Almen auf dem Naßfeld bei Bad Gastein in historischen Ansichten vom 19. bis zum 21. Jahrhundert
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Almen auf dem Naßfeld bei Bad Gastein (Hohe Tauern) Forschungsberichte der ANISA für das Internet. 2B, 2020, 20. Jg. (ANISA FB 2B, 2020) www.anisa.at Franz Mandl Almen auf dem Naßfeld bei Bad Gastein in historischen Ansichten vom 19. bis zum 21. Jahrhundert Mit Beiträgen zur Geschichte der Almwirtschaft im Bergbaurevier Naßfeldtal Hohe Tauern, Pongau, Land Salzburg 2. Teil 23
Franz Mandl Forschungsberichte der ANISA für das Internet 2B, 2020 (ANISA FB 2B, 2020) Festschrift 40 Jahre ANISA, Verein für alpine Forschung 1980 bis 2020 Titelbild: Das Nassfeld bei Gastein. J. Alt und J. J. Hinchliff sculp. 1833. Ausschnitt. Repro 2020, Privatbesitz www.anisa.at am 19. 05. 2020 ins Netz gestellt © ANISA, Verein für alpine Forschung. Haus, Austria www.anisa.at Alle Rechte vorbehalten! Falls trotz genauer Überprüfung Bildrechte verletzt worden sein sollten, bitten wir um Bekanntgabe an: anisa@anisa.at 24
Almen auf dem Naßfeld bei Bad Gastein (Hohe Tauern) Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einleitung ............................................................................................................................................................ 4 Das Naßfeld im Kartenbild ............................................................................................................................. 5 Die Geschichte der Almwirtschaft im Gasteiner Naßfeld ...................................................................... 14 Literaturverzeichnis ........................................................................................................................................ 20 Landkartenverzeichnis ................................................................................................................................... 22 2. Teil Einleitung .......................................................................................................................................................... 26 Hofgastein, Gastein, Obervellach und Rauris. Anfänge des Bergbaus ................................................. 26 Alte Wege ......................................................................................................................................................... 30 Der Bergbau im Mittelalter ........................................................................................................................... 33 Die Kleine Eiszeit, die Gletscher und der Bergbau in der Goldberggruppe ....................................... 35 Bergbau, Gletscher und Klima ..................................................................................................................... 38 Sagen als Erinnerung an Gletschervorstöße .............................................................................................. 40 Der harte Alltag der Knappen ...................................................................................................................... 43 Bergbau und Almwirtschaft. Die Nahrungsversorgung der Bergknappen ......................................... 45 Die Naßfeldalmen und ihre Beziehung zu den Heimhöfen. Ein Überblick......................................... 45 Literaturverzeichnis ........................................................................................................................................ 51 25
Franz Mandl Einleitung abtransportiert werden. Daher mussten schon früh Steige und Wege angelegt werden. Die Wege Wer Kenntnis von einer Alpenwirtschaft erlan- dienten��������������������������������������� für den Zugang ������������������������������ zu den Almen, den Vieh� gen, das Geläute kräftiger Alpenherden, das Ge- trieb, für die Bergleute und Säumer. Sie mussten jauchze der Hirten hören will, ohne eine Alpe zu instandgehalten und z. B. nach Unwettern immer besteigen, der besuche das 5000° über dem Mee- wieder ausgebessert werden. Wege und Steige ha� re liegende große Alpenthal, welches der vielen ben daher dieselbe Jahrhunderte alte Geschich� Quellen und Kaskaden wegen, die es bewässern, te wie die Almwirtschaft, der Bergbau und der Naßfeld genannt wird (ROHRMANN, Hans, Saumhandel. Alle diese menschlichen Tätigkei� 1834, 72f ). ten haben Spuren im Gelände hinterlassen, die für die Erforschung der Geschichte mithilfe der Die Veränderungen des Klimas, Gletscher� Archäologie und der Naturwissenschaften ge� vorstöße und -rückgänge, Bergbau, Almwirtschaft nützt werden können. Hingegen fließen schrift� und Altwege stellen Forschungsprobleme dar, die liche und bildliche Quellen für die Anfänge und im Naßfeld eng miteinander verflochten sind. Frühzeit sehr spärlich. Veränderungen des Klimas ermöglichen Vielleicht können die folgenden Überle� bzw. beschränken oder verhindern die Begehung gungen zu neuen archäologisch-interdisziplinä� und Nutzung der Alpenregionen. Es stellt sich die ren Projekten im Naßfeld und seiner Umgebun� Frage, seit wann und warum begehen und besie� gen anregen. deln Menschen die höheren Bergregionen. Dass das Naßfeld hierfür verschiedene Anreize bot, ist klar. Denn seine Flächen eignen sich hervor� Hofgastein, Gastein, Obervellach und Rauris ragend für die Almwirtschaft, die es umgeben� Anfänge des Bergbaus den Berge bieten Erze und Bergkristalle und von dort kann der Alpenhauptkamm Richtung Süden In Laufe der letzten zwei Jahrhunderte wurden überschritten werden. Darüber hinaus zog es mehrere interessante archäologische Zufallsfunde durch seine Nähe zum Kurort Gastein schon früh im Raum Gastein getätigt. Für die Umgebung des Wanderer und Naturforscher an. Gemeinsam ha� Naßfeldes ist ein neolithisches Steinbeil, das 1910 ben sie uns unschätzbar wertvolles Material für zwischen Radhausberg und Kreuzkogel gefunden die Erforschung Gasteins hinterlassen. Dazu zäh� wurde, erwähnenswert (LIPPERT, A., 1993, 148). len die Abbildungen von Almen, Gletschern und Suchte man damals schon nach ausgewaschenen, Bergen, die hier beispielhaft zusammengestellt oberflächlich liegenden Goldklümpchen? Aussa� und für die Erforschung genutzt werden sollen. gekräftiger für einen antiken Bergbau sind For� schungsergebnisse vom Mallnitzer Tauern, die Alm- und Bergbauregion standen zu� eine Begehung ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. be� gleich in lebhaften Austausch miteinander und legen (LIPPERT, A., 1993, 2000, 