8 Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr - Bayerisches ...

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Oberste Baubehörde im
Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr

   Siedlungsentwicklung und Mobilität

   Arbeitsblätter
   für die Bauleitplanung
   Materialien

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Siedlungsentwicklung und Mobilität

Auftraggeber Stufe 1        Arbeitsgemeinschaft „Nachhaltige
                            Siedlungsentwicklung“ bestehend aus
                            Garching b. München
                            Germering
                            Haar
                            Karlsfeld
                            München
                            Neubiberg
                            Oberhaching
                            Oberschleißheim
                            Pullach
                            Unterschleißheim

Auftraggeber Stufe 2        Aying
                            Bergkirchen
                            Erding
                            Geretsried
                            Karlsfeld
                            Odelzhausen
                            Pfaffenhofen a. d. Glonn
                            Sulzemoos
                            Zorneding

Bearbeitung und             Baustein Siedlungsentwicklung
inhaltliche Verantwortung   Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum
                            München – Geschäftsstelle
                            Dipl.-Geogr. Susanne Bauer
                            Dipl.-Ing. Birgit Kastrup

                            Baustein Verkehr
                            Münchner Verkehrs- und Tarifverbund MVV
                            Dr. Markus Haller
                            Dipl.-Geogr. Alfred Ismair
                            Dipl.-Ing. Jörg Martin

                            Baustein Kostentransparenz
                            Büro Gertz Gutsche Rümenapp
                            Prof. Dr.-Ing. Carsten Gertz
                            Dr.-Ing. Jens-Martin Gutsche
                            Dipl.-Ing. (FH) Stefanie Schoubye

                            München 2011
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SIEDLUNGSENTWICKLUNG UND MOBILITÄT
MODELLPROJEKT

Die Siedlungsentwicklung in der Re-       der ÖPNV-Erschließung, die Sied-
gion München ist seit vielen Jahren       lungsflächenpotenziale im Umfeld
durch starken Einwohner- und Ar-          des schienengebundenen ÖPNV so-
beitsplatzzuwachs vor allem im Um-        wie Daten zu bestehenden Arbeits-
land der Stadt München geprägt.           platzkonzentrationen, zu Standorten
Nach den aktuellen Prognosen wird         großflächigen Einzelhandels sowie
auch in Zukunft sowohl für die Stadt      Freizeit- und Erholungseinrichtungen
München als auch das Umland mit           mit überörtlicher Bedeutung syste-
einem weiteren Anstieg zu rechnen         matisch erfasst und in Beziehung
sein. Diese Zuwächse werden auch          gesetzt. Zudem wurden die Wohn-
zu einer Zunahme der Zahl und Län-        und Mobilitätskosten ermittelt.
ge der zurückgelegten Wege und
damit zu einem weiteren Zuwachs           In Stufe 2 lag der Fokus auf der
an motorisiertem Individualverkehr        kommunalen Ebene und den öffent-
(MIV) und Öffentlichem Nahverkehr         lichen Haushalten. Anhand von 9
(ÖPNV) führen.                            exemplarisch ausgewählten Städten
                                          und Gemeinden wurden integrierte,
Vor diesem Hintergrund initiierten        ortsspezifische   Handlungsansätze
die Landeshauptstadt München zu-          im Bereich Siedlungsentwicklung
sammen mit den 8 Gemeinden des            und Mobilität erarbeitet und die Kos-
„MORO-Arbeitskreises      Nachhalti-      tenrelevanz von Standortentschei-
ge Stadtentwicklung“ das Projekt          dungen untersucht.
„Siedlungsentwicklung und Mobilität
(SuM)“. Die Untersuchung wird als         Konkretes Ziel des Projekts war
modellhafte Planung von der Obers-        es, die Zusammenhänge von Sied-
ten Baubehörde und der Regierung          lungsentwicklung, schienengebun-
von Oberbayern gefördert.                 denem Personennahverkehr (SPNV)
                                          und den finanziellen Wirkungen von
Das Projekt besteht aus 3 sich er-        entsprechenden privaten und öffent-
gänzenden Bausteinen, die von un-         lichen Entscheidungen darzustellen
terschiedlichen Institutionen bear-       und damit günstige Voraussetzun-
beitet wurden:                            gen für eine auf den Umweltverbund
                                          orientierte Mobilität, eine langfristig
Baustein 1:                               bezahlbare Siedlungsstruktur und
Siedlungsentwicklung (Planungsver-        damit auch eine Reduzierung des
band Äußerer Wirtschaftsraum Mün-         Flächenverbrauchs zu schaffen . Die
chen)                                     Ergebnisse bilden eine Entschei-
Baustein 2:                               dungsgrundlage für die Weiterent-
Mobilität (Münchner Verkehrs- und         wicklung des schienengebundenen
Tarifverbund GmbH (MVV)                   ÖPNV sowie für eine nachhaltige,
Baustein 3:                               am SPNV orientierte Siedlungsent-
Kostentransparenz bei Wohn- und           wicklung. Sie richten sich an die
Mobilitätskosten bzw. für die öffentli-   Entscheidungsträger in Region und
chen Haushalte (Büro Gertz Gutsche        Kommunen, an die Maßnahmenträ-
Rümenapp).                                ger des öffentlichen Verkehrs sowie
                                          die privaten Haushalte. Das Arbeits-
Die Bearbeitung erfolgte in 2 Stufen:     blatt erläutert die Vorgehensweise in
Der Schwerpunkt der Stufe 1 lag auf       den einzelnen Bausteinen und zeigt
der regionalen Ebene und den priva-       beispielhaft Arbeitsschritte und Er-
ten Haushalten. Hier wurden für den       gebnisse, die auch anderen Städten
Untersuchungsraum - dieser um-            als Vorbild dienen können.
fasst den MVV-Verbundraum plus
die Region München - die Qualität
                                                                                    3
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Projektaufbau

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SIEDLUNGSENTWICKLUNG UND MOBILITÄT - STUFE 1
BAUSTEIN SIEDLUNGSENTWICKLUNG

ARBEITSPROGRAMM

Erhebung von Flächenpotenzialen
und wichtigen Verkehrszielen
Im Baustein Siedlungsentwicklung
wurden die unbebauten Flächenpo-
tenziale im Untersuchungsgebiet im
1 bzw. 2 km Umfeld von Bahnhalte-
punkten für den MVV-Verbundraum
plus die Region München erhoben.
Ziel war es zu erkennen, wieviel
Fläche nach derzeitigem Stand der
kommunalen Flächennutzungspla-
nung im Umfeld von Haltestellen für
eine Siedlungstätigkeit zur Verfü-
gung steht.

Außerdem wurden wichtige vorhan-
dene Verkehrsziele i.S. von Arbeits-    Abbildung 1: Leerbauflächen im Umfeld von Bahnhaltepunkten differenziert nach Nutzungsart
                                        (ohne LH München)
platzschwerpunkten, großflächigem
Einzelhandel sowie überörtlich be-
deutsamen Freizeitzielen erfasst.

Großes Wohnbauflächenpotenzial
Das größte Flächenpotenzial bilden
die Wohnbauflächen mit insgesamt
rd. 1.223 ha. Nahezu alle 100 be-
trachteten Gemeinden mit Schienen-
anschluss im Untersuchungsraum
haben haltestellennahe Wohnbauflä-
chenpotenziale, nur in sechs Kom-
munen gibt es keine Flächen. Rund
60% der Wohnbauflächen liegen im
1 km Radius zu einem SPNV-Hal-          völkerung in Anspruch genommen                   Misch- und Sonderbauflächenpo-
tepunkt, befinden sich also in fuß-     wird.                                            tenziale eher untergeordnet
läufiger Erreichbarkeit. Hinsichtlich                                                    Misch- und Sonderbauflächen sind
des Umfangs der Potenziale gibt es      Ein besonderes räumliches Vertei-                insgesamt von eher untergeordne-
zwischen den einzelnen Gemeinden        lungsmuster der Wohnbauflächen-                  ter Bedeutung. Nur etwa die Hälfte
große Unterschiede: die Bandbreite      potenziale in Haltestellennähe (1 km             aller Gemeinden haben überhaupt
liegt zwischen 0,5 und 46 ha (im 1      Umkreis) ist nicht erkennbar.                    gemischte Bauflächenpotenziale in
km Radius).                                                                              der Nähe von Haltepunkten, ihr Flä-
                                        Großes Gewerbeflächenpotenzial                   chenumfang ist zudem gering. Hal-
Unter Berücksichtigung unterschied-     Gewerbliches Bauflächenpotenzial                 testellenahe Sonderbauflächen gibt
licher Baudichten in Gemeinden          im Umfeld von Bahnhaltepunkten                   es nur in 40 der 100 betrachteten
unterschiedlicher   Zentralitätsstufe   besitzen 67 der 100 untersuchten                 Gemeinden.
lassen sich auf diesen Flächen rd.      Gemeinden. Auch hier gibt es eine
97.000 Einwohner unterbringen, da-      große Bandbreite: der Umfang be-
von rd. 57.000 im 1 km Radius und       wegt sich zwischen rd. 0,5 ha und
rd. 40.000 im 1-2 km Radius. Dabei      31 ha (im 1 km Radius). Auf den Flä-
ist allerdings zu berücksichtigen,      chen könnten rd. 103.000 Arbeits-
dass ein Teil der Flächenpotenziale     plätze entstehen, davon 49.000 im
für die steigende Pro-Kopf-Wohn-        1 km Radius und 54.000 im 1-2 km
flächennachfrage der Bestandsbe-        Radius.
                                                                                                                                    5
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HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

