6/2018 Deutscher Anwaltverein

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6/2018 Deutscher Anwaltverein
6/2018
                                             Die Fachzeitschrift
                                             für Anwältinnen
                                             und Anwälte
6/2018
AnwaltsPraxis Einzelspezialistin

                                                      •Nina Diercks:
                                                              AnwaltsPraxis

                                                         Die Einzel-
AnwaltsWissen Digitaler Nachlass

                                                         spezialistin
AnwaltVerein RVG-Erhöhung

                                                                    •          AnwaltsWissen

                                                                       Mayen + Herzog:
                                                                                                                     • AnwaltVerein

                                                                                                                     DAV in Brüssel:
                                                                       Digitaler Nachlass                            Rechtsstaat und
                                                                       und das Recht                                 Anwälte in der EU
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6/2018 Deutscher Anwaltverein
6/2018 Deutscher Anwaltverein
Editorial

       Die starren Regelungen einer gesetzlichen Gebührenord-
       nung sind mit dem RVG im Jahre 2004 weitergehend gelo-
       ckert worden. Die strenge Mindestgebührenregelung über
       § 49 b Abs. 1 BRAO in Verbindung mit dem RVG gilt nur
       noch für die Tätigkeit in gerichtlichen Verfahren, weil der
       Gesetzgeber sie nur dort mit Blick auf Gemeinwohlbelange
       und insbesondere mit dem Blick auf die Berechenbarkeit
       der Vergütung für Mandant und Anwalt einerseits und die
       Regelungen zur prozessualen Kostenerstattung anderer-
       seits noch für notwendig erachtet hat. Damit einher geht
       eine Rechtsprechung des BGH, die die verfahrensrecht-
       liche Kostenerstattung nach § 91 ZPO auf die gesetzliche
       Vergütung beschränkt und sich vorsichtig einer über den
       gesetzlichen Gebühren liegenden Kostenerstattung auf
       materiell-rechtlicher Basis annähert (zum Beispiel BGH
       AnwBl Online 2018, 439, Rn. 23; BGH AnwBl Online 2015,
       433, Rn. 58).
           Kostenerstattungsrechtliche Fragen spielen keine Rolle,
       wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht nach außen ge-
       richtet ist, wie bei Beratungsleistungen.
           Das RVG enthält seit 2006 mit § 34 RVG keine gesetzliche
       Gebühr mehr für Beratungstätigkeiten. Der Rechtsanwalt
       kann sogar kostenlos beraten (BGH, AnwBl 2017, 894). Damit
       rückt der Anwendungsbereich des § 34 RVG in den Blick. Mit
       seinem in diesem Heft veröffentlichten Urteil klärt der BGH
                                                 (AnwBl 2018, 364)
                                                 eine lange umstritte-

       Freiräume                                 ne Frage. Der Ent-
                                                 wurf eines Testa-
       ausfüllen                                 ments ist von § 34
                                                 RVG erfasst und wird    Jetzt noch besser:
                                                 nicht über eine Ge-

       Edith Kindermann, Bremen
                                                 schäftsgebühr nach
                                                 Nr. 2300 VV abge-
                                                 rechnet.
                                                                         juris DAV
                                                                         Zusatzmodul
       Rechtsanwältin und Notarin,
       Anwaltsblatt-Herausgeberin
                                                     Damit gilt: Am
                                                 Anfang steht der Auf-
                                                 trag. Geht es um eine
       Beratung (wie zum Beispiel den bloßen Entwurf eines Testa-        Profitieren Sie jetzt noch mehr von der
       ments) soll der Rechtsanwalt auf eine Gebührenvereinbarung        exklusiven Kooperation von DAV und
       hinwirken. Die Gebührenvereinbarung des § 34 RVG ist –            juris. Speziell für Sie als Mitglied des
       anders als eine Vergütungsvereinbarung – formfrei wirksam         Deutschen Anwaltvereins haben wir ein
       (§3 a Abs. 1 S. 4 RVG). Empfehlenswert ist gleichwohl eine        rechtsgebietsübergreifendes Kommentar-
       nachweisbare Vereinbarung.                                        und Zeitschriftenmodul entwickelt.
           Damit ist der Rechtsanwalt bereits am Beginn des Auftra-
                                                                         Mit dem juris DAV Zusatzmodul recherchieren
       ges gefordert. Mit dem Auftraggeber soll offen und trans-
                                                                         Sie in über 30 Top-Titeln führender Fachverlage
       parent über die Gebühr für die anwaltliche Tätigkeit gespro-
                                                                         der jurisAllianz – von A wie Anwaltkommentar
       chen werden. Wer das offene Wort scheut, ist auf die übliche
                                                                         bis Z wie Zöller. Sie arbeiten wie gewohnt auf
       Vergütung nach dem BGB beschränkt, im Verhältnis zum
                                                                         Augenhöhe mit allen deutschen Richterinnen und
       Verbraucher gekappt auf maximale 250 Euro. Fazit: Die Frei-
                                                                         Richtern und gewinnen Zeit und Rechtssicherheit.
       räume des modernen Vergütungsrechts müssen erkannt und
                                                                         Zahlreiche Formulare mit zusätzlichen Checklisten,
       ausgefüllt werden. Der Blick auf die Vergütung wird damit
                                                                         Vorlagen und Textbausteinen unterstützen Sie
       zur ureigensten anwaltlichen Aufgabe (und der Inhalt der
                                                                         optimal bei Ihrer Fallbearbeitung.
       Vereinbarung kann nicht auf Mitarbeiter delegiert werden).
       Diese Aufgabe stellt sich am Beginn des Mandats und nicht         Jetzt kostenfrei und unverbindlich testen
       erst an dessen Ende.                                              unter: www.juris.de/davzusatz
6/2018 Deutscher Anwaltverein
Anwaltsblatt Jahrgang 68, 6 / 2018                              Redaktion:
                                                                                                                    Im Auftrag des Deutschen Anwaltvereins                          Dr. Nicolas Lührig
                                                                                                                    herausgegeben von der Rechtsanwältin und                        (Leitung)
                                                                                                                    den Rechtsanwälten:                                             Udo Henke
                                                                                                                    Edith Kindermann                                                Manfred Aranowski
                                                                                                                    Herbert P. Schons                                               Jessika Kallenbach
                                                                                                                    Prof. Dr. Heinz Josef Willemsen                                 Lisa Tramm

•
Porträt
          AnwaltsPraxis

Nina Diercks: Die Einzelspezialistin
                                                                                                                  •         AnwaltsWissen
                                                                                                                  Anwaltsrecht

                                                                                                                  Rechtsunsicherheiten beim Verbot der
Andin Tegen, Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326
                                                                                                                  Vertretung widerstreitender Interessen
                                                                                                                  Prof. Dr. Martin Henssler, Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342

Report                                                                                                            Der Parteiverrat – die Basics
                                                                                                                  Rechtsanwältin Dr. Simone Kämpfer, Düsseldorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
Legal Tech: Willkommen in der Gegenwart
Nora Zunker, Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330   Outsourcing in Kanzleien
                                                                                                                  Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Hartung, Mönchengladbach . . . . . . . . . . . . . . . . 349

                                                                                                                  Die Verschwiegenheitspflicht des Berufsträgers
Anwälte fragen nach Ethik
                                                                                                                  im Besteuerungsverfahren
Namen bloggen – Transparenz oder Pranger?                                                                         Rechtsanwalt Michael Drasdo, Neuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350
Rechtsanwalt Hartmut Kilger, Tübingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333

                                                                                                                  Deutscher Anwaltverein + Deutscher Juristentag

                      !                                                                                           Fernmeldegeheimnis und digitaler Nachlass
                                                                                                                  Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Mayen, Köln/Bonn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350

                                                                                                                  Der digitale Nachlass und das Erbrecht
                                                                                                                  Rechtsanwältin Dr. Stephanie Herzog, Würselen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
                                                  Name:         _______
                                                                                                                  Soldan Institut

                                                                                                                  Die Neuregelung der interprofessionellen
                                                                                                                  Berufsausübung
Gastkommentar                                                                                                     Prof. Dr. Matthias Kilian, Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352

Wenn die Polizei Straftaten zählt ...
Marlene Grunert, Frankfurter Allgemeine Zeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334
                                                                                                                  Bücherschau

                                                                                                                  Anwaltsmarkt
Kommentar                                                                                                         Prof. Dr. Matthias Kilian, Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354

Die Perspektive der Mandanten
Rechtsanwalt Hartmut Scharmer, Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335
                                                                                                                  Haftpflichtfragen

                                                                                                                  Versicherungsschutz rund um Cyber
Digital                                                                                                           Rechtsanwalt Dr. Stefan Riechert, Allianz Versicherung, München. . . . . . . . . 356

