Aktuelle Baumurteile Der Beitrag gibt einen Überblick über die neuere Rechtsprechung insbesondere zur Verkehrssiche-rungspflicht bei Bäumen ...

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Aktuelle Baumurteile Der Beitrag gibt einen Überblick über die neuere Rechtsprechung insbesondere zur Verkehrssiche-rungspflicht bei Bäumen ...
// An Waldaußenrändern, die an
                                                                                                        landwirtschaftlich genutzte
                                                                                                 Grundstücke angrenzen, kann eine
                                                                                             Verkehrssicherungspflicht bestehen. //

Aktuelle
Baumurteile
Der Beitrag gibt einen                       Aus dem Rücksichtnahmegebot sei für den      konkrete Gefahr sei in Anlehnung an den
                                             Eigentümer eines Waldgrundstückes trotz      sicherheitsrechtlichen Gefahrenbegriff an-
Überblick über die neuere                    durch die Bebauung möglicherweise stei-      zunehmen, wenn ein Schaden bei ungehin-
Rechtsprechung insbeson-                     gender Haftungsrisiken kein Anspruch auf     dertem Ablauf des objektiv zu erwarten-
                                             Freihaltung des Baumwurfbereichs von         den Geschehens im konkret zu beurteilen-
dere zur Verkehrssiche-                      jeglicher Bebauung ableitbar. Einem Wald-    den Einzelfall in überschaubarer Zukunft
rungspflicht bei Bäumen.                     besitzer obliege es vielmehr grundsätzlich   mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein-
                                             und damit unabhängig von einem Bauvor-       trete2; die bloße Möglichkeit eines schädi-
Text Rainer Hilsberg                         haben in der Nachbarschaft, einen den An-    genden Ereignisses aufgrund eines hypo-
                                             forderungen der Verkehrssicherungspflicht    thetischen Sachverhalts genüge nicht. Aus
                                             genügenden Zustand zu schaffen. Auch         den jeweiligen Stellungnahmen der zustän-
                                             wenn infolge der heranrückenden Wohn-        digen Fachbehörde hatten sich jedoch
                                             bebauung künftig umfangreichere Ver-         keine Anhaltspunkte für konkrete Baum-
                                             kehrssicherungspflichten bestehen sollten    wurfgefahren ergeben.
 Verkehrssicherungspflicht                   als vorher, begründe dies für sich keinen
 bei Waldaußenrand                           Rücksichtnahmeverstoß.                       Anmerkung
                                                                                          Nach allgemeiner Auffassung in Literatur
Immer wieder wenden sich Eigentümer von      Ein an einen Waldrand „heranrückendes“       und Regelwerken besteht bei Wald eine
Waldgrundstücken wegen befürchteter Haf-     Gebäude könne aufgrund der Gefahr um-        Verkehrssicherungspflicht nur an Wald-
tungsrisiken gegen die Zulassung von Bau-    stürzender Bäume ausnahmsweise allen-        außenrändern, die an öffentliche Straßen
vorhaben auf angrenzenden Grundstücken       falls dann zu Lasten eines benachbarten      oder Wege sowie an Eisenbahnlinien
– in der Regel ohne Erfolg. Der Bayerische   Waldeigentümers wegen Verstoßes gegen        angrenzen sowie bei waldrandnaher
Verwaltungsgerichtshof1 verneint in zwei     das Rücksichtnahmegebot bauplanungs-         Bebauung.3 Demgegenüber scheint der
Entscheidungen einen Verstoß gegen das       rechtlich unzulässig sein, wenn eine ganz    BayVGH davon auszugehen, dass bereits
aus § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB folgende nach-    konkrete, nicht jedoch bloß abstrakte        ohne die geplante Bebauung eine grund-
barschützende Gebot der Rücksichtnahme.      Baumwurfgefahr bestehe. Eine solche          sätzliche Verkehrssicherungspflicht gegen-

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BAUMRECHT

über angrenzenden Grundstücken existiert,      sich nicht um außergewöhnliche Kosten,
die sich nur durch die Bebauung nachträg-      denen es an der Berechenbarkeit fehlt, da
                                                                                                    DER AUTOR
