Fest verankert - missio München
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VOR ORT TOGO Fest verankert Das deutsche Kolonialabenteuer in Togo war kurz und ziemlich erfolglos – und es liegt mittlerweile weit zurück. Doch die Verbindungen zwischen Deutschland und dem Land in Westafrika sind immer noch eng. Erkundungen in der Haupt- und Hafenstadt Lomé. TEXT: CHRISTIAN SELBHERR FOTOS: JÖRG BÖTHLING 14 | missio 2/2021 missio 2/2021 | 15
VOR ORT TOGO Der Containerhafen von Lomé ist der größte in ganz Westafrika. Eine Küstenstraße am Atlantik verbindet Benin, Togo und Ghana und ist eine wichtige Handelsroute. MAN KÖNNTE JETZT einfach ei- 1884 ein Teil des kurzlebigen deutschen finanziert die EU-Kommission. zehn Kilo- ne der bekannten Legenden weitererzäh- Kolonialreiches war. „Im Prinzip ist unser meter übernimmt die „Islamische Ent- len. Das Klischee von der „deutschen Name verknüpft mit dem Hafen von wicklungsbank“ aus Saudi-Arabien. Eine Wertarbeit“ zum Beispiel, die man im Lomé“, erklärt Klaus Richter. 1960 wurde chinesische Baufirma führt die Arbeiten Ausland bewundert. Und damit wäre Togo unabhängig von Frankreich, das aus. Das deutsche Ingenieurbüro küm- dann erklärt, warum deutsche Ingenieure Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg mert sich um die Bauüberwachung. „Man auch in einem afrikanischen Land wie als Kolonialmacht abgelöst hatte. Ein muss sich immer wieder neu beweisen.” Togo geschätzt werden. Daran mag eini- neuer Tiefseehafen war „ein Geschenk der Wie gesagt: Nationenpunkte gibt es nicht. ges stimmen. Aber ganz so simpel ist es deutschen Entwicklungshilfe zur Unab- Das derzeit größte Projekt? „Da geht es dann doch nicht. hängigkeit Togos“, sagt Ingenieur Richter. darum, insgesamt 900 Kilometer Pisten in „Für Nationalität gibt es leider keine Die Firma, die damals noch „Prof. Dr. der Baumwollregion herzurichten”, sagt Punkte”, sagt Klaus Richter. Er ist Inge- Lackner und Partner GmbH“ hieß, über- Christian Esser. Sie haben die Planungen nieur und einer der Geschäftsführer von nahm die Bauüberwachung. ausgeführt, jetzt haben die Bauarbeiten „Inros-Lackner“, einem Ingenieurbüro mit Der Hafen wurde 1968 eröffnet. Aus begonnen. Die Kreditanstalt für Wieder- 600 Mitarbeitern an zwölf Standorten in dem damaligen Baustellenbüro ist die aufbau (KfW) bezahlt. Deutschland. Es ist ein Tag im Dezember heutige Niederlassung von „Inros-Lack- Auch der Anbau von Baumwolle in 2020, als Klaus Richter sich vom Flugha- ner“ in Lomé geworden. Deren Leiter, Togo geht auf die deutsche Kolonialzeit fen in Brüssel meldet. Er ist auf dem Weg Christian Esser, beschreibt, in welchem zurück. 1903/1904 versuchte das Kaiser- in den Senegal, danach soll es weiter in internationalen Netzwerk sich ein Enga- reich, unabhängiger zu werden vom „King den Kongo gehen. Die Firma ist seit vie- gement in Afrika heutzutage bewegt. Die Cotton“ und der Baumwolle aus Groß- len Jahren in Afrika aktiv. Eine besondere Regierung von Togo hat ein Straßenbau- britannien und Nordamerika. Außerdem Verbindung gibt es nach Togo, das ab projekt in Auftrag gegeben. 20 Kilometer hieß es, man wolle die Afrikaner zu fleißi- 16 | missio 2/2021 missio 2/2021 | 17
