9 Der Unterlassungsanspruch 114
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§9 Der Unterlassungsanspruch 114
Fall 25 („Der Goldfisch“; BGHZ 174, 262): In der von ihr herausgegebenen Zeitschrift „Freizeitwoche“ veröffentlichte die Bauer Media Group (B) mehrere Bilder von Franziska van Almsick (F) und ihrem Lebensgefährten. Die Fotos wurden heimlich aufgenommen und zeigen das Paar am Hotelstrand, im Wasser, beim Betreten einer Miet‐Yacht und beim Bummel durch den Ferienort. Der mit den Fotos bebilderte Artikel ist überschrieben mit den Namen von F und ihres Partners und trägt den Untertitel „Turtelnd und verliebt im Urlaub”. Ähnlich sind auch die Bildunterschriften. Auf eine entsprechende Abmahnung hin hat die B eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, der zufolge sie diese Bilder nicht wieder abdrucken wird. F verlangt von B jedoch darüber hinaus die Unterlassung der Veröffentlichung jeglicher Fotos aus ihrem Privatleben, welche mit den konkret veröffentlichten vergleichbar sind. Zu Recht?
Sinn und Zweck des Unterlassungsanspruchs • § 823 I BGB stellt bestimmte Rechte und Rechtsgüter unter allgemeinen zivilrechtlichen Schutz ‐ Wer eines dieser Rechte/Rechtsgüter verletzt, muss Schadensersatz leisten ‐ Soll davor abschrecken, entsprechende Verletzungen zu begehen • § 1004 I 2 BGB ist der flankierende präventive Rechtsschutz ‐ Untersagung unmittelbar bevorstehender Verletzungshandlungen ‐ Gedanke dahinter: Schadensvermeidung ist besser als Schadenswiedergutmachung
Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen • Eine weitere Beeinträchtigung droht, wenn sie unmittelbar bevorsteht • Wiederholungsgefahr ‐ Die Erstbegehung begründet die Vermutung für die Wiederholungsgefahr ‐ Die Vermutung kann der Verletzer nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abwehren • Erstbegehungsgefahr Trotz insoweit unklaren Wortlauts besteht Einigkeit, dass § 1004 I 2 BGB auch vor der erstmaligen Verletzung schützt
Reichweite des Unterlassungsanspruchs • Ausgangspunkt: Der Betroffene kann nur die Unterlassung der konkreten Verletzungshandlung verlangen • Aber: Mit dieser Beschränkung ist der Rechtsschutz zugunsten des Betroffenen womöglich nicht effektiv • Deshalb: Im Bereich der Wortberichterstattung erstreckt sich der Anspruch auch auf sog. kerngleiche Handlungen • Frage: Gilt diese Erweiterung auch für die Bildberichterstattung?
Der Störer als Schuldner des Anspruchs Fall 26 („Meinungsforum“; BGH NJW 2007, 2558) Klaus (K) ist Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender eines Vereins, dessen satzungsmäßiger Zweck u.a. die Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet ist. Bertram (B) ist Betreiber eines Internetforums, das sich mit sexuellem Missbrauch und Kinderpornografie beschäftigt. Nachdem K selbst einen Beitrag in das Forum des B eingestellt hatte, veröffentlichte ein Unbekannter dort unter dem Pseudonym „Katzenfreund” folgenden Beitrag: „Sie dagegen haben nichts zu verlieren, weder einen Ruf, noch eine Arbeit. Sie suhlen sich wie eine Sau im Dreck und laben sich am Leid anderer Menschen. Sie verstecken sich feige und dreckig hinter dem scheinbar sauberen Deckmantel des Kinderschutzes, um damit Ihre eigenen Unzulänglichkeiten zu verstecken. Sie müssen faul und arbeitsscheu sein, leben seit Geburt an auf Kosten der Allgemeinheit. Um Ihrem erbärmlichen Dasein einen Sinn zu geben, haben Sie sich ein Feindbild geschaffen, eines, dass zumindest so wie Sie es sehen nicht existiert. Zum größten Teil trieb Sie wahrscheinlich der Neid auf andere Menschen, die es im Gegensatz zu Ihnen, zu etwas gebracht haben.“ Kann K von B verlangen, dass er die Verbreitung dieser Äußerung des Unbekannten künftig unterlässt?
