Akteure und Widerstände bei der Entwicklung der Pille

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Ludwig-Maximilians-Universität München
                                 Historisches Seminar
                  Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik

Proseminar: Technik und Medizin
Wintersemester 2007/08
Leitung: Dr. Martina Blum

                  Akteure und Widerstände
                    bei der Entwicklung
                          der Pille
                                          von

                                   Georg Rehberger

Magister Artium: Geschichte der Naturwissenschaften und der
Technik / Medizingeschichte / Neuere und Neueste Geschichte
2. Fachsemester

Adresse: Waldstraße 25, 81825 München
Telefon: 01577 / 252 35 13
Elektronische Post: g.rehberger@gmx.net
Inhaltsverzeichnis

Vorwort ............................................................................................. 3

1. Akteure bei der Entwicklung der Pille...................................5

2. Widerstände bei der Entwicklung der Pille ..........................7

       2.1. Tabus in Gesellschaft und Politik................................... 8

       2.2 Illegale Forschung........................................................... 11

       2.3 Suche nach Geldgebern.................................................. 12

       2.4 Grenzen in Wissenschaft und Technik.......................... 13

Zusammenfassung......................................................................... 16

Literaturverzeichnis.......................................................................18
Vorwort

Wenn man sich Literatur zum Thema „Verhütung und Reproduktion“
ansieht, so findet man das Wort Pille nie in Anführungszeichen gesetzt.
„Die Pille“ ist ein fester Ausdruck unserer Sprache, die kleine, bunte Pille
zur Verhütung - ein fester Teil unseres Alltags. Dennoch muss jeder
Gegenstand, der jetzt Teil unserer Kultur ist, einmal neu gewesen sein.
Neues muss sich durchsetzen: sein Platz in der Gesellschaft muss
gefestigt werden - durch Überwindung vieler Hindernisse.

Ich möchte im Folgenden zeigen wer die Hauptakteure bei der
Entwicklung der Antibabypille waren, von 1951 bis zur Markteinführung
von Enovid® in den Vereinigten Staaten 1960. Wer ist direkt dafür
verantwortlich, dass wir heute eine Verhütungsmethode dieser Form
haben? Welche Hindernisse fanden die Entwickler der Pille vor und wie
gingen sie damit um?
Hinweise zur Beantwortung dieser Fragen finden sich zum Beispiel in
Adele E. Clarkes Monographie „Disciplining Reproduction“ 1 von 1998, in
der sie sich mit der Geschichte der Reproduktionsforschung in den
Vereinigten Staaten von 1910 bis 1963 beschäftigt. Sie zeigt
Zusammenspiel und Gründe für die Zusammenarbeit verschiedener
„sozialer Welten“ auf, die zur Erschaffung der Reproductive Sciences
führten.

Dabei behandelt sie Entwicklungen in der Biologie, der Medizin und den
Landwirtschaftswissenschaften („agricultural sciences“) sowie in den drei
großen sozialen Bewegungen der Zeit: Geburtenkontrollbewegung, Neo-
Malthusianer und Eugeniker. Die drei Wissenschaften waren laut Clarke
zusammen mit den drei Bewegungen der Nährboden für die Entstehung
einer Reproduktionswissenschaft. Clarke untersucht das Wachstum der
neuen Wissenschaft, ihre Finanzierung und Legitimierung, moralisch wie
rechtlich. Damit stellt „Disciplining Reproduction“ eine geeignete Quelle
dar für Untersuchungen zur Organisation der Pillenforschung, die selbst
auf dem Feld der Reproduktionsforschung stattfand.

Clarke arbeitet mit einer Vielzahl an Quellenarten: Monographien, Artikeln,
Autobiographien, Archivmaterial und selbst durchgeführte Interviews. Die
Autorin kommt aus einem Umfeld der feministischen Bewegung und stellt
die Behauptung auf, die Pille sei von Männern für Frauen und nicht mit
ihnen gemeinsam entwickelt worden.

1Adele E. Clarke: Disciplining Reproduction. Modernity, American Life Sciences, and the
Problems of Sex. Berkeley 1998.

                                                                                   3
Ähnlich sieht das auch Nelly Oudshoorn in ihrer Monographie „Beyond the
Natural Body“ 2 von 1994. Sie vertritt die These, dass die Entwickler der
Pille Frauen als „guinea pigs“ benutzt hätten, als Laborratten, um ihre
Erfindung zu testen. Vor allem die Tests in Puerto Rico an schwarzen
Frauen zeige den „amerikanischen Kulturimperialismus“, in dem die Pille
entstanden sei. Oudshoorn behandelt die Geschichte der Sexualhormone,
von ihrer Geburt über ihre Bearbeitung im Labor bis hin zur Vermarktung.
Daran schliesst sie ein Kapitel über die Verwendung der Sexualhormone
bei der Entwicklung der Pille an.
Ihren Schwerpunkt legt sie geographisch auf Holland und Europa,
thematisch auf die Funktionsweise von Wissenschaft, die Beziehung
zwischen Geschlechterrollen, dem Körperbegriff und der Wissenschaft.
Sie folgert, dass es keinen „natürlichen“ Körper gebe, der von der
Wissenschaft entdeckt werde. Vielmehr werde nach wissenschaftlichen
Untersuchungen eine „Natürlichkeit“ hergestellt. Die Pille selbst sieht
Oudshoorn als gelungene medizinische Innovation. In „Beyond the Natural
Body“ bekommt man durch Oudshoorns sozial-konstruktivistischen Ansatz
einen Eindruck, auf welche Weise die Wissenschaftler bei der Entwicklung
der Pille mit verschiedenen anderen Gruppen interagierten, wie die
Forschung organisiert war und wie die Forscher mit den Hindernissen auf
dem Weg zur Pille umgingen.