Empfehlungen für die Regionalpla-
nung
Für die Regionalplanung wird z.B.
die Aufnahme eines Grundsatzes
im Regionalplan zur Berücksichti-
gung von siedlungstypisch differen-
zierten Baudichten im Umfeld von
Bahnhaltepunkten angeregt. Zudem
wird vorgeschlagen, den Stellenwert
der SPNV-Erschließung als Beurtei-
lungskriterium für Flächenauswei-
sungen im Rahmen von Bauleitplan-
verfahren deutlicher herauszustellen
(Vorrang für Flächenausweisungen
und Förderung baulicher Verdich-
tung im Umfeld von Bahnhaltepunk-
ten).

Empfehlungen für die Kommunalpla-
nung                                   Abbildung 2: Wohnbauflächen in der Gemeinde im 1 km Radius um einen Bahnhaltepunkt
Kommunen mit guter SPNV-Er-
schließungsqualität wird u.a. emp-
fohlen,
- bei der Neuausweisung bzw.
Umsetzung von Bauflächen halte-
punktnahe Flächen vorrangig zu be-
handeln,
- standortangemessene Baudich-
ten zu berücksichtigen,
- Nachverdichtungspotenziale im
Siedlungsbestand zu aktivieren,
- attraktive Fuß- und Radwege zu
den Haltepunkten und ein attraktives
Bike + Ride-Angebot zu schaffen.

Gemeinden, die nicht oder weniger
gut durch den SPVN erschlossen
sind, wird u.a. empfohlen,
- eine generell eher behutsame
Siedlungsentwicklung       vorzuneh-
men,
- Bauflächen vorrangig an Bus-
hauptachsen vorzunehmen,
- die Nutzungsmöglichkeiten von
Park + Ride auszuschöpfen.             Abbildung 3: Gewerbeflächen in der Gemeinde im 1 km Radius um einen Bahnhaltepunkt

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SIEDLUNGSENTWICKLUNG UND MOBILITÄT - STUFE 1
BAUSTEIN MOBILITÄT

ARBEITSPROGRAMM

Ausgangspunkt ist die Bestands-         botes durch das Verkehrsmittel und
aufnahme des aktuellen und ge-          die Fahrtenhäufigkeit bestimmt. Für
planten ÖPNV-Angebotes im Un-           eine schnelle Übersicht des örtli-
tersuchungsraum.    Anhand      der     chen ÖPNV-Standards wurden fünf
ÖPNV-Angebotsqualität und des           Qualitätsstufen gebildet, von denen
Bodenpreisniveaus wurden Gemein-        die ersten drei hauptsächlich die
degruppen gebildet, die eine reprä-     Anzahl der SPNV-Halte widerspie-
sentative Auswahl von strukturähn-      geln, während in Stufe 4 und 5 das
lichen Gemeinden darstellen. Für        Busangebot in Gemeinden ohne
ausgewählte Gemeinden in den ein-       SPNV bewertet wird. In der Korre-
zelnen Gruppen wurde die räumliche      lationsanalyse zeigt sich ein enger
Abdeckung des ÖPNV-Angebotes            Zusammenhang         (0,8)  zwischen
analysiert.                             ÖPNV-Qualität und Modal Split. Be-
                                        sonders deutlich wird dies bei den
Analyse der ÖPNV-Erschließung in        Gemeinden mit Zughalt, bei reinen
ausgewählten Gemeinden                  Busgemeinden ist der Zusammen-
Um Aussagen über die ÖPNV-Er-           hang nicht besonders ausgeprägt.
schließung (also die räumliche Abde-    Hier treten bei gleicher Fahrtenzahl
ckung durch die Haltestellen) treffen   sehr unterschiedliche Modal-Split-
zu können, wurden Adressdaten aus       Werte auf, die den jeweiligen örtli-
der elektronischen Fahrplanauskunft     chen Verhältnissen geschuldet sind
des MVV zur geographischen Lage         (z.B. Schülerverkehr).
der Haltestellen in Bezug gesetzt.

Dabei wurden folgende Einzugsra-
dien um die Haltestellen verwendet:
1.000 Meter (fußläufig erreichbare
Entfernung für einen SPNV-Halte-
punkt), 1.500 Meter (erweiterte Er-
reichbarkeit eines SPNV-Haltepunk-
tes, z.B. mit einem Fahrrad) und 400
Meter (Einzugsbereich von Bushalte-
stellen).

Die Stadt Garching weist seit dem
Ausbau der U-Bahnlinie U6 mit 85%
die höchste Erschließungsquote im
1.000 Meter Bereich auf. Bei den
Gemeinden ohne SPNV-Haltepunkt
steht Finsing mit einer Abdeckungs-
rate von nur knapp 50% innerhalb
des 400 Meter Einzugsradius von
Bushaltepunkten am Ende der Ta-
belle.

ANALYSE DER ÖPNV-QUALITÄT

Fünf Qualitätsstufen
Neben der räumlichen Erschließung
wird die Qualität des ÖPNV-Ange-        Abbildung 4: ÖPNV-Erschließung ausgewählter Gemeinden
                                                                                                7
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Abbildung 5: ÖPNV-Qualität der Gemeinden im Untersuchungsraum - Anzahl der Fahrtmöglichkeiten nach München pro Tag

BILDUNG   STRUKTURÄHNLICHER                    aus der Clusterung wird ein direkter
GEMEINDEGRUPPEN                                Zusammenhang zwischen Boden-
                                               preis und ÖPNV-Qualität deutlich,
Deutlicher Zusammenhang zwi-                   indem die Randcluster (hoher Bo-
schen ÖPNV-Qualität und Boden-                 denpreis/niedrige      ÖPNV-Qualität
preis sowie PKW-Besatz                         und vice versa) nicht besetzt sind.
Für die weiteren Untersuchungen                Ganz deutlich zeigt sich außerdem
zum Zusammenhang von Wohn-                     der Zusammenhang zwischen ÖP-
und Mobilitätskosten wurde eine                NV-Qualität und PKW-Besatz, der
Zusammenfassung strukturähnlicher              ebenfalls ein wichtiger Parameter für
Gemeinden im Untersuchungsge-                  die Berechnung der Mobilitätskos-
biet vorgenommen. Maßgebliche                  ten und insbesondere in Gemeinden
Faktoren für die Einteilung waren die          ohne SPNV-Anbindung erheblich
ÖPNV-Qualität und die jeweiligen               höher ist.
Bodenpreise, für die ebenfalls drei
Gruppen gebildet wurden. Bereits
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SIEDLUNGSENTWICKLUNG UND MOBILITÄT - STUFE 1
BAUSTEIN KOSTENTRANSPARENZ

