Age-Dossier - Generationen-Wohnen heisst Nachbarschaft - Age-Stiftung
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Age-Dossier 4 30 50 Überblick & Grundlagen Einleitung Praxisbeispiel Durchmischungsziele – Wohnungs- «Die Kinder kommen fast mix und Vermietung täglich vorbei» Überblick & Grundlagen 52 32 Durchmischung sicherstellen – Min- 6 Wer Kontakträume plant, macht destbelegung und Wiedervermie- Interview Beziehungen möglich tung Warum es generationengemischte Nachbarschaften braucht Fördern im Betrieb 9 Wohnmodelle für mehrere 54 Generationen Praxisbeispiel Ein Haus für jedes Alter 14 Herausforderungen für gene- 1. sehen 2. begegnen 56 rationengemischte Wohngemein- 3. Beziehung Wie organisieren sich generatio- pflegen schaften nengemischte Nachbarschaften? 16 58 «Generationen», ein mehrdeutiger Organisierte Nachbarschaftshilfe Begriff als Begegnungsstifterin? Fördern in der Planung 17 59 Generationenbeziehungen als Das Wohnumfeld Mittel zum Zweck? gemeinsam gestalten 18 60 Unterstützung im Alltag und die 35 Praxisbeispiel Rolle der Nachbarn Sehen und gesehen werden Wenn es viel zu tun gibt, kommen als Basis für Nachbarschaft immer genug Leute 22 Interview 36 62 «Generationenwohnen soll die Spontanen Begegnungen Begegnungen motivieren Beziehung und nicht den Nutzen Raum geben in den Vordergrund stellen» 65 40 Interview 25 Begegnungschancen «Für Junge ist Generationendurch- Repräsentative Umfrage: Die erhöhen mischung normal» engsten Nachbarn sind oft im _ selben Alter 44 Kristallisationspunkte für Genera- Umschlag tionenbeziehungen schaffen Fördern in der Planung Danksagung Fördern im Betrieb 48 Literaturangaben 28 Räume für gemeinschaftliche und Impressum Für jede Lebensphase ein eigenes gemeinsame Nutzung – Haus? Projektbeispiele: 49 Standorte im Überblick Partizipative Planung? Wie viel braucht's?
O F H I U E Z X K M A B V C D L R T Y J S W G Q P N Referenzprojekte in diesem Heft Die Projektinformationen befinden sich auf der hinteren Umschlagklappe. Die Projektkennungen A bis Z dienen in diesem Heft auch als Verweise auf die jeweiligen Projektbeispiele. Möchten Sie mehr Informationen zu einem Projekt oder direkt mit einem Verantwortlichen sprechen? Der jeweilige Link (Umschlag hinten) führt Sie zur Website des Förderprojekts mit Kontaktinformationen, Dokumen- tation und weiteren Materialien.
PROJEKTBEISPIELE M – Z M T Zopfmatte Siedlung Muttimatte Ort: Suhr Ort: Brügg Grösse: 26 Eigentums- und 30 Miet- Grösse: 27 Wohnungen wohnungen Trägerschaft: Biwog (Gen.) Trägerschaft: Gen. LebenSuhr → age-stiftung.ch/muttimatte → age-stiftung.ch/zopfmatte-suhr U N Wohnen für Generationen Hausgemeinschaft Ort: Ormalingen Büel Grösse: 38 Wohnungen Ort: Gsteigwiler Trägerschaft: Gen. Ribi & Gen. Wohn- Grösse: 7 Wohnungen stadt Basel Trägerschaft: Familie Stucki → age-stiftung.ch/ribi → age-stiftung.ch/gsteigwiler V O Siedlung «Im Zelgli» HiBi 22 - gemeinschaftliches Ort: Madiswil Grösse: 22 Wohnungen + PWG Wohnen Trägerschaft: Gen. Im Zelgli, Wohnen im Ort: Bülach Alter Grösse: 11 Eigentumswohnungen Trägerschaft: Stockwerkeigentümerge- → age-stiftung.ch/imzelgli meinschaft «Hibi22» → age-stiftung.ch/hibi22 W Siedlung Husmatt P Ort: Steinen Grösse: 38 Mietwohnungen und 11 Eigen- Generationenhaus Masein tumswohnungen Ort: Masein Trägerschaft: Katharina und Karl von Grösse: 7 Wohnungen Rickenbach-Stiftung Trägerschaft: Gen. Generationenhaus → age-stiftung.ch/husmatt-steinen → age-stiftung.ch/masein X Q Generationenhaus Papillon Generationenhaus Neubad Ort: Basel Ort: Linden Grösse: 87 Pflegeplätze Grösse: 6 Wohnungen, 3 Pflegeplätze Trägerschaft: Oekumenischer Verein Trägerschaft: Familie Herren Generationenhaus Neubad → age-stiftung.ch/papillon-linden → age-stiftung.ch/neubad R Y Alterswohnungen Wohnen für Hilfe Untergesteig Vermittlungsangebot Ort: Nesslau Ort: Zürich Grösse: 13 Wohnungen Trägerschaft: Pro Senectute Kt. Zürich Trägerschaft: GAWU (Gen.) → age-stiftung.ch/wohnenfuerhilfe → age-stiftung.ch/untersteig Z S Benewohnen Novellas Generationenhaus Ort: St. Gallen Ort: Vilters Vermittlungsangebot Grösse: 7 Wohnungen (Pension), 33 Pfle- Trägerschaft: Stiftung Benevol geplätze → age-stiftung.ch/benewohnen Trägerschaft: Zeitsprung AG → age-stiftung.ch/novellas
PROJEKTBEISPIELE A – L A H Hunziker Areal WohnenPlus-Siedlung Ort: Zürich Bergli Grösse: 370 Wohnungen Ort: Bülach Trägerschaft: Gen. mehr als wohnen Grösse: 47 Wohnungen + PWG → age-stiftung.ch/hunzikerareal Trägerschaft: GAB & WSGZ (Gen.) → age-stiftung.ch/bergli-buelach B Wohn- und Gewerbehaus I Kalkbreite Mehrgenerationensiedlung Ort: Zürich Soligänter Grösse: 97 Wohnungen Ort: Bülach Trägerschaft: Gen. Kalkbreite Grösse: 39 Wohnungen + PWG → kalkbreite.net Trägerschaft: Gen. Gstückt → age-stiftung.ch/soligaenter C Zollhaus J Ort: Zürich Siedlung Sonnmatt Grösse: 56 Wohnungen (Bezug Ort: Willisau ca.2020/2021) Grösse: 71 Wohnungen Trägerschaft: Gen. Kalkbreite Trägerschaft: Gen. Sonnmatt Willisau → age-stiftung.ch/zollhaus → age-stiftung.ch/sonnmatt-willisau D K Generationenhaus Siedlung Brandstrasse/ Heizenholz Hausgemeinschaft 50plus Ort: Zürich Ort: Uster Grösse: 33 Wohnungen Grösse: 55 Wohnungen inkl. Hausgemein- Trägerschaft: Gen. Kraftwerk 1 schaft (19 Wohnungen) → age-stiftung.ch/heizenholz Trägerschaft: (Gen.) BZU, WSGU & Gewo Züri Ost (Hausgemeinschaft 50plus) → age-stiftung.ch/brandstrasse E Mehrgenerationenhaus L Giesserei Ort: Oberwinterthur Siedlung Ruggächern Grösse: 140 Wohnungen Ort: Zürich Trägerschaft: Gen. GESEWO Grösse: 282 Wohnungen → age-stiftung.ch/giesserei Trägerschaft: ABZ (Gen.) → age-stiftung.ch/ruggaechern F Haus StadtErle Ort: Basel A lle Förderprojekte werden mit einem A Grösse: 33 Wohnungen Bericht abgeschlossen. Die Projektbe- Trägerschaft: Gen. Zimmerfrei richte, Dokumentationen und Studien →age-stiftung.ch/stadterle finden Sie auf den angegebenen Web- seiten unter: G → Materialien zum Projekt GeWo Burgdorf Ort: Burgdorf Grösse: 94 Wohnungen Trägerschaft: Gebäudeversicherung Bern → age-stiftung.ch/gewo-burgdorf