Informationen zu der sozialen Bewegung der Geburtenkontrolle und der
Geschichte der Familienplanung im 20. Jahrhundert finden sich nicht bei
Oudshoorn, dafür aber bei Angus McLaren. Er schreibt in „A History of the
Contraceptive“3 von 1990 von der Entwicklung verhütender Methoden und
Gegenstände. Im siebten Kapitel, „The Triumph of Family Planning“
beschäftigt er sich auch mit der Entwicklung der Pille. Vor allem konstatiert
er einen Wechsel des Familientypus im 20. Jahrhundert, beschreibt
detailgenau die Bewegungen für Geburtenkontrolle Anfang bis Mitte des
Jahrhunderts an Margaret Sanger in den Vereinigten Staaten und Marie
Stopes in Großbritannien. Diese beiden Frauen seien zwei der
„Hauptarchitektinnen und Verteidigerinnen der modernen
Heterosexualität“. Für die Beantwortung meiner Fragen ist vor allem
Margaret Sanger interessant. Zudem gibt McLaren einen Überblick über
die Situation der Frau und der Familie in den 1950er Jahren, der Zeit, in
der die Pille entwickelt wurde.

2Nelly Oudshoorn: Beyond the Natural Body. An Archaeology of Sex Hormones. London
und New York 1994.
3   Angus McLaren: A History of the Contraceptive. Cambridge 1990.

                                                                              4
Die meisten Informationen zu meinem Thema habe ich bei der britischen
Historikerin Lara Marks gefunden. „Sexual Chemistry“4 ist nicht nur die
aktuellste Monographie meiner Auswahl (Erstausgabe 2001), sie ist auch
die umfassendste. Marks schöpft wie Clarke aus einer Vielzahl an
Quellen: selbst durchgeführte Interviews, Material verschiedenster
Archive, Artikel aus Fachzeitschriften und Sammelbänden und einer
immensen Auswahl an Monographien. Detailgenau und umfassend
untersucht sie die Geschichte der Pille, bewertet andere Literatur zum
Thema, setzt sich mit den gängigen Thesen kritisch auseinander und
bietet so eine Fülle an Informationen zur Pille und ihrer verschiedenen
Aspekte.

Marks untersucht den Hauptort der Entwicklung der Pille, die Vereinigten
Staaten, aber zeigt immer wieder internationale Bezüge auf und behauptet
entgegen anderer Thesen, die Pille sei in einem komplexen
internationalen und sozialen Kontext entstanden. Die Entwicklung der Pille
können nicht einem Land allein zugeschrieben werden. Marks stellt fest,
dass die Pille kein purer Triumph der Wissenschaft sei, ebenso wenig wie
sie den Frauen von männlichen Entwicklern aufoktroyiert worden sei.

Marks nennt von allen vier von mir herangezogenen Quellen die meisten
Personen und Detailinformationen zur Entwicklung der Pille. Viele der
Akteure, die sie beschreibt, werden von anderen Autoren nicht erwähnt.
Ich habe mich entschlossen, im Rahmen meiner Arbeit die vier Personen
darzustellen, die in allen Texten charakterisiert werden und auf vier
Widerstände einzugehen, die diesen Geburtshelfern der Pille ihre Aufgabe
erschwerten.

         1. Akteure bei der Entwicklung der Pille

Als die Frau, die den Anstoß zur Entwicklung der Pille gab und als
unermüdliche Kämpferin für Durchführung wird Margaret Higgins Sanger
(1879-1966) genannt, Gründerin des Birth Control Movements in den
Vereinigten Staaten,5 mehrerer Geburtskliniken und Zeitschriften sowie
einer internationalen Familienplanungsorganisation.6

4Lara V. Marks: Sexual Chemistry. A History of the Contraceptive Pill. New Haven und
London 2001.
5   Marks: Sexual Chemistry, S. 13.
6   Marks, S. 52.