2012, 2013). mit den Talsiedlungen. Die Bauernhöfe im Tal, die vorwiegend Viehhöfe waren, benötigten Al� Der älteste Bergbau in der Goldberggrup� men. Käse und Butter wurden regelmäßig zu den pe der Hohen Tauern wurde sehr wahrscheinlich Heimhöfen hinuntergetragen und der Bauer über vom Magdalensberg aus über Mallnitz/Obervel� den Zustand von Vieh, Weide, Zäune, Almhütten lach (Kärnten) betrieben. Von dort führte der und über die Gesundheit der Sennerin und der kürzeste Weg zu den Lagerstätten im Hochge� Knechte informiert. Zurück auf die Alm wurden birge, wo der befahrbare Römerweg im Naßfeld wichtige Güter wie Werkzeug, Kleidung und Mehl endete. Was gab es im Naßfeld zu holen, dass sich getragen. Almprodukte wie Käse, Buttermilch, ein Wegebau rechnete? Butter (-schmalz) dienten aber gewiss auch zur Versorgung der Bergleute sowie der Bergwan� Das 3 km lange, von Bächen durchflossene derer und Bergsteiger, die in den Almen ev. auch Almtal war nicht nur für ein Zwischenlager ge� ein Nachtquartier finden konnten. Ebenso muss� eignet, sondern auch für Goldwaschanlagen und ten Erze und Mineralien zur Weiterverarbeitung diente vielleicht als Ausgangspunkt für die Suche 26
Almen auf dem Naßfeld bei Bad Gastein (Hohe Tauern) Ortskern von Hofgastein. Kolorierter Stahlstich. Gezeichnet von L. Rohbock, gestochen von G. M. Kurz. 12,5 cm x 9,9 cm. Um 1840. Sammlung: ANISA/F. Mandl nach Abbaurevieren von Bergkristall und Gold heftig diskutiert (GLEIRSCHER, Paul, 1995, 144; in der hochalpinen Umgebung. Über den Abbau 2014, 97f; Bergauf Bergab 2016, 373-376). Heimo von Bergkristall im Bereich der Goldberggruppe Dolenz konnte nachweisen, dass auf dem Mag� sind sich die Archäologen weitgehend einig. Berg� dalensberg Gold verarbeitet und in Goldbarren kristall war zur Römerzeit ein ausgesprochener für Kaiser Caligula gegossen wurde. Die Inschrift Luxusartikel und so wertvoll wie Gold. Über die (aurum) C(aii) Caesaris Aug(usti) Germanici Goldgewinnung in den Hohen Tauern wird noch imp(eratoris ex Noric(is metallis) in einer Guss� 27
Franz Mandl Wildbad Gastein Künstlerkarte „Das schöne Österreich“. Verlag Nedomans- ky Wien. 13,0 cm x 9,3 cm. Um 1840. Sammlung: ANISA/F. Mandl Voglmaierhaus. Gewerkenhaus aus der Hochblüte des Bergbaues. Rauris, Pinzgau, Land Salzburg. Foto: F. Mandl 2003 28
Almen auf dem Naßfeld bei Bad Gastein (Hohe Tauern) des Goldes interpretiert werden können. Dolenz spricht von einer kaiserlichen Goldbarrengießerei für die natürlich Gold herantransportiert werden musste. Für einen Goldbergbau in den Hohen Tauern schon in vorrömischer Zeit gibt es sogar schriftliche Quellen. Der griechische Geschichts� schreiber Polybios (202 bis 122 v. Chr.) hat im aus� gehenden 2. Jahrhundert v. Chr. selbst die Alpen bereist. In von Strabo überlieferten Auszügen aus Polybios´ Werk finden wir Nachrichten über Goldbergwerke nördlich von Aquileia und ergie� bige Goldfunde der norischen Taurisker (GASS� NER, Verena/JILEK, Sonja/LADSTÄTTER, Sabi� ne, 2002, 37f.). Heinrich Zimburg, einer der vielen Gas� teiner Chronisten, übersetzt und zitiert in seiner Geschichte Gasteins und des Gasteiner Tales den von Strabo überlieferten Text: Ferner sagt Poly- bios, daß zu seiner Zeit etwa in der Gegend von Aquilea bei den norischen Tauriskern eine so rei- che Goldlagerstätte gefunden wurde, daß wenn ei- ner den Boden nur 2 Fuß tief aufgrub, er sogleich gegrabenes Gold gefunden und daß die Grube nie tiefer als 15 Fuß war. Das Gold war dort ganz rein, in der Größe einer Bohne oder Lupine, so daß nur ein Achtel beim Schmelzen verloren ging. Auch dort, wo der Schmelzverlust größer war, war das Unternehmen doch sehr gewinnbringend. Als Ita- ler mit den Barbaren zwei Monate zusammenar- beiteten, sank der Goldpreis in ganz Italien auf ein Drittel. Doch als die Taurisker dies erfuhren, vertrieben sie ihre Mitarbeiter und behielten sich den Goldhandel allein vor. Jetzt jedoch sind die Goldgruben unter römischer Herrschaft. Auch hier führen die Flüsse, so wie in Spanien neben den Goldgruben auch Goldstaub, der neben dem gegrabenen Gold gewonnen wird, jedoch nicht so viel wie dort (ZIMBURG, Heinrich, 1948, 4). Lochaxt vom Kreuzkogel-Radhausberg (L=8 cm) und Lochaxt vom Korntauern (L=7,4 cm). Veröf- Ortolf Harl versucht die Route von Poly� fentlichung der Zeichnungen mit Genehmigung bios zu rekonstruieren und sie mit dem von ihm von Andreas Lippert (1993,176) untersuchten Weg über das Hochtor, den er als Glocknerroute bezeichnet, in Verbindung zu brin� form und Untersuchungen der Innenflächen von gen: Von Concordia gelangte er über den Südteil Ofenmänteln mit der Neutronenaktivierungsme� der Glocknerroute, über Iulium Carnicum nach thode belegen das eindeutig (DOLENZ, Heimo Noreia, der Hauptstadt der norischen Taurisker (2015, Bergauf Bergab, 383-388). Dazu kom� (HARL, Ortlieb, 2014, 194). men archäologisch nachgewiesene Bauten, die als Hochsicherheitstrakt für die Aufbewahrung 29
Franz Mandl Alte Wege Mit der Lokalisierung des Siedlungsgebiets der norischen Taurisker befasst sich Peter Haider ausführlich und stellt Überlegungen zu den rö� mischen Passübergängen, Korntauern und Mall� nitzer Tauern an. Er hält sie für kurzlebig und da� tiert sie in die erste Hälfte des 1. Jh. n. Chr. und das zweite Drittel des 2. Jahrhunderts n. Chr. (HAIDER, Peter, 1993, 219-247 u. 249-276). Die Bezeichnung Heidenweg, von Mommsen ins La� teinische übersetzt viae adhuc dictae paganorum, wird von vielen weiteren ausgewiesenen Histori� kern geteilt. (GRUBER, Fritz, Hochalpine Altstra� ßen, 1993, 279). Ein Heidenweg war ein Römerweg, was die archäologischen Grabungen, auf dem Korntauern und Mallnitzer Tauern belegen. Eine Römerstra- Eingemauertes Marmorfragment einer spätrömerzeitli- ße hingegen wurde so angelegt und gebaut, dass chen Wagendarstellung. Spätrömisch-frühmittelalterli- sie mit zweiachsigen Wagen mit Gespannen be� cher Siedlungshügel bei Lavant, Osttirol. Foto: F. Mandl fahren werden konnte. Ein steiniger hochalpiner 2004 Weg wie an Korntauern und Mallnitzer Tauern genügte für Säumer und bei gutem Ausbau und guter Instandhaltung auch für einachsige Karren. So ein Karren mit 0,8 bis 1 m Spurbreite konn� te im ausgesetzten, felsigen Gelände mit einer Wegbreite von 2 m sein Auslangen finden. Enge Spitzkehren sind ebenfalls für die Befahrung mit Karren kein Hindernis (MANDL, Franz, 2006, 172-189). Ob kleine zweiachsige Wagen, wie sie manches Mal auf mittelalterlichen Fresken darge� stellt sind, für den unterschiedlich gut ausgebau� ten Weg über den Mallnitzer Tauern geeignet wa� ren, bedürfte eines experimentellen Versuches. Der Vorteil eines Zugtieres gegenüber einem Saumtier liegt bei stundenlangen Fahrten in der geringeren Belastung des Knochengerüstes und der rascheren Erholung in den Pausen, in denen die Last nicht abgenommen werden muss. Für die schweren Bergkristall- und Erzlasten boten ��������� Wa� gen eine praktikablere Lösung und eine sicherere Transportmöglichkeit. Die Ergebnisse der archäologischen Un� tersuchungen von Tauernübergängen zeigen ein einheitliches Bild. Neben den Römerstraßen über den Triebener Tauern, den Radstädter Tauern und den Brennerpass, die in der Tabula Peutin- geriana eingezeichnet sind, gab es in den Ostal� Karren mit Pferd auf altem Weg. Sammlung: ANISA/F. pen zahlreiche Saumpfade und fahrbare Karren� Mandl wege, die großteils noch auf eine archäologische 30