Zum Inhalt dieses Age-Dossiers A Die Buchstaben bezeichnen Andreas Sidler, Age-Stiftung die jeweiligen Referenzpro- jekte, die auf der Umschlag- innenseite veremerkt und verlinkt sind. Bild: Giorgio von Arb A Das Symbol verweist auf die Projektberichte, die im Rah- men der Förderung publiziert wurden. Download über die verlinkte Projektseite (Um- schlaginnenseite). Kontakte zwischen den Generationen Fundament für eine intensivere Nachbar- unterschiedlichen Alters. Sie können sind gut und wichtig – sowohl für die schaftshilfe legen», schreibt z.B. Avenir sich in allen Wohnmodellen entwi- Gesellschaft als auch für den einzelnen Suisse in der Publikation «Generationen- ckeln, wo unterschiedliche Generatio- Menschen. Diese Aussage geniesst (un)gerechtigkeit überwinden». Die Gene- nen leben. Wir werden uns also nicht ungeteilte Zustimmung. Dabei sollen rationensolidarität in der Kernfamilie soll mit einem bestimmten Wohnmodell Generationenkontakte auf unterschied- also idealerweise auf die Nachbarschaft befassen, sondern mit den Grundlagen lichen Ebenen positive Wirkung ent- ausgeweitet werden. Auf sozialpolitischer und Faktoren, welche für die nachbar- falten. Ebene sind mit den geförderten Generati- schaftlichen Generationenbeziehungen onenbeziehungen also grosse Hoffnun- förderlich sind – in der Planung und im Wunsch nach Solidarität gen verbunden. Betrieb. Der Kontakt zwischen Alt und Jung soll gegenseitiges Verständnis fördern, die Ge- Nachbarschaft in der generationenge- Gemeinschaftliches Wohnen ist keine nerationensolidarität stärken und den so- mischten Siedlung zwingende Voraussetzung genannten Generationenvertrag festigen. Solche Erwartungen lenken den Blick auf Wird über «Generationenwohnen» ge- Die Annahme, dass die Bereitschaft und Projekte und Wohnmodelle, welche län- schrieben, sind damit oft generationen- die Möglichkeiten zur gegenseitigen Un- gerfristige Beziehungen zwischen Nach- gemischte, gemeinschaftliche Wohn- terstützung zwischen den Generationen barn in unterschiedlichen Lebensphasen formen gemeint. Beobachter stellen in naher Zukunft sinken, verleiht diesen fördern. Sie stehen auch im Zentrum die- fest, dass der Begriff «gemeinschaftli- Anliegen zusätzliche Dringlichkeit: Einer- ses Age-Dossiers. Ob starke intergenera- ches Wohnen» zunehmend durch «Ge- seits stellt die demografische Entwick- tionelle Nachbarschaftsnetzwerke die Er- nerationenwohnen» ersetzt wird, da lung die grundlegende Funktionsweise wartungen auf gesamtgesellschaftlicher insbesondere ältere Menschen weni- der Sozialwerke und Krankenversicherun- Ebene erfüllen, wird hier nicht eruiert. ger voreingenommen darauf reagieren gen infrage. Andererseits hält sich seit Stattdessen zeigt das Age-Dossier, wie würden. Das ist nachvollziehbar: Wäh- Längerem die These, dass der Ausbau des man gute Grundlagen für intergeneratio- rend sich die meisten Personen im Al- Wohlfahrtsstaats, die abnehmenden Ge- nelle Nachbarschaftsbeziehungen schafft ter eine gute und generationengemisch- burtenzahlen, die erhöhte Mobilität so- und was man im Wohnalltag von alters- te Nachbarschaft wünschen, kann sich wie die veränderten Berufsperspektiven durchmischten Nachbarschaften erwar- lediglich eine Minderheit vorstellen, (insbesondere von Frauen) die gegensei- ten kann bzw. was nicht. Obwohl Bezie- später in einer gemeinschaftlichen tige Unterstützung von Angehörigen hungen stets wechselseitig und selten Wohnform zu leben (→ Abb. S. 11). Das schwächten. Die Folge davon sei zuneh- gleichbedeutend sind, steht in diesem heisst aber auch, dass es wenig ziel- mende Hilflosigkeit und Einsamkeit bei Heft die Perspektive der älteren Men- führend ist, gemeinschaftliches Woh- betagten Menschen. schen im Vordergrund. Die Sicht der jün- nen als zwingende Voraussetzung für geren wird dennoch nicht ignoriert. gute Generationenbeziehungen beim Grosse Erwartungen Räumlich bewegen wir uns dabei inner- Wohnen zu definieren. Dennoch spie- Bisher sind Generationensolidarität und halb der Grenzen generationengemisch- len gemeinschaftlich orientierte Wohn- gegenseitige Unterstützungsbereitschaft ter Siedlungen. Der Fokus könnte auf projekte in diesem Heft eine wichtige innerhalb von Familiennetzwerken nach- Quartiere und Gemeinden ausgeweitet Rolle: Einerseits sind dort die Konzepte weislich stark geblieben. Die eigenen werden. Dort beginnt aber das Terrain der und die Grundlagen zur Etablierung Kinder oder die betagten Eltern werden Quartierentwicklung, welches für das vor- von Generationenkontakten meist sorg- noch immer unterstützt oder betreut – liegende Age-Dossier zu weitläufig ist. fältig ausgearbeitet. Andererseits fin- trotz zusätzlicher Belastung. Dennoch ha- det innerhalb solcher Wohnprojekte ben Generationenprojekte Hochkonjunk- Beziehungen sind kein Wohnmodell oft ein reflektierter Austausch dazu tur. Insbesondere Massnahmen, die auf Eine allgemein anerkannte Definition des statt, wie die verschiedenen Alters- Generationenkontakte ausserhalb des Fa- Begriffs «Generationenwohnen» gibt es gruppen im Haus zueinander stehen. milienverbandes fokussieren, werden ge- nicht, jedoch verschiedene Definitions- Bei diesem Fundus an Erkenntnis fra- fördert. Dabei erhofft man sich auch kon- vorschläge. Sie orientieren sich oft an den gen wir aber stets auch nach der Über- kreten Mehrwert durch zivilgesellschaft- Erwartungen, die an Generationenbezie- tragbarkeit ins Wohnumfeld einer «kon- liches Engagement: «Generationenpro- hungen im Wohnumfeld gestellt werden. ventionellen» generationengemischten jekte, die unterschiedliche Altersgruppen In diesem Heft findet sich kein solcher Siedlung. zusammenbringen, können Stigmatisie- Definitionsvorschlag, denn das Interesse _ rungen und Vorurteile abbauen und das gilt der Beziehung zwischen Nachbarn 4
Überblick und Grundlagen Überblick & Grundlagen Jung und Alt, wer schaut zu wem? Was sind «Generationen»? Erset z die F en Nachb amil arn ie? i e r e n ge- o n Funkti ngemisch- ne neratio ? te WGs Generationen- wohnen = Kinderhüten und Einkaufen? Helfen s ic Jung ge h Alt und genseiti en g? Generation ofür? mischen – w Auf Generationen- Solidarität in der Nachbarschaft bauen? 5
