Aktive Kompensation des Nebensprechens bei der DSL-Übertragung in praxisnahen Szenarien
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Aktive Kompensation des Nebensprechens bei der DSL-Übertra- gung in praxisnahen Szenarien Dipl.-Ing. Roman Tzschoppe, Prof. Dr.-Ing. Johannes Huber, Lehrstuhl für Informationsübertragung, Universität Erlangen-Nürnberg, Cauerstr. 7, D-91058 Erlangen Dipl.-Ing. Georg Herrmann, VIERLING Communications GmbH, Pretzfelder Str. 21, D-91320 Ebermannstadt Kurzfassung Im rasant wachsenden Markt von DSL, steigt die Nachfrage nach immer größeren Datenraten. Gleichzeitig wächst die Zahl der Kunden, denen nicht genügend Datenrate bzw. überhaupt kein DSL-Anschluss garantiert werden kann. Nebensprechen in Zusammenhang mit einer großen Entfernung von der Vermittlungsstelle ist meist der Grund dafür. Mittels aktiver Kompensation — Interference Cancellation (IFC) — kann Nebensprechen mit einem ersten Prototypen bis zu 20 dB unterdrückt werden. In drei im Labor nachgestellten Szenarien wird aufgezeigt, welche Gewinne in Reichweite und Datenrate in der Praxis erreichbar sind. Reichweiten-Verlängerungen um bis zu 40% und Datenraten-Vervielfachungen zeigen das hohe Potential von IFC. Feldtests bei einem europäischen Netzbetreiber haben die Effektivität des Systems bestätigt. Darüberhinaus könnte durch den Einsatz von IFC auf Frequenzgetrenntlage von Upstream und Downstream verzichtet werden, und somit ein Weg zu hochratigen sym- metrischen Verfahren eröffnet werden. 1 Einleitung bekannt [1], [2]. Diese sind jedoch abhängig von einer speziellen Übertragungstechnologie und Systemtech- Der DSL Markt wächst weiterhin rasant, jedoch sind nik, und lassen sich daher nicht mit bereits existierende dem Wachstum technische Grenzen gesetzt. Das Mar- Systemen kombinieren. keting der DSL-Provider verspricht möglichst vielen Nach dem Ansatz Interference Cancellation (IFC) wird Kunden ein DSL-Anschluss mit möglichst hoher Da- das Nebensprechen im Fernmeldekabel — unabhängig tenrate zur Verfügung zu stellen. Auf der anderen Sei- von der Übertragungstechnik — durch aktive Einkopp- te gibt es viele potentielle Kunden, denen ein DSL- lung von Kompensationssignalen unterdrückt [3]. Anschluss entweder nur mit verringerter Datenrate, In Abschnitt 2 wird kurz auf das zugrundeliegende oder überhaupt nicht angeboten wird. Hintergrund ist Systemmodell der aktiven Kompensation von Neben- meist eine zu große Entfernung des häuslichen Teilneh- sprechen eingegangen, sowie die prinzipielle Funkti- meranschlusses des potentiellen Kunden von der Ver- onsweise des IFC-Prototypen erläutert. Eine ausführli- mittlungsstelle (Central Office (CO)). che Darstellung der Umgebung, unter denen praxisna- So limitiert die Kabeldämpfung bei hohen Frequen- he Szenarien nachgestellt werden, folgt in Abschnitt 3. zen die Reichweite der ADSL-Übertragung auf ma- Messergebnisse für drei verschiedene Szenarien wer- ximal 5 km; in der Praxis meist deutlich darun- den im Abschnitt 4 dargestellt und diskutiert. Eine Zu- ter. Störungen durch Nahnebensprechen (Near-end sammenfassung und einen Ausblick gibt Abschnitt 5. Crosstalk (NEXT)) im Fernmeldekabel, z.B. durch an- dere DSL Systeme, führen zu Einschränkungen be- züglich der