderungen in einem klimaneutralen Energiesys-                       wicklungen einstellen, müssen politische Richtungs-
tem 2045 sowie die Auswirkungen auf die leitungsge-                     entscheidungen getroffen werden. Diese notwendigen
bundenen Energie­infrastrukturen. Es stellt in diesem                   Richtungsentscheidungen sind, zusammen mit Pla-
Zusammenhang robuste Entwicklungen heraus,                              nungsprämissen, worauf sich die Infrastrukturplanung
benennt noch unsichere Zukunftspfade, formuliert                        unter diesen Voraussetzungen einstellen sollte, jeweils
für eine integrierte Planung zentrale Planungsprä-                      am Ende der Abschnitte aufgeführt.

1 Endverbrauchssektoren                                                      Grundsätzlich gibt es für die Versorgung der Industrie mit
                                                                             Wasserstoff verschiedene Optionen, zu denen auch eine
1.1 Deckung des Energiebedarfs im Industriesektor                            leitungsgebundene Wasserstofftransportinfrastruktur oder
                                                                             Elektrolyse vor Ort (verbunden mit der ausreichenden
a) Die Industrie wird eine tiefgreifende Transformation in                   regionalen Verfügbarkeit von Strom) gehören.
vielen Branchen und Wertschöpfungsketten erleben.                            In den Industriezentren wird sich eine leitungsgebundene
       Besonders energieintensive Grundstoffindustrien stehen vor          Versorgung mit Wasserstoff durchsetzen.
        einem umfassenden Umbau des Anlagenbestandes.
        Für die Bereitstellung von Prozesswärme kommen ver-
        schiedene Energieträger infrage. Wo es prozesstechnisch              Planungsprämisse für Infrastrukturbetreiber: Netzbe-
        möglich ist, wird Strom aus erneuerbaren Energien genutzt.           treiber sollten in ihrer Planung berücksichtigen, dass der
        Bei ausreichender Verfügbarkeit sind auch klimaneutrale              Wasserstoffbedarf in heute bestehenden Industriezentren
        gasförmige Energieträger (vor allem Wasserstoff, aber auch           mittelfristig durch eine leitungsgebundene Wasserstoff­
        Biomethan und SNG) oder Biomasse eine Option.                        infrastruktur gedeckt werden wird.
        Nicht alle prozessbedingten Emissionen lassen sich voll-
        ständig reduzieren. Die unvermeidbaren CO2-Emissionen
        werden mittels CCU-Technologie in anderen Prozessen             c) Energieeffizienzmaßnahmen und Lastmanagement sind
        weiterverwendet.                                                entscheidend, um den Energiebedarf und damit den Strom-
                                                                        transportbedarf zu optimieren.
                                                                               Das vollständige Ausschöpfen der Energieeffizienzpotenziale
    Vorzubereitende Richtungsentscheidung: Die Abschei-                        ist mit Unsicherheit verbunden.
    dung und Nutzung von Kohlenstoff sollte aus heutiger Sicht
    nicht ausgeschlossen werden. Weitere Analysen und Diskus-
    sionen sind hierzu erforderlich und sollten jetzt angestoßen             Dringliche Richtungsentscheidung: Die Anpassung von
    werden.                                                                  Steuern, Abgaben und Umlagen an Volatilität und Flexi-
                                                                             bilität des zukünftigen klimaneutralen Energiesystems ist
                                                                             entscheidend für die Ausschöpfung von Lastmanagement-
b) Der Wasserstoffbedarf der Industrie wird deutlich steigen.                und Energieeffizienzpotenzialen. Die Weiterentwicklung der
Mindestens in den Industriezentren wird er durch eine lei-                   aktuellen Regelungen (Abbau bestehender Hürden, Setzung
tungsgebundene Wasserstoffinfrastruktur gedeckt werden.                      von Anreizen) ist dringend notwendig.
       Die Versorgung der Industrie mit Wasserstoff zur stofflichen
       und energetischen Nutzung wird für heute bestehende                   Planungsprämisse für Infrastrukturbetreiber: Die Infra-
       Industriestandorte gewährleistet. Bei neuen Standorten ist            strukturplanung insbesondere im Stromsektor sollte sich
       die ausreichende Verfügbarkeit von Wasserstoff ein wichti-            heute nicht an den maximal möglichen Effizienzpotenzialen
       ger Faktor für die Allokation.                                        in der Industrie ausrichten, sondern für eine robuste Planung
                                                                             eine konservative Entwicklung annehmen.

                                                            Leitbild und Strategieempfehlungen für eine auf Klimaneutralität ausgerichtete Infrastrukturentwicklung   8
d) CO2 wird zum Rohstoff für die chemische Industrie, dessen                     b) Die Flexibilitätspotenziale der Elektromobilität werden
                 Bereitstellung zukünftig ebenfalls infrastrukturgebunden                         auch netzorientiert genutzt werden, um den Ausbaubedarf
                 erfolgen könnte.                                                                 des Stromnetzes insbesondere auf der Verteilnetzebene zu
                        Methanol ist ein wichtiger Grundstoff für die Kunststoffher-            optimieren.
                         stellung. Um Methanol auf Basis von Wasserstoff herzustel-
                         len, wird CO2 als Rohstoff benötigt.
                         Mögliche Quellen für CO2 sind Luftabscheidung, Biomasse                     Dringliche Richtungsentscheidung: Eine Weiterentwick-
                         oder das Abfangen verbleibender Emissionen in der                             lung des regulatorischen Rahmens (u. a. § 14a EnWG) sowie
                         Zement- und Kalkherstellung.                                                  von Instrumenten zur Flexibilitätsnutzung ist notwendig,
                         Der Aufbau eines CO2-Pipeline-Netzes zur Belieferung der                    um die Flexibilitätspotenziale der Elektromobilität netz-
                         chemischen Industrie ist eine voraussichtliche Option. Hier-                  orientiert zu nutzen.
                         für ist grundsätzlich auch die Umstellung von Leitungen des
                         Gasnetzes möglich.

