Allgemeiner Marktkommentar und Anlagestrategie Nr. 6

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Allgemeiner  Marktkommentar
und Anlagestrategie Nr. 6
Beitrag von Ottmar Beck, Vermögensverwalter Schweiz

Wilen, den 2. Juni 2021

Sehr geehrte Damen und Herren,

der »fiskalische Stimulus« aus den Konjunkturpaketen und der
Wiederbelebung der Wirtschaft übersteigt das Angebot, was zu
einer vorübergehenden Inflation führt. Später wird dann das
Angebot aufholen, wenn die Nachfrage nachlässt, da die Effekte
der Konjunkturprogramme nachlassen. Das wird Ende dieses
Jahres oder 2022 geschehen. So wie im letzten Jahr als die
Wirkung der Konjunkturpakete im letzten Jahr nachließ und das
Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den USA um 2,5 Prozent sank. Das
wird sich wiederholen. Die Wirtschaft boomt nicht nur, weil
der Lockdown nach und nach aufgehoben wird. Entscheidend ist
die fiskalische Unterstützung durch die Regierungen. Es wird
noch ein kleines Wachstum in Form von aufgestauter Nachfrage
auf der Dienstleistungsseite geben, besonders im Reise- und
Freizeitbereich. Sie sollten trotzdem nicht mit einem
nachhaltigen Wachstum rechnen, da einige nicht getätigte
Dienstleistungen vermutlich für immer verloren sind, wie die
Nachfrage nach Restaurants und Haarschnitten, die die
Verbraucher schon lange vergessen haben. Allerdings wurde
während der Rezession so viel für langlebige Güter ausgegeben
wie nie zuvor. Wir sind massiv übersättigt mit langlebigen
Gütern (TV, Computer etc.). Ich staune immer noch über die
Berge der Kartonage, die ich jede Woche am Abfallsammeltag vor
der Türe sehe. Das kleine Wachstum aus der aufgestauten
Nachfrage nach Dienstleistungen wird wahrscheinlich durch den
größeren Rückgang bei langlebigen Gütern ausgeglichen.

Die Inflation wird auch nicht von Rohstoffpreissteigerungen
kommen. Der größte Teil der Rohstoffnachfrage ist finanzieller
und spekulativer Natur. China verlangsamt seine Produktion,
weil es seine Wirtschaft (siehe Grafik »China Credit Impulse«
unter »Rohstoffe«) nicht ankurbelt, aber die Hälfte der
Rohstoffe der Welt verbraucht. Die positiven Renditen für
Rohstoffe werden sich in der zweiten Jahreshälfte umkehren.
Dies ist allerdings keine langfristige Entwicklung. Die
laufend zurückgehende Produktion und die mangelnde
Erschließung neuer Förderstellen wird im Laufe dieses
Jahrzehnts noch zu einer deutlich inflationären Entwicklung
der Rohstoffpreise führen. Davon mehr im nächsten Brief. Die
Beschäftigung ist immer noch niedriger als auf dem Höhepunkt
des Zyklus. Dieses Überangebot an Arbeitskräften ist
deflationär und es wird dauern, bis es absorbiert wird. Dann
wird allerdings die Überalterung der Gesellschaft, trotz
Computer und Künstlicher Intelligenz, für eine deutliche
Lohnbeschleunigung sorgen.

Nach dem ich nun einen langfristigen Blick in die Zukunft
gewagt habe, erinnern Sie sich bitte an eine der klassischen
Marktregeln von Bob Farrell: Wenn alle Experten und Prognosen
übereinstimmen, wird etwas anderes passieren.

Festverzinsliche Wertpapiere
Ist Italien wirklich ein besserer Schuldner als die USA? Genau
hier    liegt    das   Problem     der   billionenschweren
Staatsanleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB). In der
Eurozone ist das Eurosystem zum mit Abstand größten Gläubiger
der Euroländer geworden. Das führt dazu, dass zehnjährige
Anleihen von Ländern wie Italien oder Griechenland, die nicht
den Ruf eines verlässlichen Schuldners haben, derzeit eine
Rendite von nur noch knapp 1 Prozent abwerfen. Die USA müssen
derweil 1,6 Prozent Zinsen zahlen. Wenngleich beides nicht
eins zu eins vergleichbar ist, zeigt sich dennoch: Hier ist
etwas faul.