lich erhöht.                                   ein Absterben von Bäumen eine durchaus
                                               natürliche Entwicklung darstelle.                    Rainer Hilsberg ist
Nach einem Urteil des Landgerichts Göttin-                                                          Jurist in der öffent-
gen besteht eine Verkehrssicherungspflicht     Das Fällen eines kranken oder morschen               lichen Verwaltung in
gegenüber landwirtschaftlich genutzten         Baumes sei eine für die Erhaltung einer              Bayern. Er ist mit
Grundstücken.4 Das Urteil betraf ein           gärtnerisch angelegten Fläche notwendige             Seminaren zur Ver-
Grundstück mit einem Weidezaun. Die            Maßnahme, für deren Kosten der/die                   kehrssicherungspflicht für Bäume als
Kontrolle aller Waldrandbäume erscheint        jeweilige Mieter/in aufkommen müsse.                 nebenamtlicher Dozent an der Bayeri-
allerdings wirtschaftlich unzumutbar.5         Das Gericht wies darauf hin, dass sich die           schen Verwaltungsschule tätig und lei-
Außerdem ist zu berücksichtigen, dass an       Frage der Ersatzfähigkeit aufgrund von               tet das Sachgebiet Sicherheit und Ord-
Wald angrenzende Grundstücke, soweit sie       Sturmschäden oder plötzlichen unerwarte-             nung im Regierungsbezirk Schwaben.
nicht mehr dem Wald zuzurechnen sind,          ten bzw. unvorhersehbaren Ursachen
Bestandteil der freien Landschaft i. S. v.     entstandener Baumfällkosten in diesem
§§ 59, 60 BNatSchG sein können und des-        Rechtsstreit nicht gestellt habe.
halb dort ebenfalls mit wald- bzw. natur-                                                        gleichzeitig einen unter die Vorschrift des
typischen Gefahren zu rechnen ist. Eine        Anmerkung                                         § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrKV fallenden beste-
Verkehrssicherungspflicht des Waldeigen-       Die Umlagefähigkeit von Kosten für Baum-          henden „sonstigen Mangel“ beseitigt. Die
tümers gegenüber angrenzenden Wald-            fällarbeiten ist umstritten. Die Instanz-         Kosten hierfür gehörten deshalb nicht zu
grundstücken wird von den Zivilgerichten       gerichte sehen Baumfällkosten teils als           den umlagefähigen Betriebskosten. Nach
zu Recht verneint.6 Aufgrund der obigen        umlagefähig und teils als nicht umlagefähig       der herrschenden Ansicht in der Literatur
Rechtsprechung liegt es nahe, an Wald-         an. Beispielsweise ist das AG Garmisch-           sind Baumfällkosten dagegen gemäß § 2
außenrändern, die an landwirtschaftlich        Partenkirchen9 der Ansicht, dass durch das        Nr. 10 BetrKV umlagefähig. Bis zur Klärung
genutzte Grundstücke angrenzen, zumindest      Fällen eines morschen und kranken Baumes          durch eine obergerichtliche Entscheidung
bei vorhandenen baulichen Anlagen wie          der Grundstückseigentümer seiner Ver-             ist weiter mit unterschiedlichen Gerichts-
Weidezäunen oder Hopfenstangen Baum-           kehrssicherungspflicht nachkommt und              urteilen zu rechnen.
kontrollen durchzuführen. Jedenfalls sollten
Waldeigentümer bekannte akute Gefahren
beseitigen, vor allem wenn die Gefahr von
Personenschäden besteht.7

 Baumfällkosten als
 umlagefähige Betriebskosten

Nach dem eingehend begründeten Urteil
des LG München8 gehört zur „Gartenpflege“
im Sinne des § 2 Nr. 10 BetrKV auch das
Fällen von kranken, morschen und abge-
storbenen Bäumen. Die dafür anfallenden
Kosten seien daher im Mietverhältnis als
Betriebskosten umlagefähig. Dies gelte un-
abhängig davon, ob eine Ersatzbepflan-
zung erfolge oder nicht. Dass Baumfällkos-
ten im Regelfall erst nach Jahrzehnten
entstehen, begründe hier keine besondere
Schutzwürdigkeit der Mieterseite. Bei Ver-
tragsschluss könnten entsprechende Infor-      // Aus den festgestellten Schadsymptomen sind die richtigen Schlussfolgerungen hinsichtlich der
mationen eingeholt werden. Es handele          Verkehrssicherheit zu ziehen. //

TASPO BAUMZEITUNG 01/2021                                                                                                                    45
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                                                                                                                    und ließ diese Frage offen.