VOR ORT TOGO die Familie weiter nach Gabun, acht Jahre später ging es zurück nach Emden. Aber damit riss die Verbindung nach Afrika nicht ab. Ende der 90er-Jahre war Pastor Henri Sowu aus Togo für ein hal- bes Jahr zu Gast bei Familie Esser. Danach übernahm Henri Sowu die Seemannsmis- sion in Lomé. Auch diese Einrichtung geht auf ein deutsches Engagement zu- rück: Evangelische und katholische Mis- sionsgesellschaften waren schon in vor- kolonialer Zeit in Westafrika aktiv. Jetzt ist Henri Sowu gerade in den Ruhestand gegangen. Bis dahin kümmerte er sich um Seeleute aus allen Erdteilen, manche brauchten Hilfe bei schlechten Arbeits- Schiff wieder ablegte; heute dauert das Be- oder Vertragsbedingungen, andere such- und Entladen oft nur wenige Stunden. ten geistlichen Beistand. Und das See- Strenge Hygieneregeln im Zuge der Coro- mannsheim am Hafen von Lomé war ein nakrise erschweren Landgänge zusätzlich. beliebter Treffpunkt der deutschen Exil- So gehört nun auch das Seemannsheim zu gemeinde – doch jetzt ist es für immer ge- den Ecken von Lomé, die eher nach Still- schlossen. Ein Hotel soll daraus werden, stand denn nach Fortschritt aussehen. wenn sich ein Interessent findet. Die Zei- Übrigens, es stimmt: Die Corona-Pan- ten haben sich geändert – früher gingen demie trifft auch ein Land wie Togo hart. Seeleute für zwei Wochen an Land, bis ihr Zwar sind die offiziellen Ansteckungs- Koloniale Überreste: Hier legten Anfang des 20. Jahrhunderts Schiffe an. Pastor Henri Sowu von der Seemannsmission Lomé. Unten: Die Grenze zu Ghana. gen Lohnarbeitern erziehen – in Wahrheit entstand ein System aus Zwangsarbeit und Prügelstrafen, und der wirtschaftli- che Erfolg war überschaubar. Aber die al- ten Plantagenfelder gibt es noch. Und, so Christian Esser, mit besseren Straßen würden die Chancen der einheimischen Bauern steigen, ihre Ernte zu verkaufen – vielleicht sogar für den Export im Hafen von Lomé. Der Hafen ist einer der größten in der Region. Binnenländer wie Burkina Faso und Niger nutzen Lomé als Meereszu- gang. Bei 17 Metern Wassertiefe können hier auch die ganz großen Container- schiffe die Küste anlaufen. Etwa 80 Pro- zent der gesamten Wirtschaft von Togo ist an der Küstenregion angesiedelt. Für Christian Esser ist es nicht der erste Aufenthalt in Togo. Er ist in Togo geboren. Seine Mutter arbeitete für den Deutschen Entwicklungsdienst, sein Vater leitete als Pastor die Evangelische Seemannsmission. Als Christian Esser vier Jahre alt war, zog 18 | missio 2/2021 missio 2/2021 | 19
VOR ORT TOGO „Am 20. März wurden alle Schulen, bleibt bei vielen Menschen vor allem Universitäten, Ausbildungsstätten und große Angst. Immerhin, im Januar 2021 auch Gotteshäuser geschlossen,“ berich- erklärte die Regierung von Togo, dass tet Noël Akpabie. Die Regierung verord- eine Impfstrategie vorbereitet werde. nete Ausgangssperren und Abstandsre- Techniker und Ingenieure glauben an geln, um die Ausbreitung des Virus zu den Fortschritt als Ausweg aus der Krise. verhindern. Polizei- und Sicherheitskräfte Obwohl auch Christian Esser in Togo be- setzten diese Regeln zum Teil rigoros obachtet hat: „Es gibt vor allem in der durch, besonders in den Armenvierteln. Hauptstadt diejenigen, die einen großen Im April 2020 kam ein junger Mann zu Profit schlagen, und es gibt in der ländli- Tode, der nachts auf der Straße unterwegs chen Bevölkerung viele, die am Hunger- war. Die genauen Umstände blieben un- tuch knabbern.“ Aber, wie sein Kollege geklärt, aber Nachbarn und Freunde des Klaus Richter betont: „Der Ingenieur sagt: Toten machten die Polizei dafür verant- Wo ein Verkehrsmittel ist, wo es eine wortlich, wie lokale Medien berichteten. Straße gibt, eine Eisenbahn, da wird sich „Diese Krise spart keinen aus“, sagt am Bahnhof ein Geschäft niederlassen, in Noël Akpabie. „Leider hat sie die Schwa- dem Menschen etwas kaufen oder ver- chen nun noch verwundbarer gemacht. kaufen können.