BEDEUTUNG DER MOBILITÄTS-               S-Bahn-Gemeinden und dem Ach-
KOSTEN BEI DER STANDORT-                senzwischenraum durch die an den
WAHL PRIVATER HAUSHALTE                 jeweils periphereren Standorten
                                        zusätzlich auftretenden Mobilitäts-
Ist ein Wohnen im Umland wirklich       kosten deutlich nivelliert werden.
billiger?                               Beispielhaft verdeutlicht dies Abbil-
Privathaushalte achten in der Phase     dung 6 für einen Haushalt mit zwei
der Wohnstandortentscheidung vor-       Erwachsenen und einem Schulkind,
rangig auf die Wohnkosten. Eine Fol-    der zur Miete in einer Doppelhaus-
ge dieser Orientierung an niedrigen     hälfte wohnen will. Addiert man zu
Grundstückspreisen und niedrigen        den standortabhängigen Wohnkos-
Mieten ist die Wahl eher peripherer     ten (oben) die Mobilitätskosten (Mit-
Wohnstandorte. Die Konsequenz           te) hinzu, so ergeben sich die unten
ist eine starke Autoorientierung, die   dargestellten Gesamtkosten. Dabei
für die Haushalte oftmals mit langen    kommt es in vielen Fällen zu einer
Wegen, geringer Wahlfreiheit sowie      deutlichen Nivellierung.
der Anschaffung eines Zweit- oder
sogar Drittwagens verbunden ist.
Untersuchungen in anderen Groß-         VERHALTENSANNAHMEN
stadtregionen haben gezeigt, dass
diese zusätzlichen Mobilitätskosten     Differenzierte Modellrechnung
an peripheren Standorten die dor-       Um diesen Effekt im Detail zu be-
tigen Wohnkostenvorteile erheblich      leuchten wurde eine Modellrech-
relativieren.                           nung durchgeführt, die in ihrer
                                        Differenziertheit deutlich über den
Ziel des Untersuchungsteils „Kos-       Stand bisheriger Untersuchungen
tentransparenz“ ist es daher, vor       in anderen Stadtregionen hinaus-
dem Hintergrund des Immobilien-         geht. Die Bilanzierung unterscheidet
markts und der Verkehrssituation in     18 verschiedene Haushaltstypen.
der Region München zu bilanzieren,      Diese sind gekennzeichnet durch
welche Wohn- und Mobilitätskosten       die Haushaltsgröße, dessen Zu-
den privaten Haushalten an alterna-     sammensetzung und die Einkom-
tiven Wohnstandorten innerhalb der      menssituation. Die Wohn- und Mo-
Region München entstehen. Für die       bilitätskosten dieser Haushaltstypen
betrachteten Haushalte entsprechen      werden für 223 alternative Standorte
die Wohnkosten dabei der jeweiligen     in der Region München sowie für die
Miete bzw. monatlichen Belastung        drei Immobilienteilmärkte „Miete“,
bei Eigentumsbildung. Die Mobi-         „Eigentumsbildung mit Neubauob-
litätskosten entstehen durch die        jekt“ und „Eigentumsbildung mit Be-
Vorhaltung sowie die Nutzung von        standsobjekt“ untersucht.
Kraftfahrzeugen und den Kauf von
ÖPNV-Karten.                            Wesentlichen Einfluss auf die Er-
                                        gebnisse hat die Annahme, wie die
Die zusätzlichen Mobilitätskosten im    Haushalte ihre Wohnform (Einfamili-
Umland zehren die dortigen Wohn-        enhaus, Zweifamilienhaus bzw. Dop-
kostenvorteile ganz oder teilweise      pelhaushälfte, Reihenhaus, Mehrfa-
auf.                                    milienhaus) und ihre Wohnfläche an
Im Ergebnis zeigt sich, dass auch       Standorten unterschiedlichen Bo-
in der Region München die beste-        denpreises wählen.
henden      Wohnkostenunterschiede
zwischen Kernstadt und Umland,          Da hier verschiedene Annahmen gut
Umlandzentren und kleineren Um-         begründbar und - je nach Argumen-
landgemeinden sowie zwischen            tationszusammenhang - notwendig
                                                                                9
8 Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr - Bayerisches ...
sind, werden der Bilanzierung drei        Wohnkosten
alternative Verhaltensannahmen zu-
grunde gelegt.

Drei alternative Annahmen zur Wahl
von Wohnform und Wohnfläche
- Verhaltensannahme 1 unter-
stellt, dass der jeweils betrachtete
Haushaltstyp an allen Standorten
immer die gleiche Wohnform und
die gleiche Wohnfläche nachfragt.
Dabei werden alternativ die vier un-
terschiedlichen Wohnformen Einfa-
milienhaus, Zweifamilienhaus bzw.
Doppelhaushälfte, Reihenhaus und
Mehrfamilienhaus betrachtet. So           Mobilitätskosten
zeigt z.B. Abbildung 6 die Variante
„Überall Doppelhaushälfte“).
- Verhaltensannahme 2 unterstellt,
dass die Haushalte an allen Stand-
orten der Region zwar die gleiche
Wohnfläche, nicht aber zwangsläufig
die gleiche Wohnform nachfragen.
Hintergrund dieser Annahme ist,
dass im städtischen Raum eher ver-
dichtete, im ländlichen Raum eher
lockere Bebauung nachgefragt und
realisiert wird. Aus der ortsüblichen
Baustruktur wird daher an jedem
Standort ein gewichtetes Mittel der
Wohnkosten errechnet.
- Verhaltensannahme 3 entspricht
hinsichtlich der Wohnformwahl der         Summe der Wohn- und Mobili-
Verhaltensannahme 2, geht aber zu-        tätskosten
sätzlich davon aus, dass die Haus-
halte – wie im realen Mittel – in Mehr-
familienhäusern etwas weniger und
in Einfamilienhäusern etwas mehr
Wohnfläche nachfragen. In Verbin-
dung mit der standortabhängigen
Wichtung der Wohnformen führt
dies zu etwas geringeren Wohnflä-
chen in städtischen Lagen.

                                          Abbildung 6: Überlagerung von Wohn- und Mobilitätskosten für einen zur Miete woh-
                                          nenden Haushalt mit zwei erwerbstätigen Erwachsene, einem Schulkind und mittlerem
                                          Einkommen bei Anwendung der Verhaltensannahme 1.2 („Überall die gleiche Wohnform
                                          und Wohnfläche“, hier: Doppelhaushälfte)
10
BAUSTEIN KOSTENTRANSPARENZ

AUSWERTUNG NACH LAGEKLAS-                                          Bilanzierungsmodell „Miete“
SEN UND TEILRÄUMEN                                Verhaltensannahme 1.2 („Überall eine Doppelhaushälfte mit 95 qm“)
                                                  Haushaltstyp C2 (zwei Erwachsene, ein Schulkind, mittleres Einkommen)
Für die Auswertung werden die 223
alternativen Standorte in der Region
zu Lageklassen zusammengefasst,
die in Abbildung 8 dargestellt sind.
Aufgrund des unterschiedlichen Ni-
veaus der Bodenpreise wird zudem
zwischen einem Nord- und einem
Südraum der Region unterschie-
den. Wendet man diese Einteilung
der Standorte in Lageklassen und
Teilräume für den schon in Abbil-
dung 6 dargestellten Haushaltstyp
(zwei Erwachsene, ein Schulkind,
mittleres Einkommen) an, so lässt
sich die dort mit Karten dargestell-
te Aufsummierung von Wohn- und
Mobilitätskosten auch in Form von         Abbildung 7: Überlagerung von Wohn- und Mobilitätskosten im nördlichen Teil des Untersu-
Säulengrafiken beschreiben (Abbil-        chungsraums
dung 7). Jede Säule repräsentiert
die durchschnittlichen Wohn- bzw.
Mobilitätskosten in den Gemeinden
bzw. Stadtteilen der angegebenen
Lageklasse.