                                                                                                                    Den Ausführungen der Sachverständigen
                                                                                                                    folgend war nach Auffassung des Gerichts
                                                                                                                    der Baum bereits vor dem 18.01.2018 so
                                                                                                                    stark geschädigt, dass zumindest nach
                                                                                                                    dem Sturmtief „Burglind“ und vor dem an-
                                                                                                                    gekündigten neuerlichen Sturmtief „Frie-
                                                                                                                    derike“ eine Sperrung des Bereichs – wenn
                                                                                                                    nicht sogar eine sofortige Fällung ange-
                                                                                                                    zeigt gewesen wäre und dies für einen
                                                                                                                    sorgfältig prüfenden Baumkontrolleur

                                                                                                  Fotos: Hilsberg
                                                                                                                    zuvor auch erkennbar war. Bereits die
                                                                                                                    Beschreibung des Baumkontrolleurs vom
                                                                                                                    01.02.2017 hätte Anlass geben können,
                                                                                                                    eine Sichtkontrolle des Schadbaums jeden-
// Übernimmt eine Fachfirma die Verkehrssicherungspflicht bei einer Wohnanlage, wird sie selbst                     falls nach dem Durchziehen von „Burglind“
deliktsrechtlich verantwortlich. //                                                                                 vorzunehmen. Nach Ziffer 5.5 der Baum-
                                                                                                                    kontrollrichtlinien seien „Problembäume“
                                                                                                                    nach besonderen Wetterereignissen einer
                                                                                                                    Zusatzkontrolle zu unterziehen, zumal
                                                                                                                    wenn ein weiterer Sturm angekündigt sei.
     Handlungspflichten nach Sturm               Ein vom Kläger beauftragter Privatgutachter                        Ob die die Entfernung des Baums oder nur
                                                 ging nach der Auswertung von Lichtbildern                          eine (teilweise) Sperrung des Parkplatzes
Am 18.01.2018 stürzte im Zusammenhang            von erheblichen Vorschäden des Baumes                              erforderlich gewesen sei, könne mangels
mit dem Sturmtief „Friederike“ eine Ross-        aus. Es sei ein Kontrollintervall von min-                         Entscheidungserheblichkeit dahinstehen.
kastanie auf dem Parkplatz vor dem Rat-          destens einem Jahr, ggf. sogar ein halb-                           Bei beiden Reaktionen wäre es nicht zu
haus der beklagten Stadt auf einen dort          jährliches Kontrollintervall, angezeigt ge-                        dem Schadenseintritt gekommen.
geparkten Pkw einer städtischen Mitarbei-        wesen. Es hätte nach den Baumkontroll-
terin und beschädigte diesen schwer. Die         richtlinien der Forschungsgesellschaft                             Bei der Beweiswürdigung berücksichtigte
Versicherung, die den Schaden gegenüber          Landschaftsentwicklung Landschaftsbau                              das Gericht auch zu Lasten der Stadt, dass
der Geschädigten reguliert hatte, nahm die       e. V. einer eingehenden Untersuchung                               diese den Baum unter Verstoß gegen die
Stadt auf Ersatz des Schadens in Anspruch.       bedurft. Die Einstufung durch den Kontrol-                         Baumkontrollrichtlinien sogleich beseitigt
                                                 leur sei eindeutig falsch gewesen. Der                             und dadurch eine validere Begutachtung
Bereits am 03.01.2018 war das Sturmtief          Baum hätte bereits vor dem 18.01.2018                              vereitelt habe.