Almen auf dem Naßfeld bei Bad Gastein (Hohe Tauern) Untersuchung warten. Beispiele für erforschte an der Drau und von dort über die bestens aus� Saumwege über Pässe sind der Sölkpass (1860 m) gebaute Reichsstraße nach Iuvavum (Salzburg) mit einer 6000 Jahre alten Begehung (MANDL, gelangen können. Auch hätte man sich damit die Franz, Hrsg., 2003, Sölkpass) und der Saumpfad lange und gefährliche hochalpinen Querung von über das Hochtor (2576 m) im Glocknergebiet Heiligenblut ins Fuschertal erspart. Warum der (HARL, Ortlieb, Hrsg., 2014) mit einer 2200 Jah� Hochtorweg mit Römerstraßen verglichen wird, re nachweisbaren Begehung. Alle diese Straßen, bleibt ein Rätsel. Zudem fehlen archäologische Karrenwege und Pfade queren den Alpenhaupt� Untersuchungen des Weges selbst, wie sie am nur kamm und verbinden den Süden mit dem Nor� 15 Kilometer entfernten, östlich davon gelegenen den. Mallnitzer Tauern und am Korntauern von An� dreas Lippert durchgeführt wurden. Die beiden Mit Nachdruck versucht Ortolf Harl in sei� Übergänge sind nach den archäologischen Be� ner Publikation zur Untersuchung des Hochtors funden dem Hochtor ebenbürtig und sogar der der sog. Glocknerroute eine höhere Bedeutung zu Nachweis für eine urgeschichtliche Begehung seit verleihen, als diese wahrscheinlich gehabt hat. Er dem Neolithikum ist vorhanden. Dazu kommt, will den Eindruck erwecken, dass es keinen wich� dass die erste Grabungskampagne bereits 1993 tigeren Weg vom Plöckenpass in den Norden nach umfassend und sachlich veröffentlicht wurde. Salzburg und weiter nach Böhmen gegeben hätte Titel der Beiträge von Ortolf Harl wie Poeninus und vergleicht diesen Saumweg mit dem Großen und Hochtor: zwei hochalpine Passheiligtümer St. Bernhard. Vom Plöckenpass hätte man viel ein� im Vergleich oder Der Verlauf der Glocknerroute facher und schneller über Kötschach nach Spittal zwischen Oberitalien und Böhmen (HARL, Ort� Bis weit in die Neuzeit wurden Saumpfade über die Tauern genutzt. „Samschlag über den Rauriser Tauern zwischen Salzburg und Kärnthen. Angekauft vom Sächsischen Kunstverein auf das Jahr 1832. Nach der Natur gezeichnet von Mandelsloh, gestochen von T. Faber“, 1832. Sammlung: ANISA/F. Mandl 31
Franz Mandl Steige und Wege im Gebirge ersparten nicht nur Zeit für den Viehtrieb, sondern sie gewährleisteten auch eine größere Sicherheit für die Herde und die Hirten. Heimkehr des Ziegenhirten. Holzschnitt. Original- zeichnung von Anton Braith. 20,2 x 15,4 cm. Sammlung: ANISA/F. Mandl 32
Almen auf dem Naßfeld bei Bad Gastein (Hohe Tauern) lieb, 2014, 103-173) regen zum Schmunzeln an. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die kleine� ren Tauernübergänge überwiegend für die Ver� sorgung des inneralpi-nen Raumes notwendig waren und weniger für einen weitläufigen Transit (GRABHERR, Gerald, 2014, Besprechung, 397- 399). Besonders zu bedauern ist die schlechte Qualität der Grabungsdokumentation (Ebda., 2014, 29-31). Skizzenhafte Pläne werden klein und blass dargestellt, sodass sie nicht lesbar sind und man sich fragen muss, warum sie überhaupt veröffentlicht werden. Die Namensbezeichnungen für das Hoch� tor waren vielfältig. In der Zeit Viehrthalers nannte man den Übergang und das dortige Ge� birge je nach Sicht der Bewohner in Rauris, Hei� ligenblut und Fusch als Rauriser, Heiligen Bluter und Fuscher Tauern. Viehrthaler bezeichnet 1816 den Weg über die Tauern als Samschlag und no� tiert dazu: Er windet sich dafür unmittelbar bis zur höchsten Zinne hinauf, die das hohe Thor ge- nannt wird, und senkt sich jenseits nach Hof in das Möllthal hinab (VIEHRTHALER, Franz M.,1816, 248f.). Der Bergbau im Mittelalter Belsazar Hacquet und das Obervellacher Per- gament aus dem Jahr 717 Porträt. Belsazar Hacquet. Aus: Belsazar Hacquet Gesicherte schriftliche Quellen zu den Leben und Werk. Hrsg. v. Hans Fischer. München Bergbauen in Gastein und Rauris sind erst aus 1930 dem Spätmittelalter überliefert. Der Rauriser Bergbau wird 1340 erstmals genannt. Ein Fund einer Grubenlampe datiert in das ausgehende Raum wäre in der Tat ungewöhnlich, daher ist 13. Jahrhundert (GRUBER, Fritz, 2000, 176). Erst deren Echtheit umstritten - zumalen da das Per� 1342 gibt es die erste Nennung von Bergbau für gament als verschollen gilt. Wahrscheinlich ist es Gastein (Ebda., 187-189). - falls es tatsächlich existiert hat - mit der Auflö� sung des Archivs verlorenen gegangen. Obervel� Doch der Naturforscher und Pionier lach befand sich im Frühmittelalter im Einfluss� der Alpinistik, Belsazar de la Motte Hacquet bereich von Karantanien (GLEIRSCHER, Paul, (1739/1740-1815), berichtet, dass er um 1784 im 2018, 137), das damals bis zum Alpenhauptkamm Obervellacher Oberbergmeisteramt Inneröster� mit den Übergängen Mallnitzer Tauern und reichs in ein altes Pergament aus dem Jahr 717 Korntauern somit bis an die Salzburger Landes� Einsicht nehmen konnte, in dem von der Wie� grenze reichte. Obervellach liegt nur wenige Ki� deraufnahme des römischen Bergbaues im Raum lometer südlich dieser Übergänge. Warum sollte Naßfeld berichtet würde: aurifodinae Romano- Hacquet, hoch gebildet und des Lateins mächtig, rum in campo humido versus septemtrionem per die frühe Nennung erfunden oder gefälscht ha� multos annos desertae iacuere, anno 717 iterum ben? Er selbst hat das Naßfeld nicht besucht. Also exercere coeptae sunt (HACQUET, Belsazar, 1791, muss er von diesem Ort gehört oder gelesen ha� 65). Eine so alte schriftliche Nennung aus diesem ben. Der Kärntner Landesarchäologe Paul Gleir� 33
