Alle meine Freunde sind besser als ich!

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Alle meine Freunde sind besser als ich!
Alle meine Freunde
sind besser als ich!
Auswirkungen sozialer
Mediennutzung auf den Selbstwert
und Depressionen in Abhängigkeit
von sozialen Vergleichen

Dr. Phillip Ozimek
Nachwuchsprofessur „Sozial- und Medienpsychologie"
Hüfferstraße 27   fon +49 (0)251.83 65803   phillip.ozimek@fh-muenster.de
D-48149 Münster                             www.fh-muenster.de
Was sind soziale Medien?

„Soziale Medien dienen der – häufig profilbasierten – Vernetzung von Benutzern und
deren Kommunikation und Kooperation über das Internet“, Gabler Wirtschaftslexikon

„Internetanwendungen, die der Zusammenarbeit und dem Austausch dienen. Nutzer
stellen ihre Inhalte ins Netz. Diese Inhalte können gemeinsam mit anderen
weiterentwickelt werden. Einen wesentlichen Bestandteil bildet zudem der Austausch
der Nutzenden untereinander bei diesem Prozess.“, Hans-Böckler-Stiftung

„Gesamtheit der digitalen Technologien und Medien wie Weblogs, Wikis, soziale
Netzwerke u. Ä., über die Nutzerinnen und Nutzer miteinander kommunizieren und
Inhalte austauschen können“,
Duden
Was haben diese Definitionen
gemeinsam?

•   Online-basierte, zwischenmenschliche Kommunikation

•   Austausch und Mitgestaltung der Internetseiten (Web 2.0)
Welche sozialen Medien gibt es?
Statistiken
Social Networks mit den meisten Nutzern weltweit 2019

                                                                                        Monatlich aktive Nutzer in Millionen

            Facebook                                                                                                                              2.271

            YouTube                                                                                                                       1.900

           WhatsApp                                                                                                               1.500

Facebook Messenger                                                                                                        1.300

      Weixin/WeChat                                                                                         1.083

           Instagram                                                                                1.000

                  QQ                                                                  803

               QZone                                                531

       Douyin/TikTok                                              500

          Sina Weibo                                        446

               Reddit                              330

               Twitter                             326

              Douban                               320

           LinkedIn**                            303

        Baidu Tieba*                             300

   Hinweis(e): Weltweit; Stand: 25. Januar 2019; Basierend auf den letzten Unternehmensangaben
 7 Quelle(n): We Are Social; Hootsuite; DataReportal; ID 181086
Tägliche Verweildauer auf Social Networks weltweit nach Ländern 2018

                                                                                                Verweildauer in Minuten pro Tag
                                       0                          50                            100                      150                                  200                250         300
                       Philippinen                                                                                                                                                     252
                                                                                                                                                                           214
                        Kolumbien                                                                                                                                        211
                                                                                                                                                                       206
                       Argentinien                                                                                                                               198
                                                                                                                                                                197
                            Mexiko                                                                                                                           192
                                                                                                                                                             191
                            Ghana                                                                                                                         187
                                                                                                                                                         184
     Vereinigte Arabische Emirate                                                                                                                     179
                                                                                                                                                      178
                    Saudi-Arabien                                                                                                               170
                                                                                                                                               168
                             Kenia                                                                                                             167
                                                                                                                                               166
                          Marokko                                                                                                        153
                                                                                                                                        152
                             Indien                                                                                                     152
                                                                                                                                  136
                          Portugal                                                                                          129
                                                                                                                           128
                               USA                                                                                       124
                                                                                                                   117
                             Irland                                                                              113
                                                                                                                112
                             Italien                                                                           111
                                                                                                              110
                        Schweden                                                                             109
                                                                                                           107
                        Hongkong                                                                           107
                                                                                                          105
                      Neuseeland                                                                         103
                                                                                                    99
                         Australien                                                            91
                                                                                               91
                        Dänemark                                                               91
                                                                                          77
                      Niederlande                                                        76
                                                                                         76
                        Österreich                                                  72
                                                                                  69
                      Deutschland                                            64
                                                             36

        Hinweis(e): Weltweit; 2. und 3. Quartal 2018; 16-64 Jahre; Internetnutzer
        Quelle(n): We Are Social; Hootsuite; DataReportal; ID 160137
30
Anteil der Nutzer von Social-Media-Plattformen nach Alter in Deutschland 2018

                                                                                             14-29 Jahre      30-49 Jahre       50-69 Jahre       Ab 70 Jahre

                    70,0%

                                 63%

                    60,0%

                                                                          50%
                    50,0%
Anteil der Nutzer

                    40,0%                38%
                                                                                                                   36%