Beschaltung im Kabel und können die 2 Systemmodell und Prototyp Zuverlässigkeit und die erzielbaren Datenraten von Der folgende Abschnitt vermittelt die grundlegenden ADSL-Diensten reduzieren. Bei ADSL selbst wird die Konzepte des IFC-Ansatzes nur soweit sie für das Ver- NEXT-Problematik durch Übertragung in Frequenz- ständnis der nachfolgenden Abschnitte unmittelbar re- getrenntlage (Frequency Division Duplex, FDD) um- levant sind. Für eine ausführlichere Darstellung, insbe- gangen. Dies führt allerdings zu einer Asymmetrie sondere der der zugrundeliegenden Algorithmen, ver- der erzielbaren Datenraten in Upstream (US) bzw. weisen wir auf [3]. Downstram (DS). Andererseits resultiert aus neuen Das IFC-System wird hochohmig an die Doppeladern Multimedia- und VoIP-Anwendungen verstärkt die eines zu entstörenden Kabelbündels geschaltet. Ein Forderung nach symmetrischen Breitband-Angeboten. Auftrennen der Doppeladern ist daher nicht notwen- Ansätze, die Nebensprechproblematik durch eine ge- dig, was einige Nachteile mit sich bringen würde [3]. meinsame Optimierung der Übertragungssysteme in- Typischerweise wird das IFC-System am Hauptvertei- nerhalb des Fernmeldekabels zu vermeiden, sind unter ler platziert, da hier zum einen der Abstand zum Digi- dem Begriff Dynamic Spectrum Management (DSM) tal Subscriber Line Access Multiplexer (DSLAM) ge-
3 Messumgebung Alle im Abschnitt 4 beschriebenen praxisnahen Sze- narien werden im Messlabor nachgestellt. Der prin- zipielle Aufbau des Messlabor ist in Abb. 3 veran- schaulicht. CO-seitig steht ein DSLAM mit SHDSL, ADSL (Annex B), sowie ADSL2+ (Annex A) Line- cards zur Verfügung. Über zwei Patchpanel können die einzelnen Ports der Linecards mit den einzelnen Adern des Fernmeldekabels verschalten werden. Der IFC-Prototyp kann wahlweise ans Patchpanel, bzw. Abbildung 1 Systemmodell der Kompensation von über Vt71-Stecker mit 4 Doppeladern des Fernmelde- Nebensprechen zwischen zwei Doppeladern kabels verbunden werden. Das Fernmeldekabel besteht aus 10 Aderpaaren mit 0,5 mm Querschnitt (Typ: A- 02YSF(L)2Y 10x2x0,5 StVIBd). Aufgetrommelt auf 5 Trommeln, lässt sich durch ein Verschalten der 5 Trom- meln für jedes Aderpaar separat eine gewünschte Län- ge zwischen 200 m und 4,8 km (in ca. 0,5 km bzw. ca. 1,0 km Schrittweiten) einstellen. Die Kundenseite des Fernmeldekabels endet ebenfalls an einem Patchpanel, über welches die entsprechenden Teilnehmer-Endgeräte (Customer Premises Equipment (CPE)) angeschlossen werden können. In einem Szenario werden auch Kabellängen größer als 4,8 km nachgestellt. In diesen Fällen ist das zu verlän- gernde Aderpaar direkt von der CPE-Seite nochmals zur CO-Seite geführt, und mit einem anderen Aderpaar Abbildung 2 IFC-Prototyp mit 4 Kanälen des 10-paarigen Fernmeldekabels verschalten. Durch diese Maßnahme wird zwar ein künstliches NEXT ge- schaffen, das aber durch die Dämpfung des NEXT er- zeugenden Signals über 4,8 km zu vernachlässigen ist.1 ring ist, und zum anderen benachbarte Doppeladern im Fernmeldekabel auch räumlich benachbart zugänglich sind. Ein alternativer bzw. zusätzlicher Einsatzort des 4 Messergebnisse IFC-Systems ist am Kabelverzweiger. Um die Leistungsfähigkeit des IFC-Ansatzes, und Abbildung 1 zeigt das