Typischerweise leben Staaten chronisch über ihre Verhältnisse,
weil sie grundsätzlich mehr Geld ausgeben, als sie einnehmen.
Politiker versprechen Bürgern gern eine Vielzahl von
segensreichen Leistungen, um die nächste Wahl zu gewinnen.
Allerdings müssen die Wohltaten früher oder später bezahlt
werden. Da Steuererhöhungen bei den Bürgern unbeliebt sind,
suchen Regierungen Kreditgeber. Diese finden sie auf dem Markt
für Staatsanleihen. Wer sich auf Märkte begibt, muss jedoch
mit Unwägbarkeiten rechnen – und diese können schmerzhaft
sein. Das gilt für Regierungen und Investoren gleichermaßen.
Sind beispielsweise die Schulden eines Landes sehr hoch und
steigen sie noch weiter, bangen die Kreditgeber um die
Rückzahlung ihrer Gelder. Zugleich wird es teurer, neue
Geldgeber anzulocken. Also steigen die Zinssätze, die die
Kreditgeber von den Schuldnern verlangen, zumal sie für die
höheren Risiken entschädigt werden wollen. Ab einem gewissen
Punkt drohen die Zinssätze aber so hoch zu werden, dass die
Regierung ihr Ausgabeverhalten mäßigen und den Wählern reinen
Wein einschenken muss: Bei realen Knappheitsverhältnissen ist
nicht jeder Wunsch erfüllbar. Wenngleich eine gewisse
Verschuldung für bestimmte Investitionen sinnvoll ist, kann
man dauerhaft nicht mehr konsumieren, als man erwirtschaftet.
Sonst kommen nach einer Periode steigender Steuern die
extremen Folgen einer zu hohen Verschuldung – etwa ein
Schuldenschnitt oder gar eine Währungsreform –, die dann meist
nicht mehr verhindert werden können.

Ein Hardliner fällt um. Die finnischen Vertreter im Rat der
EZB waren in der Vergangenheit lieber zu früh als zu spät für
eine Straffung der Geldpolitik. Doch nun will Olli Rehn, Chef
der Finnischen Zentralbank und Mitglied im EZB-Rat, dass die
EZB ein Inflationsziel nach dem Vorbild der US-Notenbank
abgibt. Er möchte, dass die EZB in Zukunft neben dem Ziel der
Preisstabilität auch die Vollbeschäftigung als weiteres Ziel
übernimmt.

Der jüngste Ausbruch des Kupferpreises deutet darauf hin, dass
die Kerninflation derzeit wahrscheinlich zu niedrig ist und in
den nächsten Jahren tendenziell steigen wird. Die
Kerninflation in den USA lag im April bei fast 3 Prozent. Die
Fed betrachtet diesen Anstieg als vorübergehend. Die
Kupferpreise suggerieren etwas anderes. Nach Ansicht von »Dr.
Kupfer« sollte die Inflation im Allgemeinen von ihren jüngsten
Tiefstständen aus über einen längeren Zeitraum hinweg
tendenziell steigen.

Ich halte es mit William White. Er kam 1994 zur Bank für
Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) als Manager in der
Währungs- und Wirtschaftsabteilung und wurde später zu ihrem
Leiter ernannt. In dieser Funktion beaufsichtigte er die
Erstellung des prestigeträchtigen BIZ-Jahresberichts und trug
die Gesamtverantwortung für die Forschungs-, Daten- und
Informationsleistungen. Er meint, dass wir kurzfristig ein
inflationäres Umfeld erleben werden, mittelfristig eine
Deflation und auf lange Sicht eine ernsthafte Inflation. Mein
Gefühl sagt mir, aus diesem Grund wird 2022 wahrschein eine
Rezessionsperiode werden. Natürlich hängt vieles von
Unbekannten ab, wie z. B. den Infrastrukturinvestionen und
anderen staatlichen Wohltaten (wann, wie groß etc.).

Aktien
Wir müssen uns fragen, was als Nächstes kommt und wie sich das
auf die Aktienkurse auswirken wird. Wenn Sie mit meinen
Schriften vertraut sind, wissen Sie, dass ich nicht an einen
Bullenmarkt glaube, der bis in alle Ewigkeit anhält (und wir
fliegen auch nicht zum Mond). Und wenn wir davon ausgehen,
dass ein Bärenmarkt (ein echter, nicht nur ein paar Wochen wie
im Jahr 2020) kommen wird, müssen wir über die Konsequenzen
für die Aktienkurse nachdenken. Denn eine Rezession ist ein
Problem für das Geschäft.