Messe „AdvoTec“ – Neues auf dem Anwaltstag
Janine Ditscheid, Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339
                                                                                                                  Rechtsprechung

                                                                                                                  Anwaltsrecht
Nachrichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334       EGMR: Der aufgedrängte Pflichtverteidiger, BGH: Anwaltlicher Betreuer und
                                                                                                                  externer Anwalt, BGH: „Administrativer Direktor“ als Syndikusrechtsanwalt,
Bericht aus Berlin/Brüssel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336                    OVG Hamburg: Fahrtenbuch für Anwalt, weil Mandant PKW nutze, AnwG
                                                                                                                  Köln: Anwalt muss für Kanzleiwerbung geradestehen, FG Münster: Beiträge
                                                                                                                  als steuerpflichtiger Arbeitslohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359

                                                                                                                  Anwaltshaftung
                                                                                                                  OLG Frankfurt am Main: Prominenz des Mandanten steigert Sorgfaltspflicht,
                                                                                                                  OLG Brandenburg: Prozessvergleich widerrufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363

                                                                                                                  Anwaltsvergütung
                                                                                                                  BGH: Keine Geschäftsgebühr für Testament, BGH: Vergütung für Kanzlei-
                                                                                                                  abwicklung, BGH: Gegenstandswert Unfallschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364

                                                                                                                  Prozessrecht
                                                                                                                  BVerfG: Beachtung von Gerichtsfristen, BGH: Dolmetscher einschalten,
                                                                                                                  BGH: Tod des Anwalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366

322                AnwBl 6 / 2018
6/2018 Deutscher Anwaltverein
Alle Anwaltsblatt-Online-Fundstellen (AnwBl Online
                      [Jahrgang], [Seite]) sind in der Anwaltsblatt-Datenbank
                      unter anwaltsblatt.de oder als Direktlink als PDF unter
                                                                                                                      Die

                                                                                                                      Spkrenancuh -
                      anwaltsblatt.de/ao/[Jahrgang]-[Seite] abrufbar.
                      Das Heft mit allen Online-Aufsätzen gibt es in der
                      Anwaltsblatt-App (im AppStore und bei Google Play).

                                                                                                                         er     ngs-
•          AnwaltVerein
Metropolregion Rhein-Neckar
Eine Region macht mobil
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Henning Zander, Hannover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368

DAV-Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368

Kommentar
Nebentätigkeit im Referendariat
Rechtsanwältin Sabine Gries-Redeker, Bonn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370

Anwaltsvergütung

RVG-Forderungskatalog von DAV und BRAK
Rechtsanwalt Udo Henke und Rechtsassessorin Sabrina Reckin, DAV, Berlin 371

Deutscher Anwaltverein
Autorität der Demokratie – und des Rechts
Rechtsanwältin Eva Schriever, DAV, Brüssel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372

                                                                                                                                                       n der
Deutscher Anwaltverein                                                                                                                  Bis gleich a ar!
                                                                                                                                                  B  ierb
„Journalismus ist keine Jagd“                                                                                                           Philips-
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Rechtsanwalt Swen Walentowski, DAV, Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373
                                                                                                                                                      a ltstag
                                                                                                                                         beim Anw            :
                                                                                                                                          in M  a n n h e im
DAV-Landesverband Hessen                                                                                                                       Ebene 3
Wie sicher ist unser Rechtsstaat?                                                                                                            Stand 308
Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) Anette Feldmann, Wiesbaden . . . . 373

Arbeitsgemeinschaften
Insolvenzrechtstag: Dauerbaustelle Insolvenz-
recht/Die richtige Strategie im Baurecht/Grenz-
überschreitender Familienstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                     374
                                                                                                                       Aus Sprache wird Text.
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Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   321
                                                                                                                      Mit dem SpeechMike Premium Air
Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .         377
Mitgliederversammlung/Personalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                   377
                                                                                                                      erstellen Sie professionelle anwaltliche
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                                                                                                                      Telefon: 030/2639595-0
                                                                                                                      E-Mail: marc.mayer@speech.com
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6/2018 Deutscher Anwaltverein
Für die mustergültige Strafverteidigung.

Formulare für alle Fälle
Das Formularbuch umfasst alle relevanten Formulare
für Ihre Mandate im Strafrecht, Jugendstrafrecht und
Ordnungswidrigkeitenrecht. Ausführliche Anmerkun-
gen zu den einzelnen Formularen liefern Antworten zu
den wesentlichen Verfahrensfragen sowie Hinweise zum
materiellen Recht.
Alle Formulare stehen online zum Download zur Verfü-
gung.

Aktuell in der Neuauflage:
■   das am 5.9.2017 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur
    Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im
    Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts
■   das am 24.8.2017 in Kraft getretene Gesetz zur effektive-
    ren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafver-
    fahrens
■   das am 1.7.2017 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der
    strafrechtlichen Vermögensabschöpfung
■   die im Zuge der Einführung des elektronischen Rechts-
    verkehrs mit Justiz und Verwaltung kommende Praxis                                                             Beck’sches Formularbuch
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    der Akteneinsicht in elektronische Akten
                                                                                                                   6. Auflage. 2018. XXXIV, 1504 Seiten.
■   die Auswirkungen der gesetzlich geregelten Verständi-                                                          In Leinen mit Formularen zum Download
    gung im Strafverfahren sowie die »Deal-Entscheidung«                                                           € 119,–
    des Bundesverfassungsgerichts                                                                                  ISBN 978-3-406-68451-7
■   die Neuregelung der Sicherungsverwahrung und die                                                               Neu im März 2018
    aktuelle Rechtsprechung hierzu.
                                                                                                                   Mehr Informationen:
                                                                                                                   www.beck-shop.de/bhhycs
»(...) Richtig genutzt enthält das Beck’sche Formularbuch
für den Strafverteidiger eine Unmenge von Anregungen und
Denkanstößen für eine kreative Verteidigung, die auch Wege
jenseits der ausgefahrenen Gleise beschreitet.«
RA und Dipl.-Kfm. Wolfgang Nieberler, in: MAV-Mitteilungen
10/2010, zur 5. Auflage 2010

Erhältlich im Buchhandel oder bei: beck-shop.de | Verlag C.H.BECK oHG · 80791 München | kundenservice@beck.de | Preise inkl. MwSt. | 168194
6/2018 Deutscher Anwaltverein
AnwaltsPraxis
                                                     AnwaltsPraxis

326   Nina Diercks und IT-Recht:
      Die Einzelspezialistin
      Andin Tegen, Hamburg

      Der Einzelanwalt ist ein Auslaufmodell, behaupten
      viele. Die, die alleine praktizieren, widersprechen.
      Eine junge Anwältin hat als Einzelspezialistin ihre
      Nische in der Nische gefunden.

333   Veröffentlichung von Namen:
      Transparenz oder Pranger?
      DAV-Ausschuss Anwaltsethik und Anwaltskultur

      Gerichte agieren nicht im luftleeren Raum. Urteils-
      schelte gehört dazu. Doch muss auch der Name des
      Richters genannt werden? Ein Anwalt gibt seine ganz
      persönliche Antwort, was geht, was nicht geht.

335   Fachanwalt für Opferrechte:
      Perspektive der Mandanten
      Rechtsanwalt Hartmut Scharmer, Hamburg

      Der Fachanwalt für Opferrechte ist knapp in der Sat-
      zungsversammlung gescheitert. Das mag dem Rechts-
      system gut tun, den Rechtssuchenden hilft es nicht.
      Warum die Anwaltschaft eine Chance vertan hat.
6/2018 Deutscher Anwaltverein
Porträt

Rechtsanwältin Nina Diercks
6/2018 Deutscher Anwaltverein
Porträt

Die Einzel-
spezialistin
Mit der Kombination aus IT-, Medien-, Datenschutz- und
Arbeitsrecht eine Nische besetzen
Andin Tegen, Hamburg

Im IT-Recht ist Anwältin Nina Diercks fast allein unter Männern. Sie hat sich
durchgebissen – und zeigt, wo die Zukunft der Anwaltschaft liegt.