zeitdiskrete Systemmodell des im speziellen auch die des IFC-Prototypens, zu te- wechselseitigen Nebensprechens zwischen zwei Dop- sten, werden Messungen in drei verschieden Szena- peladern und dessen Kompensation durch adaptive Fil- rien durchgeführt. Zwei der Szenarien liefern direkt ter. Das Signal v[k] der Quelle Q1 auf der einen Dop- praxisrelevante Aussagen, während ein Szenario eher pelader spricht auf die andere Doppelader über und künstlicher Natur ist, aber das hohe Potential des IFC- überlagert sich mit dem Signal u[k] der Quelle Q2 . Ansatzes klar demonstriert. Da ein Fernmeldekabel ein passives System darstellt, Als direktes Maß für die erfolgte Reduktion des spricht umgekehrt u[k] auf v[k] mit derselben Über- Nebensprechens durch den IFC-Prototypen, werden tragungsfunktion bzw. Impulsantwort hN [k] über. Lie- Vergleichsmessungen mit einem Netzwerkanalysator fern die Quellen unkorrelierte Signale, so lässt sich aus durchgeführt. Die Übertragungsfunktion des Neben- den Auto- und Kreuzkorrelationsfunktionen der Signa- sprechens wird einmal mit und einmal ohne IFC- le x[k] und y[k] die Impulsantwort hN [k] schätzen, und System gemessen. damit die adaptiven Kompensationsfilter mit der Impul- Zur Evaluierung der praxisrelevanten Verbesserungen santwort, bzw. den Filterkoeffizienten, h[k] einstellen durch den Einsatz des IFC-Systems, werden die Über- [3]. tragungsparameter der Modems und der Linecards vom Das Konzept lässt sich bei unkorrelierten Quellsigna- DSLAM ausgelesen. Je nach verwendetem Profil (fi- len durch paarweise Anwendung prinzipiell auf belie- xe/variable Datenrate) lässt sich der Gewinn in einer big viele Doppeladern erweitern. Allerdings müssen Steigerung der Datenrate, bzw. des Noise Margins mes- für eine vollständige Kompensation zwischen N Ader- sen. Dabei ist zu beachten, dass der Parameter Noi- paaren N (N − 1)/2 Impulsantworten geschätzt, und se Margin nur in ganzzahligen deziBel (dB) Werten N (N − 1) adaptive Filter implementiert werden. Der IFC-Prototyp ist auf eine vollständige Kompensation 1 Künstlich erzeugtes Fernnebensprechen kann hier auch vernachlässigt wer- von vier Aderpaaren beschränkt (siehe Abb. 2). den.
. Abbildung 3 Aufbau des Messlabors ausgegeben wird, und bei wiederholten Messungen un- CO ter gleichen Bedingungen Schwankungen von mehr als 1,53 km (fix) CPE 1 ±1 dB aufweisen kann. Daher sollte bei der Berurtei- DSLAM SHDSL IFC lung der Ergebnisse viel mehr Wert auf die generelle Tendenz der Messwerte, als auf einzelne Messwerte ge- CPE 2 > 2,8 km (variabel) SHDSL legt werden. In allen drei Szenarien werden jeweils zwei Aderpaa- Abbildung 4 Szenario 1: kNEXT bei SHDSL re gewählt, deren NEXT stärker als im Durchschnitt war. Bei Paarbeziehungen mit schwächerem NEXT fal- len die erzielbaren Gewinne natürlicherweise gerin- wird das NEXT zwischen den CPE-Modems stark ge- ger aus. Doch gerade Paarbeziehungen mit stärkeren dämpft. Alternativ zur örtlichen Trennung kann ein NEXT sind in der Praxis sehr störend, und eine Ver- zweites IFC-System CPE-seitig angeschlossen werden. besserung ist gerade hier erforderlich. Da bei SHDSL für den Noise Margin nur ein einzelner Wert, und keine spezifischen Werte für US und DS vom 4.1 kNEXT bei SHDSL DSLAM ausgegeben