Ich habe oft erwähnt, dass es ziemlich schwierig ist, in
diesem überbewerteten Markt gute Anlagechancen zu finden. Wenn
man bedenkt, dass wir es mit einem der teuersten Aktienmärkte
der Geschichte zu tun haben, scheint es viel einfacher zu
sein, Aktien zu finden, die überbewertet sind (aber das ist
nicht wirklich hilfreich). Ich gehe auch davon aus, dass viele
Leute, die gerade investieren oder handeln, weder das Wissen
noch die mentale Stärke haben, um erfolgreich zu sein, aber
diese Leute sagen sich, dass sie tanzen werden, so lange die
Musik spielt, und sie glauben zu wissen, wann sie aus dem
Markt aussteigen müssen. Meine Warnung wird also
wahrscheinlich auf taube Ohren stoßen und von der aktuellen
Stimmung und Euphorie geschluckt werden. Nichtsdestotrotz
kommt hier meine Warnung vor vier Arten von Vermögenswerten,
die Sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht kaufen (und
wahrscheinlich nicht einmal halten) sollten.

Kategorie 1: Überbewerteter US-Aktienmarkt

Das Ausmaß der extremen Bewertungen lässt sich auch an der
Anzahl der Unternehmen ablesen, die über dem Zehnfachen ihres
Umsatzes gehandelt werden. Im März 2000 waren dies 45 der 500
Unternehmen des S&P 500, was Scott McNealy, CEO von Sun
Microsystems, damals als »lächerlich« bezeichnete. Im April
2021 waren es 65 Unternehmen – ein Beweis für das Ausmaß der
Lächerlichkeit im Markt zu diesem Zeitpunkt.

Wenn wir uns das trailing 12-Monats-Kurs-Gewinn-Verhältnis
(KGV) der letzten zehn Jahre ansehen, müssen wir starke Bilder
verwenden, um zu beschreiben, was in den letzten Monaten
passiert ist: Das Verhältnis explodiert, schießt wie ein
Sektkorken aus der Flasche oder: Das KGV fliegt zum Mond.

Kategorie 2: Hohe Qualität, aber überbewertet

Procter & Gamble (PG), das mit dem 25,5-fachen Gewinn
gehandelt wird, oder McDonald’s (MCD), Graco (GGG) und S&P
Global (SPGI), die mit einem KGV von fast 40 gehandelt werden,
oder Unternehmen wie Nike (NKE), Mastercard (MA) und MSCI
(MSCI), die mit KGVs um die 60 gehandelt werden – alles
Unternehmen, deren Aktien ebenfalls den Gesamtmarkt in
beeindruckender Weise übertroffen haben.

Im   Moment    übertreffen     zwar   die   Ergebnisse     die
Unternehmensgewinnschätzungen in einem Rekordtempo. Der Global
Earnings Revision Index der Citigroup Inc. hat gerade ein
Rekordhoch erreicht. Auf dem Höhepunkt der Virenangst im März
letzten Jahres war das Maß auf ein Allzeittief gestürzt. Von
den mehr als 1.000 Unternehmen im MSCI World haben 77 Prozent
die Schätzungen übertroffen, so die von Bloomberg
zusammengestellten Daten. Wie viel von diesen guten
Nachrichten ist im Preis enthalten, da die Kurse auf
Rekordniveau sind? Die durchschnittliche Aktienbewegung am Tag
der Veröffentlichung der Unternehmensgewinne lag in dieser
Saison bei 0 Prozent. Sind die Gewinne also schon eingepreist?
Allerdings heben Analysten ihre Prognosen, nachdem sie zu
Beginn der Pandemie oft ausgesetzt wurden, immer weiter an.
Mit den steigenden Erwartungen sind aber auch hohe Risiken
verbunden.    Angesichts    steigender   Rohstoffpreise,
Transportkosten und Versorgungsengpässe ist es nicht schwer,
sie zu identifizieren.