                                                                                                  1.3 Deckung des Wärmebedarfs im Gebäudesektor
                      Vorzubereitende Richtungsentscheidung: Weitere
                      Untersuchungen der zukünftigen Optionen, Bedarfe und                        a) Der Gesamtenergiebedarf wird durch die verstärkte
                      infolgedessen Schaffung eines dafür erforderlichen recht-                   Sanierung der Gebäudehülle und eine effizientere Anlagen-
                      lichen Rahmens für einen -CO2Transport und -Handel sind                     struktur deutlich zurückgehen.
                      notwendig. Auch andere Gase (z. B. O2, N2) sollten in diese                      Die Bereitstellung von Wärme für Gebäude wird auf ver-
                      Analyse einbezogen werden.                                                       schiedenen Energieträgern und zentralen sowie dezentralen
                                                                                                       Konzepten basieren.
                                                                                                       Die Art der Wärmebereitstellung kann regional stark variie-
                                                                                                       ren.
                 1.2 Deckung des Energiebedarfs im Verkehrssektor                                      Im Zuge der verstärkten Sanierung der Gebäudehülle wird
                                                                                                       zudem eine effiziente Kühlung berücksichtigt.
                 a) Der Energiebedarf im Verkehrssektor wird 2050 durch
                 einen Mix verschiedener Energieträger gedeckt werden:
                 Strom, biogene/synthetische Brennstoffe, Wasserstoff.                                 Dringliche Richtungsentscheidung: Die heutigen ener-
                        Bei Pkw und leichten Lkw werden elektrische Antriebe                          getischen Standards im Gebäudesektor reichen mit Blick
                        dominieren.                                                                    auf das Ziel Klimaneutralität nicht aus. Aufgrund langer Sa-
                        Ob die Dekarbonisierung schwerer Lkw mit Strom, Wasser-                       nierungszyklen ist es jedoch notwendig, dass Sanierungen
                        stoff oder synthetischem Dieselkraftstoff erfolgen wird, ist                   heute bereits Standards genügen, die langfristig auf dieses
                        offen.                                                                         Ziel einzahlen. Bestehende Effizienzstandards müssen
                        Der internationale Flug- und Schiffsverkehr bleibt aus                        daher überprüft und mit Blick auf das Ziel angepasst und
                        heutiger Sicht auf synthetische oder fortschrittliche biogene                  verschärft werden.
                        Kraftstoffe angewiesen.

                                                                                                  b) Ein großer Teil der Wärmebereitstellung wird durch
                      Planungsprämisse für Infrastrukturbetreiber: Infrastruk-                    Wärmepumpen erfolgen.
                      turen sollten so geplant werden, dass Pkw und leichte Lkw                        Wärmepumpen werden vor allem in Gebäuden hoher Quali-
                      mit Strom versorgt werden können.                                                tät (Neubau) oder nach Sanierung eingesetzt. Effizienzstei-
                                                                                                       gerungen machen einen Einsatz von Wärmepumpen auch in
                      Vorzubereitende Richtungsentscheidung: Eine euro-                                schwer sanierbaren Gebäuden möglich.
                      paweite Entscheidung über die Dekarbonisierung des                               Gerade in urbanen Gebieten muss zusätzlich gesichert sein,
                      Schwerlastverkehrs ist notwendig, um den grenzüberschrei-                        dass stromnetzseitig der durch Wärmepumpen entstehende
                      tenden Güterverkehr zu gewährleisten. Abhängig von dieser                        Strombedarf gedeckt werden kann.
                      Entscheidung sind die Bedarfe für Strom- und Gasnetze zu
                      justieren.
                                                                                                       Planungsprämisse für Infrastrukturbetreiber: Netzbetreiber
                                                                                                       sollten von einer starken Zunahme von Wärmepumpen
                                                                                                       ausgehen. Dies betrifft vor allem Neubauten und ländliche
                                                                                                       Bereiche.

9   Leitbild und Strategieempfehlungen für eine auf Klimaneutralität ausgerichtete Infrastrukturentwicklung
c) (Niedertemperatur-)Wärmenetze werden aus- sowie                   2 Erzeugung und Importe
neugebaut und erneuerbare Energieträger nutzen.
     Wärmenetze können mit verschiedenen Energieträgern             2.1 Stromerzeugung
     beheizt werden und bieten damit eine gute Möglichkeit, mit
     der Unsicherheit bezüglich des zukünftigen Energieträger-       a) Die Stromnachfrage in Deutschland wird im Jahresmittel
     mix im Wärmebereich umzugehen.                                  zum größten Teil durch die Erzeugung im Inland sowie er-
     Wärmenetze werden in Verbindung mit Großwärmepumpen            gänzende Nettostromimporte im europäischen Binnenmarkt
     entstehen, um EE-Erzeugungsspitzen für die Wärmebereit-         gedeckt werden.
     stellung zu nutzen.
                                                                     b) Erneuerbare Energien in Deutschland werden stark ausge-
                                                                     baut werden und dafür verfügbare Flächen (fast) vollständig
   Dringliche Richtungsentscheidung: Wärmenetze sollten              ausgenutzt. Onshore-Windenergie wird die primäre Strom-
   vor allem in urbanen und verdichteten Räumen ausgebaut            bezugsquelle in Deutschland sein.
   werden.
                                                                         Je nach angenommenen Importen (Strom aus dem euro-
   Vorzubereitende Richtungsentscheidung: Um auch die                päischen Ausland sowie Importe synthetischer Energieträger)
   Industrie als Ein- und Ausspeiser in Wärmenetzen in der           werden die für EE verfügbaren Flächen in Deutschland sehr
   Breite zu gewinnen, ist ein grundsätzlich diskriminierungs-       weitreichend oder vollständig ausgenutzt.
   freier Netzzugang erforderlich. Die Notwendigkeit eines
   zugehörigen rechtlichen Rahmens sollte geprüft werden.
                                                                          Planungsprämisse für Infrastrukturbetreiber: Aufgrund
                                                                          der hohen Flächenausnutzung von EE-Potenzialflächen
d) Bei ausreichender Verfügbarkeit können klimaneutrale                   können Stromnetzbetreiber nicht davon ausgehen, dass die
Gase eine Option zur Wärmebereitstellung darstellen.                      netzorientierte Allokation von EE den Netzausbaubedarf
     Diese Energieträger könnten grundsätzlich eine besondere            entlastet.
     Bedeutung bei schwer sanierbaren Gebäuden bzw. für eine
     schnellere Dekarbonisierung im Wärmesektor (Drop-in)                 Dringliche Richtungsentscheidung: Für bereits bebaute
     haben.                                                               bzw. versiegelte Flächen sollten stärkere Anreize gesetzt
                                                                          und gleichzeitig Hürden abgebaut werden, um bislang nicht
                                                                          gehobene Potenziale für EE-Erzeugungsanlagen (beispiels-
   Dringliche Richtungsentscheidung: Die Diskussion über                  weise Aufdach-PV) zu heben und Flächen weiterhin effizient
   die Rolle von Wasserstoff und anderen klimaneutralen Gasen             zu nutzen.
   in Gebäuden dauert an. Weitere Analysen sind erforderlich,
   bevor man diese Rolle genauer beschreiben und entspre-                 Planungsprämisse für Infrastrukturbetreiber: Netzbe-
   chende Planungsschritte durchführen kann. Aufgrund der                 treiber sollten in ihrer Planung davon ausgehen, dass die
   langen Investitionszyklen im Gebäudebereich ist eine Klä-              Potenziale von Offshore-Wind und langfristig von EE-
   rung jedoch möglichst zeitnah in den nächsten ein bis zwei             Erzeugungsanlagen auf bereits versiegelten Flächen (bei-
   Jahren herbeizuführen.                                                 spielsweise Aufdach-PV) voll ausgereizt werden, um die
                                                                          in Deutschland für Onshore-Wind verfügbaren Flächen
   Die Frage der Verfügbarkeit ist auf nationaler Ebene zu klä-           effizient zu nutzen.
   ren, während die Wahl des passenden Energieträgers bzw.
   Energieträgermix eine lokale Planungsaufgabe ist.                      Vorzubereitende Richtungsentscheidung: Zur optimalen
                                                                          Nutzung von Seegebieten für die Energieerzeugung aus
                                                                          Offshore-Windparks und Schaffung eines passenden rechtli-
e) Die Flexibilitätspotenziale der Wärmebereitstellung und                chen Rahmens ist eine europäische Abstimmung notwendig.
Kühlung werden auch netzorientiert genutzt, um den Aus-
baubedarf des Stromnetzes insbesondere auf der Verteil-
netzebene zu optimieren.