werden, ist eine bessere Beurtei- Im erstes Szenario wird das NEXT zwischen gleicharti- lung im Falle der örtlichen Trennung der CPE-Modems gen Systemen (kindred NEXT (kNEXT))2 , im speziel- möglich. Daher wurde dieses Szenario an Stelle des len zwischen zwei SHDSL Systemen betrachtet. Da bei beidseitigen Einsatzes von IFC-Systemen ausgewählt. SHDSL die Leistungsdichtespektren von US und DS Abbildung 5 zeigt die mit einem Netzwerkanalysator gleich sind, tritt die NEXT-Problematik auch auf der gemessene NEXT-Übertragungsfunktion im Frequenz- CPE-Seite auf, falls dort die CPE-Modems am gleichen bereich von 10 kHz bis 2,5 MHz mit und ohne IFC- Ort angeschlossen sind. Um die NEXT-Problematik auf System. Das NEXT wurde im Frequenzband von der CPE-Seite zu vermeiden, werden die CPE-Modems SHDSL um ca. 10 dB gedämpft. Außerhalb davon örtlich getrennt und über unterschiedlich lange Leitun- konnte die NEXT-Übertragungsfunktion mangels An- gen CO-seitig angeschlossen (siehe Abb. 4). Dadurch regung nicht geschätzt werden. In Folge dessen findet hier auch keine Reduktion des NEXT statt. 2 Üblicherweise wird die Bezeichnung self NEXT verwendet. Da damit nicht Der Einfluss dieser Reduktion des Nebensprechens auf das NEXT auf eine andere Leitung und wieder zurück gemeint ist, sondern das NEXT zwischen gleichartigen Systemen, wird die Bezeichnung kindred den Einsatz in der Praxis wurde mit zwei SHDSL Sy- NEXT, gemäß dem Vorschlag in [4] verwendet. stemen (ITU G.991.2 Annex B, 2056 kbit/s, fixed ra-
CO CPE 1 DSLAM SHDSL IFC > 2,1 km (variabel) CPE 2 ADSL Abbildung 7 Szenario 2: aNEXT bei SHDSL und ADSL Abbildung 5 Betrag der NEXT-Übertragungsfunktion in Szenario 1 (obere Kurve: ohne IFC, untere Kurve: mit IFC) 15 ohne Störer mit Störer, mit IFC mit Störer, ohne IFC Noise Margin [dB] 10 Abbildung 8 Betrag der NEXT-Übertragungsfunktion in Szenario 2 (obere Kurve: ohne IFC, untere Kurve: 5 mit IFC) Margin Werten für US und DS erkannt werden. Da im verwendeten Aderpaar das NEXT auf der CO-Seite 0 3000 3500 4000 4500 5000 5500 6000 deutlich überwiegt, ist eine örtliche Trennung der CPE- Leitungslänge [m] Modems nicht erforderlich (siehe Abb. 7). Bereits die Reduktion des CO-seitigen NEXT liefert eine signifi- Abbildung 6 SHDSL Noise Margin bei kNEXT (Sze- kante Verbesserung in Reichweite bzw. Datenrate. nario 1) Die Messung der NEXT-Übertragungsfunktion (siehe Abb. 8) lässt erkennen, dass das IFC-System das vor- handene NEXT sehr stark unterdrückt. Die Neben- te), ermittelt. Abbildung 6 zeigt den Noise Margin des sprechunterdrückung beträgt hier über große Bereiche zweiten SHDSL-Systems aus Szenario 1 (vgl. Abb. 4). mehr als 15 dB und liegt hier deutlich über den Werten Durch den Einsatz des IFC-Systems lässt sich in die- des im Szenario 1 gewählten Aderpaartupels. sem Fall die Reichweite um etwa 500–1000 m verlän- Zur Messung des Noise Margins sind wiederum Pro- gern, was einem Reichweitengewinn von etwa 10–20% file für fixe Datenraten, sowohl für SHDSL, als auch entspricht.3 für ADSL verwendet: SHDSL (ITU G.991.2 Annex B, 2056 kbit/s) und ADSL (ITU G.992.1, DS: 7616 kbit/s, 4.2 aNEXT bei SHDSL und ADSL US: 640 kbit/s). Die Abb. 9 und 10 zeigen den Noise Im zweiten Szenario wird NEXT zwischen verschie- Margin