Kategorie 3: Hohes Potenzial, aber extrem überbewertet

Während die oben genannten Unternehmen Ihnen wahrscheinlich
bekannt sind, könnten viele sie als langweilig empfinden. Es
sind Unternehmen der »Old Economy«. Die nächste Kategorie von
Aktien sind junge Unternehmen, die als innovativ und disruptiv
gelten. Diese jungen Unternehmen sind selten profitabel, aber
sie sind umgeben von Erzählungen über beeindruckende
Wachstumsraten sowie von Erzählungen über die Disruption
ganzer Branchen. Und es gibt erfolgreiche Beispiele von
Unternehmen wie Amazon (AMZN), Facebook (FB), Google (GOOG)
(NASDAQ: GOOGL) usw., die ganz neue Branchen geschaffen und
dominiert haben und über Jahre oder Jahrzehnte mit einem
extrem beeindruckenden Tempo gewachsen sind. Aber es ist
gefährlich, anzunehmen, dass Hunderte von Unternehmen das
nächste Amazon sein werden. Ich meine Unternehmen wie Tesla
(TSLA), Nikola (NKLA), Snowflake (SNOW), DraftKings (DKNG),
CrowdStrike Holdings (CRWD), Palantir Technologies (PLTR) oder
DoorDash (DASH). Abgesehen von Tesla, das vor allem aufgrund
von Kohlenstoffzertifikaten profitabel ist (das brachte 1,6
Milliarden Dollar ein), ist keines der oben genannten
Unternehmen bisher profitabel. Nichtsdestotrotz werden diese
Unternehmen mit mittleren zweistelligen KGVs gehandelt, selbst
jene, die im Niedrigmargengeschäft tätig sind. Diese
Unternehmen repräsentieren Hunderte von Aktien mit ähnlichen
Mustern.

Nehmen wir an, wir hätten die Unternehmen identifiziert, die
überleben und die Branche in den kommenden Jahr- zehnten
dominieren würden – wie Amazon während der Dotcom-Blase und
McDonald’s in den 1970er Jahren. Um es auch klar zu sagen: Ich
sehe mich nicht in der Lage, aus Hunderten von Start-ups das
eine richtige Unternehmen her- auszufiltern. Im Falle von
Amazon hat es fast zehn Jahre gedauert, bis diejenigen, die
während der Dotcom-Blase in Amazon investiert haben, den
Break-even erreicht haben. Für diejenigen, die die Aktie
länger als zehn Jahre hielten, war die Investition extrem
profitabel. Aber beantworten Sie sich diese Frage: Können Sie
es aushalten, wenn Ihre Investition um 95 Prozent fällt, ohne
irgendwann die Geduld zu verlieren und zu verkaufen?

Im Fall von McDonald’s in den 1970er Jahren war das Bild
ähnlich. Die Aktie fiel zwar »nur« um 72 Prozent, aber es
dauerte auch rund zehn Jahre, bis sie wieder frühere
Höchststände erreichte.

Kategorie 4: Reine Spekulation
Während die oben genannten Unternehmen zumindest hohe
Wachstumsraten vorweisen können, die die hohen Bewertungen bis
zu einem gewissen Grad rechtfertigen könnten, scheint es eine
letzte Kategorie von Assets zu geben, die man meiden sollte.
Die oben genannten waren nur Aktien, die letzte Kategorie sind
Kryptowährungen. Meiner Meinung nach ist der Kauf dieser
Assets im Moment reine Spekulation, da es keine Möglichkeit
gibt, sie zu bewerten. Ich persönlich glaube nicht, dass
Bitcoin (BTC-USD) eine solide, langfristige Investition ist,
und erwarte, dass die Kryptowährung irgendwann zusammenbricht.
Aber Bitcoin ist nur die Spitze des Eisbergs und scheint als
Investition noch ganz vernünftig, wenn man sich die anderen
Kryptowährungen anschaut. Zum Beispiel Dogecoin (DOGE- USD),
ursprünglich entwickelt als Scherz und um Bitcoin zu
parodieren: Dieser »Witz« hat heute eine Marktkapitalisierung
von 30 bis 40 Milliarden US-Dollar war in den letzten Wochen
ein gutes Beispiel dafür. »Stores of value« in den letzten 7
Tagen (23. Mai): Bitcoin –27,5 Prozent, Ethereum –44,2
Prozent, Dogecoin –39,3 Prozent, Cardano –46,4 Prozent,
Binance Coin –56,3 Prozent, XRP –48,9 Prozent, Polkadot –57,6
Prozent, Internet Computer –43,1 Prozent, Bitcoin Cash –54,3
Prozent. Und das sind nur die größten Kryptowährungen. Sie
sind   reine    Objekte   der   Spe-   kulation,    keine
»Wertaufbewahrungsmittel«.

Es gibt niemanden, der mich davon überzeugen kann, dass
Bitcoin jemals als Währung verwendet werden wird. Allerdings
wird die Blockchain-Technologie überleben, zum Beispiel für
Verträge. Ich mag mich irren, aber Kryptowährungen zeigen die
gleichen Merkmale der spekulativen Manie, die wir in der
Vergangenheit so oft gesehen haben. Und wie immer in diesen
Phasen der spekulativen Manie werden einige Vermögenswerte
überleben, aber die meisten werden wieder verschwinden.

