Aktuelle Aspekte zur Osteoprotektion bei Prostatakarzinompatienten - Martini-Klinik
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UROONKOLOGISCHE KNOCHENPROTEKTION X75 Aktuelle Aspekte zur Osteoprotek- sche Einschätzung des Osteoporo- serisikos vor Initiierung einer ADT tion bei Prostatakarzinompatienten . 3 Jahre vorzunehmen, ebenfalls nur 42 % empfehlen konservative Thomas Steuber Maßnahmen zur Reduktion des Os- teoporoserisikos. Lediglich 18,5 % In doppelter Hinsicht steht der Knochen im Fokus bei der Therapie des Prosta- veranlassen regelhaft eine Kno- takarzinoms (PCa). Zum einem wird der physiologische Knochenstoffwech- chendichtemessung. sel wesentlich durch die therapeutische Androgendeprivation, neue antihor- monelle Substanzen sowie Knochen-gerichtete Therapien beeinträchtigt, mit der Konsequenz eines signifikanten Knochensubstanzverlustes (CITBL). Empfehlungen und Hilfsmittel Zum anderen ist der Knochen der überwiegende (> 80 %) Metastasierungsort Die 2017 vom Dachverband Deut- des hämatogen disseminierten Tumors. Osteoblastische Metastasen können scher Osteologen verfasste Be- zu Schmerzen, Fraktur und Lähmungen führen. Diese Komplikationen wer- handlungsrichtlinie sieht verein- den in klinischen Studien üblicherweise als Skeletal-Related-Events (SRE) zu- facht folgende Vorgehensweise sammengefasst. Die Osteoprotektion zielt auf die Vermeidung der substan- vor [5]. Die Erfassung von Risiko- ziellen Osteopenie antihormonell behandelter Patienten ab und verfolgt das faktoren sowie eine körperliche Ziel, bei metastasierten Patienten SRE zu verzögern oder zu vermeiden. Untersuchung dienen als Grundla- ge zur Einschätzung des individuel- len Risikos einer osteoporotischen Osteoporose beim Mann am Schenkelhals und von 2–8 % an Fraktur. Das Vorhandensein von Ri- Da Knochengewebe mehr Östro- der Wirbelsäule bereits im ersten sikofaktoren und/oder eine bevor- gen- als Testosteronrezeptoren be- Jahr der Behandlung geschätzt [1]. stehende Langzeit-ADT stellen sitzt, ist der knochenstimulierende In einer retrospektiven Analyse der eine Indikation zur Veranlassung Effekt auch beim Mann durch Öst- SEER-Datenbank von 50.600 Män- einer Knochendichtemessung dar. radiol wesentlich beeinflusst. Folg- nern, bei denen zwischen 1992 und Hilfreich kann auch das World- lich konnte ein der Menopause der 1997 ein PCa entdeckt wurde, lag Health-Organisation-Fracture-Risk- Frau entsprechendes Syndrom mit die Rate osteoporotischer Fraktu- Assessment-Tool (FRAX®-Score) Verlust der Knochendichte analog ren unter ADT bei 19,4 % mit im sein. Es ist ein onlineverfügbarer Ri- zum sinkenden Serum-Testosteron Vergleich zu 12,6 % ohne therapeu- sikorechner, mit dessen Hilfe an- beim Mann bisher nicht schlüssig tischen Hormonentzug [2]. Etwas hand von ausgewählten klinischen nachgewiesen werden. Als generel- geringer fiel die Rate an osteoporo- Parameter das prozentuale 10-Jah- le Risikofaktoren für eine Osteo- tischen Wirbelkörperfrakturen in res-Risiko einer osteoporotischen porose als ein systemischer Verlust einer prospektiv randomisierten Fraktur abgeschätzt werden kann des Knochenmineralgehaltes mit Zulassungsstudie von Denusomab [6]. Allerdings werden endokrine erhöhter Frakturinzidenz gelten 60 mg s.c. zur Osteoprotektion bei Antitumortherapien nicht als Risi- eine Glukokortikoid-Therapie, Al- nicht metastasierten Männern aus kofaktoren abgefragt. koholkonsum, Rauchen, hyperthy- [3]. Patienten mit einer ADT ohne reote Funktion, sämtliche Formen Osteoprotektion (Placebogruppe) von Endokrinopathien, Mangeler- wiesen