des ADSL US bzw. von SHDSL. Ohne Kom- denartigen Systemen (alien NEXT (aNEXT)) betrach- pensation fällt der Noise Margin bei einer Leitungs- tet, im speziellen zwischen einem SHDSL System und verlängerung von 2,1 km auf 2,6 km , vor allem bei einem ADSL System. Da bei hochratigem SHDSL SHDSL, sehr drastisch. Bereits bei 3,1 km lassen sich (> 2 Mbit/s) das Leistungsdichtespektrum bis ca. beide Systeme nicht mehr gemeinsam betreiben. Mit 300 kHz signifikante Anteile besitzt, ist eine spektra- Kompensation dagegen, laufen beide Systeme bei ei- le Überlappung sowohl mit dem US, als auch mit ner Leitungslänge von 3,8 km noch mit ausreichender dem DS von ADSL gegeben. Prinzipiell tritt also Systemreserve (7 bzw. 9 dB Noise Margin), allerdings auch hier bei benachbarten CPE-Modems die NEXT- beträgt der Noise Margin des ADSL DS nur noch 3 Problematik auf. Diese kann jedoch bei ADSL direkt dB4 . Der geringe Noise Margin des ADSL DS ist auch aus den vom DSLAM getrennt ausgegebenen Noise der Grund dafür warum bei 4,3 km, trotz der sehr guten 3 4 Der Gewinn ist vom geforderten Noise Margin abhängig. Der ADSL DS Noise Margin ist nicht abgebildet.
18 14 ohne Störer mit IFC 16 mit Störer, mit IFC ohne IFC mit Störer, ohne IFC 12 14 Noise Margin [dB] Noise Margin [dB] 10 12 8 10 6 8 6 4 4 2 2000 2500 3000 3500 4000 4500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 Leitungslänge [m] Leitungslänge [m] Abbildung 9 ADSL US Noise Margin bei aNEXT von Abbildung 11 ADSL US Noise Margin bei aNEXT SHDSL (Szenario 2) von SHDSL (Szenario 2) 16 700 ohne Störer mit Störer, mit IFC 600 14 mit Störer, ohne IFC Datenrate [kbit/s] Noise Margin [dB] 500 12 400 10 300 8 200 mit IFC ohne IFC 100 6 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 2000 2500 3000 3500 4000 4500 Leitungslänge [m] Leitungslänge [m] Abbildung 12 ADSL US Datenrate bei aNEXT von Abbildung 10 SHDSL Noise Margin bei aNEXT von SHDSL (Szenario 2) ADSL DS (Szenario 2) verwendeten Profil ist als Target Margin 3 dB vorgege- Unterdrückung des CO-seitigen NEXT, beide System ben, sowie die max. US Datenrate auf 640 kbit/s be- nicht mehr gleichzeitig betrieben werden können. Ein grenzt. Ohne Kompensation erreicht der US nur bei zweites CPE-seitiges IFC-System könnte die Reich- 2,1 km die max. Datenrate, bei 4,8 km werden nur weite vermutlich noch weiter verbessern. Doch auch noch 128 kbit/s erreicht. Mit Kompensation ist für ohne CPE-seitige Kompensation kann die Reichweite Leitungslängen kleiner als 4,3 km aufgrund der Be- hier um fast 1 km gesteigert werden. Nimmt man ei- grenzung der max. Datenrate der Gewinn nur in ei- ne CPE-seitige Kompensation an, so kann der Gewinn ner Vergrößerung des Noise Margin zu messen. Erst ab an Reichweiten auch am geforderten Noise Margin ge- ca. 4,5 km wird die Datenrate reduziert, um den vor- messen werden. Bei 6 dB Noise Margin lässt sich die gegebenen Target Margin noch einhalten zu können. Reichweite um deutlich über 1 km (bzw. 40%) steigern. Bei 4,8 km beträgt die DS Datenrate aber immer noch Ein direkter Vergleich des Noise Margins ohne Störer 512 kbit/s und ist damit vier mal so hoch als ohne und des mittels IFC kompensierten Störers zeigt, dass Kompensation. hier das IFC-System das zur Verfügung