Warum es generationengemischte Nachbarschaften braucht Überblick & Grundlagen Für ältere Menschen gibt es immer mehr Wohnangebote, die spezi- ell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Gleichzeitig wünschen sich viele ein Wohnumfeld, wo sich die Generationen mischen. Wir fragten Generationenforscherin Pasqualina Perrig-Chiello nach den Ursprüngen dieser Sehnsucht. Das Interview führte Andreas Sidler Wie stark sind Generationenbeziehun- Mit der Nachbarschaft werden somit gen heute noch? notgedrungen andere Erwartungen ver- Innerhalb der Familie herrscht nachweis- bunden als mit der Familie. lich eine grosse Solidarität zwischen den Generationen. Das zeigt sich etwa in den Ergibt es denn aus gesellschaftlicher Prof. Pasqualina Perrig-Chiello kürzlich durchgeführten Studien des Sicht überhaupt einen Sinn, generatio- BAG über betreuende Angehörige. nengemischte Wohnprojekte zu för- dern? Die Generationenbindungen innerhalb Es ist für das soziale System gesund, von Familien sind also so stark wie eh wenn sich die Generationen und auch und je? andere soziale Gruppen mischen. Eine Prof. Dr. Pasqualina Perrig-Chiello ist Sie sind stark geblieben, die Zahl dieser verstärkte Segregation wäre unheilvoll. emeritierte Professorin der Universität Bindungen nimmt aber ab. Die Anzahl Unsere Forschung zeigt, dass die Gene- Bern und Präsidentin der Seniorenuniver- Familienmitglieder wird im Durchschnitt rationen ausserhalb der Familien immer sität Bern. Ihre Arbeitsschwerpunkte fo- kleiner und die Zahl von kinderlosen Per- weniger voneinander wissen. Und je we- kussieren Gesundheit und Wohlbefinden sonen steigt. Gesamtgesellschaftlich öff- niger man voneinander weiss, desto eher im mittleren und höheren Lebensalter net sich dadurch eine Lücke. entstehen Projektionsflächen für Ängste, sowie Generationenbeziehungen. Sie lei- für negative Stereotypen oder sogar für tete das Nationale Forschungsprogramm Können Nachbarinnen oder Mitbewoh- Feindbilder, dazu gehört z.B. das Bild 52 zu Generationenbeziehungen. ner in einer generationengemischten vom reichen Alten, der sich in den Sozial- Wohngemeinschaft oder Siedlung diese werken bedient. Kontakte zu jüngeren Zum Thema publizierte sie u.a.: Genera- Lücke bei den Generationenbeziehun- oder älteren Nachbarn können dem ent- tionenbericht Schweiz (2008); Die Baby- gen füllen? gegenwirken. Das ist umso wichtiger, boomer – Eine Generation revolutioniert Tatsächlich verändert sich der Familien- weil wir in einer Viergenerationengesell- das Alter (2009); Brüchiger Generatio- begriff derzeit: Auch Personen, die nicht schaft leben, aber keine Erfahrung damit nenkitt – Generationen im Umbau (2012); blutsverwandt sind, werden als Familie haben. Wie das geht, müssen wir zuerst Sozialbericht Schweiz, Fokus Generatio- bezeichnet, und die Leute bilden Bezie- gemeinsam lernen. nen (2013); Versöhnung der Generatio- hungssysteme, die wie eine Familie funk- nen (2017). tionieren. Dennoch lässt sich die familiale Kontakte mit anderen Generationen Generationenbeziehung nicht so leicht werden auch von älteren Personen ersetzen oder nachbilden. Sie formt sich selbst gewünscht. Welche Erwartungen aus einer biografisch verankerten emoti- knüpfen sie daran? onalen Basis heraus und ist eine Bindung, Verschiedene. Eine zentrale Rolle spielt der man selbst in einer konfliktbelasteten die Angst, im Alter ausgegrenzt und an Familie nicht so leicht entkommen kann. den Rand der Gesellschaft gedrängt zu In der Familie teilen die Generationen werden. «Altersghetto» ist ein oft gehör- zudem eine gemeinsame Identität. Die ter Begriff. Wer in einer dem Alter zuge- Nachbarschaft hat im Gegensatz dazu wiesenen Umgebung wohnt, fühlt sich eine sehr heterogene Struktur. Ich habe häufig stigmatisiert. Nicht zuletzt auch dort die Wahl und die Freiheit, mich zu- von gleichaltrigen Personen, die sich rückzuziehen oder sogar wegzuziehen. 6
Überblick & Grundlagen vom negativ besetzten Altersbild abgren- rungen in der Welt zu erhalten und Neu- klopft. Deshalb kommt Vereinen und In- zen möchten. es zu lernen. Man wünscht sich den teressengruppen in den Quartieren eine Austausch somit in beide Richtungen. grosse Bedeutung zu. Sie machen Poten- Der Wunsch nach einer altersgemisch- ziale und auch Bedürfnisse in der Nach- ten Umgebung entspringt also vor allem Wollen das die jüngeren Erwachsenen barschaft für andere sichtbar. Bekommen der Ablehnung von Alterssiedlungen auch? Vereine und Gruppen in der Nachbar- und Heimen? Sie wollen bestimmt nicht ungefragt be- schaft Raum für ihre Aktivitäten, ist das Nicht nur. Verlust und Tod sind Themen, lehrt werden. Sie sind in einer Le- hilfreich. mit denen man sich im Alter auseinan- bensphase, wo sie ihre eigene Identität dersetzen muss. In einem Umfeld, wo nur definieren müssen, und dafür müssen sie Während der Pandemie griffen viele alte Menschen leben, wird diese Ausein- eigene Massstäbe entwickeln. Im Gegen- Ältere oft lieber auf die Unterstützung andersetzung vielfach und ständig reflek- zug sind sie aber auch sehr offen und ha- durch Angehörige zurück als auf die tiert. Viele Menschen empfinden das als ben Freude am Experimentieren und Angebote der Nachbarn – auch in gut belastend. Die Auseinandersetzung mit Ausloten von Möglichkeiten. Das kann vernetzten Nachbarschaften. jüngeren Menschen und ihren Bedürfnis- man auch für Generationenkontakte nut- In unserer Gesellschaft wird Unterstüt- sen durchbricht dies. zen. Praktisches Wissen wird gerne an- zung und Hilfe als private und nicht ge- genommen, zum Beispiel beim Urban sellschaftliche Aufgabe angesehen. In Die Älteren möchten durch die Jungen Gardening, beim der Schweiz ist diese im Wohnumfeld dem Alter also ein Kochen oder «Quartiervereine und Interes- Haltung erstaunlich Stück weit entkommen. Handwerken. sengruppen machen Poten- stark verankert, auch Ein Stück weit. Sie haben ein vitales Inte- Aber ja, es gibt in den Köpfen der resse, in einer generationengemischten ein gewisses Un- ziale und auch Bedürfnisse in Menschen. Man er- Gemeinschaft zu leben, weil sie partizi- gleichgewicht, der Nachbarschaft für andere wartet, dass die Fa- pieren und zumeist auch gerne etwas und das Bedürfnis sichtbar.» milie in erster Instanz weitergeben möchten. Die Babyboomer nach Kontakten zu hilft. Diese Haltung werden oft als hedonistische Globetrot- anderen Generationen ist bei den älteren könnte sich aber bald abschwächen, ter beschrieben, dabei handelt es sich Menschen ausgeprägter. wenn neue Altersgenerationen allgemein um eine Generation, die Generativität für weniger auf die Unterstützung durch die sehr wichtig hält. Ist die generationengemischte Nach- Familie zurückgreifen können. Sei es, barschaft ein geeigneter Ort dafür? weil sie vermehrt keine Kinder haben, sei Was bedeutet Generativität? Es muss das entsprechende Klima in der es, weil die Familie weniger Mitglieder Generativität meint die gegenseitige Sor- Nachbarschaft da sein, damit die Gene- hat oder diese nicht abkömmlich sind. ge zwischen den Generationen. Für die rationen den Draht zueinander finden. Es Regulation ihres Wohlbefindens ist es für geht ja um mehr als nur um Fahrdienste Ältere Menschen, die in generationen- ältere Menschen wichtig, eine Aufgabe zum Arzt oder Einkaufen während der gemischte Siedlungen ziehen, werden zu haben, etwas weitergeben zu können Pandemie. Generationenbeziehungen somit zukünftig mehr nachbarschaftli- und gebraucht zu werden. Die Gesell- müssen immer ausgehandelt werden, che Unterstützung erwarten. schaft teilt dem Alter ja keine spezifi- und zwar explizit. Dafür braucht es einen Die Hoffnung auf gegenseitige Hilfe ist schen Aufgaben mehr zu. Das Interesse Anreiz und in der Regel auch jemanden, bestimmt eine starke Motivation. Selbst zum Kontakt mit jüngeren Menschen be- der die Fäden zusammenführt. Sonst wenn Nachbarschaft kein Familienersatz deutet auch, Information über Verände- warten alle darauf, dass der andere an- ist, kann sie Subsidiaritätsfunktionen 7