in 3,9 % Wirbelkörperfrak- Hier gehts zum nährung und Malabsorption. turen nach 3 Jahren auf. Assessment-Tool Knochensubstanzverlust als Knochengesundheit wird im Therapiefolge Alltag vernachlässigt Grundsätzlich sollte auf eine ausrei- Dennoch führt chronischer Testos- Das Problem der Knochengesund- chende Zufuhr von 1000 mg Calcium teronmangel mit der Zeit zur Osteo- heit von Männern mit einem hor- täglich (schließt alimentäre Calcium- porose mit erhöhtem Frakturrisiko. monsensitiven PCa wird im urologi- aufnahme ein) und 800–1000 IE Vita- Aufgrund von Daten aus mehreren schen Alltag unterschätzt. Das spie- min D3 geachtet werden. Des Weite- Studien von Männern, bei denen gelt eine kürzlich publizierte ren sollten Risikofaktoren, wenn wegen eines hormonsensitiven PCa Online-Umfrage des AUO/AKO wi- möglich reduziert und regelmäßi- eine Androgendeprivation (ADT) der [4]. Weniger als die Hälfte ge Mobilisierung empfohlen wer- begonnen wurde, wird ein Kno- (42 %) der befragten Urologen ga- den. Bei erhöhtem Frakturrisiko chendichteverlust von 1,8–6,5 % ben an, regelhaft eine anamnesti- und/oder einem auffälligen T-Score 5/2022 UroForum
X76 UROONKOLOGISCHE KNOCHENPROTEKTION als Ergebnis der Osteodensitomet- rie kann eine medikamentöse Os- teoporoseprophylaxe erforderlich sein. Anhand der bereits erwähn- ten randomisierten Studien führt die Gabe von Denosumab 60 mg s.c. 2x jährlich zu einem signifikan- ten Aufbau von Knochensubstanz mit der Konsequenz einer reduzier- ten 3-Jahres-Frakturrate von 1,5 % gegenüber 3,9 % in der Placebo- gruppe, was zur Zulassung der Subs- tanz führte. Auch Bisphosphonate i.v. (z. B. Zoledronsäure 4 mg 2x jährlich) oder oral (Alendronat 10 mg tgl., Risedronat 35 mg wöchent- lich) können erfolgreich zur Osteo- Abb. 1: Behandlungsalgorithmus der ESMO-Leitlinie zum Management von Knochen- poprotektion bei Männern mit gesundheit unter endokriner Tumortherapie, adaptiert nach [7]. einem hormonsensitiven PCa unter ADT eingesetzt werden. rollgruppen (alleinige Kastration) tion bekamen (15 % vs. 7 %). Die Eine ähnlich pragmatische Vorge- bei SPARTAN und PROSPER bei Bedeutung der medikamentösen hensweise gibt auch die ESMO in 6,5 % bzw. 4,9 % lagen, verdoppel- Osteoprotektin in Zusammenhang ihrer aktuellen Behandlungsrichtli- ten sich die Frakturraten nahezu mit der Gabe von Radium-223 be- nie vor ( Abb. 1) [7]. durch die intensivierte Therapie mit stätigte sich auch in der Phase-3- Apalutamid (11,7 %) oder Enzaluta- Studie EORTC/PEACE-3.15 (Enzalu- Erhöhtes CITBL-Risiko durch neue mid (9,8 %) ( Abb. 2). Ein Rote- tamid + Ra-223 bzw. Enzalutamid antihormonelle Substanzen Hand-Brief zur mCRPC-Therapieop- alleine); Osteoprotektiva waren zu Neue antihormonelle Substanzen tion Radium-223 im Jahr 2018 lenk- Studienbeginn nicht vorgesehen, (NHA) verstärken durch intrinsi- te gesondert die Aufmerksamkeit wurden aber obligat, als im Stu- sche Hemmung der Androgensyn- auf die Knochengesundheit von dienverlauf die Ergebnisse von ERA- these (Abirateron) oder Blockade Prostatakarzinompatienten. In die- 223 bekannt wurden. Durch die Ko- der Androgenrezeptoren (Apalu- ser Mitteilung wurde vor dem medikation mit Denosumab oder tamid, Darolutamid, Enzalutamid) gleichzeitigen Einsatz von Radium- Zoledronsäure wurde das Frakturri- den therapeutischen Effekt der 223 und Abirateron (mit Predni- siko in beiden Gruppen drastisch re- medikamentösen Kastration. Ent- son/Prednisolon) aufgrund einer er- duziert, und zwar von 45,9 % vs. sprechend werden NHA zur Thera- höhten Frakturrate und