stehende Po- tential bereits sehr gut ausnutzt. Verwendet man für ADSL ein Profil mit variablen Da- 4.3 Künstliches kNEXT bei ADSL tenraten, so kann der Gewinn durch die Kompensati- Das dritte und letzte Szenario ist ein rein hypotheti- on des NEXT als eine Erhöhung der US Datenrate ge- sches Szenario; in der Praxis tritt es aus gutem Grund messen werden. Die Abb. 11 und 12 zeigen den Noi- nicht auf. ADSL wurde als FDD Verfahren gerade so se Margin und die Datenrate des ADSL US. In dem spezifiziert, dass NEXT weder auf der CO-, noch auf
CPE 1 DSLAM 1 System Parameter ohne IFC mit IFC ADSL ADSL DS Noise Margin 6 dB 6 dB IFC 1,63 km (fix) DSLAM 2 CPE 2 (System 1) Datenrate 2.592 kbit/s 3.936 kbit/s ADSL ADSL US Noise Margin 10 dB 18 dB (System 2) Datenrate 640 kbit/s 640 kbit/s Abbildung 13 Szenario 3: Künstliches kNEXT bei ADSL Tabelle 1 Übertragungsparamter mit und ohne IFC im Szenario 3 ren) Übertragungsrichtungen. Der Gewinn der NEXT- Kompensation drückt sich beim System 1 in einer Er- höhung der DS Datenrate um etwas über 50% und beim System 2 durch eine Erhöhung des Noise Margins um 8 dB aus. Angesichts solcher Gewinne, könnte der IFC- Ansatz hochratige symmetrische Dienste ohne FDD prinzipiell ermöglichen. 5 Zusammenfassung und Ausblick In drei verschiedenen Szenarien ist beispielhaft ge- zeigt, wie durch Kompensation von NEXT mittels IFC Abbildung 14 Betrag der NEXT- Reichweite und Datenrate von verschiedenen DSL- Übertragungsfunktion in Szenario 3 (obere Kurve: Systemen verbessert werden kann. Dabei sind je nach ohne IFC, untere Kurve: mit IFC) Szenario und weiteren Bedingungen Reichweitenge- winne bis zu 40% und Datenraten-Vervielfachungen möglich. der CPE-Seite auftritt. Dafür können aber entsprechen- Die Wirksamkeit des IFC-Prototyps wurde neben den de Frequenzbänder entweder ausschließlich für den Messungen im Labor auch bei einem großem europäi- US oder ausschließlich für den DS verwendet werden, schen Netzwerkbetreiber erfolgreich nachgewiesen. was letztlich die zur Verfügung stehende Bandbreite In einigen praktischen Anwendungsfällen ist eine und damit auch die Datenrate begrenzt. SHDSL besitzt Kompensation von Fernnebensprechen (FEXT) eben- als einziges DSL-Verfahren völlig überlappende Spek- falls wünschenswert, z. B. will durch FDD NEXT ver- tren — allerdings in einem Frequenzbereich in dem mieden wird und nur FEXT auftritt. Inwiefern der IFC- NEXT typischerweise relativ schwach ausgeprägt ist. Prototyp hierbei eingesetzt wirksam werden kann, ist Durch eine ausreichend gute NEXT-Kompensation ist noch zu untersuchen. die Notwendigkeit zu FDD nicht mehr gegeben. Prinzipiell könnte die NEXT-Kompensation durch IFC Um trotz FDD bei zwei ADSL Systemen künstlich den Weg zu höherratigen symmmetrischen Verfahren kNEXT zu Erzeugen, wird bei einem ADSL Sy- ohne FDD eröffnen. stem CO- und CPE-Seite vertauscht (siehe Abb. 13). Dadurch sprechen sowohl die US, als auch die DS Si- 6 Danksagung gnale jeweils ineinander über, so dass die vom fernen Die Autoren danken der Bayerischen Forschungsstif- Ende kommenden, gedämpften Signale, jeweils durch tung (BFS) für die Unterstützung im Rahmen des IFC- das Übersprechen der starken Signale vom nahen Ende DSL Projekts. gestört werden. Messungen