                                                                                   5
Sie selbst aber konnte die Pille nicht entwickeln, dazu bedurfte es zweier
Forscher, eines Biologen und eines Arztes. Gregory Goodwin Pincus
(1903-1967) wird übereinstimmend als eine der wichtigsten Personen,
wenn nicht sogar als der Hauptakteur bei der Entwicklung der Pille
gesehen.7 Der Sohn jüdischer Einwanderer promovierte in Harvard und
war bald ein Experte auf dem Gebiet der Reproduktion. 1951 traf er mit
Sanger zusammen und begann mit der Erforschung eines oralen
Kontrazeptivums an der von ihm mitbegründeten Worcester Foundation
for Experimental Biology in Worcester, Massachusetts.8
Mit Pincus seit den 1930er Jahren gut bekannt war Dr. John Rock
(1890-1984), seines Zeichens Gynäkologe, ebenfalls Harvard-Abgänger
und ebenfalls bewandert in Biologie.9 Er führte die ersten klinischen Tests
der Pille durch. Rock wird in meiner Literaturauswahl stets zusammen mit
Pincus genannt. John Rock war gläubiger Katholik und setzte sich stark
mit seinem Glauben auseinander.10 Nicht zuletzt deswegen stellt er eine
wichtige Persönlichkeit bei der Entwicklung der Pille dar.

Alle Forschung muss bezahlt werden. Dafür zeichnete sich im Fall der
Pille Katherine Dexter McCormick (1875-1967) verantwortlich. Die Witwe
des Großindustriellen Stanley McCormick war eine der ersten Frauen, die
an einer Universität in den Vereinigten Staaten graduierten. Sie
beschäftigte sich mit dem Frauenwahlrecht und wurde Vizepräsidentin der
National Woman‘s Suffrage Association, einer Organisation, die 1919 dazu
beitrug, das Frauenwahlrecht in den Vereinigten Staaten durchzusetzen.
Katherine McCormick war fasziniert von Margaret Sanger und
interessierte sich durch sie ebenfalls für Geburtenkontrolle, stattete das
Forscherteam um Pincus mit genügend Geld aus und verfolgte mit
Interesse und Fachwissen die Entstehung der Pille.11

Trotz ihrer Schlüsselfunktion als Geldgeberin des Projektes wird
McCormick nur bei Marks ausführlich behandelt. Andere Autoren gehen
nicht weiter auf sie ein. Auch das Forscherteam um Pincus an der
Worcester Foundation werden selten näher beschrieben. Andere
Forscher, die durch ihre Entwicklungen teilhatten am Entstehungsprozess
der Pille finden in meiner Literaturauswahl noch weniger Erwähnung.

7   Oudshoorn: Beyond the Natural Body, S. 119. Außerdem siehe Marks, S. 34f.
8   Marks, S. 54.
9   Marks, S. 93.
10   McLaren: A History of the Contraceptive, S. 240. Dazu auch Marks, S. 10f.
11   Marks, S.53f.

                                                                                 6
Margaret Sanger, Katherine McComick, Gegory Pincus und John Rock
trugen maßgeblich zur Entstehung der Pille bei. Dabei trafen sie auf eine
Reihe an Schwierigkeiten und Gefahren. Anhand von vier Widerständen
möchte ich im Folgenden eine genauere Darstellung dieser vier
Hauptakteure geben und ihren Umgang mit den jeweiligen Widerständen
nachzeichnen.

     2. Widerstände bei der Entwicklung der Pille

Adele Clarke setzt sich vor allem mit der Legitimität der
Reproduktionsforschung auseinander. Darunter fällt bei ihr erstens die
moralische Ächtung bei Auseinandersetzung mit einem „heiligen“ Thema
und der daraus resultierende öffentliche und politische Druck.12 Legitimität
bedeutet auch Legalität und damit die Umsetzung der Moral in Gesetze.
Die Finanzierung fragwürdiger Projekte und Wissenschaften illegitimen
Rufes stellt die zweite große Hürde dar, auf die Clarke genauer eingeht.13

Auf die politischen und moralischen Tabus der Sexualität im Allgemeinen
und Geburtenkontrolle im Speziellen geht auch Nelly Oudshoorn ein. Die
Illegalität der Verhütungsforschung stellt sie ebenfalls nicht sehr
umfassend dar.14        Oudshoorn erwähnt das Problem der
                   15
Forschungsgelder. Hauptsächlich geht sie aber auf die Probleme der
Wissenschaft und Technik ein: etwa wie die Forscher Zugang zu
Testpräparaten bekamen und die komplexen Tests durchführten.16

Angus McLaren behandelt nicht explizit die Forschungen zur Pille,
sondern bezieht sich bei der Beschreibung von Widerständen eher auf die
1920er bis 1940er Jahre. Auch er erwähnt die rechtliche Lage auf dem
Feld der Geburtenkontrolle und Familienplanung und der damit
verbundenen Frage nach Verhütung.17 Bei ihm fehlen jedoch
Ausführungen zum Stand der Wissenschaft in dieser Zeit und ihre Hürden.

Lara Marks liefert dafür desto mehr Details. Sie geht sowohl auf die
Auswirkung der Politik auf die Forschung an der Pille ein, wie auch auf

12   Adele E. Clarke: Disciplining Reproduction, S. 271.
13   Clarke, S. 117. Siehe auch S. 257.
14   Oudshoorn, S. 114.
15   Ibid., S. 117.
16   Ibid., S. 118. Außerdem siehe S. 121f.
17   McLaren, S. 235.