Im weiteren Umland zahlen die
Haushalte soviel für ihre Mobilität wie
für ihre Wohnung
Die Säulengrafiken ermöglichen ei-
nen direkteren Vergleich der in den
unterschiedlichen Lageklassen auf-
tretenden Wohn- und Mobilitäts-
kosten. Die Größenordnungen sind
durchaus bemerkenswert: Dem dar-          gezehrt. Abbildung 7 zeigt dabei                 AUSWERTUNG NACH LAGEKLAS-
gestellten Haushaltstyp entstehen an      eine Auswertung für den Nordteil der             SEN UND TEILRÄUMEN
den zentraleren und günstiger zum         Region München.
ÖPNV gelegenen Wohnstandorten                                                              Bildung einer Maßzahl der Kostenni-
Kosten für Wohnen und Mobilität in        Kostennivellierung im besonders                  vellierung
einem Verhältnis von etwa 3:1. An         nachgefragten Südteil der Region                 Um die Vielzahl der Berechnungs-
den peripheren Standorten liegt das       besonders stark                                  ergebnisse für die einzelnen Haus-
Verhältnis dagegen bei annähernd          Wie entsprechende Auswertun-                     haltstypen,    Verhaltensannahmen,
1:1, d.h. den Haushalten entstehen        gen zeigen, führt die hohe Attrak-               Teilräume und Bilanzierungsmodelle
etwa so viele Kosten für ihre Alltags-    tivität des südlichen Umlandes mit               systematisch analysieren und die
mobilität wie für ihre Wohnung. Wie       den entsprechenden Bodenpreisen                  Ergebnisse am Schluss in wenigen
Abbildung 7 zeigt liegt die absolute      dazu, dass in den Lageklassen 3 bis              Sätzen zusammenfassen zu kön-
Summe für alle Lageklassen in etwa        5 die Mittelwerte der Gesamtkosten               nen, wird eine Maßzahl für die Nivel-
gleicher Größenordnung. Die deut-         der Haushalte für Wohnen und Mo-                 lierung eingeführt. Diese bringt zum
lich erkennbaren Wohnkostenvor-           bilität sogar etwas höher liegen als in          Ausdruck, welcher Anteil der Wohn-
teile der periphereren Lageklassen        den Münchner Lageklassen 6 und 7.                kostendifferenz zwischen zentralen,
werden somit durch die zusätzlichen                                                        gut vom ÖPNV erschlossenen und
Verkehrskosten in weiten Teilen auf-                                                       peripheren, schlecht an den ÖPNV
                                                                                                                                     11
angebundenen Standorten durch                   da die Mehrkosten zentraler Stand-               tätskosten aus: Periphere Standorte
die höheren Mobilitätskosten der                orte bei den Wohnkosten vollständig              mit geringeren Wohnkosten sind in
Haushalte an den peripheren Stand-              durch die Mobilitätskosten ausge-                diesem Fall nach Einbeziehung der
orten ausgeglichen wird.                        glichen werden. Verringern in einem              Mobilitätskosten sogar insgesamt
                                                anderen Fall die Mobilitätskosten                teurer als zentrale Standorte.
Maßzahl = 100% heißt:                           die Wohnkostendifferenz überhaupt
Die zusätzlichen Mobilitätskosten im            nicht, ergibt sich eine Maßzahl von              Auswertung für Miete und Eigen-
Umland zehren die dortigen Wohn-                0%. Ist die Gesamtsumme aus                      tumsbildung
kostenvorteile genau auf.                       Wohn- und Mobilitätskosten an den                Die Abbildungen (9-11) zeigen, in
Stellt sich eine Situation ein, in der die      peripheren Standorten sogar höher                welchem Wertebereich sich die so
Mobilitätskosten die Wohnkostendif-             als an den zentralen Standorten, so              ermittelten Maßzahlen der Nivel-
ferenz vollständig ausgleichen, so ist          ergibt sich eine Maßzahl von über                lierung, differenziert nach den Teil-
die Gesamtkostendifferenz Null. Die             100%. Werte über 100% drücken                    märkten, Verhaltensannahmen und
Maßzahl der Nivellierung nimmt in               eine Überkompensation der Wohn-                  Teilräumen der Region bewegen.
diesem Fall einen Wert von 100% an,             kostendifferenz durch die Mobili-

Abbildung 8: Zusammenfassung der untersuchten Standorte (Gemeinden und Stadtteile) zu sieben Lageklassen und zwei regionalen Teilräumen

12
BAUSTEIN KOSTENTRANSPARENZ

INTERPRETATION DER ERGEBNIS-                                             Bilanzierungsmodell „Miete“
SE

Einbezug der Mobilitätskosten bei
der Standortwahl von hoher Rele-
vanz
Die Ergebnisse lassen sich folgen-
dermaßen interpretieren: In fast allen
Berechungsvarianten werden die
preislichen Unterschiede, die Haus-
halte bei ihren Wohnkosten an un-
terschiedlichen Standorten innerhalb
der Region München vorfinden, bei
einer Einbeziehung der Mobilitäts-
kosten ganz oder teilweise nivelliert.
In vielen Fällen kommt es zu einer
vollständigen Nivellierung, d.h. die
Summe aus Wohn- und Mobilitäts-
kosten ist an den zentralen, gut mit
                                         Abbildung 9: Maß für die Nivellierung der Wohnkostenunterschiede durch die Mobilitätskos-
dem ÖPNV erschlossenen Standor-          ten im Immobilienteilmarkt „Miete“ (jeweils Minimum, Maximum und Median der Maßzahlen
ten etwa gleich groß wie an den peri-    für die untersuchten Haushaltstypen und Wohnformvarianten)
pheren, nur schlecht mit dem ÖPNV
zu erreichenden Standorten. Nicht
selten sind auch Überkompensatio-
nen zu finden, bei denen die zusätz-                      Bilanzierungsmodell „Eigentumsbildung mit Bestandsobjekt“
lichen Mobilitätskosten periphere
Standorte in der Gesamtbilanz aus
Wohn- und Mobilitätskosten für die
Haushalte teurer machen als zent-
raler gelegene Standorte. In Fällen,
bei denen es zu keiner vollständigen
Nivellierung kommt, sind die Wir-
kungen der Mobilitätskosten auf die
Kostenverhältnisse der Standorte
untereinander trotzdem von erheb-
licher Bedeutung. Ihre Vernachläs-
sigung würde somit zu einer verzerr-
ten Kostenwahrnehmung führen.

Effekt    in    anderen    deutschen
Regionen noch deutlich stärker
Das Niveau der Nivellierung von
Wohnkostenunterschieden        durch
                                         Abbildung 10: Maß für die Nivellierung der Wohnkostenunterschiede durch die Mobilitäts-
die Einbeziehung von Mobilitäts-         kosten im Immobilienteilmarkt „Eigentumsbildung mit Bestandsobjekt“ (jeweils Minimum,
kosten liegt in der Region München       Maximum und Median der Maßzahlen für die untersuchten Haushaltstypen und Wohnform-
niedriger als in anderen Regionen.       varianten)
Dies erklärt sich aus dem im bundes-
weiten Vergleich sehr hohen Boden-
preisniveau in der Region München.
Ein höheres Bodenpreisniveau führt
zu höheren absoluten Wohnkosten-
unterschieden zwischen zentralen
und peripheren Standorten. Die
                                                                                                                                     13
Unterschiede bei den Mobilitäts-                           Bilanzierungsmodell „Eigentumsbildung mit Neubauprojekt“
kosten sind hingegen in deutschen
Ballungsräumen gleicher Größe in
etwa vergleichbar. Dass es trotz-
dem auch in der Region München
zu erheblichen Nivellierungen der
Wohnkostenunterschiede        kommt,
unterstreicht die Wichtigkeit der Be-
rücksichtigung der Mobilitätskosten
bei der Beurteilung von Wohnstand-
orten.

Wirkungen der Mobilitätskosten für
Mieter am relevantesten
Die Auswertungen zeigen deutli-
che Unterschiede zwischen den
Teilmärkten „Miete“, „Eigentums-
bildung mit Bestandsobjekt“ und
„Eigentumsbildung mit Neubauob-           Abbildung 11: Maß für die Nivellierung der Wohnkostenunterschiede durch die Mobilitäts-
jekt“. Während es im Fall von Miete       kosten im Immobilienteilmarkt „Eigentumsbildung mit Neubauobjekt“ (jeweils Minimum,
in den meisten Fällen zu einer mehr       Maximum und Median der Maßzahlen für die untersuchten Haushaltstypen und Wohnform-
oder weniger vollständigen Nivellie-      varianten)
rung der Wohnkostenunterschiede
durch die Mobilitätskosten kommt,
ist das Niveau der Nivellierung in den
beiden Eigentumsmärkten deutlich
geringer. Bei Neubau ist hier zudem
eine geringere Kostennivellierung
festzustellen als bei Bestandsob-
jekten. Hintergrund ist die absolute
Höhe der Wohnkostendifferenz zwi-         fläche nachfragen, ergeben sich                  Haushalte umso stärker von den be-
schen den zentralen und periphe-          sehr große Wohnkostendifferenzen,                schriebenen Kostennivellierungsef-
ren Lageklassen in den Teilmärkten,       die durch die dagegen gerechneten                fekten betroffen sind, je mehr Haus-
die vom Teilmarkt „Miete“ über den        Mobilitätskosten nur zum Teil ausge-             haltsmitglieder täglich pendeln.
Teilmarkt „Eigentumsbildung mit           glichen werden. Wird hingegen an-
Bestandsobjekt“ hin zum Teilmarkt         genommen, dass die Haushalte ihre                „Zeitkosten“ für das tägliche Pendeln
„Eigentumsbildung mit Neubauob-           Wohnform (Verhaltensannahme 2)                   noch gar nicht in Ansatz gebracht
jekt“ schrittweise ansteigt. Zusätzlich   bzw. ihre Wohnform und ihre Wohn-                Im Rahmen der Modellrechnung
wirken sich die Finanzierungskosten       fläche (Verhaltensannahme 3) dem                 wurde darauf verzichtet, den Zeitauf-
der Haushalte aus. Deren vorgege-         jeweiligen Wohnstandort anpassen,                wand der Haushalte in Geldeinheiten
benes Eigenkapital verteuert zentra-      so kommt zu einer höheren, bei Mie-              umzurechnen. „Zeitkosten“ wurden
lere Standorte und teurere Objekte        te und Eigentumsbildung aus dem                  somit nicht in die Bilanzierung mit
überproportional.                         Bestand sogar meist vollständigen                aufgenommen. Gleichwohl ist darauf
                                          Nivellierung oder gar zu einer Über-             hinzuweisen, dass mit den deutlich
Kostenwirkung abhängig von der            kompensation der Wohnkostenun-                   höheren Mobilitätskosten der Haus-
Wohnform- und Wohnflächenwahl             terschieden. Keine der drei Verhal-              halte an peripheren Standorten in
Wesentlichen Einfluss auf das Ni-         tensannahmen ist dabei die allein                aller Regel auch erheblich größere
veau der Nivellierung hat zudem die       Richtige. Je nach Bewertungs- und                tägliche Zeitaufwendungen verbun-
Annahme zum Wahlverhalten der             Argumentationskontext entspricht                 den sind.
Haushalte bezüglich Wohnform und          die eine oder die andere mehr der
Wohnfläche. Wird unterstellt, dass        Realität.
die Haushalte an allen Standorten         Bei einer Auswertung nach den
die gleiche Wohnform und Wohn-            Haushaltstypen zeigt sich, dass
14
SIEDLUNGSENTWICKLUNG UND MOBILITÄT - STUFE 2
BAUSTEIN SIEDLUNGSENTWICKLUNG