der NEXT-Übertragungsfunktion zwischen den zwei ausgewählten Doppeladern mit und ohne 7 Literatur Kompensation zeigt Abb. 14. Vor allem im Bereich des [1] K. B. Song, S. T. Chung, G. Ginis, and J. M. Ci- US wird NEXT bis zu 20 dB unterdrückt. Im Über- offi: Dynamic Spectrum Management for Next- gangsbereich zwischen US und DS tritt eine leichte Generation DSL Systems. IEEE Communications Verstärkung des NEXT ein. Im höheren DS Bereich Magazine, pp. 101–109, Oct. 2002. findet jedoch wieder eine deutliche Unterdrückung des [2] J. Verlinden, T. Bostoen, and G. Ysebaert: Dyna- NEXT statt. mic Spectrum Management for Digital Subscriber Für den praxisrelevanten Test ist für ADSL ein Pro- Lines — Edition 2. Technology White Paper, Al- fil variabler Datenrate mit einem Target Margin von 6 catel, 2005. dB verwendet. Tabelle 1 zeigt Noise Margin und Da- [3] A. Busboom, G. Herrmann, R. Tzschoppe, and tenrate für die relevanten (durch den einseitigen Ein- J. B. Huber: IFC — Aktive Kompensation des satz von IFC gemäß Abb. 13 prinzipiell verbesserba- Nahnebensprechens für die DSL-Übertragung. In
Proceedings of 12. ITG-Fachtagung Kommunika- Georg Herrmann ist seit Anfang tionskabelnetze, Köln, Dezember 2005. 2003 als Business Line Direc- [4] J. A. C. Bingham: ADSL, VDSL, and Multicarrier tor bei der VIERLING Commu- Modulation. Wiley Series in Telecommunications nications GmbH für Projekte und and Signal Processing, John Wiley & Sons, Inc., Produkte im Bereich Messtech- New York, 2000. nik verantwortlich. Sein Schwer- punkt liegt in der Messtechnik für 8 Autoren DSL und für die optische Übertra- gungstechnik. Von 2001 bis 2003 war er als Senior Ma- nager bei Nortel Networks für Netzmanagementlösun- gen und IP-Applikationen zuständig. Davor war Georg Roman Tzschoppe 1975 ge- Herrmann bei Alcatel in Stuttgart und in Belgien tätig, boren in Bayreuth, studierte zuletzt in leitender Funktion im Produktmanagement Elektrotechnik an der Friedrich- für Vermittlungssysteme. Georg Herrmann hat an der Alexander-Universität Erlangen- RWTH Aachen Elektrotechnik studiert. Nürnberg. Nachdem er im Jahr 2001 das Studium absolviert hat, arbeitet er als wissenschaftlicher Assistent bei Prof. Huber am Lehrstuhl für Informationsübertragung der Universität Erlangen-Nürnberg. Seine Promotion ist dem Thema aktive Kompensation des Nebensprechens für die DSL-Übertragung gewidmet. Johannes Huber studierte Elek- trotechnik an der Technischen Universität München und pro- movierte an der Universität der Bundeswehr in München. Dort habilitierte er sich auch zum Thema Trellis-codierte Modulation. Seit 1991 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Informationsübertragung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen- Nürnberg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf den Gebieten Informations- und Codiertheorie, Modulationsschemata, hochratige Basisbandübertra- gung, Algorithmen zur Signaldetektion und adaptiven Entzerrung von Kanälen mit starker Intersymbolin- terferenz und von MIMO-Kanälen sowie verkettete Codes und iterative Decodierung. Johannes Huber ist Preisträger des ITG-Literaturpreises 1988 und 2000 sowie des Vodafone-Innovationspreises 2004.
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