Sterberate 22,3 % der Patienten in der Gruppe pie des nicht metastasierten gewarnt. Grundlage dieser War- Ra-223 + Enzalutamid vs. Enzaluta- (M0CRPC) und metastasierten kast- nung war die Interimsanalyse der mid alleine auf 2,8 % vs. und 3,9 % rationsresistenten (mCRPC) und ERA 223-Studie [10]. Die Dreifach- in beiden Gruppen unter Osteopro- kastrationssensitiven (mHSPC) Tu- therapie aus ADT, Abriateron/Pred- tektion [11]. In den ESMO-Leitlinien mors in aktuellen Leitlinien emp- nison sowie Radium-223, welches wird von nun an generell eine Os- fohlen. Diese intensivierte Kastra- als radioaktives Kalziumimitat in teoprotektion begleitend zu einer tion (Ultrakastration) erhöht wie- Bereiche mit gesteigertem Kno- Therapie mit dem Radiumisotop derum signifikant das Risiko von chenumsatz eingebaut wird, stellt (223Ra) bei mCRPC-Patienten mit CITBL mit der Folge osteoporoti- eine weitere Eskalation der CITBL Knochenmetastasen empfohlen [7]. scher Frakturen. Die Frakturraten dar und erhöht die Frakturrate auf der SPARTAN- sowie der PROSPER- 29 % gegenüber 11 % der mCRPC Zusammenfassend ist die Osteo- Studie (Zulassungsstudien zum Ein- Therapie mit ADT und Abirate- protektion eine wesentliche Säule satz von Apalutamid bzw. Enzaluta- ron/Prednison. Interessanterweise bei der Therapie von PCa-Patienten. mid zur Vorbeugung von Metasta- fiel die Frakturrate in beiden Be- Vor Beginn einer therapeutischen sen beim M0CRPC) verdeutlichen handlungsgruppen deutlich gerin- ADT sollten Risikofaktoren berück- diesen Zusammenhang [8, 9]: Wäh- ger aus, wenn die Patienten beim sichtigt und ein Knochenstatus rend die Frakturraten in den Kont- Studieneintritt eine Osteoprotek- durch Knochendichtemessung er- UroForum 5/2022
UROONKOLOGISCHE KNOCHENPROTEKTION X77 von SREs sollte daher elementarer Bestandteil der Therapie ossär metastasierter Prostatakarzinom- patienten sein. Die Anwendung osteoprotektiver Substanzen im Falle eines mCRPC zur SRE Präven- tion scheint im Klinik- und Praxis- alltag am geläufigsten zu sein. Im- merhin gaben in der Online-Befra- gung des AKO/AUO 69 % der Befragten an, regelhaft nach Nut- zen-Risiko-Abwägung Osteopro- tektiva beim mCRPC einzusetzen [4]. Hierzu gibt es auch eine ent- Abb. 2: Gesteigerte Rate von osteoporotischen Frakturen unter intensivierter Hormon- sprechende Empfehlung in der entzugstherapie im Vergleich zur alleinige Kastration am Beispiel der SPARTAN Studie deutschen S3-Leitlinie [12]. In die- [8] (Apalutamid beim M0CRPC), PROSPER Studie [9] (Enzalutamid beim M0CRPC) und ser Situation ist die „onkologi- Prevail Studie [16] (Enzalutamid beim mCRPC vor Docetaxel Chemotherapie). sche Dosierung“ der jeweiligen Substanzen vorgesehen, d. h. hoben werden. Neben Vitamin-D auch die daraus resultierenden 4 mg Zoledronsäure intravenös und Kalziumsupplementierung Interventionen (palliativen Kno- oder 120 mg Denosumab s.c., je- und der Reduktion von Risikofakto- chenbestrahlung, operative Frak- weils alle 4 Wochen. Die Empfeh- ren kann zusätzlich eine medika- turversorgung, Querschnittsympto- lungen basieren auf den Zulas- mentöse Osteoprotektion erforder- matik) als SRE definiert. SRE führen sungsstudien von Saad et al. zur lich sein. Zur Anwendung kommen zu Leidensdruck und Hospitalisie- Zoledronsäure und Fizazi et al. zu dabei Denosumab 60 mg s.c. oder rung, und beeinträchtigen so er- Denosumab [13, 14]. Die Verabrei- intravenöse bzw. orale Bisphospho- heblich die Lebensqualität metasta- chung von 4 mg Zoledronsäure bei nate (siehe unter Empfehlungen sierter Patienten. Die Vorbeugung