Für mich wird es immer schwieriger, Vermögenswerte zu finden,
in die ich investieren kann – und ich meine langfristig
investieren und nicht auf kurzfristige Gewinne spekulieren.
Sie mögen mir widersprechen und mich einen Idioten nennen,
weil ich den Wandel nicht erkenne, der im Gange ist und uns in
eine glorreiche Zeit des exponentiellen Wachstums führen wird.
Aber Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte von »Manias, Panics,
and Crashes« (so der Titel des äußerst empfehlenswerten Buches
von Charles P. Kindleberger) sagen uns, dass dies schlecht
enden wird. Und sollte der S&P 500 in den nächsten Quartalen
einen Höchststand von 6.000 (Meinung einiger Analysten)
erreichen, wird auf diesen Bullenmarkt ein brutaler, nur
einmal im Jahrhundert auftretender Bärenmarkt folgen.

Im Moment bleibt uns eines: die Volatilität. Zwar trübten im
letzten Monat (11. Mai) die Aussagen der US- Finanzministerin
Janet Yellen – sie machte sich Gedanken zu höheren Zinsen –
erst einmal die Stimmung. Dann kam der überraschend schlechte
amerikanische Arbeitsmarktbericht. Fallende Zinsen? Damit
waren die Kursverluste erst einmal schnell wieder aufgeholt.

China
Wirtschaftlich werden Deutschland und Europa immer abhängiger
von China. Sollen wir auf unsere Tugend »Freiheit« oder auf
»Geld« unseren Schwerpunkt legen? Sind wir überhaupt noch
stark genug uns durchzusetzen? Am Beispiel der Uiguren,
Hongkongs und der Auseinandersetzung mit Australien – wegen
des kritischen Kurses der Regierung in Canberra hat China
viele Handelssanktionen und Boykotte verabschiedet – zeigt
sich, wie China seine Macht nutzt, um seine Politik
durchzusetzen. Und auch in Hongkong hat sich schon gezeigt,
dass China, wenn es die Situation für sich als vorteilhaft
beurteilt, seinen Willen rücksichtslos durchsetzt. Das lässt
für die wachsenden Spannungen im südchinesischen Meer nichts
Gutes erwarten. China bezeichnet Taiwan als abtrünnige Provinz
und rüstet weiter militärisch auf. Taiwan sei derzeit der
»gefährlichste Ort der Welt«, schreibt die britische
Zeitschrift »Economist« in ihrer Titelstory. Je stärker China
wird, desto weniger haben die USA die Möglichkeit, bei einer
Invasion einzugreifen.
Europa ist wirtschaftlich (siehe Umsatz der deutschen
Automobileindustrie, z. B. Mercedes-Benz 36 Prozent) von China
immer abhängiger und es spielt militärisch keine Rolle. Für
Deutschland ist China inzwischen der wichtigste Auslandsmarkt.
Aufgrund der Auseinandersetzungen zwischen China und den USA
wird Europa zwischen die Fronten geraten. Das sollten wir, vor
allem bei langfristigen Investitionen in China nie vergessen.
China wird immer seinen eigenen nationalen Vorteil suchen.

Rohstoffe
Ein Preisanstieg für Bauholz um 400 Prozent innerhalb eines
Jahres war noch nie da. Ein Ergebnis der steigenden Nachfrage
im    Zuge   der    Konjukturerholung       und   niedriger
Produktionskapazitäten. Die Lieferengpässe verschärfen das
Ganze noch. Die Unternehmensaussagen belegen, dass die
Produktionskosten dank der Rohstoffpreise deutlich gestiegen
sind. So geraten in der Schweiz im Moment Holzbauunternehmen
in die Zwickmühle, die Projekte günstig offeriert haben und
nun für den Einkauf der Rohware wesentlich mehr bezahlen
müssen. Die Frage ist, wie viel der Preissteigerung an die
Konsumenten weitergegeben werden kann. Ich selbst hatte einen
Wasserschaden. Das Parkett war nur noch (letzte Charge) von
einer Firma lieferbar, vom Preis gar nicht zu reden. Mein
Glück, dass die Versicherung zahlen muss.