                    30,0%

                    20,0%                         17%
                                                                                   13%

                    10,0%                                                                                                                                    7%                        8%
                                                            6%                                                                                                    5%              5%
                                                                                            3%                              2%                                          2%
                                                                                                     0%                              1%       0%                             0%                    1%   1%
                    0,0%
                                           Facebook                                 Instagram                                 Snapchat                             Twitter                  Xing

                     Hinweis(e): Deutschland; Ende Januar bis bitte April 2018; ab 14 Jahre; n= 2.009; Deutschsp. Bevölkerung; mindestens wöchentliche Nutzung
12                   Quelle(n): ARD; ZDF; ID 543605
Monatlich aktive Nutzer von Facebook weltweit bis zum 2. Quartal 2019

                                        3000

                                        2500
Monatlich aktiven Nutzer in Millionen

                                        2000

                                        1500

                                        1000

                                        500

                                           0
                                               Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2
                                               '09 '09 '09 '09 '10 '10 '10 '10 '11 '11 '11 '11 '12 '12 '12 '12 '13 '13 '13 '13 '14 '14 '14 '14 '15 '15 '15 '15 '16 '16 '16 '16 '17 '17 '17 '17 '18 '18 '18 '18 '19 '19

                                        Quelle(n): Facebook; ID 37545

19
Warum Forschung mit Facebook?

•   Bereits mehr als 500 Studien im Bereich „Forschung mit
    Facebook“
      • Nach Meta-Analysen im Jahr 2012
      • Nach Google-Scholar-Suche (2019): 6,23 Millionen
           Treffer

•   FB = Plattform für vielfältige soziale Interaktionen

•   Neue Gelegenheit, Sozialverhalten zu erforschen

•   Möglichkeit, Online-Sozialverhalten mit „realem“
    Sozialverhalten zu vergleichen

•   Aber: „Facebook-Trend“ im Rückgang; „Trendiness“ geht
    hin zu Instagram, Snapchat und TikTok
       • Allmählicher Studientrend von Facebook zu
            Instagram

                                                             Statista, 2018; 2019; Wilson, Gosling & Graham, 2012
Motive zur Facebooknutzung

•   In Studien herausgearbeitet:
       – Need To Belong
       – Need To Self-Presentation
       – Need to Compare

•   Darüber hinaus Zusammenhänge zu:
      – Persönlichkeit (Big Five, Narzissmus, Materialismus)
      – Selbstdarstellung
      – Selbstwert
      – Psychopathologie

                                                                Appel et al., 2016; Lee, 2014; Mehdizadeh, 2010;
     29.10.2019                                       Nadkarni & Hofmann, 2012; Ozimek, Baer & Förster, 2017;
                                               Ozimek & Bierhoff, 2016; Ryan & Xenos, 2011; Verduyn et al., 2017
Facebook, Soziale Vergleiche und
Selbstwert
•   Studien zeigen einen positiven Zusammenhang zwischen Sozialen Vergleichen und
    der Intensität der Facebook-Nutzung
      –     Dieser Zusammenhang zeigt sich sowohl korrelativ als auch experimentell

•   Und ein hauptsächlich negativ erlebtes Gefühl nach den Vergleichen…

•   Meta-Analysen:
      –     Aktive Facebook-Nutzung  mehr Wohlbefinden, höherer Selbstwert
      –     Passive Facebook-Nutzung  weniger Wohlbefinden, geringerer Selbstwert

•   Idee:
      –     Vergleiche auf Facebook sind hauptsächlich aufwärtsgerichtet
      –     Vergleiche von eigenem Real-Selbst mit beschönigten Ideal-Selbst-Profilen
      –     Bislang fehlt Unterscheidung der Vergleichsdimension: fähigkeitsorientiert vs.
            meinungsbasiert

                                                                Brandenberg et al.,2019; Lee, 2012; Ozimek & Bierhoff, 2016;
                                                                               Ozimek & Förster, 2017; Verduyn et al., 2017
Facebook, Soziale Vergleiche und Well-
Being
                +      Neid, Niedergeschlagenheit,
                              Sorge
  Fähigkeitsorientierte
  Soziale Vergleiche
                                                                        +    Wohlbefinden
                              Optimismus, Inspiration,
                              positive Gefühle

                          +   Optimismus, Inspiration,
  Meinungsbasierte            positive Gefühle                          +    Wohlbefinden
  Soziale Vergleiche
                              Neid, Niedergeschlagenheit,

                                                         Park & Baek, 2018
Depression und Facebook – warum?