   Dringliche Richtungsentscheidung: Eine Weiterentwick-
   lung des regulatorischen Rahmens (u. a. § 14a EnWG) sowie
   von Instrumenten zur Flexibilitätsnutzung ist notwendig, um
   die Flexibilitätspotenziale von insbesondere Power-to-Heat
   netzorientiert zu nutzen.

                                                          Leitbild und Strategieempfehlungen für eine auf Klimaneutralität ausgerichtete Infrastrukturentwicklung   10
c) Auch perspektivisch werden in Ergänzung zu Speichern,                              Vorzubereitende Richtungsentscheidung: Im Zuge des
                 der Nutzung flexibler Lasten und den Ausgleichseffekten                               Markthochlaufs für Wasserstoff sollten bei der Gestaltung
                 im europäischen Verbundnetz Back-up-Kraftwerke benötigt,                              der Rahmenbedingungen für Elektrolyseure eine netzorien-
                 um die Stromversorgung zu allen Zeiten und Situationen                                tierte Allokation und ein wirtschaftlicher Betrieb sicherge-
                 abzusichern.                                                                          stellt werden.
                        Back-up-Kraftwerke, die Wasserstoff als Energieträger
                        nutzen, sind an das Wasserstoffnetz angebunden.
                                                                                                  c) Der Großteil der Elektrolyseurkapazitäten wird nahe
                                                                                                  der EE-Erzeugungszentren vor allem in der nördlichen Hälfte
                      Planungsprämisse für Infrastrukturbetreiber: Die Back-                      Deutschlands entstehen.
                      up-Kraftwerke sollten netzorientiert allokiert werden. Dies                      Verbrauchsnahe, große Elektrolyseurkapazitäten sind
                      bedeutet in vielen Fällen eine lastnahe Allokation; nach                         jedoch nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sie können z. B.
                      Möglichkeit an bestehenden Standorten konventioneller                            für die Industrie mit Blick auf integrierte Ansätze und lokale
                      Kraftwerke.                                                                      Synergien ebenfalls sinnvoll sein, sofern die netzseitige Ver-
                                                                                                       fügbarkeit der entsprechenden Strommengen gesichert ist.
                      Eine Einbindung dieser Kapazitäten in lokale Wärmenetze
                      ist zu prüfen.
                                                                                                       Planungsprämisse für Infrastrukturbetreiber: Die Netz-
                      Vorzubereitende Richtungsentscheidung: Im Zuge einer                             betreiber sollten davon ausgehen, dass die Elektrolyseure
                      Diskussion um Back-up-Kraftwerke sollten auch Optionen                           überwiegend erzeugungs- und speichernah im Norden
                      zur Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmens ge-                            Deutschlands, ggf. auch offshore, entstehen. Bereits be-
                      prüft werden.                                                                    stehende und geplante Elektrolyseurstandorte sollten (un-
                                                                                                       abhängig von ihrem Standort) in der Netzplanung berück-
                      Planungsprämisse für Infrastrukturbetreiber: Netzbetrei-                         sichtigt werden.
                      ber sollten in ihrer Planung berücksichtigen, dass der Was-
                      serstoffbedarf für Back-up-Kraftwerke durch eine leitungs-
                      gebundene Wasserstoffinfrastruktur gedeckt werden wird.                     d) Deutschland wird zukünftig den größeren Teil seines Be-
                                                                                                  darfs an H2 und synthetischen Energieträgern aus anderen
                                                                                                  europäischen Ländern sowie aus dem außereuropäischen
                 d) Der Strombedarf steigt in Summe in Deutschland bis 2050                       Ausland importieren.
                 an – trotz Steigerung der Energieeffizienz in allen Sektoren                            Als Herkunftsregionen von Wasserstoff bzw. synthetischen/
                 durch neue elektrische Anwendungen.                                                     biogenen Gasen gibt es die innereuropäische Erzeugung
                                                                                                         sowie die Möglichkeit von Importen u. a. aus Osteuropa/
                                                                                                         Russland oder der MENA-Region, die per Pipeline bzw. per
                 2.2 Erzeugung/Bereitstellung Wasserstoff und Gas                                        Anlandung an internationalen Häfen (beispielsweise Nieder-
                                                                                                         lande) nach Deutschland oder Europa kommen werden.
                 a) Es werden in Deutschland hohe Elektrolyseurskapazitäten                              Das genaue künftige Verhältnis zwischen nationaler Er-
                 benötigt, die einen Hochlauf über die in der Wasserstoffstra-                           zeugung, den europäischen Importen und den Importen aus
                 tegie genannten Ziele erfordern.                                                        dem außereuropäischen Ausland sowie in welchem Umfang
                                                                                                         verschiedene Energieträger und Transportformen zum Ein-
                 b) Der Betrieb von Elektrolyseuren wird sich überwiegend                                satz kommen werden, kann heute noch nicht abschließend
                 am EE-Dargebot ausrichten.                                                              bewertet werden.
                        Elektrolyseure werden in Zeiten niedriger Strompreise und                       Aus Europa (und an das europäische Gasnetz angeschlosse-
                        hoher EE-Einspeisung betrieben werden unter Beachtung                            nen Staaten) wird im Schwerpunkt ein Import auf Basis von
                        der Stromnetzsituation, um Engpässe zu vermeiden und                             Wasserstoff per Pipeline erfolgen, da die direkte Verwen-
                        Netzausbaubedarf zu begrenzen.                                                   dung von Wasserstoff ohne Weiterverarbeitungsschritte
                        Damit werden die Kapazitäten der Elektrolyseure insgesamt                       und der Transport per Pipeline Effizienz- und Kostenvorteile
                        über das Jahr – selbst in einem klimaneutralen Energiesys-                       gegenüber anderen Optionen haben.
                        tem – nicht vollständig ausgelastet werden.