Auch bei vielen anderen Materialien verschärft sich die Lage
gerade, weil neben der laufenden Nachfrage auch eine Vielzahl
von Unternehmen ihre Vorräte deutlich aufstockt. Dieser
Marktzustand könnte die Meinung der Zentralbanken bestätigen:
erst eine höhere Inflation, die sich dann nach der Beruhigung
wieder nach unten bewegt.

Superzyklus oder zyklisches Strohfeuer? Wohl ein wenig von
beidem. Viele Metalle können langfristig vom Umbau der
Wirtschaft hin zu einer grüneren Wirtschaft von der steigenden
Nachfrage profitieren. Allerdings war in den letzten Jahren
China der große Treiber für die Rohstoffpreise und hier ist im
Moment Vorsicht angesagt.

In letzter Zeit sind die Nominalzinsen schneller gestiegen als
die Inflation, was Gegenwind für den Goldpreis bedeutet.
Dieser Trend könnte sich bald umkehren und wieder zu einem
starken Rückenwind für den Goldpreis werden. Wenn die
Inflation viel schneller steigt als die Zinsen, fallen die
Realzinsen jetzt auf ein Niveau (in der Grafik unten
invertiert), das für den Goldpreis so günstig sein sollte wie
nichts anderes, was wir in den letzten Jahren gesehen haben.

Sollte sich jedoch erweisen, dass die sich abzeichnenden
Inflations- und Zinstrends mehr als nur vorübergehend sind,
wie es Dr. Copper (siehe Grafik »Inflation & Dr. Copper« unter
»Festverzinsliche Wertpapiere«) zu vermuten scheint, dann
könnte der Goldpreis derzeit deutlich unterbewertet sein.

Und hier noch etwas für Biertrinker. Vielleicht gibt uns das
Oktoberfest 2022 Auskunft darüber, ob Gold inzwischen zu teuer
geworden ist – oder das Bier auf der Wiesn.

Portfoliostrategie
Am 13. Mai 2021 veröffentlichte Alibaba (BABA) seine
Quartalsergebnisse für das vierte Fiskalquartal sowie die
Jahresergebnisse für das Fiskaljahr 2020 das am 31. März
endete. Wie erwartet, konnte BABA mehr als beeindruckende
Ergebnisse vorlegen: Der Umsatz und das Non-GAAP-Ergebnis für
das Gesamtjahr stiegen im Jahresvergleich um 41 bzw. 30
Prozent. Mit einer Marktkapitalisierung von ca. 600 Milliarden
US-Dollar verblüfft BABA weiterhin und beweist, dass es trotz
seiner Größe in der Lage ist, so schnell zu wachsen wie ein
Start-up. Obwohl ich nicht weiß, warum der Markt negativ
reagiert hat, glaube ich, dass die Veröffentlichung der
Ergebnisse die starken Fundamentaldaten und das Potenzial der
wichtigsten Geschäftsbereiche von BABA die Sorgen
unterstreicht, die aufgrund von kar- tellrechtlichen
Untersuchungen bestehen. BABA befindet sich heute in einer
stärkeren Position als noch vor sechs Monaten. Die Aktie ist
noch preiswerter geworden. Die Umsatzwachstumsraten (12
Monate) für die vier Hauptgeschäftssegmente von BABA betrugen:

     Core Commerce: +42 Prozent
     Cloud Computing: +50 Prozent
     Digitale Medien & Unterhaltung: +7 Prozent
     Innovationsinitiativen & Sonstiges: +8 Prozent

Das Umsatzwachstum von BABA hat sich gleichmäßig auf die
beiden Hauptgeschäftssegmente Core Commerce (87 Prozent des
Gesamtumsatzes) und Cloud Computing (8 Prozent des
Gesamtumsatzes) verteilt.

Außerhalb Chinas verfügt Alibaba Cloud auch über den größten
Marktanteil im asiatisch-pazifischen Raum und lässt damit
internationale Konkurrenten wie Amazon (AMZN) und Microsoft
(MSFT) hinter sich. Die dominante Position von Alibaba Cloud
gegenüber inländischen und internationalen Konkurrenten soll
sich in der technologischen Überlegenheit widerspiegeln die
Alibaba Cloud besitzt. Der jüngste Forrester-Bericht für das
vierte Quartal 2020 untermauert, dass Alibaba Cloud als die
Nummer 1 der chinesischen Cloud-Anbieter eingestuft wird. Im
selben Bericht erhielt Alibaba Cloud auch die volle Punktzahl
bei der Bewertung von Container-Services, serverlosem
Computing und Microservices, was den Vorsprung des
Unternehmens in diesem Markt nochmals unterstreicht.