•    Zusammenhänge zwischen Facebook, Sozialen Vergleichen und dem Selbstwert
       –   Nutzen depressive Menschen Facebook zur Selbstwerterhöhung?
       –   Führt die Nutzung von Facebook zu aufwärtsgerichteten Vergleichen in einer vulnerablen
           Population zu depressiven Symptomen?

•    Macht Facebook depressiver oder führen Depressionen zu mehr
     Facebookkonsum?

•    Nutzen Menschen, die so niedergeschlagen, antriebslos und freudlos sind, weniger
     soziale Medien und weniger soziale Online-Interaktionen?

•    Könnten soziale Medien zu mehr soziale Kompetenzen bei depressiven Menschen
     fördern oder sogar den Aufbau positiver Kontakte und Interaktionen ermöglichen?
     (als erste „Selbstbehandlung“)
Depression und Facebook

Bisher unklare Evidenzlage:

-   Positive Zusammenhänge (vermittelt über Neid; Tandoc et al., 2015; vermittelt über soziale
    Vergleiche: Appel et al., 2016; Feinstein et al., 2013; Steers et al., 2014)

-   Keine Zusammenhänge (monokausaler Zusammenhang untersucht; Brandenberg et al.,
    2019; Datu et al., 2012; Jelechick et al., 2013; Simoncic, 2012)

-   Negative Zusammenhänge (vermittelt über Neurotizismus; Wee et al., 2017)
Depression und Facebook

Probleme:
1. Depression ist Störung mit multifaktorieller Entstehungsgeschichte
    mehrere Vermittlungsvariablen im Erklärungsmodell notwendig

2. Universelle Soziale Vergleiche bedingen zunächst weder höheres noch geringeres
   Wohlbefinden
    Fähigkeitsorientierte Vergleiche bedeutsam

3. Fähigkeitsorientierte (Aufwärts-) Vergleiche bedingen nur mittelbar höhere
   depressive Tendenzen
    Ein geringerer Selbstwert ist ausschlaggebend
Depression und Facebook

Lösung: Erweitertes Erklärungsmodell

             Facebooknutzung   Fähigkeitsorientierte   Selbstwert    Depressive
                   (+)               SV (+)                (-)      Tendenzen (+)
All my online-friends are better than me
     Three studies about ability-based
comparative social media use, self-esteem,
        and depressive tendencies
   Phillip Ozimek & Hans- Werner Bierhoff (2019)
         Behaviour & Information Technology
Forschungsvorhaben

  – 3 Studien:

    1. Short-term consequences of internet and Facebook use on self-esteem (N = 75)
        –   Experimentalstudie: Überprüfung von FB (+)  fähigkeitsorientierte SV (+)  Selbstwert (-)

    2. Mediational effects of social comparative Facebook use on participants’ self-
       esteem and depressive tendencies (N = 809)
        –   Korrelationsstudie: Überprüfung des Erklärungsmodells an Facebooknutzung

    3. Mediational effects of social comparative Facebook and XING use on
       participants’ self-esteem and depressive tendencies (N = 145; Reanalyse von
       Brandeberg et al., 2019)
        –   Korrelationsstudie: Überprüfung des Erklärungsmodells an Facebook- und XING-Nutzung
Short-term consequences of internet
and Facebook use on self-esteem
  –   N = 75,
  –   17 m, 58 w
  –   Alter: 22.33 (SD = 4.32)
  –   93.3% Abitur, 61.3% Studierende
  –   Drei Gruppen:
      –   EG1: 5-Minuten Facebook Exposition (N = 25)
      –   EG2: 5-Minuten Internet-Exposition (N = 29)
      –   KG: Keine Exposition (N = 29)
      –   Keine demographischen Unterschiede bzgl. der Gruppen
Short-term consequences of internet
and Facebook use on self-esteem
  – Nach Exposition: Beantwortung der State Self-Esteem Scale
    (Rudolph et al., 2009)  Erfassung des Zustandsselbstwertes
    der Teilnehmenden

    – Performance Self-Esteem (Bsp.: “I feel confident about my abilities.“)

    – Social Self-Esteem (Bsp.: “I feel that others respect and admire me.“)

    – Appearance Self-Esteem (Bsp.: “I feel good about myself.”)
Short-term consequences of internet
and Facebook use on self-esteem
            4,3

            4,2
                                                                            t73 = -2.247, p = .03
            4,1

             4

            3,9

            3,8

            3,7

            3,6
                  FB vs. Internet vs. Control   Internet Ges. vs. control
Short-term consequences of internet
and Facebook use on self-esteem
•   Weniger Perfomance Zustandsselbstwert nach Internet-Exposition im
    Zusammenhang mit fähigkeitsorientierten Vergleichsaufgaben