“ Die Misere ist überall zu spüren. Sich er- Infrastruktur, wie der Bau von Straßen Nach der Sonntagsmesse mit P. Noël Akpabie in einem der ärmeren Stadtviertel. nähren und versorgen, das Geld für eine und Schienen, sei also entscheidend für Unterkunft bezahlen – solche Grundbe- eine gute Entwicklung. dürfnisse sind zu einem Luxus gewor- Seit mehr als 60 Jahren arbeitet die zahlen weiterhin viel niedriger als in den.“ Immerhin hat im Herbst ein neues Firma „Inros-Lackner” nun in Lomé. BURKINA FASO Europa. Am 7. Januar 2021 gab es laut Schuljahr beginnen können. „Aber die „Und wir wollen noch lange bleiben“, sagt Gesundheitsministerium seit Beginn der Vorgaben gegen Covid-19 sind schwer zu Klaus Richter. Die Tage der deutschen Pandemie 4109 bestätigte Corona-Fälle erfüllen.“ Um „Abstand halten“ zu kön- Kolonialherrschaft mögen weit zurück- Dapaong Savanes und 70 Tote. Im Juni 2020 schätzte das nen, sollen weniger Kinder in einer Klasse liegen. Man könnte die Vergangenheit ru- BENIN Oti „World Food Programme“ (WFP) der sitzen. Das heißt: nur noch 40, statt bis- hen lassen, wie es manche fordern. Man a ka Kara Kara D Vereinten Nationen noch, dass bald bis zu her 70 oder gar 80, und das bei ver- kann aber auch aus ihr lernen, und es in N Sokode I 1,3 Millionen Menschen in Togo von gleichsweise kleinen Klassenzimmern. So der heutigen Zeit besser machen. A GHANA T Centrale G Hunger bedroht sein könnten. Auch da E O Mo no haben sich die offiziellen Zahlen als we- R G I Q ué m é O niger dramatisch herausgestellt: 102 350 A Voltasee Atakpamé Menschen leiden laut WFP derzeit an Le- Plateaux HOTEL ZU VERKAUFEN Tohoun bensmittelknappheit. Maritime Doch die Infektionszahlen steigen seit N Weihnachten stark an, und auch die Be- Es war eine kurze Blütezeit, die Togo Ende der 1970er und 100 km LOMÉ richte von Noël Akpabie lesen sich weit- Anfang der 80er-Jahre erlebte. Wegen seiner lebendigen Kul- ATLANTISCHER OZEAN aus bedrohlicher. Noël Akpabie ist katho- tur- und Musikszene galt die Hauptstadt als „Swinging Lomé“. lischer Priester, und er hat ebenfalls enge Reiseunternehmen warben um Touristen, vor allem aus der einstigen Kolonialmacht Frankreich. Das Hotel Beziehungen nach Deutschland. Anfang de la Paix („Hotel des Friedens“) mit seiner modernen, wenn auch gewöhnungsbedürftigen Beton- der 2000er-Jahre kam er für seine Dok- architektur zeugt davon. Nur leider steht es heute ziemlich verlassen da, seit es 2005 nach dem Tod des torarbeit an die Universität München. Als langjährigen Machthabers Gnassingbé Eyadema zu gewaltsamen Unruhen kam. Kaplan half er in der Pfarrei St. Bonifa- Militäroffizier Eyadema hatte seit 1967 regiert. Togo wurde unter ihm zur Militärdiktatur. Organisationen wie tius in Haar aus und berichtete dort, wie „Amnesty international“ dokumentierten schwere Menschenrechtsver- schwer es für Familien aus den Armen- letzungen. Eyadema war gut befreundet mit dem bayerischen Minister- vierteln von Lomé sei, ihren Kindern ei- präsidenten Franz Josef Strauß – das Lokal „Alt München“ (oben) in Lomé nen Schulbesuch zu ermöglichen. Es fand wurde ein beliebter bayrisch-afrikanischer Treffpunkt. Gegen die jahr- sich ein Kreis von Wohltätern, mit deren zehntelange Herrschaft der Familie Eyadema gibt es immer wieder Pro- Hilfe der Bau einer Grundschule im Vier- teste – doch einer der vielen Eyadema-Söhne, Faure Gnassingbé, ge- tel Lomé-Adakpamé gelang. Mit 60 Euro wann im Frühjahr 2020 erneut die Wahlen. Nach einigen Krisenjahren lässt sich dort das Schulgeld für ein Kind spürt man in Togo wieder die Hoffnung auf Wirtschaftswachstum und pro Schuljahr finanzieren. Aufschwung. 20 | missio 2/2021 missio 2/2021 | 21
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