Überblick & Grundlagen übernehmen, auch was emotionale Be- die generationendurchmischte Nach- dürfnisse betrifft. Das Bedürfnis, enge barschaft den Alleinstehenden deshalb Beziehungen zu anderen Menschen zu besondere Aufmerksamkeit schenken? haben, dazuzugehören, ist ein ursprüng- Wie in jedem sozialen System ist es wich- liches. Insbesondere im hohen Alter ist es tig, Potenziale zu erkennen, zum Beispiel wichtig, dass solche Beziehungen im na- das der alleinstehenden Frauen im hohen hen Umfeld gepflegt werden können, da Alter. Aber das System muss das Potenzi- man weniger mobil ist und geringere al auch aufnehmen können und es darf Freiheitsgrade besitzt. In Zeiten, wo nicht einseitig geschehen. Dazu gehört, Freundschaften immer mehr zu Wahlver- dass man sich wahrgenommen fühlt, wandtschaften werden, braucht es Nach- dass jemand nach dem Befinden fragt. barschaftsstrukturen, in denen sich Be- Dann fühlt man sich getragen, und schon ziehungen entwickeln lassen. das ist ganz wichtig. Und schliesslich ist es immer auch eine Frage der Persönlich- Befragungen zeigen aber, dass ältere keit. Es gibt solche, die zufrieden sind, alleinstehende Menschen mehr Mühe wenn sie wissen, dass sie sich an der haben, Nachbarschaftskontakte zu Nachbarschaft beteiligen und Kontakte knüpfen. pflegen können, wenn sie das möchten. Ich glaube, dass man das differenzierter Andere wollen mehr machen und sollen anschauen muss. So sind alleinstehende das auch können. Frauen nicht einsam, nur weil sie allein- stehend sind. Gerade sie sind gut darin, Aber kann man mit dieser Erwartung in Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Sie eine neue Nachbarschaft einziehen? organisieren ihr Netzwerk meist gekonnt. Man kann hoffen, aber nicht erwarten. Alte Männer sind darin weniger routi- So kann man von niemandem erwarten, niert, weil sie anders sozialisiert sind und dass er sich stark für die Nachbarschaft bislang anders gelebt haben. Ich rechne engagiert oder sich auf engere Beziehun- mittelfristig auch damit, dass der von Ih- gen einlässt. Aber man soll die eigenen nen erwähnte Zusammenhang schwä- Wünsche und Bedürfnisse kommunizie- cher wird. Wir haben es bald mit einer ren können. Gerade in generationenge- neuen Generation alter Menschen zu tun, mischten Nachbarschaften sind unausge- die sich oft bewusst dafür entschieden sprochene Erwartungen Gift. Kennt man hat, kinderlos zu bleiben. Diese Leute die gegenseitigen Erwartungen, kann die sind geübt darin, ihr Leben ohne Kernfa- Beziehung ausgehandelt werden. milie zu organisieren. Die Personen, die _ jetzt im hohen Alter sind, haben das oft nicht so gewählt und sind auch weniger gewohnt, Kontakte aufzubauen. Aber auch das soziale Umfeld der gut Vernetzten schrumpft im Alter. Muss 8
Wohnmodelle für mehrere Generationen Überblick & Grundlagen Es gibt unterschiedliche Wohnformen, die Genera- tionenbeziehungen im Wohnumfeld ermöglichen. Sie lassen sich nicht klar voneinander abgrenzen. So ist dieser Überblick auch nicht als Ordnungssystem, sondern als Orientierungshilfe zu verstehen. Dieses Heft beschäftigt sich in erster Linie mit Siedlungen, die rierte Wohnzonen für verschiedene Lebensphasen bilden und einen konzeptionellen Fokus auf generationenübergreifende intergenerationelle Begegnungen in den dafür vorgesehenen Nachbarschaftsbeziehungen legen. In solchen Siedlungen kön- Bereichen stattfinden (→ S. 28) I , K , U . nen andere – hier aufgeführte – generationenübergreifende Wohnformen wie bspw. WGs oder Häuser für die nachfamiliäre Siedlungen für die nachfamiliäre Lebensphase (50-plus) Phase integriert sein. Deshalb sind einige Beispielprojekte Siedlungen für die zweite Lebenshälfte – oft als 50-plus-Sied- (Kennungen A – Z ) bei mehreren Wohnformen vermerkt. lung bezeichnet – werden meist nicht als Mehrgenerationen- siedlungen deklariert, obwohl die jüngsten Bewohner oft 30 bis 40 Jahre nach den ältesten geboren wurden M , T . Weil bei 1. GENERATIONENGEMISCHTE SIEDLUNGEN UND solchen Wohnkonzepten (informelle oder organisierte) Nach- GENERATIONENSIEDLUNGEN barschaftshilfe und Gemeinschaftsaktivitäten zur angestrebten Wohnkultur gehören, sind Generationenfragen bzw. die unter- Vergleicht man generationengemischte Siedlungen, zeigt sich, schiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Altersphasen den- dass Generationenbeziehungen konzeptionell unterschiedlich noch Themen, mit denen sich Trägerschaften und Hausgemein- stark berücksichtigt werden. Eine generationengemischte Sied- schaften auseinandersetzen müssen. Der Aufwand lohnt sich: lung kann auch ohne konzeptionellen Unterbau allein durch Nachbarschaftsbeziehungen zwischen Personen in der nachfa- die natürliche Fluktuation in der Bewohnerschaft entstehen. miliären Phase scheinen in den begutachteten Wohnprojekten Versteht oder bezeichnet sich eine Siedlung jedoch als «Gene- besonders gut zu funktionieren. rationensiedlung» oder wird der Begriff «Mehrgenerationen- wohnen» verwendet, dann sollte der Aspekt der Generationen- beziehungen in die Planung (→ S. 27 ff.), in die Vermietung 2. GENERATIONENGEMISCHTE HAUSGEMEINSCHAFTEN (→ S. 50 ff.) sowie in den Betrieb (→ S. 53 ff.) einfliessen. Der Kontakt zwischen den Generationen muss durch Konzepte Unter den gemeinschaftlichen Wohnformen geniessen Hausge- und Angebote entwickelt und gefördert werden. meinschaften die meiste Akzeptanz (→ Tabelle S. 11). Hier teilt man verschiedene Räume und Bereiche in der Siedlung bzw. im Generationensiedlungen verfügen über einen breiten Mix von Haus und gestaltet aktiv das Zusammenleben, wobei jede Par- Wohnungen, die auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Le- tei ihre eigene Wohnung bewohnt. Oft werden Hausgemein- bensphasen bzw. Lebenssituationen zugeschnitten sind. Es gibt schaften durch ihre Bewohnerschaft vollständig oder teilweise Siedlungen, wo die Wohnungen so angeordnet sind, dass sich selbstverwaltet E , K . Selbstinitiierte Hausgemeinschafts- die Generationen innerhalb der Häuser, Stockwerke bzw. Ge- projekte N gelten als aufwendig und zeitintensiv in der Pla- bäudeflügel mischen A , B , E , J . Andere Siedlungen ord- nung und Umsetzung. Auch bestehende Trägerschaften kann nen die Wohnungen so an, dass sich in den Siedlungen sepa- diese Wohnform herausfordern L . Das ist mitunter ein Grund, 9