                                                                                           ARBEITSPROGRAMM

                                                                                           Beurteilung von Flächenpotenzialen
                                                                                           Im Baustein Siedlungsentwicklung
                                                                                           wurde in Stufe 2 ein Bewertungssys-
                                                                                           tem entwickelt, das die Gemeinden
                                                                                           in die Lage versetzt, ihre Flächenpo-
                                                                                           tenziale im Hinblick auf die Qualität
                                                                                           ihrer Anbindung und Erschließung
                                                                                           mit den Verkehrsmitteln des Um-
                                                                                           weltverbundes bzw. ihre Eignung
                                                                                           für die Siedlungsentwicklung gene-
                                                                                           rell einzuschätzen und miteinander
                                                                                           zu vergleichen. Aufbauend auf die
                                                                                           Analyse folgen Empfehlungen für die
                                                                                           Siedlungsentwicklung und für Ver-
                                                                                           besserungen in der Umweltverbund-
                                                                                           mobilität.

                                                                                           Die Methodik der Flächenbeurteilung
                                                                                           Für die Beurteilung der Flächen wur-
                                                                                           de ein differenziertes System aus
                                                                                           verschiedenen Kriterien, Bewertun-
                                                                                           gen und Gewichtungen entwickelt.
In die zweite Stufe der Untersuchung einbezogen waren: die Gemeinde Aying, die Stadt Er-   Als Beurteilungskriterien gehen ein:
ding, die Stadt Geretsried, die Gemeinde Karlsfeld, die VG Odelzhausen plus die Gemeinde   die Aspekte Anbindungs- und Er-
Bergkirchen und die Gemeinde Zorneding.                                                    schließungsqualität, Aspekte der
                                                                                           Ortsentwicklung und des Städte-
                                                                                           baus sowie Kostenaspekte.
                                                                                           Eine sehr differenzierte Betrachtung
                                                                                           erfolgte für das Thema ‚Anbindung/
                                                                                           Erschließungsqualität’ mit den Ver-
                                                                                           kehrsmitteln des Umweltverbundes.
                                                                                           Dies begründet sich zum einen in der
                                                                                           hohen Bedeutung dieses Themen-
                                                                                           felds innerhalb der Untersuchung
                                                                                           und der Vielzahl an Einzelaspekten,
                                                                                           die die Qualität der Anbindung aus-
                                                                                           machen. Hinzu kam, dass die für
                                                                                           die Beurteilung erforderlichen Daten
                                                                                           relativ gut verfügbar waren bzw. er-
                                                                                           hoben werden konnten (z.B. Halte-
                                                                                           stellenentfernungen etc.).

                                                                                           Die Themen ‚Ortsentwicklung/Städ-
                                                                                           tebau’ und ‚Kosten’ wurden dem-
                                                                                           gegenüber weniger differenziert be-
                                                                                           handelt, da vor allem bei den Kosten
                                                                                           wegen fehlender Daten keine diffe-
                                                                                           renzierte Einzelbetrachtung vorge-
                                                                                           nommen werden konnte. Es gehen
                                                                                           hier nur - in stark verallgemeinerter
                                                                                           Form - die Erschließungskosten ein.
                                                                                                                              15
Die Bewertung der Kriterien er-
folgt mittels eines einfachen Sys-           Bewertungskriterium 					Bewertung
tems, das der Einstufung zwischen            Entfernung zur Haltestelle < 500 m		       3 gut
den Werten 1 und 3 (entsprechend             Entfernung zur Haltestelle 500 – 1.000 m		        2 mittel
schlecht, mittel, gut) folgt. In Einzel-     Entfernung zur Haltestelle 1.001 – 1.500 m 1 schlecht
fällen wurde zusätzlich der Wert 0 für       Entfernung zur Haltestelle > 1.500 m		            0 sehr schlecht
‚sehr schlecht’ verwendet. Je nach
Kriterium kommt also eine drei- oder
eine vierstufige Bewertung zur An-         Abbildung 1: Bewertungsmaßstab am Beispiel des Kriteriums „ Entfernung der Fläche von
wendung. Die zugrunde liegenden            der nächstgelegenen S-Bahn-Haltestelle“
Bewertungsmaßstäbe beruhen auf
fachlicher Einschätzung. Die neben-
stehende Tabelle zeigt die Anwen-
dung der Bewertungsmethodik am
Beispiel des Kriteriums ‚Entfernung
der Fläche von der nächstgelegenen
S-Bahn-Haltestelle’.
Die verschiedenen Beurteilungskrite-
rien gehen jeweils mit einem spezi-
fischen Gewicht in die Betrachtung
ein. Die Gewichtung bildet vor allem
die Bedeutung eines Kriteriums in-
nerhalb der Gesamtbeurteilung bzw.
innerhalb der Beurteilung eines Teil-
aspekts ab.
Das Grundgerüst der Beurteilung
bilden die drei zentralen Hauptkri-
terien     Anbindung/Erschließungs-
qualität,    Ortsentwicklung/Städte-
bau und Kosten, die im Verhältnis
50%/40%/10% in die Beurteilung
eingehen. Die jeweils zugeordne-
ten Unterkriterien sind ebenfalls mit
Gewichtungen versehen. Im Zu-
sammenspiel von Bewertung und
Gewichtung aller einzelnen Kriterien
errechnet sich für jede Fläche ein
Gesamtwert.
Der Gesamtwert einer Einzelfläche
wird zu einem für jede Gemeinde
ermittelten theoretisch maximal er-
reichbaren Wert - das ist der Wert,
der sich für eine Fläche ergäbe,
wenn sie bei jedem Bewertungskri-          Abbildung 2: Bewertungskriterien für Wohn- und Mischbauflächen
terium den Höchstwert erreichte -
in Beziehung gesetzt. Der erreichte
Anteil vom Maximalwert, auch als
Zielerreichung bezeichnet, ermög-
licht der Gemeinde, die Eignung ei-
ner Fläche für die Entwicklung unter
den betrachteten Kriterien im Ver-
gleich zu anderen Flächen schnell
einzuschätzen.
16
BAUSTEIN SIEDLUNGSENTWICKLUNG

Abbildung 3: Ergebnis zur Anbindung/Erschließungsqualität am Beispiel Erding

                                                  Empfehlungen                            regionalplanerische Überlegungen,
                                                  Die gemeindebezogenen Untersu-          wie z.B. die Lage im Hauptort bzw.
                                                  chungen schließen ab mit Empfeh-        eine Zentrumsnähe, die mit hoher
                                                  lungen zu Entwicklungsprioritäten,      Wahrscheinlichkeit eine gute, auch
                                                  zur Ortsentwicklung, zu Nutzungs-       fußläufige Erreichbarkeit von Han-
                                                  und Bebauungsstrukturen sowie zur       dels- und Dienstleistungs- sowie
                                                  Verbesserung der Mobilität mit den      sozialen Infrastruktureinrichtungen
                                                  Verkehrsmitteln des Umweltverbun-       bedeutet, spielen hierbei ebenfalls
                                                  des.                                    eine Rolle.