„Wie wollen Sie mit pickeligen Teenies Geld verdienen?“ – die Frage hat sie nie ver-
gessen. Damals steht Nina Diercks am Anfang ihrer Karriere zur Anwältin für IT-,
Medien-, Datenschutz- und Arbeitsrecht und der Mann, der den Satz ausspricht,
ist ein gestandener Anwalt. Er ist nicht der einzige, der ihren Wunsch auf dem IT-
Gebiet Karriere zu machen für etwas dämlich hält. Eine Orchideenbranche? Ein
Randgebiet? Der direkte Weg in die Armut! Noch heute rollt Nina Diercks mit den
Augen, wenn sie davon spricht. Schon damals hat sie nicht die Absicht, ihr Geld
mit Jugendlichen zu verdienen.
    Die Zeiten haben sich geändert für die 38-Jährige. Gewaltig sogar. Heute sitzt
Nina Diercks in ihrer Hamburger Kanzlei und blickt vom vierten Stock eines Rotklin-
kerbaus auf das lebhafte Eimsbüttel. Längst verdient sie ihr Geld nur noch mit Unter-
nehmen, die die neuen Technologien für sich nutzen. Eigentlich hat sie jetzt auch
keine Zeit für lange Gespräche – sie hat nicht mal Zeit, jedes Mandat anzunehmen.
    Diercks steht für eine ganz neue Entwicklung auf dem Anwaltsmarkt. Sie gehört
zu den Anwältinnen und Anwälten, die als Einzelunternehmer erfolgreich sind, weil           Diercks gehört zu den Anwälten, die als Einzelunterneh-
                                                                                            mer erfolgreich sind, weil sie hochspezialisiert arbeiten.
sie hochspezialisiert arbeiten. Sie haben oftmals nur noch eine Assistentin, vielleicht
einen weiteren Anwalt oder wissenschaftlichen Mitarbeiter. Sie haben geringe Fix-
kosten, legen Wert auf flexible Arbeitszeiten und die Vereinbarkeit von Familie
und Beruf. Ein neuer Typ Anwalt bereichert den Markt, einer, der sich radikal vom
Generalisten unterscheidet, der jeden Fall abbildet, sei es im Miet-, Zivil-, oder Straf-
recht. „Der klassische Feld-Wald-und-Wiesenanwalt stirbt als Einzelanwalt vermut-
lich aus“, sagt Diercks. „Aber nicht solche, die sich auf einem immer komplexer
werdenden Rechtsdienstleistungsmarkt auf ein Thema spezialisiert haben“.
    Und das IT-, Medien-, Datenschutz- und Arbeitsrecht ist so ein Spezialfall.
Diercks ist eine der wenigen Frauen in Deutschland, die sich auf die Kombination
dieser Rechtsgebiete konzentriert hat. Heute hat sie drei Angestellte – einen Rechts-
anwalt, eine Assistentin und einen studentischen Mitarbeiter. Hinter jedem Fall ent-
deckt sie ein Geflecht aus Rechtsbereichen, die mal klar formuliert sind oder ganz
neu erschlossen werden müssen. „Wenn ich ein Unternehmen in Sachen Mitarbei-
ter als Markenbotschafter berate, geht es um Fragen des Datenschutzes, der Arbeit-
nehmerrechte, der IT-Security, des Wettbewerbsrechts, des Urheberrechts und vie-
les mehr, das muss alles in Richtlinien oder Betriebsvereinbarungen gegossen wer-
den“, sagt sie. „Für solche Fälle dann Lösungen mit den Unternehmen zu ent-
wickeln macht unglaublich viel Spaß!“. Gerade im Datenschutzrecht existieren
nicht so viele Referenzfälle wie etwa im Mietrecht, Lösungen sind relativ. Wer Un-
ternehmen etwa bei Big-Data-Lösungen mit personenbezogenen Daten berät, muss
das deutsche oder europäische Datenschutzrecht beherrschen – das ist bei Weitem
nicht jedermanns Sache. Ist auch nicht gerade ein Spaziergang, sagt Diercks, aber
deswegen umso spannender. Sie mag ihre Rolle als Pionierin und Mitgestalterin
von Recht.

                                                                                                                     AnwBl 6 / 2018              327
6/2018 Deutscher Anwaltverein
Porträt

                                                 Hört man sie reden, kann man sich kaum einen passenderen Beruf für sie vor-
                                            stellen. Diercks galt schon in Schulzeiten als meinungsstark und analytisch den-
                                            kend. Außerdem, sagt sie, lag es mir, vor Hunderten von Leuten zu sprechen. „Ich
                                            bin auch ein bisschen Rampensau“, sagt sie und lacht über sich selbst, was ein Vor-
                                            teil für den Anwaltsjob ist.
                                                 Als Nachteil kristallisiert sich etwas heraus, womit sie anfangs nicht gerechnet
                                            hat: Das Muttersein. Noch heute zieht sie die Stirn kraus, wenn sie an die vielen Be-
                                            werbungsgespräche in Kanzleien denkt. Beruf und Familie miteinander zu verein-
                                            baren ist ein noch größeres Thema für ihr berufliches Umfeld als für sie selbst.
                                            Sie hat bereits eine dreijährige Tochter, als sie zur mündlichen Prüfung im zweiten
                                            Staatsexamen erscheint. „Rechtsanwältin? Wie wollen Sie das denn machen als Frau
                                            und Mutter!?“, ruft der Prüfungsvorsitzende. Sie denkt sich nichts dabei, doch er
                                            soll teilweise Recht behalten. „Es war – entgegen meiner Annahme – wirklich
                                            schwer den Berufseinstieg zu finden“, erinnert sie sich. In jedem Vorstellungs-
                                            gespräch in einer Kanzlei kommt die Frage: „Und wie machen Sie es mit Ihrer
                                            Tochter?“. Einmal fragt sie zurück, ob die gleiche Frage auch einem Vater gestellt
                                            würde. Mit der Antwort rechnet sie nicht: „Warum gehen Sie so an die Decke? Als
                                            Mutter bleibt man ja zu Hause, wenn das Kind krank ist. Und Sie sind als Frau
                                            nun mal ein Risiko für uns.“ Nina Diercks ist sprachlos. Noch heute ärgert sie sich
                                            darüber, dass sie nicht aufgestanden und gegangen ist.
                                                 Den Standpunkt klarmachen, nicht missverstanden werden, fokussiert bleiben.
                                            Sie hat eine klare Haltung wenn sie spricht, eine, die ihr auch im lockeren Gespräch
                                            zuweilen etwas Unnahbares verleiht. Vielleicht verständlich, wenn man hört, wie sie
                                            sich ihren Weg durch einen von Männern dominierten Rechtsbereich bahnen
                                            musste. Während ihres Studiums und zur Überbrückung der Wartezeit auf das Re-
                                            ferendariat zweigt sie kurz ab in die Verlagswelt. Bei Gruner und Jahr in Hamburg
                                            arbeitet sie als Projektmanagerin für ein Online-Portal, später für einen Computer-
1999–2005
                                            spielehersteller in der PR-Abteilung. „Jedes Mal wiederholte sich ein Szenario“, er-
Studium der Rechtswissenschaft an der       innert sie sich, „Online-Manager, IT-Entwickler und Juristen sehen sich nicht als er-
Universität Hamburg, Staatsexamen           gänzendes Team, sondern der Jurist wird als der nicht verstehende Feind betrachtet,
                                            dessen einziges Ziel sei, innovative Ideen im Keim zu ersticken.“
2000–2001
                                                 Hier keimt schon die Idee für den Social Media Rechts-Blog. Ein Blog, der dem
Gruner + Jahr                               Leser die Angst vor dem Recht nehmen und es für juristische Laien verständlich
                                            machen soll. Damals ahnt sie nicht, dass sie einmal fast all ihre Mandanten über
2002–2004
                                            diesen Blog generieren wird. Nach ihrem zweiten Staatsexamen legt sie los – und
Eidos GmbH, freie Mitarbeiterin             hört auch nicht auf, als sie in einer renommierten Kanzlei in den Anwaltsberuf star-
                                            tet. Zwar hat sie hier mit schillernden Kunden aus der Unterhaltungsindustrie zu
2005–2006
                                            tun, aber hauptsächlich bearbeitet sie Abmahnungen. „Irgendwann fühlte ich mich
University of Aberdeen, M.Litt              wie eine Sachbearbeiterin“, erinnert sie sich. Über ihren Blog gewinnt sie bereits
(Strategic Studies)
                                            Mandanten für die Kanzlei. Also überlegt sie sich voller Enthusiasmus ein neues
2006/2007 & 2009/2010
                                            Geschäftsfeld für die Kanzlei: Rechtsberatung für Social Media. So viel Eigeninitiati-
                                            ve ist aber doch nicht erwünscht. Genauso wenig wie flexible Arbeitszeiten oder ein
Rechtsreferendarin am OLG Hamburg
                                            freundliches Arbeitsklima. Doch all das ist ihr wichtig merkt sie, und dass sie ei-
2007–2009
                                            gentlich nicht wirklich der Typ Angestellte ist.
                                                 Also kündigt sie und steigt in ihr eigenes Boot: Im August 2011 macht sie sich
Elternzeit
                                            als Anwältin selbstständig und eröffnet eine Kanzlei für Social-Media-Recht. 2013
2010–2011
                                            gründet sie dann mit einem befreundeten Rechtsanwalt aus Kiel eine Partner-
                                            schaftsgesellschaft. Die Nachfrage nach Rechtsberatung im IT-Bereich steigt immer
Angestellte Rechtsanwältin
                                            weiter: „Die noch recht junge Branche professionalisierte sich und realisierte, dass
2011–2012
                                            das gute alte Kaufmannsehrenwort eben doch nur wenig wert ist, wenn sich jeder
                                            nur an die eigene Version des Besprochenen erinnert“, sagt sie. Die Vertragsgestal-
Einzelanwältin – Social Media Recht
                                            tung und das Verhandeln von Verträgen nehmen einen immer größeren Raum ein.
2013–Sep. 2016
                                                 Nach fast vier Jahren in der Doppelkanzlei stellt sich Diercks noch einmal neu
                                            auf. Sie entwickelt eine Corporate Identity, die ihre Tätigkeitsfelder noch besser wi-
Dirks & Diercks Rechtsanwälte
                                            derspiegelt und gründet im September 2016 die Anwaltskanzlei „Anwaltskanzlei
Seit September 2016
                                            Diercks – IT-|Medien-|Datenschutz-| und Arbeitsrecht“. Ihr Blog wird zu „Diercks
                                            Digital Recht – Blog für IT-|Medien-|Datenschutz-| und Arbeitsrecht“. „Der Name
Inhaberin der Anwaltskanzlei Diercks,
                                            Social Media Recht Blog suggerierte manch einem, ich würde nur zu Impressums-
Datenschutz-Sachverständige beim Un-
abhängigen Landeszentrum für Daten-
                                            fragen auf Facebook beraten“, erklärt sie ihre Entscheidung.
schutz Schleswig-Holstein für IT-Produkte        Es braucht Mut, Willensstärke und Überzeugung, um als Einzelanwalt zu beste-
                                            hen. Diercks Kanzleimarketing hat sie über die Jahre aufgebaut. Ihr Blog war und ist
                                            eine der wichtigsten Investitionen für sie. Und der schrieb sich über die Jahre nicht
                                            wie von selbst. „Hätte ich zu Beginn nur dann und wann einen kurzen Artikel ge-