„Burglind“ über die Stadt gezogen. Die           gefällt werden müssen. Diese Einschätzung
Stadt veranlasste in der Folge weder eine        wurde von dem gerichtlich beauftragten                             Bei Beauftragung eines privaten Sachver-
(Zusatz-)Kontrolle des Baumes noch eine          Sachverständigen im Wesentlichen bestä-                            ständigenbüros handelten dessen Arbeit-
(teilweise) Sperrung des Parkplatzes. Bei        tigt. Jedenfalls sei nach den Baumkontroll-                        nehmer bei der Durchführung der der
der letzten Begutachtung des Baumes am           richtlinien eine Zusatzkontrolle nach dem                          öffentlichen Hand als Verkehrssicherungs-
01.02.2017 durch einen Mitarbeiter einer         Sturm „Burglind“ notwendig gewesen.                                pflichtiger obliegenden Baumkontrollen als
beauftragten Fachfirma hatte dieser den                                                                             „verlängerter Arm“ der Verwaltung und da-
Baum wie folgt beschrieben: Stamm hohl/          Das Arbeitsgericht Aachen10 gab der Klage                          mit hoheitlich. Eine Exkulpationsmöglich-
morsch, Astwunden, Verletzungen, baum-           statt. Der Schadensersatzanspruch ergebe                           keit entsprechend § 831 Abs. 1 S. 2 BGB
fremder Bewuchs, V-Zwiesel vorhanden;            sich entweder aus § 839 Abs. 1 BGB                                 bestehe dabei nicht. Der Anspruch sei
an der Krone: Fäulen, Höhlungen, Kappungs-       i. V. m. Art. 34 GG wegen Verletzung der                           nicht wegen Mitverschuldens der Mitarbei-
stellen, baumpflegerische Behandlung. Der        öffentlich-rechtlichen Verkehrssicherungs-                         terin gemäß § 254 Abs. 1 BGB zu kürzen.
Kontrolleur stufte den Baum als „leicht bis      pflicht, sofern es sich um einen öffentlich                        Sie habe darauf vertrauen dürfen, dass die
mittelstark geschädigt“ und „verkehrs-           zugänglichen Parkplatz handelt, oder aus                           Stadt ihrer Verkehrssicherungspflicht
sicher“ ein.                                     §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i. V. m. dem                         nachkommt.
                                                 Arbeitsvertrag (Verletzung von Schutz-
Die Stadt ließ die Überreste des Schad-          pflichten aus dem Arbeitsverhältnis), sofern                       Anmerkung
baums vernichten, ohne dass zuvor eine           es sich um einen Mitarbeiterparkplatz                              Die Entscheidung des ArbG Aachen über-
weitere Begutachtung erfolgte.                   handelt. Das Gericht ging von der Inhalts-                         zeugt im Ergebnis. Sturm ist nur dann

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Aktuelle Baumurteile Der Beitrag gibt einen Überblick über die neuere Rechtsprechung insbesondere zur Verkehrssiche-rungspflicht bei Bäumen ...
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höhere Gewalt, wenn nicht zuvor Schad-          Übertragung der                                der Wohnungseigentümergemeinschaft
symptome erkennbar waren. Bei der Kon-          Verkehrssicherungspflicht auf Dritte           käme daneben nur in Betracht, wenn sie
kretisierung der Verkehrssicherungspflicht                                                     hätte erkennen müssen, dass der von ihr
legte das Gericht unter Verweis auf die        Eine Wohnungseigentümergemeinschaft             erteilte Auftrag unzureichend war; hierfür
jüngere Rechtsprechung maßgeblich die          schloss mit einer Fachfirma einen Pflege-       sei indessen nichts ersichtlich.
Baumkontrollrichtlinien zugrunde.11            vertrag über die Durchführung von „ver-
                                               kehrssicherheitsrelevanten und baumpfle-        Anmerkung
Das Verschulden des Mitarbeiters der be-       gerischen Schnittmaßnahmen“. Der zur            Auf die Darstellung der spezifischen
auftragten Fachfirma musste sich die Stadt     Wohnanlage gehörende Baumbestand sollte         Probleme der Haftung bei einer Wohnungs-
zurechnen lassen. Grundsätzlich ist zwi-       hiernach einmal jährlich kontrolliert wer-      eigentümergemeinschaft, die ebenfalls
schen privatrechtlicher Aufgabenerfüllung12    den. Am 07.01.2016 führte die Fachfirma         Gegenstand des Urteils waren, wurde hier
und hoheitlicher Aufgabenerfüllung13 zu        eine solche Kontrolle durch; in einem           verzichtet. Im Ergebnis hätte nach dem
unterscheiden. Während bei hoheitlicher        schriftlichen Bericht bestätigte sie den        BGH die Geschädigte jedenfalls statt der
Aufgabenerfüllung allein die Gemeinde          verkehrssicheren Zustand der Bäume. Am          Wohnungseigentümergemeinschaft die
nach Amtshaftungsgrundsätzen (§ 839            02.05.2016 wurde ein von der Klägerin,          Fachfirma in Anspruch nehmen müssen.