                                                  Jede Entwicklungsfläche ist mit einer   In den Vorschlägen zur Verbesse-
                                                  Empfehlung für eine künftige Nut-       rung der Umweltverbundmobilität
                                                  zung sowie die bauliche Entwicklung     wird aufgezeigt, wie die Gemein-
                                                  im Hinblick auf Gebäudetypen, Ge-       den zusätzlich zu einer sorgsamen
                                                  schossigkeit und Baudichte verse-       städtebaulichen Entwicklung dazu
                                                  hen. Hierbei werden u.a. die Qualität   beitragen können, die Nutzung der
                                                  der Anbindung sowie die Lage im         Verkehrsmittel des Umweltverbun-
                                                  Stadtgebiet berücksichtigt.             des zu fördern. Dazu gehören z.B.
                                                                                          Optimierungen von Rad- und Fuß-
                                                  Für einige Gemeinden werden zu-         wegeverbindungen zu wichtigen
                                                  sätzlich zu den untersuchten Flä-       Verkehrszielen, ergänzende fahrrad-
                                                  chen Bereiche benannt, die unter        freundliche Infrastruktureinrichtun-
                                                  dem Blickwinkel einer umweltver-        gen sowie auch Verbesserungen im
                                                  träglichen Mobilität vor allem auf-     ÖV-Angebot.
                                                  grund ihrer günstigen Lage zu
                                                  wichtigen Mobilitätszielen wie etwa
                                                  S-Bahn-Haltepunkten für eine weite-
                                                  re Siedlungsentwicklung besonders
                                                  geeignet sind. Allgemeine orts- und
                                                                                                                            17
Abbildung 4: Empfehlungen zur Siedlungsentwicklung für die Gemeinde Karlsfeld

18
SIEDLUNGSENTWICKLUNG UND MOBILITÄT - STUFE 2
BAUSTEIN MOBILITÄT

ARBEITSPROGRAMM                                   ANALYSE          DER   POTENZIALFLÄ-
                                                  CHEN
Im Baustein Mobilität setzen sich die
Arbeiten in der Stufe 2 des Projekts              Aktuelle Verkehrsanbindung
SuM aus drei Teilbereichen zusam-                 Die in Flächennutzungsplänen aus-
men:                                              gewiesenen Potenzialflächen der Ge-
1. Detaillierte Analyse der Erschlie-             meinden Aying, Bergkirchen, Erding,
ßungsqualität und Identifizierung von             Geretsried, Karlsfeld, Odelzhausen,
Angebotsdefiziten sowie Darstellung               Pfaffenhofen, Sulzemoos und Zor-
grundlegender      Zusammenhänge                  neding wurden im Rahmen dieses
von Angebot und Nachfrage                         Forschungsprojekts bezüglich ihrer
2. Erarbeitung konkreter Maßnah-                  derzeitigen MVV-Verkehrsanbindung
menempfehlungen für die an Stufe 2                untersucht. Ziel war die Ermittlung
teilnehmenden Gemeinden der un-                   möglicher künftiger Schwachstellen
terschiedlichen Gebietskategorien                 im ÖPNV-Angebot. Dabei wurde
3. Kostenermittlung für zusätzliche               deutlich, dass der größte Teil der
ÖPNV-Verkehre nach Bebauung von                   Flächen bereits heute ausreichend
Potenzialflächen                                  angebunden ist. Lediglich 25 % der

Abbildung 5: Erschließungsvergleich Erding Stadt vs. Erding-Nord

                                                                                         19
Flächen sind schwach angebunden           Reisezeiten von knapp 60 Minuten
- mit weniger als 20 Fahrten pro Tag      (bei PKW-Reisezeiten von ca. 23 Mi-
- und 8 % der Flächen liegen gänz-        nuten) durch den ÖPNV nur unzurei-
lich außerhalb der Einzugsbereiche        chend bedient wird.
von Bahnhöfen und Haltestellen.           Eine Verbesserung könnte durch
Bezüglich der Ausweisung unbebau-         die Verlängerung der Buslinie 512
ter Flächen zeigte sich, dass kleine      zwischen Erding und Flughafen bis
Gemeinden eine überdurchschnitt-          Freising erreicht werden. Noch wich-
lich große Fläche pro Einwohner           tiger wäre jedoch insbesondere die
ausweisen, bereits dicht besiedelte       Herstellung einer schnelleren Ver-
Gemeinden hingegen vergleichs-            bindung zwischen Erding und Flug-
weise wenig Fläche. Die Gemeinden         hafen - eine Bus-Direktverbindung
Aying und Pfaffenhofen fallen mit be-     würde Fahrgäste innerhalb von 21
sonders großen ausgewiesenen Flä-         Minuten von Erding zum Flughafen
chen im Vergleich zum Durchschnitt        befördern. Langfristig wird jedoch
auf.                                      der Ringschluss das Problem lösen
                                          - mit Fahrzeiten von lediglich 11 Min.
Untersuchung relevanter Pendelbe-
ziehungen
Darüber hinaus wurde untersucht,
inwiefern das bestehende ÖPNV-
Angebot den Verkehrsbeziehungen
der Einwohner gerecht wird. Als Da-
tengrundlage diente die Pendlersta-
tistik der Bundesanstalt für Arbeit.
Der Anteil sozialversicherungspflich-
tig Beschäftigter an der Wohnbe-
völkerung dient als Indikator für die
Erwerbsmobilität und lag in den aus-
gewählten Gemeinden bei ca. 36 %.
Wichtig für das Verkehrsaufkommen
sind die Beschäftigten innerhalb ih-
res Wohnortes. Hier zeigte sich eine
große Spannweite von 41% in Ge-
retsried bis lediglich 7% in Sulze-
moos und Zorneding, die mit einem
Auspendleranteil von 93% beson-
ders auf gute Verkehrsverbindungen
angewiesen sind.

Erwerbsmobilität
Die Untersuchung ergab, dass die
Landeshauptstadt München gefolgt
von den Kreisstädten wie erwar-
tet die häufigsten Ziele der Pendler
darstellen und dass sämtliche signi-
fikanten Pendlerrelationen (mindes-
tens 100 je Gemeinde und Relation)
durch das MVV-Netz direkt angebun-
den werden. Eine Ausnahme stellt
die Relation Erding – Freising dar, die
aufgrund eines unattraktiven 40-Mi-
nuten-Takts und vor allem langer
20
BAUSTEIN MOBILITÄT

ZUSAMMENHANG VON BUSAN-
GEBOT  UND  VERKEHRSNACH-
FRAGE

Nachfragerelevante Faktoren
Eine Untersuchung der Wechsel-
wirkung zwischen Busangebot (in
Anzahl der Fahrten) und Fahrgast-
nachfrage (Anzahl Fahrgäste) ergab
lediglich einen mäßigen Zusammen-
hang. Die Verkehrsnachfrage ist an
Haltestellen, an denen zahlreiche
MVV-Regionalbusse verkehren, nur
geringfügig höher als an Haltestel-
len mit weniger täglichen Fahrten.
Ursächlich hierfür ist der hohe Anteil
des Schülerverkehrs, der in schwach
besiedelten Regionen als einziges         Abbildung 6: Zusammenhang von Anzahl der Bushalte und Fahrgästen in Landkreis Erding
ÖV-Angebot stark nachgefragt wird.        und Stadt Erding (Basis: Haltestellen -> Korrelation 0,59 = mäßiger Zusammenhang)
In diesen Regionen ergibt sich daher
trotz der wenigen täglichen Fahrten
eine hohe durchschnittliche Nach-
frage.
Eine zusätzliche Betrachtung der
Einwohnerzahlen in den Gemeinden
ergibt bei Gemeinden ab 2000 Ein-
wohnern einen stabilen und starken
Zusammenhang zwischen Busan-
gebot und Fahrgastnachfrage. Für
Gemeinden unter 2000 Einwohner
wurde ganz im Gegensatz dazu kein
Zusammenhang ermittelt.