328          AnwBl 6 / 2018
Porträt

                                                                                        „Die Branche professionalisiert sich und ein Kaufmanns-
                                                                                        Ehrenwort reicht nicht, wenn sich hinterher keiner mehr
                                                                                        an den Wortlaut erinnert“, erklärt sie. „Mit Verträgen ver-
                                                                                        hindert man Streit“.
postet, hätte dies sicher nicht genügt“, sagt sie. Wichtig für ihren Bekanntheitsgrad
war aber auch das Verfassen wissenschaftlicher Aufsätze, Gastartikel und das Pfle-
gen von Netzwerken: „In den ersten Jahren besuchte ich fast wöchentlich Veranstal-
tungen, war dort oft selbst Rednerin – etwa bei den Digital Media Women und ande-
ren Netzwerktreffen, auf denen man Unternehmer trifft“. Heute schafft sie das zeit-
lich nicht mehr. Mittlerweile besucht sie Konferenzen und Podiumsdiskussionen
nur noch, wenn sie gebucht wird. Sie schreibt auch nur noch zweimal im Monat
an ihrem Blog, der inzwischen „Diercks Digitalrecht“ heißt. Aber sie ist weiterhin
in Kommunikation, ihre Beiträge bleiben im Netz, werden gefunden, lösen Diskus-
sionen aus, generieren Interessenten und Mandanten.
    Außerdem macht sie den Mund auf, wenn ihr etwas nicht passt. Im Januar 2018
schrieb sie einen flammenden Brief an die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK),
in dem sie auf Sicherheitslücken beim besonderen elektronischen Anwaltspostfach
(beA) aufmerksam machte, bei dem die gesamte vertrauliche, nationale Kommuni-
kation zwischen Anwälten, Gerichten und Behörden zentral über eine Plattform ab-
gewickelt werden sollte. Dem BRAK-Präsidium warf sie vor, dass es offenbar an
grundlegendem Verständnis für IT-technische Fragen mangele. Und scheute auch
nicht vor Begriffen wie „Desaster“ zurück, um das Programm zu beschreiben. „Es
hat einfach gereicht“ sagt sie und zuckt mit den Schultern.
    Nina Diercks hat sich durch die kabbelige See der Existenzgründung navigiert
und segelt nun durch ruhigere Gewässer. Auch wenn es sich manchmal noch stür-
misch anfühlt, wie im letzten Jahr, als ein Mandant ein Angebot ablehnte. „Das ist
zwar ebenso normal wie es nur noch selten vorkommt, aber ich bin nicht der Typ,
der eine Ablehnung einfach wegwischt“, sagt sie. Sie hinterfragt den Grund.
    Ist der Druck sehr groß, schlüpft sie in ihre Turnschuhe und läuft los. Fälle
nochmal durchgehen, Ärger loswerden. Bis innere Ruhe einkehrt. Nina Diercks
war schon immer in Bewegung, als Kind mit Leistungssport, als Erwachsene mit                                            Andin Tegen
Laufen und Paddeln. Wenn die Familie im Urlaub in der Finca entspannt, übt sie                                          ist freie Journalistin in
                                                                                                                        Hamburg und schreibt
Steigungsläufe an der Algarve. Ihren Beruf betrachtet sie wie eine lange Fahrt auf                                      regelmäßig für Anwalts-
hoher See. „Ich kann nicht voraussehen, was passiert, ich habe keinen Jahresplan                                        blatt und Anwaltsblatt
                                                                                                                        Karriere.
für die Kanzlei“, sagt sie. Und warum auch? „Ich bekomme immer mehr Aufträge
und kann gleichzeitig meine Kinder zum Sport bringen – meine Kanzlei kann ich                                           Leserreaktionen an
                                                                                                                        anwaltsblatt@anwalt
auch später noch ausbauen“. Ausgleich ist ihr wichtig, arbeiten bis zum Umfallen                                        verein.de.
ein Relikt aus vergangenen Tagen. Das Leben wie einen Fluss wahrzunehmen.
Nichts zu erzwingen. So macht sie Karriere. //

                                                                                                                 AnwBl 6 / 2018               329
Report

                                                  Willkommen in
                                                  der Gegenwart
                                                  Legal Tech: Der Alltagsgebrauch zählt –
                                                  Praxis statt Phantasie
                                                  Nora Zunker, Berlin

„Den Wettbewerb gewann                            Der Rechtsdienstleistungsmarkt wird neu programmiert: Ein Jahr nach dem ersten
 ein Softwareprototyp, der                        deutschen Legal Tech Hackathon trafen im Februar erneut 140 Anwälte, Entwickler
 Verhandlungsparteien separat                     und Legal Engineers in Berlin zusammen, um gemeinsam in einem Wettbewerb
 durch einen „intelligenten“                      softwarebasierte Lösungen für Verbraucher, Justiz und Anwaltskanzleien zu fin-
 Fragenkatalog führt und den                      den. Auf der parallel stattfindenden Konferenz diskutierten indes Teilnehmer und
                                                  Referenten die lang- und kurzfristigen Perspektiven bisheriger Legal Tech-Ansätze
 gemeinsamen Konsens
                                                  und -Produkte.
 ermittelt.“                                          Ließen sich die Besucher der Berlin Legal Tech im vergangenen Jahr noch ganz
                                                  vom Hype um „Legal Tech“ mitreißen, war der Blick in diesem Jahr ein anderer:
                                                  Was können die Technologien heute für den Alltagsgebrauch leisten – und was
                                                  nicht?
                                                      Die neuen Technologien prägen dabei nicht nur den Anwaltsberuf sondern das
                                                  gesamte Arbeitsumfeld. „Predictive Analysis beeinflussen den Bereich der Prozess-
                                                  finanzierungen grundlegend. Risikoeinschätzungen basieren auf Mustererkennung
                                                  – diese kann jetzt immer weiter automatisiert und präzisiert werden“, sagte Thomas
                                                  Kohlmeier (Mitgründer der Nivalion AG). Ein Einsatz von Predictive Analytics zur
                                                  Vorhersage von Gerichtsurteilen scheitere laut Jan Stemplewski (Holiday Hero) in
                                                  Deutschland hingegen an den zu geringen Datenmengen: „Um Voraussagen zu er-
                                                  möglichen, müssten zunächst alle Urteile veröffentlicht werden, auch wenn sie be-
                                                  stehende Entscheidungen nur bestätigen, um eine quantitative Grundlage zu schaf-
                                                  fen.“ Was der Einsatz von Technologien schon jetzt beeinflussen kann, ist das Kräf-
                                                  teverhältnis von Einzelpersonen und großen Unternehmen. Max Schrems erläuter-
                                                  te, wie er durch den Einsatz von entsprechender Software im Rahmen einer „Sam-
                                                  melklage österreichischer Prägung“ gegen Facebook innerhalb weniger Tage 25.000
                                                  Nutzer erreichen konnte, die sich seinem Anliegen anschlossen.
                                                      Die Auseinandersetzung mit Blockchain und Künstlicher Intelligenz bildete ei-
                                                  nen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt der Konferenz. Luis Ackermann (Mitgrün-
                                                  der von Lex Ferenda) betonte, dass auf Machine Learning basierenden Systeme
                                                  noch ganz am Anfang der Entwicklung stünden. Die Veranstalter Rechtsanwalt
                                                  Florian Glatz und Prof. Stephan Breidenbach widmeten sich der Frage nach Sinn
                                                  und Unsinn von Initial Coin Offerings und der Vision von Recht als Code bezie-
                                                  hungsweise Code als Recht.