Generationenkontakte im Wohnumfeld entstehen … … im gleichen Haushalt … im gleichen Haus … in der Siedlung … in der Institution (WG inkl. Cluster- wohnungen) … privat informell 7. Mehr- Kontakte zwischen generationen den Generationen im Familienhaus- 8. Intergenerationelle 6. d) Betreute Woh- Wohnumfeld finden Familienhausge- nungen (IV) in der Überblick & Grundlagen halt spontan und nicht meinschaft (Alters-) Siedlung organisiert statt. Grundsätzlich ist das A, E , G, I überall möglich, wo verschiedene Alters- gruppen wohnen. 3. Generationen- gemischte Wohngemein- 1. Generationengemischte Siedlungen schaften, inkl. Inkl. 50plus-Projekte … privat formalisiert Kontakte zwischen 50plus-Projekte A, B, G,H, I , J ,K, L , U den Generationen A, B, D M, T ,W finden innerhalb von C selbstorganisierten Strukturen statt. Dazu gehören regelmässige 2. Generationen- Treffen auf Basis ge- gemischte Haus- meinsamer Verpflich- gemeinschaft, tungen, Interessen inkl. 50plus- oder privater Verein- 4. Wohnraum Projekte / inkl. barungen. gegen Grosshaushalte Alltagsunter- D,E,F, … professionell stützung N,K, L ,O, B partizipativ (vermittelte Die Organisation von intergeneratio- Kontakten zwischen nelle den Generationen wird professionell Zweier-WGs) unterstützt durch Y, Z Wohnbauträger oder externe Organisatio- nen (bspw. Gemeinde). Öfter werden dafür Mandate an Fachper- 5. Intergenerationelle sonen vergeben. Wohnbegleitung … professionell P ,Q, R 6. a) Kita in der angeboten (Alters-) Siedlung 6. b) Kita im Kontakte zwischen den Altersheim H Generationen wer- den in der Regel durch S,X Dienstleister als Ange- bot organisiert. Die 6. c) Begegnungen finden Pflegewohngruppe stets professionell be- treut und moderiert in der Siedlung statt. Auch spontane H, I ,V Kontakte finden in be- treutem Rahmen statt. A Hunziker Areal, Zürich H WohnenPlus-Siedlung Bergli, O HiBi 22 - gemeinschaftliches U Wohnen für Generationen, B Wohn- und Gewerbehaus Bülach Wohnen, Bülach Ormalingen Kalkbreite, Zürich I Mehrgenerationensiedlung Soli- P Generationenhaus Masein, V Siedlung «Im Zelgli», Madiswil C Zollhaus, Zürich gänter, Bülach Masein W Husmatt, Steinen D Generationenhaus Heizenholz, J Siedlung Sonnmatt, Willisau Q Generationenhaus Papillon, X Generationenhaus Neubad, Basel Zürich K Siedlung Brandstrasse / Hausge- Linden Y Wohnen für Hilfe, Kanton Zürich E Mehrgenerationenhaus Giesserei, meinschaft 50plus, Uster R Alterswohnungen Untersteig, Z Benewohnen, St. Gallen Oberwinterthur L Siedlung Ruggächern, Zürich Nesslau F Haus StadtErle, Basel M Zopfmatte, Suhr S Novellas Generationenhaus, → Projektinfos im Umschlag G GeWo Burgdorf, Burgdorf N Hausgemeinschaft Büel, Vilters Gsteigwiler T Siedlung Muttimatte, Brügg 10
Einschätzung zukünftiger privater Wohnmöglichkeiten durch Personen im Alter 65+ (2018) Frage: «Welche Wohnmöglichkeiten könnten Sie sich in Zukunft für sich vorstellen. Ich meine, was käme für Sie da alles in Betracht (einmal abgesehen von den Kosten)? Wie könnten Sie wohnen?» zukünftige Wohnmöglichkeiten CH In einem Haus, in dem die Nachbarn eine gute Nachbarschaft pflegen. 67% In einem Haus mit verschiedenen Generationen. 54% Überblick & Grundlagen In einem Haus, in der man eine Ansprechperson hat, wenn man Hilfe 31% braucht (Alterswohnung). In einer kleineren Wohnung. 25% In einem Haus, in dem die Bewohner für das Haus verantwortlich sind 24% (Hausgemeinschaft). In einer ruhigeren Wohnung. 19% In einem Haus, in dem nur ältere Menschen leben. 12% In einer Wohnung, in der noch andere Leute leben (Wohngemeinschaft). 10% In einer grösseren Wohnung. 10% Quelle: Age Report IV Download unter age-report.ch weshalb Hausgemeinschaften noch immer eine Nische im 4. WOHNRAUM GEGEN ALLTAGSUNTERSTÜTZUNG Wohnungsmarkt darstellen. In früheren Zeiten besserten Witwen ihr Einkommen auf, indem Bei generationengemischten Hausgemeinschaften wird auf sie einzelne Zimmer in ihrem Haus an junge Personen in Ausbil- allen Ebenen von der Planung bis zum Betrieb die Beziehung dung oder an Handwerker vermieteten. Unter der Bezeichnung und der Kontakt zwischen den Generationen stets mitgedacht «Wohnen für Hilfe» erlebt die Untermiete in angepasster Form und reflektiert. Unabhängig davon, ob es sich konzeptionell derzeit eine Renaissance. Wer ungenutzten Wohnraum besitzt, um eine altersdurchmischte Hausgemeinschaft D , E han- kann diesen an junge Menschen vermieten. Dabei wird die Mie- delt, um eine Hausgemeinschaft für die nachfamiliäre Phase, te in Form von Unterstützungsleistungen erbracht, wobei die die ebenso mehrere Generationen umfasst K , O , N , oder Wohnfläche mit dem zeitlichen Aufwand für die Unterstüt- ob generell die Nachbarschaftsentwicklung im Fokus steht F : zungsleistungen aufgerechnet wird. Inspiriert von Projekten in Die Erfahrungen aus diesen Wohnprojekten sind auch für ge- Deutschland, richtete die Pro Senectute des Kantons Zürich nerationengemischte Wohnformen relevant, die weniger stark 2009 eine Vermittlungs- und Kontaktstelle «Wohnen für Hilfe» gemeinschaftlich ausgerichtet sind. ein Y . Unterdessen bestehen ähnliche Angebote in Bern, Ba- sel, Fribourg, Genf, Lugano und St. Gallen. Um eine faire Um- setzung zu gewährleisten, werden die WGs durch die Träger- 3. GENERATIONENGEMISCHTE WOHNGEMEINSCHAFTEN schaften eng begleitet und teilweise auch durch den Anschluss an die Zeitbörse unterstützt, wie bspw. im Projekt Benewohnen Gemeinschaftliche Wohnformen gewinnen an Akzeptanz, sind in St. Gallen Z (→ Lesetipp S. 12). Viele dieser intergeneratio- aber bei den über 65-Jährigen immer noch eine seltene Wohn- nellen Wohnpartnerschaften funktionieren gut. Das liegt nicht form. Das gilt insbesondere für gemeinschaftlich bewohnte zuletzt an der Sorgfalt, welche die Projektträgerschaften beim Gross- und Clusterwohnungen. Interessant ist die Beobach- Zusammenführen passender Wohnpartner walten lassen. Die tung, dass ältere WG-Interessierte einem Generationenmix grösste Herausforderung für dieses intergenerationelle Wohn- gegenüber aufgeschlossener zu sein scheinen als jüngere modell liegt darin, dass die Nachfrage bei jüngeren Menschen ( D → D S. 