•   Kausaler Nachweis für FB/Internet  Fähigkeitsorientierte SV Selbstwert

•   Kurzzeitiger Effekt von Facebook-Nutzung
      – Was passiert langfristig?
Mediational effects of social comparative Facebook use on
participants’ self-esteem and depressive tendencies

•   N = 809,
•   359 m, 450 w
•   Alter: 25.83 (SD = 8.26)
•   55.4% Abitur, 52.7% Studierende

• Fragebogenstudie mit:
     –   Facebook Activity Questionnaire (Ozimek & Bierhoff, 2016)
     –   INCOM, Subscala Ability (Schneider & Schupp, 2011)
     –   Rosenberg SES (Collani & Herzberg, 2003)
     –   BDI-II R (Hautzinger, Keller & Kühner, 2007)
Mediational effects of social comparative Facebook use on
participants’ self-esteem and depressive tendencies
Mediational effects of social comparative Facebook use on
participants’ self-esteem and depressive tendencies

•   Sequentielles Mediationsmodell mit den Daten vereinbar

•   Langzeiteffekt von Facebook-Nutzung
      – FB  fähigkeitsorientierte SV  Selbstwert  Depressive Tendenzen

•   Was passiert in anderen sozialen Medien?
      – Reanalyse von Brandenberg et al., 2019
Mediational effects of social comparative Facebook and
XING use on participants’ self-esteem and depressive
tendencies

•   N = 145
•   69m, 76w
•   Alter: 33.87(SD = 11.5)
•   70.4% akademischer Abschluss, 96.5% studierend/ im Beruf

• Fragebogenstudie mit:
     –   Facebook Activity Questionnaire (Ozimek & Bierhoff, 2016)
     –   XING Activity Questionnaire (Brandenberg, 2017)
     –   INCOM, Subscala Ability (Schneider & Schupp, 2011)
     –   Rosenberg SES (Collani & Herzberg, 2003)
     –   BDI-II R (Hautzinger, Keller & Kühner, 2007)
Mediational effects of social comparative Facebook and
  XING use on participants’ self-esteem and depressive
                        tendencies
Facebook                                 XING

  29.10.2019
Mediational effects of social comparative Facebook and
XING use on participants’ self-esteem and depressive
tendencies

• Sequentielle Mediationsmodelle mit den Daten vereinbar

• Langzeiteffekt von Facebook- und XING-Nutzung
    – FB  fähigkeitsorientierte SV  Selbstwert  Depressive Tendenzen
    – Generalisierbar von privaten SNSs auf professionelle SNSs
Studien- Fazit

• Höhere depressive Tendenzen können über soziale Medien
  vermittelt werden, wenn
    1. Die Nutzung mit vermehrten fähigkeitsorientierten sozialen
       Vergleichen einhergeht
    2. Das Vergleichsergebnis den Selbstwert senkt

•   Soziale Medien ziehen nicht generell positive oder negative Auswirkungen
    auf das psychische Wohlbefinden nach sich
      – Die Art der Nutzung ist entscheidend
      – Die Persönlichkeit der Nutzer ist entscheidend
Limitationen

•   Experiment schließt depressive Tendenzen nicht mit ein

•   Mediationsmodelle nicht kausal  Längsschnittuntersuchungen notwendig

•   Stichproben subklinisch  klinische Daten notwendig

•   Weitere Netzwerke zur Untersuchung:
     – Instagram
     – Snapchat
     – LinkedIn
     – …

     29.10.2019
Ausblick

•   Weitere Studien mit experimentellen und längsschnittlichen Daten notwendig

•   Wissenschaft-Praxis-Transfer
      – Umfangreiche wissenschaftliche Daten und Erkenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen
         der Nutzung sozialer Medien vorhanden
      – Umsetzung dieser Ergebnisse und ihrer Implikationen in der Praxis bislang kaum
         realisiert oder berichtet
      – Stärkerer Austausch und engere Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis
         notwendig!

•   Wie kann eine kompetente und reflektierte Nutzung sozialer Medien (gerade bei jungen
    Menschen) sichergestellt werden, damit negative Konsequenzen für das Wohlbefinden
    vermieden und positive Aspekte gefördert werden?

     29.10.2019
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!

Dr. Phillip Ozimek
Nachwuchsprofessur „Sozial- und Medienpsychologie“
Hüfferstraße 27   fon +49 (0)251.83 xxxxx   phillip.ozimek@fh-muenster.de
D-48149 Münster   fax +49 (0)251.83 xxxxx   www.fh-muenster.de
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