                                                  Klare Kommunikation, bessere Ergebnisse
                                                  Beim Hackathon identifizierten die Teilnehmer in angeleiteten Diskussionsrunden
                                                  die analogen Probleme und digitalen Lösungsmöglichkeiten des Rechtsdienstleis-
                                                  tungsmarktes. Anschließend arbeiteten die interdisziplinären Teams an der Um-
                                                  setzung konkreter Prototypen. Besonders die Frage nach verbessertem Zugang zur
                                                  Justiz durch Legal Tech motivierte. Viele Legal Tech-Interessierte waren extra für
                                                  das Event angereist. „Ich habe begonnen mich mit Legal Tech auseinanderzusetzen,
                                                  weil in meinem Heimatland Indien der Zugang zur Justiz oft sehr kostspielig ist
                      Nora Zunker                 und nicht jeder sich einen Anwalt leisten kann. Außerdem kann Software eines Ta-
                      hat Jura an der Hum-        ges vielleicht zu vorurteilsfreien Prozessen beitragen“, beschrieb Thejeswi Preetham
                      boldt-Universität zu Ber-
                      lin studiert und schreibt   seine Motivation zur Teilnahme. Am Ende des zweiten Tages wurden unter ande-
                      regelmäßig für Anwalts-     rem eine Vertragsmanagementsoftware, eine Austauschplattform speziell für An-
                      blatt und Anwaltsblatt
                      Karriere.                   wälte und eine Klausel-Datenbank für Vertragsverhandlungen vorgestellt. Den
                                                  Wettbewerb gewann ein Softwareprototyp, der Verhandlungsparteien separat durch
                      Leserreaktionen an
                      anwaltsblatt@anwalt         einen „intelligenten“ Fragekatalog führt und den gemeinsamen Konsens ermittelt.
                      verein.de.                  Insgesamt zeigte sich in der Legal Tech-Szene eine Tendenz hin zu Produkten, die
                                                  sich im täglichen Leben in absehbarer Zeit einsetzen lassen. //

 330     AnwBl 6 / 2018
Dieser
  Tag hat                             D E U T S C H E R

  53
                                     ANWALTS
                                     TAG 2 0 1 8
                                         »Fehlerkultur in der
                                           Rechtspflege«

  Stunden
                                      6.– 8. Juni in Mannheim

> 2 Tage > 3 Abende > 50 Vorträge > 65 FAO-Stunden > 70 Aussteller > 200 ReferentInnen > 2.000 Teilnehmer

                                                                                  #anwaltstag 2018
                                                                                  www.anwaltstag.de
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der Skriptenverkauf sowie die Veranstaltungen im Notariat, die Klausuren in den Fachanwaltslehrgängen, Einzelbuchungen von Fachanwaltslehrgangsbausteinen sowie folgende Sonderveranstaltungen:
Agrarrechtseminar, Jagdrechtstag, Weinrechtseminar. Es ist jeweils nur ein von der DeutschenAnwaltAkademie ausgestellter Gutschein pro Person für eine Seminarbuchung einlösbar. Die Kombination von
Gutscheinen mit anderen Rabattaktionen ist nicht möglich. Gutscheine können weder bar ausgezahlt noch nachträglich eingelöst werden. Der Weiterverkauf ist untersagt. Ein einmal eingelöster Gutschein
wird durch eine anschließende Stornierung des Seminars Ihrerseits nicht wieder hergestellt, sondern verfällt. Bitte verwenden Sie folgenden Rabatt-Code: svz2018
Anwälte fragen nach Ethik

Richternamen bloggen:
                                                                                         Ein Mitglied aus dem DAV-Ausschuss
                                                                                         Anwaltsethik und Anwaltskultur gibt
                                                                                         seine ganz persönliche Antwort.

Transparenz oder Pranger?                                                                Wenn Sie es anders sehen:

                                                                                                                                                         AnwaltsPraxis
                                                                                         Schreiben Sie dem Ausschuss
                                                                                         (anwaltsblatt@anwaltverein.de).

Die Frage nach dem richtigen Handeln stellt sich im Alltag:                              Antworten werden im Anwaltsblatt
                                                                                         veröffentlicht.
Würden Sie die Richternamen öffentlich machen?*
Ein Rechtsanwalt betreibt einen Blog, auf dem er auch über Gerichtsentscheidungen
aus seinem OLG-Bezirk berichtet. Die Nutzerzahlen steigen stetig. Einmal im Monat
bloggt er über die „Zitrone des Monats“. Detailliert und hochkritisch verreißt er eine
Gerichtsentscheidung. Dabei ist er nicht zimperlich: Er benennt die verantwortlichen
Personen, jeweils mit vollem Namen und Dienstbezeichnung. Der OLG-Präsident
fordert eine Anonymisierung. Der Rechtsanwalt weigert sich. Mit guten Gründen?

                                                                                         *   Angelehnt an BVerwG, AnwBl 2015, 272, wo der Kläger,
                                                                                             Rechtsanwalt und gleichzeitig Redakteur der juristi-

     !                          Darf ein Anwalt Entscheidungen,                              schen Fachzeitschrift „Anwaltsnachrichten Ausländer-
                                                                                             und Asylrecht“ (ANA-ZAR), Entscheidungen aus dem
                                die er für falsch hält, in seinem Blog                       Migrationsrecht, die er als Missgriff verstand, als „Ent-
                                                                                             gleisung des Monats“ unter Namens- und Dienst-
                                mit Namen der Verantwortlichen                               bezeichnung der mitwirkenden Personen veröffentlich-
                                                                                             te. Das BVerwG gab der Pressefreiheit den Vortritt und
                     _______
             Name:
                                veröffentlichen?                                             urteilte, dass die Persönlichkeitsrechte (von Staats-
                                                                                             anwälten und Verteidigern) regelmäßig gegenüber dem
                                                                                             publizistischen Informations- und Verbreitungsinteresse
                                                                                             zurück stehen müssten.