                                                                        7
den weitreichenden Einfluss der katholischen Lobby in den Vereinigten
Staaten. Die gesetzlichen Hürden in den Vereinigten Staaten allgemein
und speziell den Zustand am Ort der Forschung selbst beschreibt Marks
ebenfalls als großes Hindernis.18 Die Problematik der Finanzierung wird
eingehend besprochen, sowohl hinsichtlich der Industriegelder19 als auch
der privaten Spender.20 Auch auf die wissenschaftlichen Hürden auf dem
Weg zu einer verhütenden Pille geht Marks sehr genau ein.21

Die vier Hauptwiderstände bei der Entwicklung der Pille habe ich in den
folgenden Punkten zusammengefasst.

                        2.1. Tabus in Gesellschaft und Politik

Zur Zeit der Entwicklung der Pille, in den Vereinigten Staaten der 1950er
Jahre, galt Sexualität allgemein und Geburtenkontrolle im speziellen als
striktes Tabu.22 Seit Wissenschaftler zu Beginn des 20. Jahrhunderts
angefangen hatten, Forschung zu Reproduktion und Verhütung
durchzuführen, war ihnen wenig Begeisterung entgegengekommen. Bei
diesen Themen handelte es sich um „heilige Themen“ - das hatte sich bis
in die 50er Jahre wenig geändert.23 Die Kenntnis um praktische
Anwendung von Verhütung drang nicht durch. Ärzte hielten die Moral hoch
aber nicht viel von Geburtenkontrolle.24

Die katholische Lobby in den Vereinigten Staaten verfügte über großen
Einfluss und übte Druck auf nationale wie internationale Politik aus.25
1965, fünf Jahre nach Markteinführung der Pille, sollte Margaret Sanger
für ihr Lebenswerk die Presidential Medal of Freedom verliehen werden -
doch dazu kam es nie. Präsident Johnson wollte die katholischen
Einflussnehmer nicht verärgern und sagte die Verleihung wegen „certain
difficulties“ ab.26

18   Marks, S. 32f.
19   Ibid., S. 35f.
20   Ibid., S. 51.
21   Ibid. S. 60.
22   Oudshoorn, S. 114.
23   Clarke, S. 271.
24   McLaren, S. 237.
25   Marks, S. 32.
26   Clarke, S. 256.

                                                                     8
Während der Forschung zur Entwicklung der Pille in den 50er Jahren
erlebte zudem in den Vereinigten Staaten die McCarthy-Ära ihre Blüte: alle
„suspekten“ und moralisch fragwürdigen Themen wurden zunehmend
tabuisiert.27
Die Frau, die die Pille auf den Weg brachte, schienen moralische Fesseln
wenig zu interessieren. Den Großteil ihres Lebens hatte Margaret Sanger
im unermüdlichen Kampf gegen die Obrigkeit verbracht. Sie ließ sich nicht
davon abhalten, ihr Birth Control Movement anzuführen, Kliniken für
Geburtshilfe zu gründen und sich offen gegen die katholische Doktrin zur
Verhütung aufzulehnen.28 Sangers Ziel war es, die Familie und die
Weltordnung zu stabilisieren, indem Frauen mehr Kontrolle über sich
selbst bekommen sollten.29 1951, als Sanger mit Gregory Pincus
zusammentraf, war sie stolze 72 Jahre alt. Dennoch hatte sie genügend
Energie, ihn zur Entwicklung ein oralen Verhütungsmittels zu bewegen.30
Pincus hatte bereits in den 1930er Jahren erfahren müssen, was
Forschung zu einem tabuisierten Thema auslösen kann. Seine
Erschaffung von „vaterlosen Hasen“ hatte einen Aufruhr in der
Öffentlichkeit ausgelöst und ihm letztendlich die Anstellung in Harvard
unmöglich gemacht.31 Pincus war sich der Problematik seiner Forschung
voll bewusst und desto besorgter um sein Wohlergehen.32

Durch sein enormes organisatorisches Talent schafft er es, sich auf
diesem schwierigen Gebiet zu bewegen und trotz der Restriktionen die
Pille auf den Weg zu bringen.33 Sicherlich kam ihm dabei auch seine
Position an der Worcester Foundation zu Gute: Hier unterlag er nicht der
gleichen Aufsicht wie in einer Universität oder in öffentlichen
Einrichtungen.34

Noch unabhängiger war Katherine McCormick. Nicht nur ihr enormes
Vermögen zeichnete sie aus: wie Sanger war auch McCormick eine
energiegeladene und selbstbewusste Frau. 1919 hatte sie das Wahlrecht
der Frauen in den Vereinigten Staaten mit erkämpft. Als Schlüssel zur

27   Marks, S. 33.
28   Ibid., S. 52.
29   McLaren, S. 240.
30   Marks, S. 52f.
31   Clarke, S. 250. Siehe auch Marks, S. 54f.
32   Marks, S. 34f.
33   Oudshoorn, S. 116.
34   Marks, S. 54f.