11   Leitbild und Strategieempfehlungen für eine auf Klimaneutralität ausgerichtete Infrastrukturentwicklung
Vorzubereitende Richtungsentscheidung: Politisch ist                   flexiblen Verbrauchern einen wesentlichen Pfeiler dar. Eine
    eine diversifizierte Importsituation anzustreben, um einer             kontinuierliche flächendeckende Ausweitung dieser Tech-
    einseitigen Abhängigkeit entgegenzuwirken und den Bedarf               nologien muss vorangetrieben werden. Gleichzeitig ist es
    zu decken. Bestehende Energiekooperationen sollten wei-                notwendig, neue Lasten im Verteilernetz durch Smart-Grid-
    terentwickelt werden.                                                  Readiness (Datenschnittstelle) auf anstehende Veränderun-
    Planungsprämisse für Infrastrukturbetreiber: Die Netz-                 gen vorzubereiten.
    betreiber sollten bei der Planung unterschiedliche Import-
    regionen berücksichtigen, damit eine Abhängigkeit von                  Die Vereinheitlichung der netzdienlichen Flexibilitätsschnitt-
    einzelnen Regionen vermieden wird. Dabei sollten sie sich              stelle am Netzanschlusspunkt sollte gleichzeitig festlegen,
    auf europäischer Ebene koordinieren.                                   dass das Smart-Meter-Gateway in Verbindung mit intelli-
                                                                           genten Messsystemen nicht zum Innovationshemmschuh
                                                                           für energiewirtschaftliche Flexibilitäts- und Energieeffizienz-
                                                                           lösungen werden darf, wenn diese Lösungen ebenfalls eine
e) Die Herstellung von Bio-Methan in Deutschland und des-                  Kommunikationsschnittstelle zu den energetisch relevanten
sen Transport/Verteilung über das bestehende Gasnetz ist                   Anlagen im Gebäude benötigen. Hier sollten zertifizierungs-
eine Option.                                                               freie Alternativen für sichere Kommunikationswege geprüft
     Neben der Nutzung zur Dekarbonisierung verschiedener                 werden.
     Sektoren (Wärme, Verkehr, Flexibilisierungsoption im
     Stromnetz) kann Bio-Methan langfristig eine Kohlenstoff-
     quelle für die Industrie darstellen.
                                                                      3.2 Gasinfrastruktur

                                                                      a) Eine leitungsgebundene Infrastruktur für gasförmige
                                                                      Energieträger wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle bei
3 Energieinfrastrukturen                                              der Energieversorgung haben. Das bestehende Erdgasnetz
                                                                      wird dafür eine deutliche Transformation durchlaufen.
3.1 Strominfrastruktur                                                     Die Handelsvolumina werden sich insgesamt tendenziell
                                                                           reduzieren und es wird eine Transformation von konventio-
a) Selbst bei vorangestellter systemischer Optimierung und                 nellen Gasen hin zu Wasserstoff und ggf. auch synthetischen
einer Nutzung der Gasnetze ist die aktuell im NEP Strom                    (und biogenen) Gasen erfolgen.
2035 (2021) vorgesehene Übertragungskapazität nicht aus-                   Auf Transportnetzebene wird unter Wahrung der Versor-
reichend im Hinblick auf ein klimaneutrales Energiesystem.                 gungssicherheit mit gasförmigen Energieträgern insgesamt
     Auch wenn technische Innovationen zur Steigerung der                 ein Teil der bestehenden Leitungen zu einem Wasserstoff-
     Belastbarkeit der Stromnetze, Optimierungspotenziale zwi-             transportnetz umgestellt werden.
     schen den Energieinfrastrukturen und Flexibilitäten genutzt           Da sich die Transformation und deren Auswirkungen auf
     werden, stellt der Netzausbau auf allen Ebenen weiterhin in           den Infrastrukturbedarf heute nicht vollständig benennen
     vielen Fällen die kostengünstigste Option dar.                        lassen, sind die Optionen zum Umgang mit der heutigen
     Es wird eine Ausweitung der Interkonnektorkapazitäten                Gasinfrastruktur zunächst noch offenzuhalten.
     zu den Nachbarländern stattfinden, um den Binnenmarkt
     zu stärken und Ausgleichseffekte weiter gehend nutzen zu
     können.
     Der Ausbau- und Verstärkungsbedarf für die Verteilnetze ist          Vorzubereitende Richtungsentscheidung: Weitere Ana-
     sehr hoch.                                                            lysen und Diskussionen sollten durchgeführt sowie erste
     Flexibilisierungspotenziale im Stromnetz werden auch                 Marktentwicklungen abgewartet werden, bevor grundsätz-
     netzorientiert eingesetzt werden, um den Netzausbau auf               liche Entscheidungen zur bestehenden Gasinfrastruktur
     ein notwendiges Maß zu begrenzen.                                     getroffen werden.  Auf Verteilnetzebene sollte die kom
                                                                           munale Energieleitplanung zu einem zentralen Element
                                                                           weiterentwickelt werden. Unter Berücksichtigung lokaler
    Dringliche Richtungsentscheidung: Der regulatorische                   Gegebenheiten in Konkurrenz mit dem überlagerten Ener-
    Rahmen für die netzorientierte Integration von Flexibilitä-            giesystem soll sie die optimale Deckung des Energiebedarfs
    ten sollte weiterentwickelt werden und verbrauchsseitige               bestimmen.
    Restriktionen berücksichtigen.

    Dringliche Richtungsentscheidung: Das Smart-Meter-
    Gateway in Verbindung mit intelligenten Messsystemen
    stellt für die Netzintegration von u. a. EE-Anlagen und

                                                           Leitbild und Strategieempfehlungen für eine auf Klimaneutralität ausgerichtete Infrastrukturentwicklung   12
b) Mittelfristig kann die Stilllegung von einzelnen Gaslei-
                 tungen im Zuge der oben genannten Transformation nicht
                 ausgeschlossen werden.
                      Die Nutzung von Verteilnetzen für Gase kann langfristig
                      aufgrund sinkender Nachfrage und zunehmender Elektri-
                      fizierung zurückgehen.
                      Bei einer Stilllegung von Gasleitungen ergeben sich recht-
                      liche Fragen, die zeitnah adressiert werden sollten.
                      Auch bei Stilllegungen von Gasnetzen an manchen Stellen
                      ist der punktuelle Bedarf für neue Leitungen nicht auszu-
                      schließen bzw. wird ggf. durch Umstellungsmaßnahmen
                      notwendig.

                      Dringliche Richtungsentscheidung: Rechtliche Folgefra-
                      gen, aber auch die Vorbereitung und Durchführung von Still-
                      legungen sollten diskutiert und entsprechende Szenarien
                      vorbereitet werden.

                 3.3 Wasserstoffinfrastruktur

                 a) Getrieben durch die stoffliche Nachfrage seitens der Chemie-
                 und Stahlindustrie entsteht schrittweise eine vernetzte
                 Wasserstoffinfrastruktur, die in ein europäisches Verbund-
                 netz eingebunden ist.
                        Der genaue Umfang im Jahr 2050 hängt von verschiedenen
                        Entwicklungen ab (u. a. Einsatz von H2 in den verschiedenen
                        Verbrauchssektoren, Bedeutung alternativer Energieträger
                        wie SNG) und kann aus heutiger Perspektive nicht sicher
                        abgeschätzt werden.
                        Der Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur kann weitgehend
                        aus der Umstellung bestehender Gasleitungen und -spei-
                        cher realisiert werden. Das ermöglicht einen verhältnismä-
                        ßig günstigen und schnellen Aufbau.
                        Als Startnetze eignen sich zuerst insbesondere solche
                        Regionen, wo eine hohe Nachfrage (Industriezentren) oder
                        EE-Erzeugung (in Verbindung mit Elektrolyseurstandorten)
                        existiert, einzelne Gasleitungen einfach umzustellen oder
                        auch grenzüberschreitende Verbindungen möglich sind.
                        Durch die Wasserstoffinfrastruktur wird der Stromnetzaus-
                        bau nicht ersetzt.