   Es ist zunächst wohltuend, dass sich die Rechtsordnung bei der Beantwor-
   tung dieser Frage zurückhält. Jedenfalls ist keine Vorschrift ersichtlich, die
   ein solches Handeln ausdrücklich verbietet, aber auch nicht erlauben würde.
   Also muss selbst entschieden werden, ob und wie Zurückhaltung geboten
   wäre – oder auch nicht. Verantwortliche in gerichtlichen oder behördlichen
   Verfahren sagen zu Recht: Es kommt auf Inhalte an – und nicht darauf, wer
   Bescheide formuliert und erlassen hat. Auch müssen sie ja entscheiden, es             DAV-Ausschuss Anwaltsethik und
   ist hier Dienstpflicht. Also ist verständlich, wenn sich Gerichtschefs vor ihre       Anwaltskultur
   eigenen Leute stellen: Auch sie haben die Pflicht, sie vor Anfeindung zu be-
   wahren. Vornehme Zurückhaltung schafft gediegenere Zivilisation. Ande-
                                                                                         Der DAV hat einen Ausschuss Anwaltsethik
   rerseits gilt: Es sollte der Staat den so genannten „Rechtsunterworfenen“             und Anwaltskultur. Dieser Ausschuss will
   nicht anonym, sondern durch handelnde Personen gegenübertreten. Schon                 eine Diskussion darüber führen und aus-
   die notwendige Akzeptanz hängt hiervon ab.                                            lösen, ob die anwaltliche Tätigkeit auch
        Also kommt es auf eine Abwägung dieser beiden Interessengegensätze an            ethischen Maßstäben unterliegt, und wenn
   – und damit (wie immer) auf Einzelheiten. Sicher zu Recht wird als un-                ja, welchen. Der Vorstand des DAV hat
   anständig empfunden, wenn (im Internet) so skandalisiert wird, dass eine              beschlossen, keinen Ethikkodex zu formu-
   Einzelperson quasi an einen Pranger gestellt wird. Aber gilt das immer? Wie           lieren. Einmal fehlt hierfür die Legitimation.
                                                                                         Zum anderen läuft ein solcher Kodex
   ist es etwa, wenn ein Medium an ein Fachpublikum gerichtet ist, das ein pro-          Gefahr, beschlossen und vergessen zu
   fessionell begründetes Interesse an der Verfahrensweise ihr möglicherweise            werden. Eine beständige Diskussion um
   aus dem beruflichen Umfeld sogar bekannter Persönlichkeiten haben muss?               ethische Fragen vermag das Problem-
        Wer behördliche oder gerichtliche Macht hat, über andere Menschen zu             bewusstsein mehr zu prägen und zu
   entscheiden, wird jedenfalls hinter seinen Entscheidungen so stehen können            schärfen. Die Rubrik gibt es seit 2012 im
   und müssen, dass er die Bekanntgabe seiner persönlichen Urheberschaft                 Anwaltsblatt, seit 2017 antworten
   aushalten kann. Das kann durchaus schmerzhaft sein – dieser Schmerz ist               Ausschussmitglieder.
                                                                                         Es sind jeweils ihre persönlichen Antworten,
   systemimmanent, wo harter rechtlicher Schlagabtausch der Sache wegen                  keine Stellungnahmen des gesamten
   (leider) an der Tagesordnung ist. Wer ein Beispiel hierfür braucht, lese ein          Ausschusses oder des DAV.
   Heft der ANA-ZAR, für die Migrationsrechtler, wo regelmäßig die „Entglei-
   sung des Monats“ Namen nennt. Doch das mag in anderen Rechtsgebieten
                                                                                         Dem DA V-Ausschuss Anwal ts ethi k und Anwalts kultur
   anders sein – es geht nicht immer ums Ganze. Wie immer bei Fragen an das
                                                                                         gehören die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
   Berufsethos: Es kommt sehr auf die Einzelumstände an. Patentantworten                 an: D r. Jörg Meister (Vorsitzender), Dr. Joachim Frhr.
   verbieten sich. Deswegen würden auch Rechtsnormen nicht weiterhelfen.                 von Falkenhausen, Prof. Ni ko Härting, Markus
                                                                                         Hartung, Petra Heinicke, Hartmut Kilger, Ingeborg
   Rechtsanwalt Hartmut Kilger, Tübingen
                                                                                         Rakete-Dombek (auch Notarin), Eghard Teichmann
                                                                                         (auch Notar) und Silke Waterschek.

                                                                                                                   AnwBl 6 / 2018               333
Krisensitzung zum beA                          G a stkomm entar

Die BRAK hatte die Präsidenten der regio-
nalen Kammern am 15. April 2018 zu einer
außerordentlichen Konferenz zusammen-          Wenn die Polizei Straftaten
getrommelt, um über den aktuellen Stand
zum besonderen elektronischen Anwalts-         zählt … wird es ungenau
postfach (beA) zu berichten. Einen Tag
später gab es auf der 6. Satzungsver-
                                               Die Polizeiliche Kriminalstatistik liefert Zahlen
sammlung eine aktuelle Stunde hierzu.          über Zahlen, doch ihre Aussagekraft ist beschränkt
Auch die BRAK-Hauptversammlung am              Marlene Grunert, Frankfurter Allgemeine Zeitung
27. April 2018 kam um das Thema beA
nicht umhin. Zwischenzeitlich musste die
BRAK auch das Bundesweite Amtliche An-         Ein zuverlässiges Abbild der Kriminalität gibt in Deutschland
waltsverzeichnis wegen Sicherheitsproble-      die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). So jedenfalls sieht es
men vorübergehend vom Netz nehmen.             Horst Seehofer. Als der Bundesinnenminister kürzlich die
Das beA bleibt aber erstmal offline. Zwar
                                               Studie für das vergangene Jahr vorstellte, wehrte er sich denn
wurden keine Fehler gefunden, die den
grundlegenden Aufbau des beA-Systems
                                               auch gegen jeden Vorwurf der Verfälschung und zog lieber
in Frage stellen, so der Gutachter. Die bis-   ein „klares Fazit“: Deutschland sei sicherer geworden, zur
her ausgemachten „Schwachstellen des           Entwarnung bestehe aber kein Anlass. In aller Ambivalenz
beA-Systems“ könnten behoben werden.           illustrierte der Bundesinnenminister den Charakter der Stu-
Aber erst wenn das endgültige Sicher-          die damit mehr, als er beabsichtigt haben dürfte.
heitsgutachten zum beA vorliegt – nicht            Tatsächlich ist die Aussagekraft der PKS beschränkt. Das        Marlene Grunert ist Poli-
vor Ende Mai 2018 – wird die BRAK über         liegt vor allem daran, dass sie ausschließlich das kriminelle       tikredakteurin bei der
                                                                                                                   Frankfurter Allgemeinen
das weitere Vorgehen beraten. BRAK-            Hellfeld erfasst, also Fälle, die der Polizei bekannt geworden      Zeitung, wo sie sich vor
Präsident Schäfer kündigte an, dass es bei     sind. Den Einfluss des Anzeigeverhaltens lässt sie außer Acht,      allem um F.A.Z. Ein-
                                                                                                                   spruch kümmert.
Wiederinbetriebnahme des beA eine Ein-
                                               obwohl es höchst unterschiedlich ausfällt. So wird sich das
Monats-Frist geben solle, bevor die passi-                                                                         Leserreaktionen an
ve Nutzungspflicht für Anwältinnen und
                                               Opfer einer Beleidigung um eine Strafverfolgung seltener be-        anwaltsblatt@anwalt
Anwälte greife.                                mühen als das Opfer eines Wohnungseinbruchs.                        verein.de.

Das BRAK-Präsidium war wegen dem beA               Im Sexualstrafrecht kommen gesellschaftliche Entwick-
bislang heftigster Kritik ausgesetzt. Auch     lungen hinzu. So hat die abnehmende Stigmatisierung von
im Kammerlager rumorte es kräftig. Umso        Opfern sexueller Gewalt erhebliche Auswirkungen auf das
überraschender war es, dass die regiona-       Anzeigeverhalten. Eine Aussage über tatsächliche Kriminali-
len Kammern auf der BRAK-Hauptver-             tätsentwicklungen ist mit der Dokumentation bekanntgewor-
sammlung mehr oder weniger die Füße still      dener Fälle deshalb noch lange nicht getroffen. Gleiches gilt,     „In erster Linie
gehalten haben. Die Hauptversammlung           wenn die Polizei ihre Praxis ändert. Je intensiver sie das          liefert die Kri-
hatte während der Haushaltsdebatte einen                                                                           minalstatistik
                                               Frankfurter Bahnhofsviertel beobachtet, desto mehr Drogen-
Misstrauensantrag einer Kammer gegen
zwei Mitglieder des Präsidiums und die
                                               delikte dürften ihr wohl auch bekannt werden.                       einen Arbeits-
damit verbundene Rücktrittsforderung mit           Schon die Aussage, 2017 seien 5,8 Millionen Straftaten          nachweis der
deutlicher Mehrheit abgelehnt (BRAK-           aufgenommen worden, ist hinfällig. Denn von einer Straftat          Polizei, nicht
Presseerklärung Nr. 11. vom 27. April          kann nur die Rede sein, wenn sie gerichtlich festgestellt wur-      aber eine
2018). Das Präsidium der BRAK sah darin        de. In der PKS landet ein Vorgang dagegen, sobald die Polizei       ‚Aufklärungs-
eine Bestätigung ihrer Arbeit.                 ihn an die Staatsanwaltschaft abgibt – unabhängig davon, wie
                                                                                                                   quote‘.“
                                               das Verfahren ausgeht. In erster Linie liefert die Studie des-
                                               halb einen Arbeitsnachweis der Polizei, nicht aber eine „Auf-
BRAK-Präsident legt Amt nieder                 klärungsquote“.
                                                   Gesetzesänderungen lässt die PKS weitgehend außer Acht,
Der Präsident der Bundesrechtsanwalts-
kammer (BRAK) Ekkehart Schäfer hat An-
                                               ungenau ist sie deshalb auch dort, wo sie „Veränderungen ge-
fang Mai seinen Rücktritt angekündigt. Er      genüber dem Vorjahr“ illustrieren will. Aktuell betrifft das
hat in einem Schreiben an die Präsidenten      etwa die Reform der Straftatbestände zum Widerstand gegen
der regionalen Rechtsanwaltskammern            Vollstreckungsbeamte. Die Bundesregierung selbst räumt ein,
gesundheitliche Gründe für diesen Schritt      dass ein Vergleich der Fallzahlen hier „nur noch bedingt mög-
angeführt. Schäfer will sein Amt spätes-       lich“ ist. Ganz vorbehaltlos heißt es dagegen in der aktuellen
tens zum 14. September 2018 niederle-          PKS, der Widerstand gegen Polizisten habe zugenommen.
gen. Das ist der Termin, an dem die                Angesichts all dessen erstaunt, warum die Bundesregie-
nächste große BRAK-Hauptversammlung            rung nicht längst eine genauere Untersuchung auf den Weg
turnusmäßig stattfinden soll. Er sprach
                                               gebracht hat. Zumal es sie in Form des Periodischen Sicher-
sich dafür aus, so schnell wie möglich
Neuwahlen abzuhalten. Gewählt werden
                                               heitsberichts schon einmal gab. Im Koalitionsvertrag verein-
soll jetzt am 28. Mai 2018 auf einer außer-    barten die Regierungsparteien zwar die Wiederauflage dieser
ordentlichen BRAK-Präsidentenkon-              deskriptiven und analytischen Studie, doch im Bundesinnen-
ferenz. Schäfer ist seit dem 18. September     ministerium bezweifeln Mitarbeiter schon jetzt ihre Finan-
2015 Präsident der BRAK.                       zierbarkeit. Vorerst bleibt es deshalb bei der PKS. Aus deren
                                               Ungenauigkeiten dürften Kriminologen, Politiker und Jour-
                                               nalisten weiterhin lautstarke Schlüsse ziehen. //