Der Störer als Schuldner des Anspruchs • Störer ist zunächst derjenige, der eine rechtsverletzende Äußerung selbst aufstellt („Täterhaftung“) ‐ Der Autor eines Artikels, eines Rundfunkbeitrags oder eines Posts ‐ Derjenige, der den rechtsverletzenden Inhalt nicht unmittelbar selbst formuliert, sondern sich den Inhalt eines anderen zu Eigen macht ‐ In diesem Zu‐Eigen‐Machen liegt die Haftung der Presseverlage, der Rundfunkveranstalter und ggf. auch der Inhalteanbieter im Internet begründet ‐ Zu den verantwortlichen Tätern gehören auch Mittäter sowie Anstifter und Gehilfen
Der Störer als Schuldner des Anspruchs • Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung auch in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat‐kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt („Verbreiter‐ /allgemeine Störerhaftung“) ‐ Trifft im Ausgangspunkt jeden, der einen ursächlichen Beitrag für das Erscheinen und die weitere Verbreitung des rechtsverletzenden Inhalts gesetzt hat, also Herausgeber, Chefredakteur, verantwortlicher Redakteur, Druckerei, Kiosk, Satellitenbetreiber, Forenbetreiber als Hostprovider, Access‐ Provider, etc. ‐ Erforderlich ist aber eine Verletzung von Prüfungspflichten ‐ Für Internetprovider sind §§ 7 ff. TMG zu beachten
§ 10 Anspruch auf Widerruf und Richtigstellung 122
Fall 27 („Die Hochzeit von Saint Rémy“; BVerfGE 97, 125) Die Axel Springer SE veröffentlichte in ihrer wöchentlich erscheinenden Zeitschrift „Das Neue Blatt“ einen Artikel über eine angeblich bevorstehende Hochzeit von Prinzessin Caroline von Monaco und die darauf bezogenen Vorbereitungen der Bewohner des Dorfes Saint Rémy. Der Artikel war in der unteren Mitte der linken Spalte der Titelseite als „Exklusiv‐Reportage“ angekündigt. In unterschiedlich großen Schrifttypen hieß es hier: • „Exklusiv‐Reportage • Die Nachbarn proben schon fürs große Fest • Caroline & Vincent • Ganz Saint Remy freut sich: • Das wird eine Märchenhochzeit.” Bei dem Artikel handelt es sich um eine freie Erfindung des Autors. Hat Caroline gegen die Axel Springer SE einen Anspruch auf Widerruf?
Voraussetzungen des Widerrufsanspruchs • Die Anspruchsgrundlage ist § 1004 I 1 BGB • Sinn und Zweck: Beseitigung noch fortbestehender Beeinträchtigungen • Der Widerrufsanspruch muss sich gegen eine Tatsachenbehauptung richten • Die Tatsache muss erwiesenermaßen unwahr sein ‐ Im Zeitpunkt der Veröffentlichung erwiesene Unwahrheit ‐ Unwahrheit stellt sich im Laufe des Prozesses heraus ‐ Es finden sich im Prozess weder Beweise für die Wahrheit noch für die Unwahrheit
Die Art und Weise des Widerrufs • Die Axel Springer SE bietet Caroline den Abdruck des Widerrufs auf Seite 37 unten an • Caroline will den Abdruck des Widerrufs in derselben Art und Weise, in der auch die Falschmeldung ursprünglich präsentiert wurde
§ 11 Der Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden 126
Immaterieller Schadensersatz/Geldentschädigung Fall 27 („Cybermobbing“; OLG Hamm NJW‐RR 2017, 1124) Michael (M) und Friederike (F) sind 18 Jahre alt, besuchen dieselbe Schule und führten während der vergangenen zwei Jahre eine Liebesbeziehung. Im Jahr 2016 fertigte M mit seinem Handy ein Foto von F, welches sie bei der Ausführung von Oralverkehr an ihm zeigt. F‘s Gesicht ist auf dem Foto erkennbar. Kurz nachdem F sich von M getrennt hatte, stellte er das Foto Anfang Oktober in sein Facebook‐Profil ein, für das er keinerlei Privatsphäreneinstellungen vorgenommen hatte. Ohne dass M daran weiter mitgewirkt hätte, verbreitete sich das Foto in der Folge v.a. über andere soziale Netzwerke des Internets. Auf entsprechende Aufforderung von F löschte M das Foto von seinem Profil. F verlangt von M darüber hinaus ein Schmerzensgeld i.H.v. 5.000 Euro. Zu Recht?
Immaterieller Schadensersatz/Geldentschädigung • Grundlage des Anspruchs auf immateriellen Schadensersatz/Geldentschädigung ist § 823 I BGB ‐ Die Veröffentlichung eines Fotos im Internet ist ein öffentliches Zur‐Schau‐Stellen i.S.d. § 22 S. KUG und bedarf deshalb der Einwilligung des Abgebildeten ‐ Eine solche Einwilligung liegt nicht vor und kann insbesondere nicht im Einverständnis mit der Aufnahme des Fotos gesehen werden ‐ Eine rechtswidrige Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Franzi liegt vor ‐ M hat diese Verletzung auch schuldhaft begangen, nämlich vorsätzlich
Immaterieller Schadensersatz/Geldentschädigung • Die Rechtsfolgen beurteilen sich nach §§ 249 ff. BGB ‐ Ausgangspunkt: Differenzhypothese ‐ Direkte Anwendung der 3‐fachen Schadensberechnung auf diesen Fall? ‐ Entsprechende Anwendung der 3‐fachen Schadensberechnung auf die Verletzung des ideellen Persönlichkeitsrechts zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken?
Immaterieller Schadensersatz/Geldentschädigung • § 253 BGB: Kein immaterieller Schadensersatz bei der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts • Aber trotzdem: Immaterielle Geldentschädigung, wenn ‐ es sich um eine schwere Persönlichkeitsverletzung handelt und ‐ Genugtuung zugunsten des Betroffenen anders nicht hergestellt werden kann • Höhe der Geldentschädigung • Ist die Gewähr eines Anspruchs auf immaterielle Geldentschädigung entgegen § 253 BGB verfassungswidrig?