                      Vorzubereitende Richtungsentscheidung: Ein Planungs
                      prozess für die Wasserstoffinfrastruktur sollte etabliert
                      werden. Dieser sollte vorwärtskompatibel bei der Umstel-
                      lung von Gasleitungen ansetzen und mit den bestehenden
                      Planungsprozessen für Strom und Gas in Hinblick auf ein
                      systemisches Optimum interagieren.

13   Leitbild und Strategieempfehlungen für eine auf Klimaneutralität ausgerichtete Infrastrukturentwicklung
Erläuterungen der dena
Die Bundesrepublik Deutschland hat sich im Rahmen                                           Deutschland hat sich im Rahmen des Klimaschutz-
des Abkommens von Paris dazu bekannt, Maßnahmen                                             gesetzes das Ziel gesetzt, bereits bis 2045, in nur 24
zu ergreifen, um die durch Treibhausgasemissionen                                           Jahren, Treibhausgasneutralität und bis 2030 eine
verursachte Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C und                                        Reduktion der Treibhausgasemissionen um 65 %
möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen                                         gegenüber 1990 zu erreichen.
Zeitalter zu begrenzen. Damit dieses Ziel erreicht
werden kann, muss Deutschland und muss die Welt                                             Deshalb müssen sich alle Sektoren schnell und fun-
innerhalb weniger Jahrzehnte alle Treibhausgas-                                             damental wandeln, denn aktuell sind fossile Energie-
emissionen einstellen oder nicht vermeidbare Emis-                                          träger noch mit Abstand die wichtigste Energiequelle
sionen kompensieren bzw. einlagern.3 In erster Linie                                        und weitere Emissionen werden durch Industrie-
bedeutet dieser Wandel eine Abkehr von sämtlichen                                           prozesse und Landnutzung verursacht. Der Anteil der
fossilen Energieträgern, sei es in der Stromerzeugung,                                      erneuerbaren Energie am Bruttoendenergieverbrauch
im Verkehr, in der Industrie und bei der Bereitstellung                                     Deutschlands lag 2020 erst bei rund 20 %, während der
Wärme, und ihren Ersatz durch erneuerbar erzeug-                                            Anteil am Bruttostromverbrauch bereits bei 45 % lag.
ten Strom oder andere klimaneutrale Energieträger.4
Wesentliche Voraussetzung für den Einsatz der ver-                                          Die folgenden Erläuterungen ordnen die Aussagen des
schiedenen Energieträger ist dabei ihre Verfügbarkeit:                                      Leitbildes unter Rückgriff auf Daten aus drei Szenarien
Große Mengen erneuerbar erzeugter Strom erfordern                                           aus dem Projekt der Langfristszenarien 3, den Szena-
entsprechende Erzeugungsanlagen; klimaneutrale                                              rien TN-Strom, TN-H2-G und TN-PtG/PtL ein.5 Zusätz-
Gase wiederum Herstellungsanlagen, die ebenfalls                                            lich werden allgemeine Erwägungen und Erkenntnisse
große Mengen Strom benötigen. Auch das Potenzial                                            zur Dekarbonisierung unseres Energiesystems und
von Biomasse ist zwar vorhanden, aber begrenzt und                                          weiterer Studien, u. a. der dena-Leitstudie „Aufbruch
nicht unendlich verfügbar.                                                                  Klimaneutralität“, einbezogen.6

1 Energieverbrauch – die Verbrauchssektoren                                                 Jahr bis 2045 bei einer leicht steigenden Wertschöpfung um ca.
im Einzelnen                                                                                1/5 gesenkt werden kann. Gleichzeitig muss eine weitgehende
                                                                                            Transformation bei den eingesetzten Energieträgern stattfinden.
1.1 Deckung des Energiebedarfs im Industriesektor
Treibhausgasemissionen entstehen in der Industrie sowohl                                    Diese Veränderungen und die Auswirkungen auf die Infra-
durch die energetische Nutzung fossiler Energieträger als auch                              strukturbedarfe lassen sich am Beispiel der Stahlindustrie,
bei Industrieprozessen, z. B. bei der Stahl- und Zementher-                                 der chemischen Grundstoffindustrie und der Zementindustrie
stellung oder in der Grundstoffchemie. Um diese Emissionen                                  verdeutlichen.
zu vermeiden, muss die Deckung des Energiebedarfs klima-
neutral erfolgen und die Prozesse müssen so weit wie möglich                                Die Stahlindustrie
umgestellt werden. Gleichzeitig müssen Effizienzpotenziale z. B.                            Der Großteil des Stahls in Deutschland wird heute hergestellt,
durch die Steigerung der Energieeffizienz und eine verbesserte                              indem Eisen in Hochöfen geschmolzen und unter Sauerstoffzu-
Kreislaufwirtschaft gehoben werden. In den drei betrachteten                                fuhr zu Stahl weiterverarbeitet wird. Weitere 30 % der Stahlpro-
Langfristszenarien wird beispielsweise angenommen, dass der                                 duktion macht der sogenannte Sekundärstahl aus, zu dessen
Energiebedarf in der Industrie von aktuell rund 850 TWh pro                                 Herstellung Stahl wiederverwendet und in elektrischen Öfen

3 Die nötigen CO2-Reduktionen und der Zeitpunkt, in dem Klimaneutralität global erreicht werden muss, um die Ziele des Abkommens von
  Paris zu erreichen, werden detailliert im aktuellen IPCC-Report dargestellt: https://www.ipcc.ch/.
4 Klimaneutrale Energieträger sind im Wesentlichen mithilfe erneuerbarer Energien erzeugter, klimaneutraler Wasserstoff, synthetische
  Kohlenwasserstoffe, die aus klimaneutralem Wasserstoff erzeugt werden, sowie biogene Brennstoffe wie Biogas oder Holz, sofern sie aus
  nachhaltigen Quellen stammen.
5 Die Ergebnisse der Langfristszenarien 3 sind auf www.langfristszenarien.de/ veröffentlicht.
6 dena (2021): dena-Leitstudie: „Aufbruch Klimaneutralität“.