334        AnwBl 6 / 2018
K o m m e n ta r                                                                               Kein Fachanwalt für Opferrechte
                                                                                               Der Fachanwalt für Opferrechte ist ge-

Die Perspektive der                                                                            scheitert. Zwei Stimmen fehlten in der

                                                                                                                                                  AnwaltsPraxis
                                                                                               sechsten Sitzung der 6. Satzungsver-

Mandanten                                                                                      sammlung am 16. April 2018 zur absoluten
                                                                                               Mehrheit, die für eine neue Fachanwalt-
                                                                                               schaft nötig ist. Der Fachanwalt für Opfer-
Der Fachanwalt für Opferrechte scheitert in                                                    rechte war nicht nur von den Opferver-
der Satzungsversammlung – ein Nachruf                                                          bänden gefordert worden und von der Po-
Rechtsanwalt Hartmut Scharmer, Hamburg                                                         litik erwünscht, sondern auch eine Gruppe
                                                                                               von Anwältinnen und Anwälten hatte mit
                                                                                               Unterstützung des DAV für ihn gekämpft
Die Fähigkeit zum Perspektivwechsel gehört zu den Kern-                                        und geworben. Die Kritik kam vor allem
kompetenzen eines erfolgreichen Rechtsanwaltes. In eigener                                     aus dem Lager der Fachanwälte für Straf-
Sache scheint es aber auch für erfahrene Kolleginnen und                                       recht. Sie betonten immer wieder, dass sie
                                                                                               auch die Anwältinnen und Anwälte der ne-
Kollegen gar nicht so leicht zu sein, über den eigenen Schat-
                                                                                               benklageberechtigten Verletzten seien.
ten zu springen: ein neuer „Fachanwalt für Opferrechte“ ver-                                   Mit einem neuen Anlauf für eine Fach-
fehlte in der Satzungsversammlung am 16. April 2018 knapp                                      anwalt für Opferrechte ist in dieser 6. Sat-
die erforderliche Mehrheit. Es wird ihn also nicht geben.                                      zungsversammlung (bis Sommer 2019 im
    Aus der Perspektive von Mandanten stellt sich die Sachlage                                 Amt) nicht mehr zu rechnen.
relativ klar dar: wer durch eine Straftat oder einen Unfall ge-
schädigt ist, steht meist nicht nur vor einer persönlich schwie-     Hartmut Scharmer ist
rigen Situation, sondern auch vor einer Vielzahl von Rechts-         seit 1977 Rechtsanwalt.
                                                                     Er ist Mitglied der       L es e r r e a k t i o n
problemen. Es können Entschädigungsansprüche aus Teil-               6. Satzungsversamm-
bereichen des Zivilrechts, Sozialrechts und Strafrechts zu prü-      lung.
fen sein. Ganz zu schweigen von den schwer zu überblicken-
den Kosten und den Chancen der Rechtsdurchsetzung. Auf
                                                                     Leserreaktionen an
                                                                     anwaltsblatt@anwalt
                                                                     verein.de.
                                                                                               » Chance vertan … schade!
diese Situation war die neue Fachanwaltsbezeichnung zu-                                            Zum Online-Beitrag „Zwei Stimmen fehlten
geschnitten. Die Mandanten sollten gleich einen ausgewiesen                                        zum Fachanwalt für Opferrechte“ vom
                                                                                                   16. April 2018 von Rechtsanwalt Dr. Nicolas
qualifizierten, also einen Fachanwalt finden können, der sie                                       Lührig auf www.anwaltsblatt.de:
aus einer Hand beraten kann. Und vor allem: den sie als partei-
lichen und kompetenten Interessenvertreter ansehen können.                                         Die Satzungsversammlung hat der An-
    Zu viele Mitglieder des Gremiums konnten diesen Per-                                           waltschaft einen Bärendienst erwiesen,
spektivwechsel aber leider nicht nachvollziehen. Die Gegner         „Die Mandanten                 als sie den Fachanwalt für Opferrechte
argumentierten zumeist aus „systematischer“ Sicht: die bishe-        haben ein                     abgelehnt hat. Die im SGB XIII-Entwurf
rigen Fachanwaltsbezeichnungen orientierten sich an Rechts-          reales, kein                  vorgesehene Schaffung eines Fall-
                                                                                                   managers (der anwaltliche Beratungs-
gebieten. Das „Opferrecht“ sei aber ein „Gemischtwaren-              systematisches                leistungen übernehmen wird) und die
laden“, dessen Teilbereiche in anderen Rechtsgebieten größ-          Problem.                      Überantwortung der Fürsorge für Op-
tenteils enthalten seien. Das ist sicher richtig und liegt in der    Wenn wir das                  ferzeugen und -Nebenkläger auf das
Natur der Sache, ist aber ebenso sicher kein Gesichtspunkt,          nicht verste-                 Gericht (anstatt der Überlassung an
der auch nur einen einzigen Mandanten interessiert.                  hen, wird sich                Opferanwälte), wie im Koalitionsvertrag
    Welchen Wert soll eine „Systematik“ haben, die an den Be-                                      vereinbart, sind Reaktionen auf das
                                                                     die Lebens-
dürfnissen eben derjenigen Menschen vorbeigeht, deren Inte-                                        jahrelange Ignorieren der Wünsche der
ressen die Rechtsanwälte ansonsten gerne als oberste Richt-          realität immer                Justizministerkonferenz. Sie hat lange
schur ihres Handelns zu benennen pflegen? Besonders aus              weiter und                    auf Opferrechte spezialisierte Rechts-
den Reihen der Strafverteidiger kam das Argument „Wir kön-           schneller an                  anwältinnen und -anwälte eingefordert.
                                                                     der Anwalt-                   Auch die Sozialverbände werden jetzt
nen auch Nebenklage“. Die Betroffenen sehen das wahrschein-
                                                                                                   selbst in das Vertretungsgeschäft ein-
lich anders: wer durch eine Gewalttat geschädigt wurde, sieht        schaft vorbei                 steigen; die ersten Vollmachten dazu
in einem Strafverteidiger wohl eher nicht eine bevorzugte An-        entwickeln.“                  habe ich in den letzten Wochen bereits
laufadresse. Und was ist, wenn es keine Anklage oder keinen                                        gesehen. In der Folge wird der Anwalt-
Angeklagten (mehr) gibt? Dann hilft die Nebenklage rein gar                                        schaft wieder einmal ein erhebliches
nichts. Ich sehe ja ein, dass der Name „Fachanwalt für Opfer-                                      Mandatsaufkommen wegbrechen.
rechte“ nicht nur „systematisch“, sondern auch sprachlich ge-                                      Dass am Opferrecht nichts zu verdienen
wöhnungsbedürftig ist. Das geht mir auch so. Aber: aus der                                         sei, wie zur Begründung häufig zu lesen
Perspektive der Mandanten können das Sprachgefühl und der                                          ist, stimmt bei entsprechender Vorbil-
Wunsch von Anwaltsvertretern nach einer berufsrechtlichen                                          dung der Opferrechts-Anwälte und den
                                                                                                   entstehenden Synergieeffekten durch
Systematik doch keine ausschlaggebende Rolle spielen. Die
                                                                                                   gesammelte Bearbeitung aller Facetten
Mandanten haben ein reales, kein systematisches Problem.                                           des Rechtsfalles (Straf-, Sozial- Zivil-
    Wenn wir das nicht verstehen, wird sich die Lebensrealität                                     und Familienrecht) einfach nicht.
immer weiter und schneller an der Anwaltschaft vorbei ent-                                         Schade für eine vertane Chance.
wickeln. Es könnte dann wieder heißen: wir haben die Ent-
wicklung (wie schon so oft) verpennt. Es wird ohne Perspek-                                        Rechtsanwalt Dirk Hinne, Dortmund (Fach-
                                                                                                   anwalt für Medizinrecht, für Sozialrecht und
tivwechsel aber wieder passieren. //                                                               für Versicherungsrecht)