Patienten mit einem mCRPC redu- und Hilfsmittel). zierte die Rate an SRE (vs. Placebo) um 11 % und verlängerte das SRE- Ossär metastasierte PCa: Präven- freie Überleben. Im direkten Ver- tion von Knochenkomplikationen gleich zwischen 4 mg Zoledron- Spezifisch für die Knochenmetas- säure und 120 mg Denosumab tase des Prostatakarzinoms ist das führte Denosumab zu einer weite- osteoblastische Erscheinungsbild. ren Verlängerung des SRE-freien Durch die unkoordinierte Interak- Überlebens beim ossär mCRPC um tion zwischen Osteoblasten und Os- 3,6 Monate (Median 20,7 Monate teoklasten kommt es zum Aufbau Denosumab vs. 17,1 Monate Zole- von instabiler Knochensubstanz. dronsäure). Kumulativ wurden Klassischerweise imponieren die os- fast 100 SRE weniger in der Deno- teoblastischen Metastasen radiolo- sumab Gruppe im Beobachtungs- gisch im Sinne einer vermehrten zeitraum registriert. Strahlenabsorption, was zur Ausbil- dung der charakteristischen Sklero- Die Zulassungen beider Substanzen sierung führt ( Abb. 3). Osteoblas- erlauben offiziell auch einen Ein- tische Metastasen sind jedoch insta- satz im Falle eines ossären mHSPC. bil und können bei weiterem Jedoch gibt es keine Empfehlungen Wachstum zu Schmerzen, Fraktu- zur SRE-Prävention im mHSPC in der ren und Lähmungen führen. Diese deutschen S3-Leitlinie zum Prosta- Knochenkomplikationen werden in Abb. 3: Computertomographische Dar- takarzinom. Diese Zurückhaltung stellung (Knochenfenster, sagittal) einer zurückliegenden Studien als skele- ist den potenziellen Nebenwirkun- diffusen osteoblastischen Metastasie- tal-related-events (SRE) zusammen- rung der nahezu gesamten Wirbelsäule gen der Substanzen wie Kiefernek- gefasst. Genauer gesagt werden eines Patienten mit mCRPC. rose, Nierenschädigung oder Hypo- 5/2022 UroForum
X78 UROONKOLOGISCHE KNOCHENPROTEKTION kalziämie bei gleichzeitig nicht aus- Beeinträchtigung der Lebensquali- Holen Sie sich Ihre reichender Studienlage geschuldet. tät der Patienten mit einem mCRPC CME-Punkte unter In einer prospektiv randomisierten einher. Nach sorgfältiger Nutzen- cme.mgo-fachverlage.de Studie der CALGB wurde 680 Pa- Risiko-Abwägung sollte die Gabe tienten mit einem mHSPC 1:1 ran- von Denosumab 120 mg s.c. oder domisiert in eine sofortige Gabe Zoledronsäure i.v., jeweils alle 4 von Zoledronsäure i.v. alle 4 Wo- Wochen zur Osteoprotektion und chen vs. Placebo. Beim einem Abwendung von SRE integraler Be- mCRPC-Progress wurden dann alle standteil der Systemtherapie sein. Patienten open-label mit Zoledron- Patienten mit einem mHSPC sollten Korrespondenzadresse: Prof. Dr. Thomas Steuber säure (zur SRE-Pävention) behan- wiederum nicht mit einer Osteopro- Martini-Klinik, Prostatakrebszentrum delt. Interessanterweise war die frü- tektion in der „onkologischen Do- am Universitätskliniken he Gabe von Zoledronsäure nicht sierung“ aufgrund von fehlenden Hamburg-Eppendorf Martinistr. 52 mit einer relevanten Verzögerung Daten beginnen, da durch die län- 20246 Hamburg von SRE im Vergleich zur Placebo- gere Exposition höhere Raten un- gruppe assoziiert (mediane Zeit bis erwünschter Ereignisse wie Grad 3 zum SRE von 31,9 Monaten vs. 29,8 Kiefernekrose einer fehlenden Monate, p = 0,39). Dafür traten Wirksamkeit in Bezug auf die SRE- mehr Grad 3 Kieferosteonekrosen Prophylaxe gegenüberstehen. in der Verumgruppe auf (3,2 % vs. Prof. Dr. med. Thomas Steuber 1,9 %) Literatur unter Zusammenfassend geht das Auftre- www.uroforum.de ten von SRE mit einer erheblichen UroForum 5/2022
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