ANGEBOTSANALYSE    UND     ER-
ARBEITUNG KONKRETER MASS-
NAHMEN    FÜR    AUSGEWÄHLTE
GEMEINDEN    DER    EINZELNEN
ORTSKATEGORIEN:
                                         Abbildung 7: Zusammenhang auf Gemeindebene in Landkreis Erding und Stadt Erding
Erding: Vergleich der Erschließungs-     (Korrelation: 0,985 = extrem starker Zusammenhang)
situation heute und bei Verlagerung
des Bahnhofes. Angebotsdefizite in
der Verbindung Flughafen/Freising
und bei der Anbindung von Pretzen

Zorneding: Maßnahmenentwicklung
zur besseren Anbindung von Orts-
randlagen durch Umlaufoptimierung

Aying: Empfehlungen zur Entwick-
lung der Flächenpotenziale und Un-
tersuchung von Bedarfsverkehren
                                                                                                                                 21
Abbildung 8: Flächenpotenziale und ÖPNV - Einzugsradien der geplanten Haltestellen in Geretsried (S-Bahn Verlängerung Var.1)

Geretsried:   Erschließungs-   und                Karlsfeld: Entwicklung von Maßnah-                 Maßnahmen immer den verantwort-
Fahrzeitenvergleich aktuell und bei               men zur Anbindung von Karlsfeld                    lichen Aufgabenträgern vorbehalten
S-Bahn-Verlängerung,        Maßnah-               West an die Ortsmitte                              bleibt und es keinen Automatismus
menempfehlung zur Anbindung des                                                                      zwischen Bebauung und ÖPNV-
Wellness-Bades „Spaladin“                                                                            Verbesserung gibt, wurden hierfür
                                                  ABSCHÄTZUNG DER ZUSÄTZLI-                          drei Szenarien entwickelt: Ein „Ak-
VG Odelzhausen und Bergkirchen:                   CHEN ÖPNV-KOSTEN BEI ENT-                          tiv-Szenario“, das eine ÖPNV-affine
Gemeindeübergreifende     Empfeh-                 WICKLUNG    UND  BEBAUUNG                          Angebotsplanung unterstellt, ein
lung für die Region Odelzhausen                   EXEMPLARISCHER  FLÄCHENPO-                         „Erwartungs-Szenario“ der wahr-
und Bergkirchen mit einer weiteren                TENZIALE                                           scheinlichen Anpassung des ÖV-
Verbesserung der Linie 732: Ver-                                                                     Angebotes und ein „Passiv-Sze-
meidung von Leerfahrten mit Direkt-               Für die Kostenberechnungen des                     nario“, das von einer Beibehaltung
verbindung von Pasing zum Gewer-                  Ingenieurbüros und Projektpartners                 des Status-Quo ausgeht. Für diese
begebiet GADA, Verdichtung des                    GGR wurden für ausgesuchte Flä-                    Szenarien wurden jeweils Kostenab-
Fahrtenangebotes sowie Bündelung                  chenpotenziale der einbezogenen                    schätzungen der erwarteten Mehr-
der Streckenführung mit zentralen                 Gemeinden verschiedene Szenarien                   verkehre vorgenommen.
Haltestellen und ggf. P+R/Pendler-                entwickelt, welche ÖPNV-Maßnah-
parkplätzen.                                      men eine Bebauung der jeweiligen
                                                  Fläche nach sich ziehen würde.
                                                  Da eine Entscheidung über ÖPNV-
22
SIEDLUNGSENTWICKLUNG UND MOBILITÄT - STUFE 2
BAUSTEIN KOSTENTRANSPARENZ

FRAGESTELLUNG                                 Gemeinde generiert werden?                     dichten aufwiesen (Abbildung 9). Mit
                                              2. Zeigen sich tendenzielle Unter-             Blick auf die o.g. zweite Forschungs-
Zwei Forschungsfragen                         schiede bei den fiskalischen Bilan-            frage wurde darüber hinaus beson-
In der zweiten Projektstufe beschäf-          zen, wenn man die Untersuchungs-               deren Wert darauf gelegt, dass etwa
tigte sich der Baustein „Kostentrans-         flächen nach ihrer Lage zu attraktiven         gleich viele Flächen mit einer guten
parenz“ mit den finanziellen Auswir-          ÖPNV-Linien (vor allem zur S-Bahn)             und einer schlechten schienenge-
kungen von Baulandausweisungen                differenziert?                                 bundenen        Personennahverkehrs
auf die Gemeinden. Im Mittelpunkt                                                            (SPNV)-Anbindung in der untersuch-
standen dabei die folgenden Fragen:           Auswahl von 11 möglichst unter-                ten Stichprobe zu finden waren.
1. In welcher Größenordnung liegt             schiedlichen Untersuchungsflächen
die fiskalische Gesamtbilanz von              Bei der Auswahl der insgesamt 11
neuen Baugebieten in der Regi-                Untersuchungsflächen wurde ver-
on München aus Sicht der jeweils              sucht, eine möglichst breite Vielfalt
ausweisenden Gemeinde? Über-                  zu erhalten. So wurden Untersu-
steigen die zusätzlichen Einnahmen            chungsflächen in allen regionalen
die zusätzlichen Ausgaben (= fiska-           Lagetypen (näheres bzw. weite-
lisch positive Bilanz) oder entstehen         res Umland der LH München, un-
durch die Gebietsausweisungen im              terschiedliche    Gemeindegrößen)
Mittel mehr Folgekosten als durch             ausgewählt, die zudem sehr unter-
die zusätzliche Einnahmen für die             schiedliche Größen und Bebauungs-

Abbildung 9: Größe und Bebauungsdichte der angenommenen Neubauprojekte auf den Untersuchungsflächen (grüne Punkte: SPNV-nahe
Standorte, orange Punkte: SPNV-ferne Standorte)

                                                                                                                                23
FISKALISCHE       WIRKUNGSANALY-
SE

Alle Untersuchungsflächen wurden
mit Hilfe eines bestehenden und im
Rahmen des Projekts weiterentwi-
ckelten fiskalischen Wirkungsmo-
dells untersucht. Das dabei ver-
wendete Bilanzierungsmodell FIA
durchläuft – vereinfacht – die fünf in
Abbildung 10 dargestellten Arbeits-
schritte.

ANALYSESCHRITT 1: FLÄCHENBI-
LANZ UND BEBAUUNGSSTRUK-
TUR

Rahmendaten der Baulandentwick-
lung                                     Abbildung 10: Grundaufbau des fiskalischen Wirkungsmodells FIA
Im Rahmen des ersten Analyse-
schritts werden die planerischen
Kennzahlen des jeweiligen Untersu-
chungsgebiets erfasst. Hierzu zählen
u.a. die Gebietsgröße, der Anteil der
Erschließungsfläche, die Anzahl der
Wohneinheiten, die Häufigkeit der
einzelnen Bauformen (unterschie-
den werden Einfamilienhäuser, Dop-       (Haushaltsgröße, Altersstruktur, Ein-            - die Haushaltsmitglieder im Laufe
pelhaushälften, Reihenhäuser und         kommensniveau, Besitzverhältnisse)               der Zeit altern,
Mehrfamilienhäuser). Wichtig sind in     geschlossen. Dabei wird u.a. be-                 - sich die Haushaltsgröße im Laufe
diesem Zusammenhang aber auch            rücksichtigt, dass                               der Wohnzeit durch Auszüge, Zu-
Informationen z.B. zum voraussicht-      - die Baustruktur (Geschosswoh-                  züge, Trennungen und Todesfälle
lichen Realisierungszeitraum, zum        nung, individueller Wohnungsbau)                 verändert und dass
Bodenpreisniveau sowie zum kom-          mit dem Anteil an Mieter- und Eigen-             - Eigentümerhaushalte      deutlich
munalen Flächenanteil. Aufgrund          tümerhaushalten korreliert,                      länger in ihren Wohnungen verblei-
des weiter oben beschriebenen Aus-       - Eigentümerhaushalte zum Zeit-                  ben als Mieter.
wahlverfahrens wiesen die Untersu-       punkt des Einzugs in eine Neubau-
chungsflächen bei all den genannten      wohnung im Mittel größer sind als                Bei der Modellanwendung wurde
Beschreibungsgrößen deutliche Un-        Mieterhaushalte,                                 zudem für jede Untersuchungsfläche
terschiede auf.                          - einziehende Haushalte im neu                   eine Annahme getroffen, welcher
                                         gebauten        Geschosswohnungsbau              Anteil der Gebietsbewohner neu in
ANALYSESCHRITT 2:                        im Mittel kleiner sind als einziehen-            die Gemeinde zieht und welcher An-
EINZUG UND VERWEILDAUER DER              de Haushalte im individuellen Woh-               teil lediglich seinen Wohnstandort in-
HAUSHALTE                                nungsbau und dass                                nerhalb der Gemeinde verändert. So
                                         - die Eigentümer bei Erstbezügen                 wurde z.B. bei „Einheimischenmo-
Struktur der einziehenden Haushalte      im Mittel älter sind als die Mieter-             dellen“ der Anteil der „Zuziehenden“
Auf Basis empirischer Analysen an-       haushalte.                                       sehr niedrig angesetzt.
derer Bauvorhaben sowie amtlicher        Im zweiten Analyseschritt wird die
Erhebungen mit großer Stichprobe         Bewohnerstruktur zudem über den
(EVS, MiD, Mikrozensus) wird im          gesamten Betrachtungszeitraum (30
zweiten Schritt von den Kennwerten       Jahre ab Baubeginn) fortgeschrie-
des ersten Schritts auf die Sozial-      ben. Dabei berücksichtigt das Mo-
struktur der einziehenden Haushalte      dell u.a., dass
24
BAUSTEIN KOSTENTRANSPARENZ