BGB i. V. m. Art. 34 GG) für Fehler des        einem Mitglied dieser Wohnungseigen-            Bedeutsam für die Praxis ist, dass bereits
privaten Unternehmens haftet (und nur im       tümergemeinschaft, auf dem Parkplatz der        mit der Übernahme von „verkehrssicher-
Innenverhältnis beim Unternehmen ggf.          Wohnanlage abgestelltes Kraftfahrzeug           heitsrelevanten“ Schnittmaßnahmen eine
Regress nehmen kann), haftet sie bei           dadurch beschädigt, dass ein großer Ast         Delegation der Verkehrssicherungspflicht
privater Aufgabenerfüllung ausschließlich      einer auf dem Grundstück der Anlage ste-        einhergeht.17 In diesem Zusammenhang
für eine Verletzung der ihr bzgl. des Unter-   henden Platane abbrach und auf das Fahr-        sei darauf hingewiesen, dass die Haftung
nehmens obliegenden Auswahl-, Über-            zeug fiel. Der Bundesgerichtshof verneinte      für die Verletzung von Auswahl- und Über-
wachungs- und Kontrollpflichten.14             einen Schadensersatzanspruch der Woh-           wachungspflichten gemäß § 823 BGB bei
                                               nungseigentümerschaft.                          der Delegation von Verkehrssicherungs-
Letzteres greift hier im Rahmen der privat-                                                    pflichten unabhängig davon ist, ob die
rechtlichen Anspruchsnorm ausnahmsweise        Nach der ständigen Rechtsprechung des           Voraussetzungen des § 831 BGB vorlie-
nicht. Denn zwischen der Geschädigten          BGH16 kann die Verkehrssicherungspflicht
und der Stadt als Auftraggeber besteht ein     auf einen Dritten delegiert werden. Voraus-
vertragliches Schuldverhältnis, weshalb        setzung hierfür ist eine klare Absprache,
die Fachfirma als Erfüllungsgehilfe der        die eine Ausschaltung von Gefahren sicher-
Stadt nach § 278 BGB anzusehen ist mit         stellt. Dann verengt sich die Verkehrs-
der Folge, dass diese für das Verhalten ih-    sicherungspflicht des ursprünglich allein
rer Hilfsperson einzustehen hat.15 Dagegen     Verantwortlichen auf eine Kontroll- und
scheidet § 831 BGB schon deswegen aus,         Überwachungspflicht, die sich darauf er-
weil es sich bei der Fachfirma um ein          streckt, ob der Dritte die übernommenen
selbstständiges Unternehmen handelt. Diese     Sicherungspflichten auch tatsächlich aus-
sind regelmäßig keine Verrichtungsgehil-       geführt hat.