31). – vor allem bei Studierenden – deutlich höher ist als das Ange- bot an Wohnraum durch ältere Menschen. Ein weiteres Prob- Auch wenn Generationen-WGs eine Nische im Wohnungs- lem ist, dass die jungen Mitbewohner wieder ausziehen, sobald markt darstellen, so sind die Erfahrungen damit erhellend, die Ausbildungs- oder Beziehungssituation sich ändert. Einzug, wenn man sich für Generationenbeziehungen im Wohnumfeld Kennenlernen und Auszug als Kreislaufprozess kann für die äl- interessiert. Durch die Nähe der Generationen in der WG teren Wohnraumanbieterinnen und -anbieter zu anstrengend treten einerseits Chancen und Konflikte deutlich zutage. An- werden. dererseits wird das Miteinander durch die Bewohnerschaft reflektiert und bei Problemen nach konstruktiven Lösungen gesucht. Von diesem Know-how profitieren alle generationen- 5. INTERGENERATIONELLE WOHNBEGLEITUNG gemischt angelegten Wohnkonzepte, egal ob WG oder Sied- lung. Der Exkurs auf Seite 14 gibt Auskunft zu den besonderen Das etwas stereotype Bild von der älteren Generation, die Un- Herausforderungen für generationengemischte WGs A , B , terstützung braucht und der jungen Generation, die Unterstüt- D, E , F . zung leistet, begründet eine weitere Form des generationenge- mischten Wohnens, in welcher eine grosse Familienwohnung kleineren Wohnungen zugeordnet ist. Die Grundidee: Die jun- gen Bewohner der Familienwohnung bieten ihren älteren Nach- 11
LESETIPP ZUM THEMA «WOHNRAUM GEGEN ALLTAGSUNTERSTÜZUNG» Z BeneWohnen ist ein Angebot, in welchem das Konzept «Wohnraum gegen Alltagsunter- stützung» zusätzlich mit einer Zeitbörse ver- knüpft wurde. D.h., anstatt mit Miete werden Zimmer mit Zeit bezahlt. Die Überweisung der Zeit erfolgt über ein Zeit-Konto. Die logis- Überblick & Grundlagen gebende Person kann die Zeit, die sie für die Vermietung eines Zimmers bekommen hat, auch für Dienstleistungen von anderen Zeit- börsen-Teilnehmenden einsetzen. Dokumentation des Pilotprojekts: → age-stiftung.ch/benewohnen barn Unterstützung im Alltag. Das kann im Rahmen eines klei- oder ihnen Dienstleistungen anbieten kann, darf nur kommuni- nen Hauswartmandats der Trägerschaft erfolgen P , R . ziert werden, wenn dies tatsächlich und konkret so vereinbart wurde. Hier ist im Vermietungsprozess Zurückhaltung ange- Bekannt sind auch privatunternehmerische Formen, in denen bracht. eine Familie eigenständig Betreuungs- und teilweise auch Pfle- gedienstleistungen in den Alterswohnungen ihrer Liegenschaft d) Betreute Wohnungen in der Siedlung anbietet Q . In solchen Wohnmodellen ist die intergeneratio- Ein weiteres Kooperationsmodell ist die Integration von betreu- nelle Beziehung klar durch das Angebot definiert. Der Kontakt ten Wohnangeboten für (jüngere) Menschen mit Beeinträchti- zur jüngeren Generation und das damit vermittelte Normali- gung in eine (Alters-) Siedlung A , E , G , I . Die Kooperati- tätsprinzip ist implizit oder explizit Teil eines klar deklarierten on kann auch Dienstleistungen für die Wohnungen durch die Alterswohnangebots. Partnerorganisation beinhalten. So kommt es zu weiteren Ge- nerationenbegegnungen in der Nachbarschaft. 6. WOHNANGEBOTE MIT INSTITUTIONELLEN GENERATIO- NENKONTAKTEN 7. MEHRGENERATIONEN-FAMILIENHAUSHALT a) Kindertagesstätten in der Siedlung Dass ältere Menschen mit anderen Generationen gemeinsam Siedlungen mit altersgerechten Wohnungen, in denen Kinder- im selben Haushalt leben, ist in der der Schweiz eher die Aus- gärten oder -tagesstätten integriert werden, bieten spontane nahme. Das gilt auch innerhalb von Familien: Zwar ziehen älte- Begegnungen mit Kindern und mit deren Eltern H . Teilweise re Menschen oft in die Nähe ihrer Kinder – jedoch in eine eige- nutzen Bewohnerschaft und die Betreuungsorganisation be- ne Wohnung. Durch «Intimität auf Distanz» (Perrig-Chiello & stimmte Innen- und Aussenräume gemeinschaftlich V , so dass Höpflinger, 2009) wahren ältere Eltern und ihre erwachsenen auch gemeinsame Anlässe – bspw. ein Adventsingen oder ein Kinder gegenseitig ihre Unabhängigkeit. Ziehen sie zusammen, gegenseitiges Geschichten-Vorlesen – organisiert werden kön- ist der Grund oft ein erhöhter Betreuungsbedarf. So leben nen. bspw. von den 80- bis 84-jährigen Frauen 3.6 % mit einem Kind zusammen, von den über 90-jährigen sind es 8.4 %. Da Männer b) Kindertagesstätten im Alters- und Pflegeheim im hohen Alter deutlich öfters mit einer Ehefrau bzw. Lebens- Ähnliches wird auch in Alters- und Pflegeheimen umgesetzt. partnerin zusammenleben, sind die Anteile an Vätern, die mit Dort koordinieren zwei Institutionen mehr oder weniger regel- einem Kind zusammenleben, kleiner (Age Report IV, S. 187). mässig gemeinsame Treffen X , S . Zunehmen dürfte in den nächsten Jahren die Teilzeit-Famili- c) Dezentrale Pflegewohngruppen in der Siedlung en-WG bei pensionierten Immigranten, die einen Grossteil Interessante Kooperationen ergeben sich auch zwischen Wohn- ihres Erwerbs- und Familienlebens in der Schweiz verbracht bauträgerschaften und dezentralen Pflegewohngruppen (PWG) haben. Immerhin besitzen knapp 40% der eingewanderten älte- H , I . Letztere mieten bspw. das Erdgeschoss und bieten ren Mieterinnen und Mieter (65–79 Jahre) ohne Schweizer Pass dort Pflegeplätze an (→ S. 41 f.). Für die pflegebedürftigen Men- in ihrem Herkunftsland Wohneigentum (bei den eingebürger- schen bedeutet die räumliche Nähe zur Normalität des Sied- ten sind es 20 %) (Age Report IV, S. 210). Einige pendeln zwi- lungslebens Anteilnahme und Teilhabe. Sie erlauben den Kon- schen ihrem Wohneigentum in der alten Heimat und der takt zu anderen Generationen, wobei auch die passive beo- Schweiz, wo sie jährlich mehrere Wochen bei ihren Kindern bachtende Teilhabe als wichtig für die Lebensqualität gilt. Dass wohnen. eine PWG ältere Mieter bei späterem Pflegebedarf aufnehmen 12