Franz Mandl scher bestätigt den früher Zugang von Süden: In der römischen Kaiserzeit ist man von Süden in die Naßfelder Region gekommen, um die dorti- gen Gold- und Silberlager auszubeuten und auch Bergkristalle aus den Klüften zu bergen (GLEIR� SCHER, Paul, Bergbau. 1995, 144). Jahrhunderte alte ortsbezogene Bergbaugeschichte entwickelt Traditionen, die sich auch in territorialen An� sprüchen erhalten können. Als Erster übernimmt L. Hübner diese schriftliche Quelle Hacquets (HÜBNER, L.,1796, 466) mit der Jahreszahl 719. Ihm folgt Albert Muchar, der das Jahr 718 ohne Quellenangabe nennt und unter anderem meint: Auf der Naß- feldertauernkette wohl waren die urältesten, weit über alles Menschengedenken hinauf reichenden Gold- und Silberbergwerke, welche die norischen Taurisker zuerst aufgeschlossen, dann die Römer durch Jahrhunderte bearbeitet hatten; und wel- che im frühesten Mittelalter, im Jahre 718 wieder belegt worden sind (MUCHAR, A.,1834, 290f.). Friedrich Schaubach schreibt ebenfalls ab, ohne die Quelle zu zitieren. Dazu führt er aus: Der Bergbau im Naßfeld soll der älteste, zuerst von den Tauriskern aufgeschlossen, dann von den Rö- Almabtrieb mit einer Schafeherde. Holzstich um mern fortgesetzt, seyn. Nach der Völkerwanderung 1890. Anonym. Sammlung: ANISA/F. Mandl wurde er wieder aufgenommen, wo der Name Campus humidus 718 vorkömmt, ein Name, der Für eine Datierung der Almwirtschaft im von den vielen Bächen herkömmt, die seine Thal- campo humido würde das Jahr 717 ohnedies nur fläche durchschneiden, um das tiefer eingeschnit- eine sekundäre Bedeutung besitzen, bezieht sich tene Bett der Ache zu erreichen (SCHAUBACH, doch die Nennung auf den Bergbau. Doch wäre ein Friedrich, 1846, 90). Bergbau ohne ergänzende Nahrungsversorgung durch die Almwirtschaft für die Knappen über� Auf diese nicht mehr überprüfbare Quelle haupt möglich gewesen? Aus einem Gerichtsakt berufen sich in der Folge viele weitere Beschrei� von 1573 (GRUBER, Fritz, 2000, 209) ist zu ent� bungen des Gasteiner Bergbaues. In seinem Bei� nehmen, dass die Almen auf dem Naßfeld wie trag Die hochalpinen Straßenreste aus mittel- auch der Bergbau ursprünglich von Kärnten aus alterlicher und frühneuzeitlicher Sicht zweifelt bewirtschaftet wurden. Diese Parallele ist wohl Fritz Gruber die Quelle Hacquets an (GRUBER, ein Hinweis darauf, dass der Bergbau zumindest Fritz, 1993, 310f., Anmerkung 108). Auch in sei� teilweise mit den Milchprodukten des Weidebe� ner Arbeit über Die Entstehungsgeschichte der triebs versorgt wurde. Als das Almrecht für das Reviere im Bockharttal, Gastein, in der er den Naßfeld in der frühen Neuzeit geregelt wurde frühmittelalterlichen Nennungen ein eigenes Ka� (HINTERSEER, Sebastian, 1957, 356), ordnete pitel widmet und auch die Nennung der Haiden man derart Grundlegendes an, wie die Größe des in der Gasteiner Chronik von 1540 diskutiert, Käses, die Verzinsung des Viehs, das Mähen, die steht Gruber dieser Quelle weiterhin skeptisch Errichtung der Kaser (Almhütten), die Abgaben gegenüber, wenn er schreibt: Das Stilmittel, Sach- für die Viehhaltung an die Herrschaft, den Ter� verhalte in selbsterfundenen „Zitaten“ mitzuteilen min des Auftriebes und sogar die Kennzeichnung und so den Schein der Authentizität zu erzeugen, des Viehs, sodass es möglich erscheint, dass da� galt zu gewissen Zeiten und in gewissen Kreisen mals ein Wechsel des Auftriebes hin zum Gastei� als originell (GRUBER, Fritz, 2001, 118). nertal erfolgt ist. 34
Almen auf dem Naßfeld bei Bad Gastein (Hohe Tauern) Die Kleine Eiszeit, die Gletscher und der Berg- Reiche Kaufleute kaufen im letzten Viertel des bau in der Goldberggruppe 15. Jahrhunderts Bergwerke mit angeschlosse� nen Erzverarbeitungswerken auf und werden zur Wachsende Gletscher bedeuteten ein här� mächtigen finanziellen Stütze von Königen und teres Leben im hochalpinen Raum. Der Beruf des Kaiser, die das Regal über den Bergbau ausüben Bergmannes ist ein alter Beruf. Tagebau ist leich� (BRAUDEL, Fernand, 1986, 350-354). ter zu bewältigen als die immer weiter in den Berg führende Grubenarbeit, die Ausbeutung und Um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhun� schlechte Arbeitsbedingungen mit sich bringt. dert erfolgte ein Einbruch des Bergwerksbetrie� Schon seit dem 12. Jahrhundert sind in Mitteleu� bes. Wenn Christian Rohr der Übersättigung des ropa Gewerkschaften und Knappenschaften anzu� Marktes mit Gold und Silber aus der neuen Welt treffen. Der technische Aufwand wie Auszimme� und dem damit verbundenen sinkenden Ertrag rung der Stollen, Förderanlagen am Eingang, tiefe im Gasteiner und Rauriser Bergbau alleine die Schächte, das Heben der Wässer kosten Geld. Schuld gibt, dann vergisst er auf die verheerende Bergbau in der frühen Neuzeit. „Stehende Kluft“ Schwazer Bergbuch (Ludwig Lässl, Jörg Klober), Tirol 1561. Federzeichnung koloriert. Aus dem Archiv von IMAREAL, realonline (7008834), Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Die Veröffentlichung wurde genehmigt von der Österreichischen Nationalbibliothek, ÖNB, cod. 10852; 007018. Wien 35
Franz Mandl Dreiteiliges Wandgrabmal mit Huldigungstext und mystifizierten antiken Bergknappen. Unten Grab- platte von Christof Weitmoser. Weitmoserkapelle. Westfassade der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt. Bad Hofgastein. Foto: ANISA 2020 Gotische Madonna im barocken Hochaltar. Bad Hofgastein, Pfarrkirche Mariae Himmmelfahrt (1498). Die prächtige 3-schiffige Kirche zeugt von dem durch den Bergbau erwirtschafteten Reich- tum im Spätmittelalter. Foto: ANISA 2020 36
Almen auf dem Naßfeld bei Bad Gastein (Hohe Tauern) Mühlsteine und Mühlsteinfragmente als Relikte des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Goldberg- baus. Ausgestellt im Naßfelder Museum. Foto: ANISA 2020 Detail: Die Mühlsteine wurden verwendet, um erzhaltiges Gestein mithilfe der Wasserkraft zu Bergkristall war in der Römerzeit ein wertvolles zerkleinern. Ausgestellt im Naßfelder Museum. Mineral. Foto: ANISA 2020 Museum Naßfeld. Foto: ANISA 2015 37