fen des Auftraggebers, da sie nicht in dem
Maße in seinen Betrieb eingegliedert und       Eine solche klare Absprache sei hier da-
seinen Weisungen unterworfen sind, dass        durch erfolgt, dass die Fachfirma mit der
sie als dessen Hilfsperson angesehen           Durchführung von „verkehrssicherheits-
werden müssten. Dies hat das Gericht           relevanten“ Schnittmaßnahmen beauftragt
übersehen, ohne dass sich jedoch am            worden sei. Dass die Fachfirma nicht hin-
Ergebnis etwas ändern würde.                   reichend kontrolliert und überwacht wor-
                                               den sei, werde von der Klägerin nicht auf-
Grundsätzlich kann die Stadt zumindest im      gezeigt. Das Berufungsgericht musste, an-
Innenverhältnis einen Regressanspruch ge-      ders als die Klägerin meine, nicht darüber
gen die Fachfirma haben, der zur Wahrung       Beweis erheben, ob es angezeigt gewesen
dieses Regressanspruchs in dem Prozess         wäre, den Baumbestand nicht nur einmal
der Streit verkündet worden war. Bedeut-       im Jahr, sondern – so die Ansicht der
sam für die Praxis ist die Ansicht des Ge-     Klägerin – mindestens zweimal im Jahr zu
richts, ein Mitverschulden lasse sich nicht    kontrollieren. Dies zu beurteilen sei in ers-
allein daraus herleiten, dass ein Verkehrs-    ter Linie Sache der Fachfirma gewesen, die      // Ist der Baum geschützt, sind
teilnehmer trotz Sturmwarnung unter            für die notwendigen Sicherungsmaßnahmen         Unannehmlichkeiten bei der
einem Baum parkt.                              verantwortlich geworden sei. Eine Haftung       Grundstückszufahrt hinzunehmen. //

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   gen. Denn bei diesem Haftungstat-            legung der Anzahl der zu pflanzenden          bereich im Sinne des § 4 S. 1 BGG und § 2
bestand handelt es sich um einen Fall nor-      Bäume in einer Verwaltungsvorschrift aus.     Abs. 3 S. 1 NBGG handele.
mierter Verkehrssicherungspflichten, die        Eine Orientierung an der GALK-Muster-
grundsätzlich bei § 823 BGB zu lokalisie-       Baumschutzsatzung21, die in § 8 Größe         Die Unzumutbarkeit der Belastung sei je-
ren sind, bezüglich derer aber die Beweis-      und Zahl der Ersatzpflanzungen regelt, ist    doch nur dann anzunehmen, wenn allein
lastverteilung besonders ausgestaltet ist.18    zu empfehlen.                                 die Entfernung des Baumes einen barriere-
Bemerkenswert ist die Aussage, dass die                                                       freien Zugang zum Grundstück sicherstel-
Entscheidung über das Kontrollintervall          Befreiung aus                                len würde. Gingen von dem Baum Unan-
primär Aufgabe der beauftragten Fach-            personenbezogenen Gründen                    nehmlichkeiten aus, die weder eine
firma ist und nicht des Auftraggebers. Ob                                                     bestimmungsgemäße Nutzung des Grund-
dies bei hoheitlicher Erfüllung der Verkehrs-   Das OVG Lüneburg22 hatte darüber zu ent-      stückes durch den behinderten Eigentümer
sicherungspflicht durch die öffentliche         scheiden, inwieweit eine (Schwer-)Behin-      unmöglich machen noch diesen im Ver-
Hand in gleicher Weise gilt, ist fraglich.      derung der Grundstückseigentümerin bei        gleich zu einem nichtbehinderten Grund-
Insoweit wird auf die in der vorstehenden       der Entscheidung über eine Befreiung von      stückseigentümer besonders betreffen, so
Anmerkung getätigten Ausführungen zu            den Verboten einer städtischen Baum-          bestehe kein Anspruch auf die Erteilung
den Besonderheiten bei hoheitlicher Auf-        schutzsatzung zu berücksichtigen ist. Es      einer naturschutzrechtlichen Befreiung.