ANALYSESCHRITT 3:                      ren. Darüber hinaus besteht z.B.
PRIMÄRE   FISKALISCHE          WIR-    bei den Kosten der Straßenerschlie-
KUNGSKETTEN                            ßung die Möglichkeit der Erhebung
                                       von Erschließungsbeiträgen. Bei den
Zu den primären fiskalischen Wir-      fiskalischen Bilanzen der Kommu-
kungsketten zählen alle für den je-    nen wurde deshalb jeweils nur der
weiligen Kommunalhaushalt relevan-     kommunale Finanzierungsanteil in
ten Effekte, die sich direkt aus der   Anrechnung gebracht. Bei investi-
Veränderung der Siedlungs- (Kenn-      ven Maßnahmen wurden neben den
werte aus Analyseschritt 1) und der    Kosten der erstmaligen Herstellung
Einwohnerstruktur (Kennwerte aus       immer auch die Betriebs- und Un-
Analyseschritt 2) ergeben.             terhaltungskosten sowie die Kosten
                                       einer späteren Erneuerung berück-
Steuereinnahmen vs. Folgekosten        sichtigt.
Auf der Einnahmenseite zählen zu       Zusätzlich zu den genannten Kos-
dazu:                                  tenpositionen wurde für jedes Gebiet
- die Grundsteuer                      ein jährlicher, zeitlich veränderbarer
- der Kommunalanteil an der Ein-       Betrag abgeschätzt, der die zusätz-
kommensteuer (sowie Zuweisungen        liche Nachfrage nach solchen kom-
im Rahmen des Familienleistungs-       munalen Leistungen berücksichtigt,
ausgleichs)                            deren Inanspruchnahme in einem
- die Erstattungen für Leistungen      deutlich schwächeren Wirkungszu-
des übertragenen Wirkungskreises       sammenhang als bei den zuvor ge-
- der Kommunalanteil an der            nannten Kostenbereiche steht. Dazu
Grunderwerbsteuer                      zählen z.B. die Zusatzbelastungen
- der Kommunalanteil aus dem           der Gemeindeverwaltung, der Seni-
Kfz-Steuerverbund                      oreneinrichtungen, der Jugendarbeit
- die Konzessionsabgabe der Ver-       und Jugendsozialarbeit, der Famili-
sorgungsunternehmen sowie              enförderung, der VHS, Büchereien,
- mögliche Gewinne der Gemeinde        Musikschulen oder der Sportanla-
bei Flächenan- und –verkäufen          gen.

Den zusätzlichen Einnahmen stehen      ANALYSESCHRITT 4:
zusätzliche Ausgaben gegenüber für     SEKUNDÄRE FISKALISCHE            WIR-
- die inneren und äußeren Erschlie-    KUNGSKETTEN
ßungsnetze (Straße, Wasser, Ent-
wässerung, Strom, Gas und Breit-       Umlagen und Zuweisungen
bandverkabelung)                       Zu den sekundären fiskalischen Wir-
- den Lärmschutz                       kungsketten zählen
- die Anpassung des ÖPNV               - die allgemeinen Schlüsselzuwei-
- die sozialen Wohnfolgeeinrich-       sungen aus dem Kommunalen Fi-
tungen (Kindergärten, Schulen)         nanzausgleich,
- die öffentlichen Grünflächen         - die Kreisumlage sowie
sowie                                  - die VG-Umlage (im Falle einer
- die notwendigen ökologischen         entsprechenden Mitgliedschaft).
Ausgleichsmaßnahmen                    Allen diesen Wirkungsketten ist ge-
Insbesondere in Regionen mit einem     mein, dass sie erst als Folgewirkung
starken Nachfragedruck wie dem         einer im Analyseschritt 3 ermittelten
Großraum München sind die zu-          primären Fiskalwirkung haushalts-
letzt genannten Folgekosten häufig     relevant werden. So führen z.B. zu-
Gegenstand der Aushandlung von         sätzliche Einnahmen aus der Ein-
städtebaulichen Verträgen zwischen     kommensteuer (in Analyseschritt 3)
den Kommunen und den Investo-          in der Folge zu einer Erhöhung der
                                                                                25
Abbildung 11: Kumulierte Bilanz mit Zinsgewinnen und -verlusten entlang der Zeitachse

Umlagezahlungen an den jeweiligen
Landkreis sowie einer Verminderung
der Zuweisungen aus dem Kommu-
nalen Finanzausgleich.
Insgesamt zeigt die Analyse, dass
die sekundären Wirkungen dämp-
fend auf das fiskalische Gesamt-
ergebnis eines Baugebiets wirken.
So führen Zusatzeinnahmen bei den
primären Wirkungen eher zu Zusatz-
ausgaben (bzw. verminderten Zu-
satzeinnahmen) bei den sekundär-
en Wirkungen. Umgekehrt gleichen
die sekundären Wirkungsketten
Einnahmeausfälle bei den primären
Wirkungen durch geringere Umlage-
zahlungen und erhöhte allgemeine
Schlüsselzuweisungen zu einem er-
heblichen Teil aus.

ANALYSESCHRITT 5:
BILANZIERUNG

Zeitliche Bilanzierung und Zinseffek-
te
Die Bilanzierung der vielen betrach-
teten Wirkungsketten erfolgt in Form
einer Kumulation der Wirkungen
entlang der Zeitachse. Dabei wer-
den zusätzlich Zinsgewinne bzw. –
verluste in Ansatz gebracht, die sich
aus dem aktuellen Zwischenstand
der Kumulation ergeben (Abbildung
11).

26
BAUSTEIN KOSTENTRANSPARENZ

ERGEBNISBEISPIEL 1:                               Erkennbar sind dabei die folgenden       ren sowie für Grünflächen (öffent-
FLÄCHE „ERDING W13“                               Muster, die sich mehr oder weniger       liche Flächen und ökologischer
                                                  bei allen Untersuchungsflächen fin-      Ausgleich) fallen in der Folgezeit in
Wiederkehrende Muster bei den fis-                den:                                     mehr oder weniger regelmäßigen
kalischen Bilanzen                                - Einnahmen und Ausgaben in ver-         Abständen Pflege-, Instandhal-
Die fiskalische Bilanzierung führt für            gleichbarer Größenordnung:               tungs- und Erneuerungsausgaben
jede Untersuchungsfläche zu einem                 Die zusätzlichen Einnahmen aus           an. Während die Erstinvestition
jeweils spezifischen Ergebnis. Trotz-             Steuern und Abgaben und die zu-          nicht selten auf einen Investor ver-
dem sind bestimmte Muster immer                   sätzlichen Ausgaben für Infrastruktur    lagert werden kann, geht ein großer
wieder erkennbar. Die wichtigsten                 und zusätzlich in Anspruch genom-        Teil der Folgekosten zu Lasten der
sollen im Folgenden anhand von                    mene kommunale Leistungen halten         Kommune.
zwei Beispielen verdeutlicht werden.              sich hinsichtlich ihrer Größenord-       - Einnahmen-Ausgaben-Verhältnis
Das erste Beispiel ist die Untersu-               nung in etwa die Waage.                  am Anfang ungünstiger als später:
chungsfläche „Erding W13“. Dabei                  - Periodische Folgekosten für Erhalt     Im Laufe des Betrachtungszeit-
handelt es sich um eine Teilfläche                und Betrieb der Infrastruktur: Auf der   raums verbessert sich das Ausga-
der Planungen zum neuen Bahn-                     Ausgabenseite sind deutliche Aus-        ben-Einnahmen-Verhältnis       i.d.R.
hofsstandort. Abbildung 12 stellt die             schläge erkennbar. Diese ergeben         etwas. Hierfür sind zwei Effekte
bei dieser Flächenentwicklung zu er-              sich am Anfang des Projekts aus den      maßgeblich. Zum einen kommt es
wartenden zusätzlichen Einnahmen                  notwendigen Erweiterungsmaßnah-          bei der Einkommensteuer zu einem
und Ausgaben der Stadt Erding ge-                 men für die soziale und technische       deutlichen Zeitverzug. So profi-
genüber.                                          Infrastruktur. Für diese Infrastruktu-   tieren die Kommunen i.d.R. erst

    600.000                                                                                        
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    400.000                                                                                        
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    200.000                                                                                        
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   -200.000                                                                                        
                                                                                                   
   -400.000
                                                                                                   
                                                                                                   
   -600.000
                                                                                                   
                                                                                                   
   -800.000
                                                                                                   
                                                                                                   
 -1.000.000
                                                                                                   
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Abbildung 12: Bilanzierung der Wirkungsketten für die Untersuchungsfläche „Erding W13“

                                                                                                                                        27
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