Franz Mandl Klimaverschlechterung zwischen 1580 und 1620. (GLASER, Rüdiger, 2001, 93-180). Die kaltfeuch� Damals kam es zu gewaltigen Gletschervorstößen ten Unterkünfte und die vitaminarme Ernährung und katastrophalen Wetterereignissen, begleitet führten zu Mangelerscheinungen und Krank� von Hungersnöten und Seuchen. Sicherlich war heiten. Wetterkapriolen in der ersten Hälfte des dies auch ein Grund für Fürsterzbischof Wolf 16. Jahrhunderts: Brotmangel im Sommer und Dietrich, sich 1602 aus dem Bergwerksbetrieb zu� Kirschblüte im Winter; „Schwarzer Tod“, „Kleine rückzuziehen. Nach Besserung des Klimas stieg Eiszeit“ und „großes Rebensterben“ in der zweiten sein Nachfolger Fürsterzbischof Markus Sittikus Hälfte des 16. Jahrhunderts und weiter Naßkalte von Hohenems 1614 wieder in den Betrieb ein Sommer und schneereiche Winter im 17. Jahrhun- und verstaatlichte ihn sogar 1616 (ROHR, Chris� dert: „Ist ain so kalter Summer und Jahr gewesen tian, 2001, 141f ). …“ betitelt Georg Jäger seine Dokumentationen, die zwar auf Tirol bezogen sind, aber deren Aus� wirkungen auch durchaus auf den gesamten alpi� Bergbau, Gletscher und Klima nen Bereich übertragen werden dürfen (JÄGER, Georg, 2010, 32-40). Die klimabedingten Gletschervorstöße (PAT� ZELT, Gernot, 2019, 41-55) wirkten sich direkt Im Festband der Zentralanstalt für Metro� auf die Baue in großen Höhen aus, die von Glet� logie und Geodynamik mit dem Titel Gletscher im schern überfahren wurden. Die Klimaverschlech� Klimawandel. Klimaschwankungen in Jahrhun- terung in diesen Zeitabschnitten beeinträchtigte derten: warmes Mittelalter – kleine Eiszeit – mo- die Gesundheit (BEHRINGER, Wolfgang, 2007, derne Warmzeit, ist eine Klimakurve abgebildet, 153-195) der inneralpinen Bewohner und im Be� die 1200 Jahre Klimageschichte dokumentiert sonderen die schwerarbeitenden Bergknappen (2007, 22f ). Demnach gab es bis um 1000 nach Farblithografie nach Thomas Ender. Der Rauriser Goldberg mit der Knappenhütte, 1829. Sammlung: ANISA 38
Almen auf dem Naßfeld bei Bad Gastein (Hohe Tauern) Christi Geburt günstige Jahre, denen 150 Jahre Eduard Richter gibt in seinem Buch Die mit schwankenden Temperatursenkungen folg� Gletscher der Ostalpen, das 1888 erschienen ist, ten, die zu erheblichen Gletschervorstößen führ� also etwa 40 Jahre nach dem Gletschermaximum ten. Danach herrschte 400 Jahre lang eine güns� von 1850, für den Goldberggletscher (früher Vo� tigere Klimaphase mit kleineren Rückschlägen gelmeier-Ochsenkahrkees) eine Fläche von 404 in den Jahren 1350, 1460 und 1500, bis schließ� ha an. Wenn man in den Luftbildern des SAGIS (= lich 1570 eine 200 Jahre andauernde Klimaver� Salzburger Geographisches Informationssystem) schlechterung einsetzte. von 2020 die Flächen anhand der 1850er-Morä� nen nachmisst, so kommt man zu dem Ergebnis, Vor allem die Jahre 1570 bis 1620 zeich� dass der Gletscher eine maximale Fläche von 490 neten sich wegen der massiven Zunahme der Eis� ha erreicht hat. Das Bild von SAGIS-online 2020 masse durch gewaltige Gletschervorstöße aus. zeigt einen in drei Teile zerfallenen Gletscher mit Das Klima wird danach wieder besser, wechselt einer Gesamtfläche von nur mehr 88 ha. Das ist aber schließlich ab 1810 in eine weitere Depressi� nur noch etwa ein Fünftel seiner ursprünglichen on mit dem bekannten Gletschermaximum zwi� Größe. Das Siglitz- und das Schareckkees, die schen 1840 und 1850. Die Gletschervorstöße um 1850 noch zu einem Gletscher verbunden waren, 1600 und um 1850 sind etwa gleich stark zu be� entwässern in den Bräuwinkel. Beide haben laut werten, wie Moränen von 1600 und 1850 belegen. Richter 1888 noch 111 ha. Nach der Nachmes� 1 km Die Vergletscherung der Goldberggruppe 15 Jahre nach dem Gletscherhochstand von 1850. Auf dieser Karte ist eine durchgehende Vergletscherung von der Noespitze/Auf den Bänken (3005 m) über den Hocharn/Hochnarr (3254 m), den Hohen Sonnblick/Hint. Sonnblick (3105 m) und das Schareck/Scharreck (3123 m) bis zum Geißl- kopf/Gaiselspitze (2974 m) abgebildet. Ausschnitt aus der Karte der „Hohen Tauern. Entworfen und gezeichnet von Carl Edlen von Sonklar. Beilage für das Buch: Die Gebirgsgruppe der Hohen-Tauern. Mit besonderer Rücksicht auf Orographie, Gletscherkunde, Geo- logie und Meteorologie. Nach eigenen Untersuchungen dargestellt.“ 1:144.000. Wien 1866. Sammlung: F. Mandl 39
Franz Mandl sung im SAGIS hatte der Gletscher 1850 eine ma� Sagen als Erinnerung an Gletschervorstöße ximale Fläche von 267 ha. Allerdings sind m����� ögli� cherweise Teile der steilen Wand eisfrei gewesen, Der Gletschervorstoß um 1600 brachte den sodass diese Flächen nicht mitberechnet werden Bergbau über einer Höhe von 2500 m praktisch dürften. Die Nachmessung von 2020 zeigt zwei zum Erliegen. Beispiele von ausgeaperten freie und eine überschotterte Eisfläche mit ge� Gegenständen nach Rückzug der Gletscher ringen Tendenzen zu einem Blockgletschers. Die gibt es mehrfach (BÖHM, Reinhard/AUER, Gesamtfläche der beiden Eisflächen beträgt 25 ha Ingeborg/SCHÖNER, Wolfgang, 2011, 45-50). und die überschotterte Fläche 23 ha. Zusammen Solche Großereignisse wie um 1600 waren der gezählt sind das 48 ha. Das ist etwa ein Fünftel Anstoß zur Bildung von Sagen. Das Gedächtnis seiner ursprünglichen Größe. der Menschen merkt sich vor allem katastrophale Ereignisse. Die Gletschervorstöße bilden den Für das sagenumwobene Schlappereben� wahren Kern von Wandersagen wie z.B. der kees misst Richter 1888 123 ha. Nach der GIS- Sage von der Übergossenen Alm, die mehrfach in Nachmessung an den 1850er Moränen hatte der den Alpen dort anzutreffen ist, wo es Gletscher Gletscher eine maximale Ausdehnung von 254 gibt. Die ursprünglich mündlich überlieferten ha. Die Nachmessung von 2020 ergibt eine Fläche Erzählungen wurden im Laufe der Zeit immer von 48 ha. Das ist ebenfalls nur noch ein Fünftel wieder ausgeschmückt und mit neuen erfundenen seiner ursprünglichen Größe. Für die gegen Details bereichert. Manche Sagen fanden Osten hin ziehenden������������������������������ , drei tiefer gelegenen, klei� dann den Weg in eine Chronik und Historiker nen Gletscher bis zum Mallnitzer Tauern misst begaben sich auf die Suche nach deren wahren Richter je 40,8 ha, 24 ha und 34 ha. Die Nach� Kern. In unserem Fall ist es das vorrückende messung von 2020 aller drei Gletscher zusammen Schlapperebenkees, das damals den Bergbau an beträgt nur mehr 9 ha. Das Vorrücken der Glet� den steilen Hängen überdeckt haben soll. scher stagnierte allerdings bereits ab 1845. Die Gletscher verloren schon vor ihrem beginnenden Der steirische Historiker Albert Muchar Rückzug um 1850 an Masse, aber noch nicht an hält 1834 die Sage über das Schlapperebenkees in Länge. Diese extremen Werte belegen einerseits seinem Buch über Gastein fest: eine verheerende Kaltphase und andererseits er� Dennoch sollen einst auf jener schau- leben wir heute das Gegenteil, nämlich eine über� erlichen Höhe Goldgruben bearbeitet worden wiegend von uns Menschen beeinflusste Warm- sein, und die