                                                                                                                                                   Erläuterungen der dena   15
eingeschmolzen wird.7 Bei der Herstellung von Stahl über die                            durch Umstellung der Prozesse zu vermeidenden Emissionen
                gängige Hochofenroute entstehen sehr hohe CO2-Emissionen.                               von Bedeutung.
                Bei Sekundärstahl, der in elektrischen Öfen eingeschmolzen
                wird, entstehen CO2-Emissionen in Abhängigkeit vom Strommix.                            Grundstoffchemie
                                                                                                        In der Grundstoffchemie entstehen CO2-Emissionen durch die
                Die Stahlindustrie kann in den betrachteten Szenarien klima-                            Bereitstellung von Prozesswärme und Dampf und werden zum
                neutral werden, indem einerseits die Hochofenroute durch die                            Teil auch während der Prozesse selbst freigesetzt. So setzt
                sogenannte Direktreduktion mit klimaneutralem Wasserstoff                               insbesondere die Herstellung von Ethylen und anderer soge-
                oder synthetischem Methan ersetzt wird und andererseits                                 nannter High Value Chemicals (HVC) sowie die Herstellung von
                indem durch eine bessere Kreislaufwirtschaft der Anteil des                             Ammoniak große Mengen CO2 frei.
                Sekundärstahls stark erhöht wird. Durch eine Verdopplung des
                Anteils von Sekundärstahl auf 60 % könnte beispielsweise der                            Ethylen und andere HVC werden heute meist durch die soge-
                Endenergiebedarf um 45 % gesenkt werden. Damit die Stahlher-                            nannte Dampfspaltung (Steam-Cracking) bei Temperaturen von
                stellung rechtzeitig klimaneutral werden kann, ist außerdem ein                         800–850 °C aus Naphta hergestellt, das in Raffinerien aus Rohöl
                schneller Aufbau von Direktreduktionskapazitäten nötig. Dafür                           gewonnen wird. Dieses Verfahren ist energieintensiv und auf
                muss die Versorgung mit klimaneutralem Wasserstoff oder syn-                            Naphta als fossiles Ausgangsprodukt angewiesen.
                thetischem Methan sichergestellt werden. In einer (möglichst
                kurzen) Übergangszeit könnten Anlagen für die Direktreduktion                           Um Ethylen und andere HVC unabhängig von fossilen Vorpro-
                auch noch mit Erdgas betrieben werden.                                                  dukten und klimaneutral herzustellen, ist es nötig, die Produk-
                                                                                                        tion auf die sogenannte Methanolroute umzustellen. Hierbei
                Zementherstellung                                                                       wird zunächst Methanol aus Wasserstoff und CO2 hergestellt,
                Bei der Zementherstellung werden Kalk, Ton, Sand und Eisenerz                           das schließlich zu Ethylen und anderen HVC weiterverarbeitet
                und ggf. weitere Zusatzstoffe gemahlen, gemischt und in einem                           wird. Voraussetzung dafür, dass dieser Prozess klimaneutral
                Ofen bei 1.450 °C zu Zementklinker gebrannt, der schließlich                            ablaufen kann, ist die klimaneutrale Herstellung von Wasser-
                gemahlen und durch Zugabe weiterer Zusatzstoffe weiterver-                              stoff und die Nutzung klimaneutraler Prozesswärme. Außerdem
                arbeitet wird. CO2-Emissionen entstehen bei der Zementherstel-                          wird CO2 als Rohstoff für die Methanolherstellung benötigt.
                lung einerseits durch die Befeuerung der Öfen und andererseits                          Hierfür kommt entweder abgeschiedenes CO2 (CCU) z. B. aus
                durch während des Brennvorgangs einsetzende Prozesse, die                               der Zementherstellung, der Verbrennung von Biomasse und aus
                eine große Menge CO2 freisetzen.                                                        Müllverbrennungsanlagen infrage oder auch direkt aus der Luft
                                                                                                        entnommenes CO2 (Direct Air Capture).
                Die CO2-Emissionen aus der Befeuerung der Öfen lassen sich
                durch die Nutzung von klimaneutralen Energieträgern, also                               Ammoniak wird mithilfe des Haber-Bosch-Verfahrens bei
                erneuerbarem Strom, klimaneutralem Wasserstoff, syntheti-                               450 °C und hohem Druck aus Wasserstoff und Stickstoff
                schen Energieträgern und Biomasse, vermeiden bzw. durch                                 hergestellt. CO2-Emissionen fallen sowohl durch den hohen
                Oxyfuel-Verfahren reduzieren. Auch die Verbrennung von Müll,                            Energiebedarf für das Verfahren selbst an als auch durch die
                die bereits umfangreich genutzt wird, verringert die Treibhaus-                         heute gängige Methode, Wasserstoff mithilfe der sogenannten
                gasemissionen. Eine Vermeidung der Prozessemissionen ist                                Dampfreformierung aus Erdgas zu gewinnen. Dabei wird durch
                auf diesem Wege jedoch nicht möglich, da beim Brennprozess                              die Reaktion von Methan mit Wasserdampf neben Wasserstoff
                zwangsläufig CO2 entsteht. Die Gesamtbilanz lässt sich durch                            auch CO2 erzeugt. Um auch Ammoniak unabhängig von fossilen
                einen geringeren Anteil der gebrannten Bestandteile am End-                             Kohlenwasserstoffen und klimaneutral herzustellen, muss der
                produkt, also durch eine Senkung des sogenannten Klinker-                               genutzte Wasserstoff in Zukunft klimaneutral, z. B. durch die
                faktors, verbessern. Die Langfristszenarien gehen im Szenario                           Elektrolyse von Wasser, hergestellt und die nötige Prozesswär-
                TN-Strom beispielsweise von einer Senkung dieses Faktors von                            me aus klimaneutralen Energiequellen bereitgestellt werden.
                0,73 auf 0,55 in 2050 aus. Die unvermeidbaren Restemissionen,
                die während des Brennens entstehen, müssen abgeschieden                                 Die Reduktion von Treibhaugasen bei der Umstellung der
                werden und können dann grundsätzlich entweder als Rohstoff                              Prozesse wird durch Effizienzgewinne, wie z. B. einen geringeren
                für die Grundstoffchemie genutzt (CCU) oder dauerhaft eingela-                          Kunststoffverbrauch (Ethylen) und einen geringeren Düngemit-
                gert werden (CCS). Im Falle einer Nutzung des abgeschiedenen                            teleinsatz (Ammoniak) unterstützt.
                CO2 muss eine langfristige Bindung sichergestellt werden, um
                eine Reduktion der Emissionen zu erreichen. Wenn Biomasse
                als Brennstoff genutzt und die CO2-Emissionen abgeschieden
                werden (BECCU/S), können auch negative Emissionen erzielt
                werden. Natürliche und technische Senken sind für diese nicht