Was die finanzielle Stärke des Unternehmens angeht, so bleibt
BABA weiterhin netto-cash-positiv, was seine gute Bilanz
zeigt. Im Februar 2021 kündigte BABA die Emission von Anleihen
im Wert von 5 Milliarden US-Dollar an, die zwischen 2,125 und
3,250 Prozent verzinst werden. Die Fälligkeitstermine lagen
zwischen 10 und 40 Jahren. Trotz der negativen Stimmung rund
um BABA aufgrund der kartellrechtlichen Untersuchung war diese
Anleiheemission mehr als siebenfach überzeichnet, was belegt,
wie sehr die Anleger von der langfristigen Geschäfts- und
Finanzstärke BABAs überzeugt sind. Die Anleiheemission von
BABA zeigt auch, dass das Unternehmen in der Lage ist, das
Niedrigzinsumfeld zu nutzen, um seine Fremdkapitalkosten zu
senken.

Zusammenfassend bin ich der Meinung, dass BABA heute vom Markt
– vor allem im Vergleich zu seinen Konkurrenten – stark
unterbewertet ist. Insbesondere untermauern die Finanzzahlen
von BABA zusammen mit den Entwicklungen der letzten Monate
diese Tatsache:

     BABA wächst weiterhin so schnell wie ein Start-up.
     BABAs Cloud-Computing-Geschäft (und digitale Medien)
     verbessern ihre Profitabilität.
     BABA ist es gelungen, neue Wachstumskanäle in das
     Kerngeschäft Handel zu
     BABAs Finanzlage bleibt sehr solide.
     Die langfristigen Geschäftsgrundlagen von BABA sind von
     den kartellrechtlichen Bestimmungen unbeeinflusst und
     bleiben

Ich kann zwar nicht sagen, ob der Kurs von BABA kurzfristig
weiter sinken oder schwanken wird, aber zu den heutigen
Preisen ist BABA ein hervorragendes langfristiges Investment,
mit dem Investoren vom wachsenden Einzelhandels- und Cloud-
Markt in China profitieren können. Das einzige Manko ist die
immer noch nicht endgültig geklärte politische Situation.
Peking investiert viel Geld in die digitale Infrastruktur,
entwirft neue Gesetze zur Datennutzung und baut neue
Rechenzentren im ganzen Land auf, mit dem Ziel, China als
führendes Land bei der Umgestaltung der Weltwirtschaft in den
nächsten Jahrzehnten zu positionieren. Xi Jinping erklärte im
März seine Absicht, gegen Plattform-Unternehmen vorzugehen,
die Daten anhäufen, um ihre Dienste zu verfeinern und bessere
Produkte zu schaffen, was ihnen bislang erlaubte, natürliche
Monopole zu schaffen, die kleinere Wettbewerber verdrängen.
Alibaba ist zweifelsfrei einer der größten Marktteilnehmer.
Auf das Unternehmen kann China aber nicht verzichten und wird
es daher nicht zu stark schädigen. Ich bleibe dabei.

Von der im April 2019 gekauften Position Newmont Mining werde
ich mich trennen. Gewinnmitnahmen haben noch nie geschadet.
Außerdem gibt es noch die im September 2020 gekaufte zweite
Position.

In den aufgeführten Werten halte ich Positionen. Daneben
befinden sich Bargeld, Anleihen und Gold in meinem Depot.