Bergleute sich im Schatten dunkler und Trockenphase. Zirmenhaine gütlich gethan haben? Alte Berg- männer erzählen von der Heidenstraße, welche Ein reich bebildertes Beispiel der Glet� dahin führte; und sie versichern, selbst noch die scherschwankungen von 1840 bis 2016 ist im In� Eisenklammern gesehen zu haben, vermittelst ternet zu finden (PASTERZE, Glocknergruppe. welchen dieselbe an die Felsen befestigt war? Der Gletscher der Österreicher ist ein Indikator für Nach und nach erwuchs dort der Gletscher, des- eine immer schneller werdende Klimaerwärmung. sen jähes Abrollen und ein in kurzer Zeit zu 40 Gletscherschmelze von 1850 bis 2016. Eine Bild- Ellen Höhe angewachsene Schneemasse einst die dokumentation zur Umwelt- und Klimabelastung letzte Bergstube mit 12 Knappen begraben hat- im Hochgebirge. Online 27.04.2020 http://www. te. In ihrer schrecklichen Noth, vom Hunger ge- anisa.at/Grossglockner_Pasterze_2015_ANISA. quält, hatten die Unglücklichen schon unter sich htm). das Loos geworfen, wer von ihnen von den ande- ren aufgefressen werden sollte. Da versuchte der Zu den Auswirkungen der Gletschervor� Bergschmied, welchen das schreckliche Loos zu- stöße auf den Bergbau macht sich Fritz Gruber erst getroffen hatte, durch den Kamin der Berg- ebenfalls Gedanken. Er begründet den rapiden schmiede einen Ausweg, kam glücklich zu Tage, Niedergang der Bergbauaktivitäten ähnlich wie und rettete sich; alle Uebrigen hatten dort ihren Rohr mit der Ausbeutung der erschlossenen La- Tod gefunden. (Dieser Vorfall wird jedoch auch gerstätten und den zunehmenden Schwierigkeiten von den Gildschachten am hohen Narr in Rau- beim Bau in die Tiefe und nicht mit der Klimaver� ris erzählt.). Schnee und Eis aber hätten seit die- schlechterung (GRUBER, Fritz, 2010, 227-260). ser Zeit die Goldschachten auf der Schlapper- 40
Almen auf dem Naßfeld bei Bad Gastein (Hohe Tauern) Der Blick vom Naßfeld auf das sagenumwobene „Gletscherauge“ im Schlapperebenkees. Die- ses beliebte touristische Motiv ist durch den Rückgang des Gletschers inzwischen verschwun- den. Stattdessen blickt man nun auf eine großflächige Felswand. Das Schlapereben Kees. Gustav Jägermayer 1863. Aus: „Österreichische Alpen in Photogra- phien. Nach der Natur aufgenommen von Gustav Jägermayer. No. 68“. Wien 1864. 29,3 cm x 42,2 cm. ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung (POR). Signatur: PK 4457, 30 ebene unzugänglich gemacht. – Im Jahr 1785, Bergstuben. Reiche Goldstufen findet man da die tieferen Eismassen des Gletschers und noch immer. Die Steinart der Schlapperebne ist des Schnees von der brennenden Sommerhitze wie die des Rathhausberges: Höhe, Form und geborsten waren, habe man auf der Schlapper- Richtung des Gebirges beinahe eben dieselbe. ebene wirklich noch Überreste von Bergtagge- Die Schlapperebne liegt zwischen dem hohen bäuden, Stollen und Schachten, Maschinen und Goldberge in Rauris und dem Rathhausberge Geräthe aller Art, Stelzen, Dielen und Haspel, fast mitten inne. Wahrhaftig! alle geognostischen eine Rennstange und vom Rost zerfressene Schie- Zeichen müßten trügen, wenn im Innern dieses nen gefunden (MUCHAR, Albert, 1834, 292). Berges nicht auch Goldadern sich fänden. Wahrscheinlich würde man daselbst schon Bereits 1799 hat sich Franz Michael lange einen Suchstollen angelegt haben, wenn Viehrthaler in seinem Buch Reisen durch es nicht so äußerst schwer hielte, im Naßfelde Salzburg auf diese Sage bezogen: ein Bergwerk zu betreiben. Es fehlt am Holze; Die Schlapperebene faßte ich vorzüglich scharf ins man sieht im ganzen Thale keinen Baum Auge: Hier war, wie die allgemeine Sage erzählt, (VIEHRTHALER, F. M.,1799, 307). vor ungefähr hundert Jahren ein Goldbergwerk. Allein eine Lawine bedeckte plötzlich die Hans Gruber schreibt 1902 über die Reste Gruben; und ward zu einem Gletscher, der noch des dortigen Bergbaues: bis auf den heutigen Tag darüber ausgestreckt Die dem Eisfelde vorgelagerte Stufe heißt liegt. Vor 15 Jahren, da eben die Sommerhitze Schlappereben und es finden sich dort zahlrei- den Gletscher gewaltig angegriffen hatte, fand che Spuren einstigen Bergwerksbetriebes, wie man daselbst Berggeräthe und Ueberreste von auch auf der heute noch vom Gletscher bedeck- 41
Franz Mandl Bergwerksruine und Bergwerkswüstungen aus dem Mittelalter und der Neuzeit. Naßfeld. Fundkarte Nr. 9 und 10. Foto: ANISA 2020 42
Almen auf dem Naßfeld bei Bad Gastein (Hohe Tauern) ten Fläche fortwährend Mauerreste alter Knap- Der harte Alltag der Knappen penstuben ausapern. Inmitten des Keeses tritt eine runde, schwarze Felspartie zutage – das Trotz der Gletschervorstöße wurde in den Gold� Kessauge, an das sich eine anmutige Gasteiner bergbauen in Gastein und Rauris im 19. Jahrhun� Bergsage knüpft (GRUBER, H.,1902, 256). dert sommers wie winters gearbeitet. Der k. k. Bergverwalter K. Reissacher hielt am 21. Jänner Der Nachweis eines solchen Bergbaues ist 1863 in der Versammlung des Österreichischen aber sicherlich nicht einfach. Der Gletscherschliff, Alpenvereins einen Vortrag über das damals die Überdeckung durch Moränenschutt und aufgelassene Bergbaurevier Gastein und Rauris. die Verwitterung haben in dieser extremen Darin schildert er eindrucksvoll, wie hart der All� Lage wohl das meiste zerstört und die Gruben tag der Bergknappen gewesen ist, die in diesen verschüttet. Falls Gegenstände aus Metall in den höchstgelegenen Bergbaurevieren der Monarchie letzten Jahrhunderten gefunden wurden, sind sie arbeiten mussten. inzwischen mit Sicherheit verschleppt worden. Wie immer spielt bei einer solchen Suche auch der Für die Almwirtschaft interessant ist Zufall mit. Häufige Oberflächenbegehungen und die Stelle, wo man das Naßfeld betritt. Die ers� Feldforschungen führen in diesem Fall am ehesten te Fläche nennt er Engboden. Am Bereich des zu Erfolgen. Die Geschichtswissenschaft täte gut Saumweges zum Bockhartsee erwähnt er die daran, die Sagen von den Heiden (Römern) im ärarische Almhütte „Samerkölbl“ und an der Goldbergbau und die Schlappereben-Sage nicht Nordseite des Bockhartsees die neugebaute und als reine Phantasiegebilde aus den Forschungen wohleingerichtete Almhütte des Straubingers. auszuklammern. Die heutige Viehhauseralm bezeichnet er als Mo- 43