                7   Siehe Ergebnisse der Langfristszenarien 3, Industrie: www.langfristszenarien.de/.

16   Erläuterungen der dena
Darauf muss sich die Infrastrukturplanung vorbereiten                                           und weiterer Effizienzsteigerungen gehen die betrachteten Sze-
Die Beispiele der besonders CO2-intensiven Industrien zeigen,                                   narien davon aus, dass der Endenergiebedarf im Verkehrssektor
dass sich durch die Umstellung auf weitgehend klimaneutrale                                     um 40–50 % gesenkt werden kann.
Produktionsprozesse die Anforderungen an die benötigten
Energieträger und damit die nötigen Transportinfrastrukturen                                    Bei Pkw und leichten Lkw wird sich aller Voraussicht nach die
stark wandeln werden.                                                                           direkte Nutzung von Strom in weiten Teilen der Fahrzeugflot-
                                                                                                te durchsetzen. Denn aufgrund der hohen Effizienz wird die
Sowohl die Nachfrage nach Strom als auch die Nachfrage nach                                     Elektrifizierung hier die günstigste Option sein. Lediglich für die
Wasserstoff in der Industrie wird deutlich ansteigen. Denn Strom                                Langstrecke und Nischenanwendungen werden Wasserstoff und
kann in vielen Prozessen genutzt werden, um die nötige Pro-                                     synthetische Kraftstoffe in diesem Segment eine Rolle spielen.
zesswärme zu erzeugen, die heute noch mit fossilen Brennstof-
fen erzeugt wird, und klimaneutraler Wasserstoff wird in großen                                 Im Schwerlastverkehr ist noch unklar, welcher Energieträger
Mengen als neuer, nicht fossiler Grundstoff für die chemische                                   sich durchsetzt oder welche Mischung an Antriebsarten sich
Industrie, für die Direktreduktion in der Stahlindustrie sowie für                              etablieren wird, da Wasserstoff und synthetische und bioge-
einige Hochtemperaturprozesse benötigt.                                                         ne Kraftstoffe insbesondere bei hohem Gewicht und weiten
                                                                                                Strecken Vorteile gegenüber der direkten Stromnutzung mit
Daher muss das Stromnetz in Teilen verstärkt oder ausgebaut                                     Batterien aufweisen. Welche Technologie sich durchsetzt, wird
werden, um die zu erwartenden erhöhten Strombedarfe der In-                                     von der Verfügbarkeit und den Preisen der Kraftstoffe ebenso
dustrie zu decken. Der nötige Stromnetzausbau kann reduziert                                    abhängen wie von der verfügbaren europäischen Tankstellen-
werden, indem die Herstellung des benötigten Wasserstoffs                                       und Ladeinfrastruktur. Ein europäisch abgestimmtes Vorge-
aus Elektrolyse möglichst nicht vor Ort in den Industrieanlagen                                 hen ist hier besonders wichtig. Aufgrund der im Vergleich zu
erfolgt, sondern netzorientiert, nahe der Erzeugungs- und Spei-                                 Energieinfrastrukturen relativ kurzen Investitionszyklen ist ein
cherzentren erneuerbarer Energien. Die Versorgung der Wasser-                                   vergleichsweise schneller Wandel möglich.
stoffbedarfe ist effizient über ein Wasserstofftransportnetz,
das die Industriezentren verbindet, möglich. In weiten Teilen                                   Im Flug- und Schiffsverkehr ist eine direkte Nutzung von Strom
kann diese Infrastruktur durch eine Umstellung des heutigen                                     aufgrund der eher geringen Energiedichte von Batterien nur
Erdgasnetzes aufgebaut werden. Dieses Netz kann auch für die                                    sehr eingeschränkt möglich und auch die Nutzung von Wasser-
Versorgung mit Wasserstoffimporten genutzt werden.                                              stoff stößt noch an technische Grenzen. Deshalb wird hier vor-
                                                                                                aussichtlich die Nutzung synthetischer und biogener Kraftstoffe
Neben einer neuen Transportinfrastruktur für Wasserstoff wird                                   dominieren. Der Bedarf nach solchen Brennstoffen und die da-
auch der CO2-Transport eine Rolle spielen, denn einerseits wer-                                 durch nötigen Erzeugungskapazitäten für erneuerbare Energien
den nicht vermeidbare CO2-Emissionen entstehen, die aufge-                                      werden auch bei großen Effizienzsteigerungen signifikant sein.
fangen und abtransportiert werden müssen, andererseits wird                                     Die Langfristszenarien gehen beispielsweise von einem Bedarf
CO2 in der chemischen Industrie zusammen mit Wasserstoff als                                    von 160 bis 170 TWh synthetischer oder biogener Kraftstoffe in
Rohstoff für die Herstellung z. B. von Ethylen benötigt.                                        diesen Bereichen aus.

Die Umstellung vieler Prozesse auf eine direkte Nutzung von
Strom, eine verbesserte Kreislaufwirtschaft und weitere Effi-                                   Darauf muss sich die Infrastrukturplanung vorbereiten
zienzsteigerungen führen im klimaneutralen Zielsystem in den                                    Die Elektrifizierung von Pkw und leichten Lkw wird zu einer er-
betrachteten Szenarien insgesamt zu einem ca. 20 % niedrige-                                    höhten Stromnachfrage führen. Bei den Ladevorgängen besteht
ren Energiebedarf in der Industrie. Da jedoch eine große Menge                                  das Risiko hoher Gleichzeitigkeiten und damit hoher Lasten.
heute fossiler Energieträger ersetzt werden muss, steigt der                                    Insbesondere für das Stromverteilnetz ist das eine Herausfor-
Strom- und Wasserstoffbedarf deutlich an.                                                       derung, da ein großer Teil der Ladepunkte an das Niederspan-
                                                                                                nungsnetz angeschlossen wird. Dieser Herausforderung kann
                                                                                                u. a. durch eine intelligente zeitliche Verschiebung der Lade-
1.2 Deckung des Energiebedarfs im Verkehrssektor                                                vorgänge begegnet werden. So können Lastspitzen und damit
Ein großer Teil unserer Verkehrsmittel wird heute mit fossilen                                  Engpässe vermieden und der Ausbau des Verteilnetzes effizient
Energieträgern betrieben. Dadurch werden viele Emissionen                                       gestaltet werden. Angesichts des raschen Markthochlaufs für
verursacht. Diese Energieträger werden in Zukunft durch klima-                                  Elektroautos sollten schnell regulatorische Maßnahmen getrof-
neutrale ersetzt werden müssen. Gleichzeitig können neue Ver-                                   fen werden, um eine zeitliche Verschiebung der Ladevorgänge
kehrskonzepte, die zu einer Reduktion des Individualverkehrs                                    zu ermöglichen oder um Anreize für ein netzorientiertes Laden
mit Autos führen, den Energiebedarf im Verkehrssektor senken.                                   zu setzen.8
Aufgrund der hohen Effizienz einer direkten Nutzung von Strom

8   Studien zeigen, dass der Ausbaubedarf in den Verteilnetzen durch eine Reduzierung der Gleichzeitigkeit teils
    deutlich reduziert werden kann. dena (2017): dena-Netzflexstudie, MWIDE NRW (2021): Verteilnetzstudie.