LESETIPP Die Website und das Buch «Weiterbauen» zeigen, wie der Gestaltungsspielraum im Eigenheim genutzt werden kann, um die eigene Wohnzukunft zu gestalten. Es ste- hen Massnahmen im Vordergrund, die das Wohnen im Alter mit einer neuen Nutzung verbinden. Neu nutzen heisst hier bei- spielsweise, Haus und Garten so umzuge- stalten, dass anstelle einer, zwei Wohnun- Überblick & Grundlagen gen Platz finden, und sich eine davon gut zum Älterwerden eignet. Weitere Informationen und Bestellung: → weiterbauen.info 8. INTERGENERATIONELLE FAMILIENHAUSGEMEINSCHAFT EXKURS MEHRGENERATIONENHÄUSER IN DEUTSCHLAND Laut Mariette Beyeler, der Autorin des Buches «Weiterbauen» (→ Lesetipp), hat die klassische Einliegerwohnung im Einfa- Im deutschsprachigen Raum bezeichnet der Begriff Mehrgene- milienhaus erwachsener Kinder für ältere Menschen an Attrak- rationenhaus kein klar definiertes Wohn- oder Betriebsmodell. tivität eingebüsst, nicht zuletzt wegen ungenügender Rück- Unter Mehrgenerationenhäuser subsumiert man einerseits al- zugsmöglichkeiten. In ihrem Buch zeigt Mariette Beyeler ver- tersdurchmischte gemeinschaftliche Wohnmodelle. Andererseits schiedene Lösungen, wie Einfamilienhäuser und Eigentums- bezieht sich der Begriff vor allem in Deutschland seit dem ers- wohnungen so umgebaut und weiterentwickelt werden können, ten bundesweiten Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser dass sie als Generationenhaus ein gutes Zusammenleben för- (seit 2006 mit 2 Folgeprogrammen) vermehrt auf offene, quar- dern. Doch wie in anderen Hausgemeinschaften auch, sind an tiersorientierte Nachbarschaftstreffpunkte, wo familienorien- das Zusammenziehen bzw. ans Über- oder Nebeneinanderwoh- tierte Aktivitäten und Dienstleistungen für alle Altersgruppen nen von Familienangehörigen viele – teils unausgesprochene angeboten werden. Die Förderkriterien des Aktionsprogramms – Erwartungen geknüpft: Sei es bezüglich der Enkelbetreuung, wurden dabei als Definition für den Begriff Mehrgenerationen- der Bewirtschaftung der Liegenschaft oder der Integration in haus im Sinne offener Tagestreffpunkte im Quartier übernom- den Alltag der jüngeren Kernfamilie. Deshalb brauchen Fami- men. Diese Begriffszuschreibung hat in der Schweiz dagegen lienhausgemeinschaften eine sorgfältige Vorbereitung. Ansprü- nicht stattgefunden, wo Mehrgenerationenhäuser in erster Li- che, Wünsche, Erwartungen und Abgrenzungen müssen in nie mit Wohnprojekten assoziiert werden. offenen Gesprächen geklärt werden. Dazu gehören auch finan- zielle und rechtliche Fragen. Und schliesslich ist zu diskutieren, Um Verwirrung in Diskussionen und Recherchen zum Generati- wie man die Unterstützung bei einer späteren Hilfs- und Pflege- onenthema zu vermeiden, ist es sinnvoll, die Kriterien zu ken- bedürftigkeit gestalten würde. Findet die Familie zu einer ge- nen, die das erste Aktionsprogramm für die Förderung eines meinsamen Vision des Zusammenlebens, dann gilt für die Pla- Mehrgenerationenhauses voraussetzte. Dazu gehörte: ein An- nungsphase, «dass nichts für die eigene Familie gebaut wird, gebot zur Kinderbetreuung, ein offenes Café, die Vermittlung was nicht auch zum Wohnen mit familienfremden Bewohnern familiennaher und vor allem ehrenamtlich angebotener Dienst- geeignet wäre» (Beyeler 2010: 20). leistungen (bspw. Einkaufsservice für Senioren, Mittagstische, – Haushaltshilfe etc.). Mit dem Aktionsprogramm sollte also nicht nur die Begegnung zwischen Generationen gefördert werden, sondern auch das Angebot und die Koordination von kosten- günstigen – ehrenamtlichen wie professionellen – Unterstüt- zungsleistungen im Alltag. Entsprechend zählen die neu etab- lierten Quartierstrukturen zu den nachhaltig wirksamen Resultaten des Aktionsprogramms. Die Förderung umfasste bis 2019 eine jährliche Finanzierungs- beteiligung der Öffentlichen Hand mit 40 000 Euro, seit 2020 sind es 50 000 Euro pro Mehrgenerationenhaus. Das nächste Folgeprogramm beginnt 2021. Im April 2020 existierten in Deutschland rund 540 Mehrgenerationenhäuser. Weitere Informationen: → www.mehrgenerationenhaeuser.de
Herausforderungen für generationengemischte Wohngemeinschaften Überblick & Grundlagen Generationengemischte Wohngemein- Durch diese Tendenz generationenge- Prioritäten Konflikte zwischen den Gene- schaften stehen vor spezifischen Heraus- mischter WGs hin zur Verjüngung steigt rationen entzünden können. forderungen. Dazu gehören Bewohner- auch die Fluktuation in der Gruppe. Um fluktuationen: Für Menschen in unter- die Verjüngungstendenz und ihre Folgen Mit dem privaten Komfort gehen jedoch schiedlichen Lebensphasen haben Wohn- zu mildern, braucht es vor allem Zeit, um höhere Mietkosten einher. Das führt mit- situationen nicht den gleichen Zeithori- ältere Mitbewohner zu finden. Das heisst, unter in generationengemischten Cluster- zont. Wohnsituationen älterer Menschen die Gemeinschaft oder die Trägerschaft Gemeinschaften zu einem höheren Alters- sind in der Regel langfristig angelegt. Sie muss bereit sein, einen längeren Leer- durchschnitt als in «Grosswohnungs- besitzen ein über die Zeit gewachsenes stand in Kauf zu nehmen. Wer aus Kos- WGs». Die Reduktion von Wohnkosten ist Fundament aus materiellem Besitz, sozia- tengründen in eine WG gezogen ist, wird für viele junge Menschen ein Hauptgrund len Beziehungen und emotionaler Ver- dem nur wenig abgewinnen können. für den Einzug in eine Wohngemein- bundenheit zum Wohnumfeld. Ein Um- schaft. Die mit Blick auf den reduzierten zugsentscheid wird im Alter deshalb sel- Eine weitere Herausforderung sind die privaten Wohnraum erhöhten Kosten ei- ten kurzfristig gefällt. Er wird sorgfältig unterschiedlichen Erwartungen an das Le- ner Clusterwohnung spielen aber auch abgewogen in einem Prozess hin zu einer ben in der Wohngemeinschaft, die durch bei Menschen im Rentenalter eine wichti- längerfristig vorbereiteten und einschnei- die jeweilige Lebensphase und ihre All- ge Rolle. Der Entschluss, sich im Wohn- denden persönlichen Veränderung. Diese tagsroutinen geprägt sind. Die unter- raum einzuschränken, beruht auch in ist oft mit materieller Trennung und sozia- schiedlichen Prioritäten und Erwartungen dieser Altersgruppe nicht selten auf fi- lem Verlust verbunden. Für jüngere Perso- können in der Wohngemeinschaft zu zu- nanziellen Überlegungen. nen dagegen sind Wohnsituationen Ar- sätzlichem Klärungsbedarf führen. Die rangements, die sie kurzfristig wieder Dokumentationen zu generationenge- Ein weiterer sensibler Punkt in Cluster- ändern können. Entsprechend ist es einfa- mischten WG-Projekten belegen, dass äl- wohnungen scheinen die Anteilsverhält- cher, eine jüngere Person für eine WG zu tere Menschen ihr Leben dort als berei- nisse zwischen den Altersgruppen zu finden als eine ältere. Im Gegenzug muss chernde Lebenserfahrung betrachten. sein. Die Angst, dass man samt seinen al- bei jüngeren Mitbewohnenden auch mit Die erhöhten sozialen Anforderungen in tersspezifischen Bedürfnissen im engsten einer kürzeren Verweildauer gerechnet einem altersdurchmischten Haushalt kön- Wohnumfeld marginalisiert wird, spielt werden. In der Folge werden ältere Be- nen mittelfristig jedoch auch ermüden. dabei eine grosse Rolle ( D , → D S. 36). wohner, welche die WG