Franz Mandl serhütte. Reissacher erzählt von den Lawinen, die Extremitäten, Beklemmung auf der Brust und sowohl die Knappen als auch deren Unterkünfte Eingenommenheit des Kopfes, welche Uebel bei im Winter immer wieder bedrohten und Tod und längerem Aufenthalt zunehmen. Zerstörung brachten. Die Höhe wirkte sich nicht nur auf die Besonders erschütternd ist sein Bericht schwer arbeitenden Knappen negativ aus, son� über den mühsamen und gefährlichen Zustieg für dern auch auf die Tiere. Reissacher erzählt, er die Knappen im Winter von Rauris bis zur Knap� habe vergeblich versucht, Hunde und Katzen auf penstube am Sonnblick und dann weiter bis zu dem Berg zu halten. Trotz ordentlichen Futters den Bauen. hätten sie nicht länger als 4 Wochen ausgehalten, Mitten aus einem Chaos von Felstrüm- seien völlig abgemagert und �������������� hätten Atembe� mern, welche der Gletscher übereinander get- schwerden und Husten bekommen. Es ist daher hürmt […] ragt ein Hügel hervor […] Auf dessen wenig verwunderlich, dass die Rauriser Bergleute Scheitel erhebt sich die Knappenstube […] ein ei- mit 40 Jahren dienstunfähig geworden sind. Auf genthümliches Gefühl bemächtigt sich gewiss ei- dem Radhausberg erreichten sie die Dienstunfä� nes Jeden, der zum erstenmale dieses gemauerte higkeit 10 Jahre später. Reissacher begründet dies Haus erblickt, hingestellt unter einen Felsen, in damit, dass die Strapazen des Zustiegs und der einer Oase des Gletschers, Leben bergend im Arbeit am weniger hohen Radhausberg geringer kleinen inneren Raume auf der weiten grossen gewesen seien. Viele weitere Details, die über das leblosen Gletscherfläche. Alltagsleben der Bergknappen berichten, sind in seinem Beitrag zu finden (REISSACHER, K.,1863, Hier wohnen die Knappen kasernenmäs- 82 f.). sig beisammen, um in Wochenwerken von Mon- tag bis Freitag ihrem Dienst in der Grube zu ob- liegen. […] Dauert der Aufenthalt über 8 Tage, so stellt sich Mangel an Esslust, Ermattung der Die Ziege und das Schaf waren von der Antike bis in das Spätmittelalter bevorzugtes Milchvieh. Feder- zeichnung von Emmerich Millim um 1930. Grafikmontage von F. Mandl. Bildrechte: ANISA/Mandl. 44
Almen auf dem Naßfeld bei Bad Gastein (Hohe Tauern) Bergbau und Almwirtschaft Die Naßfeldalmen und ihre Beziehung zu den Die Nahrungsversorgung der Bergknappen Heimhöfen Ein Überblick Aus der Frühzeit des Bergbaues sind bisher keine Quellen über die Nahrungsversorgung der Berg� Eine detaillierte Beschreibung der knappen bekannt. Dass in der Frühzeit, damit sind Heimhöfe der Naßfeldalmen im Mallnitzer Raum die Römerzeit, das Früh- und das Hochmittelalter und im Gasteinertal würde den Rahmen dieses gemeint, bereits eine geplante und geregelte Beitrages sprengen. Häufige Besitzwechsel und Nahrungsversorgung stattgefunden haben wird, schwierig zu klärende Almrechte im Mittelal� muss angenommen werden. Die Almwirtschaft ter und in der frühen Neuzeit sind noch nicht war natürlich prädestiniert, für die Versorgung erforscht. In der Bad Hofgasteiner Ortschronik in den Sommermonaten Butterschmalz, Käse, werden zwar alle Bauerngüter, auch die in den Ziger, Schotten und Fleisch für die Bergleute zu ehemaligen Katastralgemeinden, genannt, doch erwirtschaften. leider wird dabei auf die Almen dieser Höfe kein Bezug genommen, auch fehlen Literaturverwei� Für den Ostalpenraum gibt es erst um die se (HINTERSEER, Sebastian, 1957, 24-185). Um Mitte des 16. Jahrhunderts eine Auflistung für den diese abwechslungsreiche Geschichte nachvoll� Lebensmittelverbrauch eines Bergmannes, wobei ziehen zu können, würde eine aufwendige Ar� der hohe Brotkonsum auffällt (ROHR, Christian, chivarbeit in Salzburg und Kärnten notwendig 2001, 141-156). Die Angaben zum Lebensmittel� sein, die ein geübter Historiker auf sich nehmen verbrauch erscheinen sehr großzügig bemesssen, sollte. daher kann man annehmen, dass ein Teil an die Familien weitergegeben wurde. Der Heidenweg von Mallnitz in Kärnten über den Tauern in das Naßfeld war ein einfacher Begleitend sollte die Frage aufgeworfen Zugang für den Betrieb der Almwirtschaft. Kaum werden, wie die Almprodukte den Bergknappen vorstellbar, dass die Almweiden im Frühmittel� in einem organisierten Bergbaubetrieb zu Ver� alter nicht bewirtschaftet worden wären. Das fügung gestellt wurden. Die Bauern mussten für Gasteinertal weist an seinem Südrand mehrere die Almbenutzung an ihre Herrschaften zunächst slawische Namen wie Kötschach, Salesen oder Naturalabgaben leisten und benötigten einen Teil Patschen auf. Ein möglicher Beleg, dass die Be� für den Eigenbedarf. Die Almprodukte konnten siedlung von Karantanien aus erfolgte. wohl auch über die Herrschaft verteilt bzw. ver� kauft werden. Hinzu kommt, dass nur Schmalz, Die Drau, der Kärntner Hauptfluss, war das ist gekochte Butter, Topfen, Schotten, Ziger seit 811 die Grenze zwischen den Diözesen Salz� und Fleisch sofort nach dem Almauftrieb produ� burg und Aquileia. Laut der Gasteiner Bergord� ziert und genossen werden konnten. Magerkäse nung von 1342 war nicht der Erzbischof für den musste zumindest drei Wochen reifen, Fettkä� Bergbau am Radhausberg erstinstanzlich zustän� se noch länger. Sehr wahrscheinlich wurde der dig, sondern der Vizedomus zu Friesach in Kärn� genussfähige Teil der Nahrungsmittel über die ten. Die Almen im Naßfeld sind zumindest bis Herrschaft direkt auf der Alm verteilt, der noch 1573 von der Kärntner Seite aus bewirtschaftet reifende Käse aber zu den Heimhöfen hinabge� worden, wie aus einer Gerichtsurkunde hervor� tragen. Nicht die Sennerinnen oder die Senner geht (GRUBER, Fritz, 2000, 209). Ob nun alle Al� betrieben Handel. Diese waren aber höchstwahr� men im Naßfeld von Bauern aus Kärnten besto� scheinlich auf ihrer Alm für die Weitergabe an die ßen wurden, müsste noch untersucht werden. Gewerken verantwortlich. Verschiedentlich sind Herrschaften auch als Gewerken tätig gewesen. Das Tal bot bald danach eine geschlossene Siedlungslandschaft, die von erzbischöflichen Ei� genleuten gerodet und kultiviert wurde. Das Zen� trum bildete der bischöfliche Hof in Gastein, aus dem der Ort Hofgastein hervorging. Erzbischof Friedrich konnte 963 umfangreichen Waldbesitz erwerben. Die Sippe der Sighardinger (Goldegger), 45