gabenerfüllung verwiesen.                       stellt zunächst fest, dass eine Befreiung
                                                aufgrund einer Regelung, die dem allge-       Anmerkung
 Bestimmtheit einer                             meinen Befreiungstatbestand des § 67          Es entspricht herrschender Recht-
 Baumschutzsatzung                              Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BNatSchG (unzumutbare       sprechung23, dass eine Befreiung wegen
                                                Belastung) entspricht, eine atypische Aus-    unzumutbarer Belastung eine atypische
Nach dem OVG Sachsen-Anhalt19 muss              nahmesituation voraussetzt, die gegeben       Fallgestaltung voraussetzt und grundsätz-
eine Baumschutzsatzung die für die Ent-         sein könne, wenn ein geschützter Baum im      lich nur grundstücksbezogene Gründe
scheidung über die Anordnung von Ersatz-        Einfahrtsbereich eines Grundstücks steht.     maßgeblich sind. Letzteres folgt u.a. aus
pflanzungen maßgeblichen Kriterien sowie                                                      dem verfassungsrechtlichen Ansatz, dass
Regelungen zu Art und Umfang der Ersatz-        Die Beurteilung, ob von einem atypisch        es sich bei naturschutzrechtlichen Be-
pflanzung enthalten, die eine Bestimmung        platzierten, geschützten Baum eine unzu-      schränkungen grundsätzlich um Inhalts-
im Einzelfall aufgrund sachgerechter und        mutbare Belastung ausgeht, habe grund-        und Schrankenbestimmungen des Eigen-
konkretisierbarer Kriterien ermöglichen         sätzlich nur anhand grundstückbezogener       tums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG
und damit eine willkürliche Behandlung          Besonderheiten zu erfolgen. Personen-         handelt. Demgemäß kann es nicht auf indi-
durch die Behörde ausschließen. Notwen-         bezogene Besonderheiten könnten jedoch        viduelle Umstände, wie etwa persönliche,
dig sind Hinweise zu Anzahl und Größe           ausnahmsweise dann Berücksichtigung           finanzielle, familiäre oder gesundheitliche
der Ersatzpflanzen und der Abhängigkeit         finden, wenn sie unabänderlich seien, die     Bedingungen des Betroffenen ankommen.
dieser Parameter zu Quantität und Qualität      Rechtsordnung sie auch in anderen Zusam-
des beseitigten Baums. Nicht ausreichend        menhängen besonders berücksichtige und        Naturschutzrechtliche Regelungen stellen
ist daher eine Regelung, die allein darauf      sie sich typischerweise auf die Nutzung       auf objektive Gesichtspunkte bei der
abstellt, ob „die Beseitigung oder Verände-     des umgebenden Raumes und die gestalte-       Nutzung des Grundstückseigentums ab,
rung von Bäumen erhebliche oder nach-           te Umwelt auswirkten.                         nicht aber auf die persönliche Situation
haltige Beeinträchtigungen der Funktions-                                                     gerade des jeweiligen Eigentümers. Für
fähigkeit des Naturhaushaltes oder des          Eine Behinderung des Grundstückseigen-        eine restriktive Handhabung der Härte-
Landschaftsbildes zur Folge hat“.               tümers stelle angesichts der bauordnungs-     klausel spricht auch, dass andernfalls eine
                                                rechtlichen und behindertenrechtlichen        Vielzahl von geschützten Bäumen „zur
Anmerkung                                       Regelungen zu Barrierefreiheit, wie sie       Disposition“ gestellt würden. Nur aus-
Nach wohl mittlerweile herrschender             etwa in §§ 2 Abs. 16, 49, 51 S. 3 Nr. 9       nahmsweise in besonderen Situationen
Ansicht in der Rechtsprechung20 sind in         NBauO sowie den Behindertengleichstel-        wie etwa der vorliegenden erscheint es
einer kommunalen Baumschutzsatzung/             lungsgesetzen des Bundes (BGG) und der        daher gerechtfertigt, auch personen-
-verordnung sowohl Hinweise zu der              Länder (in Niedersachsen: NBGG) zu finden     bezogene Gründe zu berücksichtigen. //
Abhängigkeit des Ersatzpflanzgebotes von        sind, eine berücksichtigungsfähige perso-
Quantität und Qualität des beseitigten          nenbezogene Besonderheit dar. Der
Baums als auch Kriterien für Anzahl und         Rechtsgedanke der Barrierefreiheit könne
Größe der Ersatzpflanzen erforderlich. Die      im Naturschutzrecht jedenfalls dann heran-
notwendige Konkretisierung darf nicht der       gezogen werden, wenn es um den Schutz           Die Literaturliste zu diesem Beitrag
Verwaltung überlassen bleiben, sondern          von Natur in Gärten und Freiflächen im          finden Sie als Download auf unserer
ist vom Satzungs-/Verordnungsgeber zu           innerstädtischen Bereich gehe, weil es sich     Website unter www.baumzeitung.de.
treffen. Damit scheidet auch eine Fest-         hierbei um einen gestalteten Lebens-

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