                                                                      9
weiteren Stärkung der Position der Frau sah sie die Verhütungs-
forschung.35 Als sie mit Pincus zusammentraf, war sie bereits 78 Jahre alt.
Von ihrem einnehmenden Wesen hatte sie scheinbar nichts eingebüßt -
Pincus erinnerte sich an sie: „Little old woman she was not. She was a
grenadier.“36

John Rock bekleidete in diesem Quartett eine konservativere Position. Der
gläubige Katholik setzte sich aktiv mit seiner Kirche auseinander und
durchlief eine Verwandlung:37 Zu Anfang noch gegen Verhütungsmittel
eingestellt, änderte er wie viele Zeitgenossen in den 50er Jahren
angesichts drohender Überbevölkerung seine Meinung. Als Experte für
Unfruchtbarkeit und Frauenheilkunde widerlegte er die Behauptungen der
Kirche, die Pille verursache permanente Sterilität. Er argumentierte mit
den Worten der Kirche und zeigte, dass die Pille ein natürliches
Verhütungsmittel sei. Die Pille bewirke nichts anderes als die vom Papst
abgesegnete Rhythmusmethode zu verstärken. Auch werde die Integrität
des sexuellen Aktes nicht gestört, wie es die Kirche verlange. Mit dieser
Argumentation überzeugte er viele seiner Glaubensgenossen von dem
neuen Verhütungsmittel - ganz zum Missfallen der oberen
Kirchenverwaltung. Trotzdem brachte er all dies erst 1960 vor, ein paar
Wochen vor der Markteinführung der Pille in den Vereinigten Staaten.38

Rock war von Natur aus sehr vorsichtig und übereilten Schlüssen
abgeneigt.39 Zu Beginn der ersten großen Feldversuche der Pille, als die
Forschung aus dem Labor ins offene Gelände wechselte, nahm er gerade
in Harvard seinen Abschied und verließ so sein schützendes Umfeld.40
Das verstärkte noch seine vorsichtige Art. Rock war jedoch wie viele
seiner Zeitgenossen davon überzeugt, dass die Wissenschaft für die
drohende Bevölkerungskatastrophe verantwortlich sei und daher eine
Lösung zu finden habe.41 Die Pille war für ihn „die wichtigste Waffe gegen
Krieg und Hunger“.42

35   Marks, S. 53.
36   P. Vaughan: The Pill on Trial. Hamondsworth 1972, S. 26. Zitiert nach Marks, S. 56.
37   Marks, S. 10f.
38   Ibid., S. 221.
39   Oudshoorn, S. 124.
40   Marks, S. 98.
41   Ibid., S. 15.
42   Ibid., S. 12.

                                                                                      10
2.2 Illegale Forschung

Nicht nur übte die Öffentlichkeit Druck aus, auch die Gesetzeslage war
alles andere als fördernd für die Verhütungsforschung. Die in den
Vereinigten Staaten 1873 in Kraft getretenen und erst 1972 abgeschafften
Comstock Laws verboten die Verbreitung „obszöner Schriften“. Dazu
zählte man auch Geburtenkontrolle und sexuelle Aufklärung. Am Ort der
Entwicklung der Pille, im Bundesstaat Massachusetts, galten harte Strafen
bei Verhütung oder gar Forschung zu diesem Thema: bis zu fünf Jahre
Gefängnis, zweieinhalb Jahre Zuchthaus und eine Geldstrafe von 1000
US-$ erwarteten allzu eifrige Forscher.43

Bereits vor dem ersten Weltkrieg hatte Margaret Sanger mit Hungerstreiks
gegen diese Zustände und mit Gefängnisstrafen wegen unzüchtigen
Verhaltens landesweit Aufmerksamkeit erregt.44          Während ihrer
unermüdlichen Kampagne für legale Verhütung über ein halbes
Jahrhundert45 kamen ihr andere mutige Frauen zu Hilfe. Für Sangers
Geburtskliniken in den Vereinigten Staaten ließ sie aus Europa
Verhütungsmittel einschmuggeln - nicht ohne großes Risiko. Eine dieser
Schmugglerinnen war Katherine McCormick.46

Risiko trugen auch Gregory Pincus und sein Team. Da ihre Forschungen
zur Verhütung de facto illegal waren, mussten sie unter Tarnung
durchgeführt werden. Selbst als die ersten größeren Tests im Ausland
stattfanden, da sie in den Vereinigten Staaten unmöglich gewesen wären,
kennzeichnete Pincus diese Testreihen als „Versuche zur Auswirkung von
Progestinen auf den Menstrualzyklus“, ohne mit einem Wort die Verhütung
zu erwähnen. Trotz dieser zusätzlichen Sicherheitsvorkehrung führte
weder Pincus noch John Rock diese Tests persönlich durch.47 Rock
veranlasste in seiner Bostoner Frauenklinik aufwändige Testreihen in
kleinem Maßstab, speziell um Substanzen für Pincus zu erproben. Rocks
Studien zur Unfruchtbarkeit boten die perfekte Tarnung für klinische Tests
von potenziell verhütenden Stoffen. Die ersten Versuche an Menschen

43Ausführlich bei Marks, S. 33. Siehe auch Oudshoorn, S. 114. Zur allgemeinen Situation
der Reproduktionswissenschaften siehe Clarke, S. 168.
44   Clarke, S. 55.
45   Marks, S. 13.
46   Ibid., S.53f.
47   Oudshoorn, S. 123.