                               Kurs/Kauf Kurs/Ist   Wert-    Wert-                               Wertzuwachs
                                                                                                    nach
                                 Euro      Euro     zuwachs zuwachs                 Kurs/Verk.
                                                                                                 Realisation
                                                              in
                                         31. Mai in Euro                               Euro      in Prozent
                                                            Prozent
                 Montag, 5.                                           Montag, 4.
 Dignity PLC                     8.59                                                 11.87        38.26%
                   Feb. 18                                              Juni 18
    General                                                           Montag, 4.
                                12.30                                                 11.95        -2.85%
   Electric                                                             Juni 18
 Agnico-Eagle                                                         Dienstag,
                                36.00                                                 62.19        72.75%
     Mines                                                            19. Mai 20
                                                                      Montag, 3.
  Shire PLC                     35.52                                                 51.40        44.71%
                                                                        Dez. 18
                 Montag, 9.                                           Montag, 30.
Transocean LTD                   8.00                                                 10.20        27.50%
                  April 18                                             April 18
ANHEUSER-BUSCH Montag, 4.                                             Montag, 6.
                                82.32                                                 86.73         5.36%
  INBEV N.V.    Juni 18                                                 Aug. 18
                                                                       Mittwoch,
   Goldcorp                     11.88                                  17. April       9.92        -16.52%
                                                                           19
 Agnico-Eagle     Dienstag,                                             Freitag,
                                33.68                                                 66.90        98.63%
     Mines       14. Aug. 18                                          31. Juli 20
ANHEUSER-BUSCH Montag, 3.                                             Mittwoch,
                                66.99                                                 72.47         8.18%
  INBEV N.V.    Dez. 18                                               6. März 19
 Kraft Heinz     Mittwoch,                                            Mittwoch,
                                29.06                                                 25.77        -11.32%
   Company       6. März 19                                           29. Mai 19
                  Mittwoch,
Newmont Mining    17. April     30.26     60.00     29.75   98.31%
                      19
                 Donnerstag,                                          Donnerstag,
    Shell                       23.88                                                 16.52        -30.81%
                 11. Feb. 20                                          23.April 20
                 Donnerstag,                                          Donnerstag,
    Total                       45.12                                                 32.25        -28.52%
                 11. Feb. 20                                          23.April 20
Donnerstag,                                         Donnerstag,
    Exxon                      55.44                                               40.31   -27.30%
                 11. Feb. 20                                         23.April 20
                 Donnerstag,                                          Mittwoch,
 Equinor ASA                    9.72                                               12.30   26.57%
                 12. März 20                                         8. April 20
   Hornbach      Donnerstag,                                         Montag, 8.
                               40.50                                               63.90   57.78%
  Holding AG     12. März 20                                           Juni 20
 Agnico-Eagle    Donnerstag,
                               67.11     58.46    -8.65    -12.89%
    Mines        24. Sep. 20
                 Donnerstag,
   Wheaton                     41.76     38.91    -2.85    -6.81%
                 24. Sep. 20
                 Donnerstag,
Newmont Mining                 53.04     60.00     6.96    13.12%
                 24. Sep. 20
                 Donnerstag,
    Alamos                      7.59      7.44    -0.15    -2.03%
                 24. Sep. 20
                 Donnerstag,
   Pretium                     10.84      9.31    -1.53    -14.11%
                 24. Sep. 20
   Svenska        Freitag,                                           Donnerstag,
                                7.28                                               8.68    19.21%
Handelsbanken 09. Okt. 20                                            26.Nov. 20
                   Freitag,
   Enbridge                    27.25     31.03     3.78    13.85%
                 18. Dez. 20
                 Dienstag,
   Alibaba                     190.40    178.70   -11.70   -6.14%
                 29. Dez.20
                   Freitag,
   Pretium                      9.10      9.31     0.21     2.31%
                  05.Feb.21
                   Montag,
  Grenke AG                    26.44     37.51    11.07    41.87%
                  08.Feb.21
                  Mittwoch,
    IQIYI         14. April    12.85     11.65    -1.20    -9.34%
                      21

    Alamos
   Canadian
                  Limit 20
    Natural
                    Euro
 Resources (C

   Totaler Wertzuwachs bei gleich
                                                           10.74%                          17.60%
    großer Anlage in jedem Titel

Mit freundlichen Grüßen

Ottmar Beck

   DAX 12,41 % | EURO STOXX 50 P 15,27 % | SMI 6,17 % | RexP
       –1,49 % | SBI –5,28 % | Gold (in US-Dollar) 0,35 %

                                        per 31. Mai 2021

     »In der letzten Phase der Hausse, die 1929 ihren Höhepunkt
  erreichte, entwickelte sich in der Öffentlichkeit eine völlig
     andere Einstellung zu den Anlagevorteilen von Stammaktien.
Warum wandte die investierende Öffentlichkeit ihre
Aufmerksamkeit von den Dividenden, den Vermögenswerten und den
 Durchschnittserträgen ab und richtete sie fast ausschließlich
         auf den Ertragstrend, d. h. auf die in der Zukunft zu
  erwartenden Ertragsänderungen? Die Antwort war erstens, dass
 sich die Aufzeichnungen der Vergangenheit als unzuverlässiger
  Leitfaden für Investitionen erwiesen, und zweitens, dass die
         von der Zukunft gebotenen Belohnungen unwiderstehlich
                                   verlockend geworden waren.«

    Benjamin Graham und David L. Dodd, Security Analysis, 1934

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