verlassen, eher durch jüngere Neueintritte ersetzt. Dies Clusterwohnungen – für Generationen- Wie gut und wie langfristig sich generati- nicht zuletzt, um Leerstandskosten zu ver- mix von Vorteil onengemischtes Wohnen in WGs bzw. in meiden, für welche die Gruppenmitglieder In unterschiedlichen Lebensphasen wer- Clusterwohnungen umsetzen lässt, hängt gemeinsam aufkommen müssen. den unterschiedliche Anforderungen an wohl letztlich auch von Details ab wie der Haushaltsführung und Alltagsstruktur ge- Lage der Siedlung, der Positionierung und A Maria (58), WG-Bewohnerin, stellt. Deshalb haben Clusterwohnungen der Grösse der privaten Wohneinheiten Textauszug → A S. 74 f. im Vergleich zur klassischen Wohnge- sowie den Wohnkosten und den Vergabe- Jeder Wechsel bedeutet meinschaft in einer Grosswohnung insbe- regelungen. sondere für generationengemischtes Ge- – Diskussionen und nimmt uns meinschaftswohnen gewisse Vorteile. Die mental in Anspruch. Die reduzierten privaten Wohneinheiten, die Jungen sind super – aber sie mit gemeinschaftlich genutzten Wohn- bzw. Haushaltsflächen kombiniert wer- sind nach zwei oder drei den, verfügen in der Regel über eine Jahren wieder weg, wenn sie eigene Nasszelle, teils auch über eigene ihr Studium beendet haben Kleinküchen. Gepaart mit guter Schalliso- lierung bieten sie mehr privaten Rück- oder eine Familie gründen. zugsraum und schmälern Reibungsflächen dort, wo sich aufgrund unterschiedlicher 14
GENERATIONENGEMISCHTE SIEDLUNGEN MIT GEMEIN- SCHAFTLICHEN WOHNFORMEN F StadtErle, Basel A Hunziker Areal, Zürich Die StadtErle ist ein Wohnhaus der Genossenschaft Zimmerfrei Die Baugenossenschaft «mehr als wohnen» wurde 2007 von für ca. hundert Menschen im Basler Neubauquartier Erlenmatt rund 55 Wohnbauträgerinnen als Innovations- und Lernplatt- Ost. Es wurde von den Initiantinnen und Initianten als Konzept form für gemeinnützigen Wohnungsbau gegründet. Das Hun- Überblick & Grundlagen für eine sozial und altersmässig gemischte Hausgemeinschaft ziker Areal in Zürich-Nord ist ihr erstes Bauprojekt. Die 370 mit gemeinschaftlicher, nachhaltiger, selbstverwalteter und ge- Wohnungen decken eine breite Palette von Wohnformen und nügsamer Lebensweise entwickelt: So entstanden kleine Woh- Wohnungstypen ab mit einem Schwerpunkt bei 3½- bis 5½- nungen mit wenig Ressourcenverbrauch und ergänzt durch Ge- Zimmer-Wohnungen. 24 Wohnungen mit mind. 8 Zimmern – meinschaftsräume. Neben Wohnungen für Familien, Paare und darunter 15 Clusterwohnungen – dienen dem Zusammenleben Singles gibt es auch eine Clusterwohnung und eine Gross-WG. grösserer Wohngemeinschaften. Dort sollen auch Ältere woh- Die StadtErle ist hindernisfrei nach SIA 500 gebaut und hält nen, wobei die Nachfrage in diesem Alterssegment derzeit auch gewisse Empfehlungen der Planungsrichtlinien «Altersge- noch niedrig ist. Auch für Klientinnen und Klienten sozialer Ins- rechte Wohnbauten» ein. Spezielle Wohnungen fürs Alter gibt titutionen wurde Wohnraum geschaffen. Bei der Vermietung es nicht, doch die vielen Kleinwohnungen tragen zur Alters- ist soziale Durchmischung ein wichtiges Ziel. Der Anteil älterer durchmischung bei. Eine Dokumentation zeichnet die Entwick- Menschen ist mit 4 % derzeit niedriger als vorgesehen. Eine lung der generationendurchmischten Hausgemeinschaft und umfassende Studie gibt Auskunft über die Entwicklung der in- ihre Qualitäten detailliert nach (vgl. S. 54). novativen Siedlung und ihrer Wohnangebote. → age-stiftung.ch/stadterle → age-stiftung.ch/hunzikerareal B Wohn- und Gewerbesiedlung Kalkbreite, Zürich E Mehr-Generationen-Haus Giesserei, Winterhur Der Wohn- und Gewerbebau Kalkbreite liegt mitten in Zürich. Die Giesserei in Winterthur bietet mit 140 Wohnungen (+ 11 Jo- Hier wohnen rund 260 Menschen, 28 sind über 60 Jahre alt. 3 kerzimmer mit Bad) einen breiten Wohnungsmix mit grosszügi- davon wohnen in klassischen WGs unterschiedlicher Grösse. In gen Wohnungsgrundrissen (48 m² 1.5-Zi.-Wng. bis 374 m² 9-Zi.- den 3 Wohnclustern der Kalkbreite mit total 32 Wohneinheiten Wng.) und einen Schwerpunkt bei Familienwohnungen (mind. 4 (1 bis 1½ Zimmer) leben 25- bis 75-Jährige, darunter 13 Personen Zimmer). Hier wohnen 341 Personen, darunter sind 64 über 65 über 60. Die restlichen 12 Kalkbreitebewohnenden im Alter 60+ Jahre alt (Stand 2020). Zwei über 60-Jährige leben zusammen leben in 2½- bis 3-Zimmer-Wohnungen. 8 davon sind (fest oder in einer WG. Acht 48- bis 68-Jährige wohnen in einer Gross- nachträglich) dem sogenannten Grosshaushalt angeschlossen. WG. Die Studie zum Projekt zeigt, wie sich die Erwartungen Dieser besteht aus 20 Wohnungen mit 1 bis 9½ Zimmern und der Bewohnerschaft vor und nach dem Einzug verändert haben. wird von rund 50 Personen gemeinsam geführt. Sein Herzstück → age-stiftung.ch/giesserei bilden der Ess- und Aufenthaltsraum als Treffpunkt sowie die gemeinsame professionelle Küche mit angestelltem Kochperso- nal. Zum Grosshaushalt gehörten im Juli 2018 Familien, junge D Heizenholz, Zürich kinderlose Singles und Paare, Menschen im Alter um die 50, Das Mehrgenerationenhaus der Genossenschaft Kraftwerk1 in ebenso Pensionierte sowie Personen mit Beeinträchtigungen. Zürich Höngg wurde 2012 bezogen. Die Bewohnerinnen und → kalkbreite.net Bewohner organisieren ihr Zusammenleben selber und pflegen die grosszügig angelegten Gemeinschaftsbereiche durch Be- triebsgruppen. Finanziert werden die Gemeinschaftsräume C Das Zollhaus, Zürich über die Wohnungsmieten. Besonders wichtig für spontane Be- Das Zollhaus, die zweite Siedlung der Genossenschaft Kalk- gegnungen ist die vorgelagerte Gemeinschaftsterrasse. Im breite, entsteht unmittelbar beim Zürcher Hauptbahnhof. In der Haus leben rund 100 Personen in 26 Wohnungen. Dazu gehören Vermietung wurden Menschen über 60, die sich für das Woh- 2 konventionelle WGs und 2 Cluster-Grosswohnungen. Dort nen in einer WG interessierten, begleitet und speziell berück- sind mit Teeküche und Sanitärzelle ausgestattete Zimmer um sichtigt. 3 von 50 Wohnungen wurden in der Folge an WGs grosse Gemeinschaftsflächen mit Küche, Bad und Wohnräu- «Gemeinschaftliches Wohnen im Alter» vergeben. Beim Erstbe- men gruppiert. Im Haus sind alle Altersgruppen vertreten. In zug des Zollhauses sind Personen über 65 noch untervertreten. die Clusterwohnungen sind zu Beginn nur wenige über 55-Jäh- → age-stiftung.ch/zollhaus rige eingezogen, doch tendeziell ist der Altersdurchschnitt in den letzten Jahren gestiegen. → age-stiftung.ch/heizenholz 15
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