                                                                                 11
konnten so unter einem starken Alibi durchgeführt werden, obwohl sie klar
das Gesetz brachen.48

                          2.3 Suche nach Geldgebern

Nicht nur gab es keine Gelder zur Verhütungsforschung aus staatlichen
Quellen, auch in der Wirtschaft wollte keiner das Risiko auf sich nehmen,
seinen guten Ruf zu zerstören.49 Die Pharmakonzerne sahen das
Geschäft mit Sex und Verhütung als niedere Sache an. Selbst Goodyear,
damals ein großer Produzent von Kondomen, bekannte sich nicht
öffentlich zu seinem ansehnlichen Gewinn aus dem Verhütungsgeschäft.50
Für Grundlagenforschung zur Reproduktion gab es kleine staatliche
Forschungsfunds, für die Verhütungsforschung jedoch waren reiche
Philanthropen die einzige Quelle.51

Als Gregory Pincus 1951 mit der Entwicklung eines oralen
Kontrazeptivums begann, musste er alle seine Verbindungen benutzen,
die er in den Jahren zuvor geknüpft hatte - seine Kollegen bezeichneten
ihn als „wissenschaftlichen Unternehmer der besten Sorte“.52 Er arbeitete
als wissenschaftlicher Berater für mehrere Pharmaunternehmen, unter
anderem auch G.D.Searle, eine kleine Firma mit exzellentem Ruf. Sie
waren Pincus‘ Rat folgend in das Hormongeschäft eingestiegen und
hatten ihm für die Worcester Foundation einen wissenschaftlichen Stab
finanziert.53 Doch mit der neuen Richtung seiner Forschung wollten sie
nicht direkt in Verbindung gebracht werden und verweigerten weitere
Zuschüsse.54
Margaret Sanger spornte Pincus an, sich Geld von der Planned
Parenthood Federation of America zu sichern. Insgesamt 12000 US-$
erhielt er von der PPFA, nicht ohne die kräftige Mitwirkung von Sanger.
Doch 1953 verweigerten auch diese Geldgeber weitere Mittel und die
Entwicklung der Pille stand kurz vor dem Scheitern. Wieder schaltet sich
Sanger ein und informiert ihre Freundin Katherine McCormick. Die zögerte

48   Oudshoorn, S. 120.
49   Ibid., S. 117.
50   Marks, S. 35f.
51   Ibid., S. 51.
52   Oudshoorn, S. 116.
53   Ibid., S. 117.
54   Marks, S. 35.

                                                                    12
nicht lange und stellte zuerst kleine Beträge, dann große Summen für
Pincus und seine Worcester Foundation bereit. Genau im richtigen
Augenblick aufgetaucht, bescherte sie den Forschern genau die richtige
Unterstützung: kurzfristig, unbürokratisch und mit Fachwissen gab
McCormick insgesamt zwei Millionen US-$ - eine immense Summe, ohne
die die kostspieligen Tests nie möglich gewesen wären.55

                       2.4 Grenzen in Wissenschaft und Technik

Wie entwickelt man einen Stoff, der bei oraler Einnahme den Eisprung
verhindert? Bevor Gregory Pincus eine Pille zu diesem Zweck entwickeln
konnte, mussten viele andere Entdeckungen gemacht werden. Der
Österreicher Ludwig Haberlandt hatte bereits Anfang des 20. Jahrhunderts
verkündet, es sei möglich, eine hormonell wirksame Verhütungspille zu
entwickeln. Im Gegensatz zu früheren Verhütungsmethoden versprach
diese neue Technik einen Einsatz unabhängig von Zeit und Ort des
Geschlechtsverkehrs. Allerdings erforderte der gezielte Einsatz von
Hormonen ein umfangreiches Wissen um die Physiologie der
Reproduktion. Die Kenntnis davon war am Anfang des Jahrhunderts noch
beschränkt.56 Selbst als dieses Wissen im Laufe der 30er und 40er Jahre
durch Tierexperimente zunahm, fehlte Pincus ein Stoff, der billig zu
produzieren war und Wirksamkeit bei oraler Einnahme versprach.57

Die meisten Wissenschaftler wollten sich zudem nicht an die angewandte
Verhütungsforschung wagen. Mit solch „schmutziger Forschung“ riskierten
sie Reputation und zukünftige Forschungsgelder.58 Pincus war nicht nur
von Sangers Auftreten und ihrer Forderung nach einer einfachen Pille
gegen die Probleme der Frau beeindruckt, sondern auch von der
drohenden Bevölkerungsexplosion.59 Er war von Beginn an zuversichtlich,
dass die Pille Abhilfe schaffen könne.60 Die Erforschung der Verhütung im
Labor und vor allem das Ergebnis war das erklärte Ziel von Sanger und
McCormick.61 Margarete Sanger hatte lange darauf hingearbeitet, ihren

55   Marks, S. 56f.
56   Ibid., S. 41f.
57   Ibid., S. 60.
58   Clarke, S. 238.
59   Oudshoorn, S. 117.
60   Marks, S. 38.
61   Clarke, S. 21.