§ 12 Der Anspruch auf Gegendarstellung 131
Fall 28 („Nachts in Potsdam“; OLG München ZUM 2017, 871) Die Funke Women Group GmbH (F) veröffentlichte auf der Titelseite der von ihr herausgegebenen Zeitschrift „die aktuelle“ ein Foto von Günther Jauch und einer nicht namentlich bezeichneten Frau mit der Bildunterschrift: „Günther Jauch. Erwischt! Nachts in Potsdam ...“. Jauch verlangt daraufhin von der F, auf der Titelseite der nächsten Ausgabe folgende Gegendarstellung abzudrucken: „Auf der Titelseite von ›die aktuelle‹ vom 28. Januar 2017 wird ein Foto von mir mit einer Frau veröffentlicht mit der Bildunterschrift ›X. Erwischt! Nachts in Potsdam ...‹ Hierzu stelle ich fest: Das Foto zeigt mich beim Verlassen einer Museumseröffnung zwischen 18 Uhr und 19 Uhr neben einer Ehefrau eines Politikers, der mit uns die Veranstaltung verließ, aber nicht abgebildet wurde. Potsdam, den 2. Februar 2017.“ Besteht ein entsprechender Anspruch von Jauch gegen F?
Begriff der Gegendarstellung • Der Gegendarstellungsanspruch ist das Recht einer von einem Medienbericht betroffenen Person, in demselben Medium mit einem vergleichbaren Aufmerksamkeitswert selbst zu Wort zu kommen ‐ Beim Widerruf müssen der Medienbetreiber und/oder der Autor durch eine eigene Erklärung einräumen, die Unwahrheit behauptet zu haben ‐ Bei der Gegendarstellung handelt es sich demgegenüber um eine eigene Erklärung des Betroffenen, die auch als solche gekennzeichnet ist
Gesetzliche Regelung der Gegendarstellung • Der Gegendarstellungsanspruch ist ein spezifisch medienrechtlicher Anspruch • Er ist deshalb in den besonderen Mediengesetzen geregelt, z.B. ‐ § 11 I 1 LPrG NRW: Der verantwortliche Redakteur und der Verleger eines periodischen Druckwerks sind verpflichtet, eine Gegendarstellung der Person oder Stelle zum Abdruck zu bringen, die durch eine in dem Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist. ‐ § 44 I LMG NRW: Der Veranstalter ist verpflichtet, durch Rundfunk die Gegendarstellung der Person oder Stelle zu verbreiten, die durch eine vom Veranstalter in einer Sendung verbreitete Tatsachenbehauptung betroffen ist. ‐ § 56 I 1 RStV: Anbieter von Telemedien mit journalistisch‐redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden, sind verpflichtet, unverzüglich eine Gegendarstellung der Person oder Stelle, die durch eine in ihrem Angebot aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist, ohne Kosten für den Betroffenen in ihr Angebot ohne zusätzliches Abrufentgelt aufzunehmen.
Sinn und Zweck der Gegendarstellung • Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährt dem Einzelnen ein Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person in der Öffentlichkeit • Dennoch ist jedenfalls die wahre Berichterstattung über den Einzelnen zulässig • Um Einfluss auf die Wahrheitsfindung im öffentlichen Diskurs nehmen zu können, muss der Betroffene die Gelegenheit bekommen, mit vergleichbarer Breitenwirkung seine Sicht der Dinge darzustellen
Voraussetzungen der Gegendarstellung • Betroffener einer Tatsachenbehauptung • Tatsachen sind in der Vergangenheit oder Gegenwart liegende Ereignisse der Außenwelt oder des Seelenlebens, die wahrnehmbar sind und deshalb mit Mitteln des Beweises objektiv als bestehend oder nicht bestehend ermittelt werden können • „Erwischt“ und die Tatsachenbehauptung zwischen den Zeilen
Art und Weise der Gegendarstellung • § 11 III LPrG NRW: Die Gegendarstellung muß in der nach Empfang der Einsendung nächstfolgenden, für den Druck nicht abgeschlossenen Nummer in dem gleichen Teil des Druckwerks und mit gleicher Schrift wie der beanstandete Text ohne Einschaltungen und Weglassungen abgedruckt werden; sie darf nicht in der Form eines Leserbriefs erscheinen. Der Abdruck ist kostenfrei. Wer sich zu der Gegendarstellung in derselben Nummer äußert, muß sich auf tatsächliche Angaben beschränken.
Grenzen der Gegendarstellung • § 11 II LPrG NRW: Die Pflicht zum Abdruck einer Gegendarstellung besteht nicht, wenn ‐ die betroffene Person oder Stelle kein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung hat oder ‐ die Gegendarstellung ihrem Umfange nach nicht angemessen ist oder ‐ es sich um eine Anzeige handelt, die ausschließlich dem geschäftlichen Verkehr dient
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