                                                                                                                          AnwBl 6 / 2018    335
BGH: Keine Nichtzulassungs-                    Bericht aus Berlin
beschwerdeflut
Der BGH soll auch weiterhin vor einer
„Überschwemmung“ mit Nichtzulassungs-
                                               Die Freundschaftslinien –
beschwerden mit geringeren Streitwerten
geschützt werden. Der Gesetzgeber plant
                                               die Teilung der Welt
eine Verlängerung der Regelung, wonach         Die Meinungsfreiheit schützt die Meinungsäußerung,
der Gegenstandswert für die Beschwerde
                                               nicht den verbalen Totschlag
der Nichtzulassung der Revision mindes-
tens 20.000 Euro betragen muss, bis zum        Christian Bommarius, Berlin
31. Dezember 2019 ( BT-Drs. 19/1686). Er
muss sich beeilen, denn die bereits mehr-
fach verlängerte Übergangsregelung in          Der Begriff „amity lines“ wird mit „Freundschaftslinien“ über-
§ 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO läuft Ende Juni        setzt. Sie verliefen im 16. und 17. Jahrhundert geographisch
2018 aus (siehe dazu Meldung, AnwBl            im Süden über den Wendekreis des Krebses, im Westen
2017, 10). Ein erster Schritt ist getan: Der   über einen im Atlantischen Ozean durch die Kanarischen In-
Gesetzentwurf wurde nach erster Lesung         seln oder die Azoren gezogenen Längengrad. Innerhalb der
mit Aussprache im Bundestag (BT-PlPr           Linien war die abendländische Moral in Geltung, regelte das
19/26 , S. 2404C–2410B) an den Aus-            europäische Völkerrecht (ius publicum europaeum) das politi-
schuss für Recht und Verbraucherschutz
                                               sche Gleichgewicht der Kräfte, verbot es den Schiffen europäi-
überwiesen.
                                               scher Staaten, sich gegenseitig zu attackieren. Jenseits der Li-
                                                                                                                    Christian Bommarius ist
                                               nien aber war das Völkerrecht außer Kraft, die Eroberung der         freier Autor in Berlin.
Digitaler Nachlass                             Neuen Welt nach allen Regeln – also ohne alle – erlaubt. Es          Zuletzt war er bis 2017
                                                                                                                    bei der Berliner Zeitung.
                                               galt die Parole des englischen Freibeuters Sir Francis Drake:        Er schreibt den „Bericht
Was passiert mit dem Konto eines ver-          „No peace beyond the lines.“                                         aus Berlin“ im Wechsel
                                                                                                                    mit Peter Carstens.
storbenen Nutzers eines sozialen Netz-             Sie gilt auch heute wieder, doch teilen die Linien nicht mehr
werks? Damit wird sich der BGH am                                                                                   Leserreaktionen an
                                               die Erde, sondern schaffen zwei Welten – die analoge und die         anwaltsblatt@anwalt
21. Juni 2018 befassen. In dem Fall hatten     digitale. Wer in der analogen Welt lebt, der hat Anspruch auf        verein.de.
Eltern Facebook auf Zugang zu dem voll-        Schutz durch das Recht. Wird er beleidigt oder verleumdet,
ständigen Nutzerkonto ihrer verstorbenen
                                               darf er sich darauf verlassen, dass ein Gericht den Beleidiger
minderjährigen Tochter verklagt. Sie woll-
ten Aufschluss darüber erhalten, ob ihre
                                               oder den Verleumder zur Verantwortung zieht. Verlässt er
Tochter kurz vor ihrem Tod Suizidabsich-       aber die analoge und betritt den Dschungel der digitalen Welt,
ten hatte. Facebook hatte den Zugang un-       ist es um seinen Rechtsschutz geschehen. Mögen die Gesetze
ter Berufung auf das Fernmeldegeheimnis        der analogen Welt auch formal in Geltung bleiben, so ist doch       „Bisher sind alle
gesperrt. Das Landgericht Berlin gab den       allgemein bekannt, dass sie bei Übertreten der Grenze zur digi-      Versuche in
Eltern Recht. Das Kammergericht wies die       talen Welt alle Verbindlichkeit verlieren und jeder Versuch, sich    liberalen
Klage ab. Wie der Fall aus der Sicht des       vor dem Rufmord im Netz zu schützen, vergeblich ist. Wer je-         Demokratien,
Verfassungs- und Telekommunikations-           mals das Unglück hatte, in einen Shitstorm zu geraten, weiß,         den Umgang
rechts und aus Sicht des Erbrechts zu lö-      was gemeint ist. Die Linien des Völkerrechts, die einst die
sen sein könnte, erläutern Mayen (AnwBl                                                                             im Netz zu-
                                               Welt mit europäischem Hochmut in eine zivilisierte und in            mindest ein
2018, 350) und Herzog (AnwBl 2018, 351)
in diesem Heft.
                                               eine unzivilisierte schieden, sind abgelöst von „Freundschafts-      wenig zu
                                               linien“, die die digitale Welt bestimmt, aber unverändert gilt
                                                                                                                    zivilisieren,
                                               die Freibeuterparole: „No peace beyond the lines.“
                                                   Die Herrschaft des Faustrechts im Netz wird wütend ver-          gescheitert.“
Schlichtungsstelle: Neuer Beirat
                                               teidigt. Bisher sind alle Versuche in liberalen Demokratien,
Die Schlichtungsstelle der Rechtsanwalt-       den Umgang zumindest ein wenig zu zivilisieren, gescheitert.
schaft hat einen neu zusammengesetzten         Das zu diesem Zweck vom ehemaligen Bundesjustizminister
Beirat. Vorsitzender ist seit 16. April 2018   Heiko Maas initiierte Netzwerkdurchsetzungsgesetz hat viele
der Präsident der Rechtsanwaltskammer          Fehler – die Verpflichtung sozialer Netzwerke, an Stelle der
München Rechtsanwalt Michael Then. Die
                                               Justiz über die Zulässigkeit von Einträgen zu entscheiden,
Rechtsanwältin Dr. Vanessa Pickenpack,
Vorstandsmitglied im Deutschen Anwalt-
                                               dürfte verfassungswidrig sein. Aber der Vorwurf, hier kehre
verein, wurde zur stellvertretenden Bei-       die Zensur im Gewand des Ehrenschutzes zurück, ist offen-
ratsvorsitzenden gewählt. Weitere Bei-         kundig falsch. Es soll keine Meinung sanktioniert, sondern al-
ratsmitglieder sind Dr. Volker Schumacher      lein der verbale Totschlag im Netz verhindert, also die – von
(Vorstandsmitglied der Rechtsanwalts-          Beleidigungen und Verleumdungen möglichst freie – Mei-
kammer Düsseldorf), Sabine Pareras (Ge-        nungsäußerung geschützt werden. Nichts anderes will auch
samtverband der Deutschen Versiche-            der überarbeitete Entwurf einer „Charta der digitalen Grund-
rungswirtschaft), Jutta Gurkmann (Ver-         rechte der Europäischen Union“, den für die Zeit-Stiftung
braucherzentrale Bundesverband) sowie          namhafte Vertreter der Zivilgesellschaft verfasst haben. Nach-
die Mitglieder des Bundestags Sonja Stef-
                                               dem vor zwei Jahren die erste Fassung die Öffentlichkeit er-
fen, Ingmar Jung, Dr. Manuela Rottmann
und Roman Müller-Böhm.
                                               reicht hatte, hieß es sofort, durch jede Zeile schimmere die
                                               Fratze der Zensur. Seinem Nachfolger dürfte es kaum besser
                                               ergehen. Es lebe die alte Freibeuterparole. //

336         AnwBl 6 / 2018
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