                                                                    13
Wunsch einer ultimativen Verhütungspille von der Wissenschaft erfüllt zu
bekommen.62 Beide glaubten fest an den Erfolg der Pille und unterstützen
Pincus und Rock nach Kräften.63 Katherine McCormick hatte ihrer
Freundin jedoch das Biologiestudium und eine hervorragende Kenntnis
der Materie voraus.64 Sie hielt die ganze Zeit über engen Kontakt zu den
Forschern, zog sogar im hohen Alter noch nach Boston, um in der Nähe
zu sein. Sie ließ sich von Pincus Schwierigkeiten erklären, schlug
Personal vor und organisierte sogar Testmöglichkeiten.65

Der Harvard-Abgänger Gregory Pincus hatte weitreichende Kenntnisse in
biologischer Endokrinologie (Hormonforschung) sowie in der
Reproduktionforschung.66 Als er sich auf die Suche nach einem
hormonellen Verhütungsmittel begab, wagte er sich trotz allem auf
unbekanntes Gebiet.67 Beeinflusst durch Rocks Studien zur
Fruchtbarkeitsregulierung durch Hormone, setzte Pincus auf die
Zusammenarbeit mit ihm.68 Als Gynäkologe hatte Rock schon mit
Hormonen behandelt und kannte sich so mit ihrer Wirkung bestens aus. Er
suchte auch nach einer Verbesserung der kirchlich abgesegneten
verhütenden Rhythmusmethode.69

Kenntnis der Materie war bei Pincus und seinen Kollegen vorhanden. Erst
durch seine Stellung als Berater mehrerer Pharmakonzerne aber hatte er
auch Zugang zu den neuesten Entwicklungen der Steroidchemie.70 Pincus
organisierte etwa zweihundert verschiedene Präparate und testete sie an
„einer kleinen Armee aus Hasen und Ratten“.71 Die ersten klinischen Tests
an Menschen machte Rock in seiner Klinik möglich.72 Diese erste
Testreihe war schon sehr komplex und forderte viel von den Testpersonen.

62   Oudshoorn, S. 116.
63   Clarke, S. 194.
64   Marks, S. 54.
65   Ibid., S. 57. Siehe auch: Oudshoorn, S.125.
66   Clarke, S. 193. Siehe auch: Marks, S. 54.
67   Marks, S. 89.
68   Ibid., S. 94.
69
 Ibid., S. 93. Zu Rocks Hintergrund und der Zusammenarbeit mit Pincus siehe auch:
Oudshoorn, S. 118f.
70   Marks, S. 55.
71A.Q. Maisel: The Hormone Quest. New York 1965, S. 122. Zitiert nach Oudshoorn, S.
119.
72   Marks, S. 94.

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Größere Testreihen konnten wegen ihrer Aufwändigkeit nur im Ausland
durchgeführt werden. Pincus und Rock war klar, dass sie ansonsten sofort
Aufmerksamkeit auf sich zögen. Auch in ihrer wissenschaftlichen
Publikation in „Science“ von 1956 zu den Ergebnissen ihrer Forschungen
gaben sich beide neutral - jede verhütende Wirkung der Testsubstanzen
blieb unerwähnt.73

Mehr Ergebnisse waren nötig, um die Pille von der Federal Drug Agency
in den Vereinigten Staaten zuzulassen. Wieder organisierte Pincus,
diesmal Testreihen in Puerto Rico, die über seinen Mitarbeiter Celso
Ramon Garcia liefen. Auch diese Tests gestalteten sich als äußerst
schwierig: wenige Frauen nahmen über eine große Zeitdauer teil, wie es
die Tests eigentlich forderten. Die Komplexität und Anforderung an die
Testpersonen waren extrem hoch.74

Am Ende der Tests waren die Zahlen nicht sehr berauschend. Als Pincus
und Rock jedoch begannen, in Zyklen anstatt in Testpersonen zu zählen,
bot sich ein ansprechenderes Bild. Jetzt versprach die Pille ein statistisch
belegtes, sicheres Medikament zu sein. 1957 liess die FDA Enovid in den
Vereinigten Staaten für den Markt zu - vorerst, durch politischen Druck,
nur als „Medikament gegen menstruelle Störungen“. Drei Jahre später,
1960, ging die Strategie von PIncus und Rock auf: die FDA wertete alle
Studien aus und liess Enovid explizit als Verhütungsmittel zu.75