                                                                                                                                                         Erläuterungen der dena   17
Perspektivisch ergeben sich aus den großen an das Stromnetz                              2020 auf 5,8 Mio. in 2030 und 16,4 Mio in 2050 aus. Selbst in den
                angeschlossenen Speicherkapazitäten von Elektroautos Flexibi-                            Szenarien TN-H2-G und TN-PtG/PtL, in denen es zu einem um-
                litätspotenziale, die für das Stromsystem insgesamt nutzbar ge-                          fänglichen Einsatz klimaneutraler Gase zur Wärmebereitstellung
                macht werden können. Damit dieses Potenzial gehoben werden                               kommt, werden noch 3,2 Mio. Wärmepumpen in 2030 und 8,3
                kann, bedarf es geeigneter regulatorischer Rahmensetzungen.                              Mio. in 2050 erwartet.

                Da die verfügbare Tankstellen- oder Ladeinfrastruktur in Europa                          Fern- und Nahwärmenetze sollten vor allem in Ballungsgebieten
                die Entwicklung im Schwerlastverkehr entscheidend beeinflus-                             und dort, wo bereits solche Infrastruktur besteht, ausgebaut
                sen wird, ist hier eine abgestimmte europäische Lösung nötig.                            oder verdichtet werden. Sie können grundsätzlich aus ver-
                                                                                                         schiedenen klimaneutralen Quellen gespeist werden, was den
                                                                                                         Ausbau der Wärmenetze zu einer robusten Strategie macht. So
                1.3 Deckung des Wärmebedarfs im Gebäudesektor                                            wird sich nach Einschätzung der Langfristszenarien die Anzahl
                Die Dekarbonisierung des Wärme- und Kühlungsbedarfs von Ge-                              der angeschlossenen Gebäude mehr als verdoppeln. Zu einem
                bäuden gelingt einerseits durch eine umfassende energetische                             großen Teil wird die Wärmebereitstellung für diese Netze nach
                Sanierung des Gebäudebestands sowie auf Klimaneutralität                                 Einschätzung der Langfristszenarien durch Großwärmepumpen
                ausgerichtete energetische Anforderungen an Neubauten und                                in Verbindung mit Wärmespeichern geleistet werden.10
                andererseits durch den Ersatz fossiler Energieträger vor allem
                durch Strom sowie die Nutzung von Wärmenetzen. Auch andere
                klimaneutrale flüssige und gasförmige Energieträger, wie z. B.                           Darauf muss sich die Infrastrukturplanung vorbereiten
                Biomethan, können grundsätzlich eine Option darstellen, wenn die                         Es ist absehbar, dass es neben einer beschleunigten Sanierung
                 Verfügbarkeit ausreicht, um auch den Wärmesektor zu bedienen.                           und hohen Standards im Neubau in jedem Fall signifikant mehr
                                                                                                         Wärmepumpen und mehr Wärmenetzanschlüsse geben wird als
                Eine höhere Effizienz von Gebäuden, schnellere Sanierungs-                               heute. Gleichzeitig sinkt im Gebäudebereich der Bedarf an gas-
                zyklen, effizientere Anlagen und die direkte Nutzung von Strom                           förmigen Energieträgern, was Auswirkungen insbesondere auf
                führen zu einem insgesamt deutlich niedrigeren Energiebedarf                             die Gasverteilnetze haben wird.
                im Gebäudesektor. Die Langfristszenarien gehen beispielsweise
                davon aus, dass der Endenergieverbrauch bis 2050 um 33 bis                               Die höhere Anzahl von Wärmepumpen wird zu einem erhöh-
                47 % gesenkt werden kann.9                                                               ten Stromverbrauch im Gebäudesektor führen. Vor allem die
                                                                                                         Stromverteilnetze werden durch diese dort angeschlossenen
                Während deutlich effizientere Neu- und Bestandsgebäude                                   neuen Verbraucher potenziell stärker belastet. Um Engpässen
                eine flächendeckende Voraussetzung für die Klimaneutralität                              vorzubeugen, sollten deshalb bei ohnehin anstehenden Erd-
                des Gebäudebereichs sind, ist die zukünftige Entwicklung der                             arbeiten Verstärkungsmaßnahmen der Niederspannungsnetze
                genutzten Heizungstechnologie von der Art des Gebäudes und                               in Betracht gezogen werden, da die Kosten für die Verstärkung
                lokalen Faktoren abhängig. Grundsätzlich stehen verschiedene                             nur in geringem Maße durch neue Kabel und in großem Maße
                Technologien für den klimaneutralen Betrieb von Heizungen zur                            durch die nötigen Erdarbeiten getrieben sind.
                Verfügung. Zentrale Technologien sind Wärmepumpen sowie
                klimaneutral erzeugte Fern- und Nahwärme. Biomasse oder                                  In Ballungsgebieten sind Wärmenetze eine effiziente Option zur
                auch die Verbrennung klimaneutraler synthetischer Energieträger                          Dekarbonisierung der Wärmeversorgung. Ein Ausbau dieser Net-
                können eine Rolle spielen, sofern sie ausreichend verfügbar sind.                        ze ist unabhängig von den letztendlich genutzten klimaneutra-
                                                                                                         len Wärmequellen sinnvoll sowie geboten und sollte, wo immer
                Aufgrund der lokal sehr unterschiedlichen Voraussetzungen                                möglich, vorangetrieben werden. Die Langfristszenarien sehen
                wird die Wärmebereitstellung in Zukunft auf verschiedenen                                Großwärmepumpen als mit Abstand wichtigste Wärmequelle für
                Energieträgern und zentralen sowie dezentralen Konzepten                                 Wärmenetze in allen Szenarien, aber auch andere Quellen wer-
                basieren. Trotz dieser Diversität sind zwei wesentliche Entwick-                         den eine Rolle spielen. Damit auch die (industrielle) Abwärme
                lungen in den betrachteten Szenarien schon jetzt klar absehbar:                          besser genutzt werden kann, müssen u. a. regulatorische Fragen
                                                                                                         zum Netzzugang geklärt werden.
                Die Nutzung von Wärmepumpen wird zunächst vor allem
                in ländlichen Gebieten und in Gebäuden mit guter Wärme-                                  Die betrachteten Szenarien zeigen, dass aufgrund des perspekti-
                dämmung stark zunehmen. Im Szenario TN-Strom gehen die                                   visch zu erwartenden sinkenden Bedarfs für gasförmige Energie-
                Langfristszenarien von einem Wachstum von 1 Mio. Einheiten in                            träger für die Bereitstellung von Gebäudewärme die Stilllegung

                9  Szenario TN-PtG/PtL und TN-H2-G der Langfristszenarien sehen eine Reduktion um 33 % im Vergleich zu 2008 vor, während TN-Strom
                   eine Reduktion um 47 % vorsieht. Diese Annahmen decken sich weitgehend mit anderen Studien, z. B. Agora (2020).
                10	
                   Im Szenario TN-Strom wird bei der Erhöhung der Wärmeanschlüsse von einem Faktor von 2,4 ausgegangen, im Szenario TN-PtG/PtL und
                   TN-H2-G von einem Faktor von 2,2.

18   Erläuterungen der dena
Sie können auch lesen