73   Oudshoorn, S. 132.
74   Ibid., S. 120-122.
75   Ibid., S. 131-133.

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Zusammenfassung

Die Entwicklung der Pille fand in einer Zeit statt, die es den beteiligten
Akteuren nicht leicht machte, ihr gestecktes Ziel zu erreichen. Starke
Tabus bei den Themen Sexualität und Geburtenkontrolle dominierten
Öffentlichkeit und Politik der Vereinigten Staaten in den 1950er Jahren.
Die katholische Lobby hatte großen Einfluss und übte großen Druck aus
auf jeden, der sich öffentlich zu diesen Themen bekannte. Gesetze
verboten die Veröffentlichung „obszöner Schriften“, darunter auch
Bemühungen zur sexuellen Aufklärung und Informationen zur Verhütung.
Vor allem im Bundesstaat Massachusetts, in dem die Forschung zur Pille
stattfand, galten harte Strafen auf Verhütung. Nicht nur wegen dem
öffentlichen Druck und der offensichtlichen Illegalität wagten sich nur eine
Handvoll Forscher an das schwierige Thema heran. Neben der wichtigen
Reputation setzten sie damit auch zukünftige Forschungsgelder und ihre
komplette Karriere aufs Spiel. M.C. Chang, ein Forscher an der Worcester
Foundation for Experimental Biology und Kollege von Gregory Pincus bei
der Entwicklung der Pille, drückte die Lage folgendermaßen aus: „ [...]
except for a few embryologists, the study of reproduction was in the hands
of animal breeders and gynecologists interested in the improvement of
fertility or the cure of sterility.“76

Aus dem enormen Druck durch Politik und Katholische Lobby resultierte
auch die Abwesenheit von Fördergeldern zur angewandten
Reproduktionsforschung. Staatliche Mittel gab es dafür nicht, Industrielle
distanzierten sich von dieser Art von Forschung - für sie stand ihr Ruf auf
dem Spiel. Lediglich reiche Philanthropen wie Clarke Gamble und
Katherine McCormick setzten sich über solcherlei Bedenken hinweg. Die
Frauenrechtlerin und Geburtenkontrollaktivistin Margaret Sanger kämpfte
ihr Leben lang gegen die Restriktionen und für mehr sexuelle Freiheit für
Frauen. Sie war es, die 1951 Gregory Pincus dazu veranlasste, mit der
Entwicklung der Pille zu beginnen und ihm am Anfang kleinere Geldmittel
beschaffte. Sanger begeisterte auch McCormick und machte sie zu einer
Mitstreiterin für ihre Sache. Ab 1953 finanzierte die reiche Witwe die
komplette Forschung an der Pille mit etwa zwei Millionen US-$. Gregory
Pincus organisierte und führte die Forschung zur Pille durch. Der Biologe
und Experte auf dem Gebiet der Reproduktionsforschung war der ideale
Kandidat dafür. Er hatte eine umfassende Vorbildung in biologischer

76 M.C. Chang et al.: Capacitation of Spermatozoa and Fertilization in Mammals. In: Roy
O. Greep und Marjorie A. Koblinsky (Hrsg.): Frontiers in Reproduction and Fertility Con-
trol: A Review of the Reproductive Sciences and Contraceptive Development. Boston
1977, S. 434-451. Hier S. 434, Zitiert nach Clarke, S. 238.

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Endokrinologie, war in seiner Position als Forscher an der unabhängigen
Worcester Foundation relativ frei von staatlicher Kontrolle und verfügte
zudem über exzellente Kontakte zu Pharmaunternehmen und Medizinern.
Durch seine Versuche mit „vaterlosen Hasen“ in den 1930er Jahren war er
schon einmal ins Kreuzfeuer der Öffentlichkeit geraten und nutzte sein
enormes organisatorisches Talent um unter Tarnung die Entwicklung der
Pille voranzubringen. Dabei halfen ihm nicht nur seine Kollegen an der
Worcester Foundation. Auch John Rock, Gynäkologe und Harvard-
Biologe, forschte zur Unfruchtbarkeit bei Frauen und experimentierte mit
Hormontherapien. Er half Pincus, die Forschung vom Labor in die Klinik zu
tragen und erste Tests durchzuführen. Auch die Publikation ihrer
wissenschaftlichen Ergebnisse und die Auswertung der Testergebnisse
unternahmen beide zusammen. Margaret Sanger hatte die Pille auf den
Weg gebracht. Durch die großzügige und fachverständige Unterstützung
von Katherine McCormick konnte die Forschung durchgeführt werden.
Pincus‘ Organisationstalent und seine Kontakte, sowie Rocks Erfahrung
mit hormonellen Auswirkungen auf den weiblichen Zyklus sorgten am
Ende für den Erfolg der Forschungen und die Entwicklung der ersten
hormonellen Verhütungspille.

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Literaturverzeichnis

Clarke, Adele E.: Disciplining Reproduction. Modernity, American Life
Sciences, and the Problems of Sex. Berkeley 1998.
Marks, Lara V.: Sexual Chemistry. A History of the Contraceptive Pill. New
Haven und London 2001.

McLaren, Angus: A History of Contraception. Cambridge 1990.

Oudshoorn, Nelly: Beyond the Natural Body. An Archaeology of Sex
Hormones. London und New York 1994.

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