Franz Mandl Pinzgauer Kuh. Aus: „Rinderrassen. Graswe`s naturwissenschaftliche und Landwirtschaftliche Tafeln“. Nr. 26. München um 1920. Sammlung: ANISA/F. Mandl zu der Erzbischof Hartwig gehörte, störte jedoch be im Gericht Gastein 60% (NIEDERSTÄTTER, den Plan eines geschlossenen Herrschaftsgebie� Alois, 1996, 31). Im Gasteinertal verdoppelte sich tes mit der 1020 erfolgten Ausgliederung des die Einwohnerzahl zwischen 1456 bis 1496 und Gasteinertales aus dem bischöflichen Besitz. Das nochmals bis Mitte des 16. Jahrhunderts (NIE� Sighardinger Adelsgeschlecht beherrschte mehr DERSTÄTTER, Alois, 1996, 19). als 200 Jahre lang das Gasteinertal, eine Zeit, von der man im Einzelnen wenig weiß (BRUNNER, Die Hofgeschichte im Mallnitzer Raum Karl, 1994, 221f ). Erst 1297 konnte das Gastei� und Gasteinertal kann bis in das 13. Jahrhun� nertal zurückgekauft werden (DOPSCH, Heinz, dert zurückverfolgt werden. Herbert Klein meint, 1999, 346). Für die Talbewohner war der Bergbau dass Schwaigen mit Käsediensten vorherrschten, nicht nur Segen, sondern brachte auch durch die die später durch Verlehnung unter kleine und Waldrodung und die dadurch bewirkten Emissi� kleinste Grundherrschaften zerfallen sind. Die onsschäden immer wieder Verwüstungen durch Vorherrschaft der Viehhöfe wird durch die Ab� Muren und Überschwemmungen mit sich. Zwi- gaben deutlich. Das Kloster Nonnberg bezog aus schen 1490 bis 1521 wurde der Baumbestand dem Weiler Unternberg, obwohl es nur die Hälfte im Raurisertal von 1,1 Millionen auf 200 000 besaß, 800 Käse, aus dem Weiler Gadaunern be� Stämme reduziert. Im Gasteinertal waren von zog der Herzog von Bayern 1400 Käse. Im Amt ursprünglich geschätzten 900 000 Bäumen 1520 Pongau, zu dem das Gasteinertal gehörte, wurde noch 240 000 vorhanden (SANDGRUBER, Ro� im 17. und 18. Jahrhundert der Käsedienst bei der man, 1995, 82). 1497 betrug der Anteil von Män� Einführung der Geldablösung nach Gewicht des nern durch Zuwanderung in die Bergbaubetrie� Käses berechnet. Für einen Käse wurden zu einer 46
Almen auf dem Naßfeld bei Bad Gastein (Hohe Tauern) Hälfte in Geld 8 Pfennige und zur anderen Hälf� des 19. Jahrhunderts wurde durch einen Regu� te in Schmalz (Butterschmalz) verlangt (KLEIN, lierungsvergleich eine landwirtschaftliche Nut� Herbert, 1965, Schwaigen, 293-296). Laut H. zung des Naßfelds den Gemeinden Dorfgastein, Klein habe im salzburgischen Gebirgsland zu� Hofgastein und Gastein zuerkannt. Darin wird mindest bis zum Ende des 14. Jahrhunderts die festgehalten, dass nur die viehüberwinternden Schaf- und Ziegenhaltung überwogen. Ab dem landwirtschaftlichen Betriebe nutzungsberech� 15. /16. Jahrhundert wurde vermehrt die Abgabe tigt sind. Damit war der Weg für die Gründung von (Butter-) Schmalz eingeführt, ein Hinweis auf einer Alpsgenossenschaft frei, die bis heute ihren die Umstellung von Schaf- und Ziegenhaltung zur Auftrag treu geblieben ist (SENDLHOFER, Franz, überwiegenden Rinderhaltung (KLEIN, Herbert, 2005, 17-20). 1965, Viehhandelsordnung, 379-384). Die hier nur beispielhaft erwähnten Käseabgaben belegen Albert Muchar war Benediktinermönch jedenfalls die Wichtigkeit der Viehwirtschaft auf in Admont, Historiker und schließlich Universi� den mittelalterlichen Höfen des Tales. Um die tätsprofessor in Graz. Ein Kuraufenthalt veran� Käseabgaben für die Grundherrschaft und die Ei� lasste ihn, über Gastein zu schreiben. Er widmete genversorgung zu gewährleisten, benötigten die� sein Werk Erzherzog Johann. Muchars Aufzeich� se Viehhöfe Almen. nungen über ��������������������������������������� Landwirtschaft, ������������������ Bauernhöfe und Al� men im Gasteinertal sind ein wichtiges Zeugnis Von 1803 bis 1816 gehörte Salzburg ab� zum Alltagsleben im Biedermeier. Aus dem Kapi� wechselnd zu Österreich, zu Frankreich und zu tel über Feld- und Alpenwirtschaft wird hier ein Bayern. 1816 ist Salzburg nach Grenzstreitig� Ausschnitt im originalen Wortlaut wiedergege� keiten endgültig in das Habsburger Reich einge� ben: gliedert worden. (FLANDERA, Christian, 2016, Der Landbewohner ißt des Tages fünfmal, 111-123). Nach der sog. Bauerbefreiung Mitte im Durchschnitte genaugenommen, aber höchst Ullmangut. Altgasteiner Bauernhaus aus dem 15./16. Jahrhundert. Denkmalhof Ullmannslehen. Kul- turverein Ladislaus. Böckstein. Foto: ANISA 2020 47
Franz Mandl mittelmäßig und schlecht. Man muß nur mit ei- Ein Bauer von mittelmäßigem Besitzthu- genen Augen die Kost des Dienstgesindes, selbst me hat gewöhnlich fünf bis sechs Dienstbothen, in wohlhabenden Häusern, und die Nahrung des ein reicher Landwirth aber 14 bis 16 und auch dürftigeren Landmannes öfters gesehen haben. noch Mehrere; und die Arbeiten der Feld- und Süße und saure Milch, Käse, Schotten, Mehl- Alpenwirthschaft beschäftigen folgende Indivi- speisen aus groben Mehlsorten und Schmalz, duen: den Melker (oder die Melkerinn, Senne- Sauerkraut, Suppe, Milchkoch, Muß, Wasser- rinn, Senndinn), den Schosser (die Schosserinn), nudeln und schwarzes Brot sind die gewöhnlich welche die Alpengeschirre reinigen, den Oechs- gekochten und ungekochten Nahrungsstoffe; - ner, Kühbuben, Geißer (oder Geißler, welcher die Fleisch gehört zu den sehr seltenen Gerüchten, Herden der Ziegen und Böcke unter sich hat), und dann bestehet es größtentheils aus Schaf-, den Schafler (Schafhirten), den Bauknecht, Wer- Ziegen-, Kastraun- und Bockfleisch, insonder- fer, Stadler, Sommermahder, Zimmerer, Schop- heit im Herbste und im Winter. Vier Fünftheile per, Pirscher, Lauser, Ueberling, Roßknecht, der Thalsbewohner gehören zur unbemittelteren Schinnagl, die Baudirne, Graberinn, Melkerinn, und ärmeren Classe; die Übrigen, zerstreut in Kindsdirne, Köchin, Pirschinn, Ober- und Un- allen Gegenden des Thales, sind wohlhabende, terdirne, Gschoßdirne und die Schinaglinn.- an Viehherden und liegenden, oft eine Ausdeh- Kaum verkündet das Knallen der großen Hirten- nung von mehreren Stunden, und mehrere zum peitschen, von kräftigen Burschen geschwungen, Hauptgehöfde gehörige Zulehen oder Huben im hundertfältigen Wiederhalle von Berg zu umfassenden Gründen, Alpen, Bergmähdern Berg das Schmelzen des Schnees, des Frühlings und Kahren, reiche Landwirthe, wie der Strau- Ankunft mit Flora und Ceres; so wird das Vieh binger im Wildbade, der Zietrauer auf dem Ar- in den Ställen unruhig, und Senner und Senne- daker, der Stubner auf dem Boden, der Paschger rinn rüsten sich zur luftigen Fahrt in die unteren in Hinterbaden, mehrere Bauern in Mayerhofen, oder in die Voralpen. Die Vegetation folgt und Unterberg und Dorf. wandert in reißenden Fortschritten, als wollte die Natur die in so langem Winter verlorene Zeit Die Wohnungen sind größtentheils ganz gleichsam wieder ersetzen, und alle Arbeiten des aus Holz, und wenige der wohlhabenden Land- Gasteinerlandwirthes auf Feld, Wiese, Bergmat- wirthe im Erdgeschosse aus Steinen aufgeführt. te und Alpe drängen gleichsam eine die andere Die Häuser der reichen Landwirthe sind ge- vor sich her, und alle Hände haben vollauf zu wöhnlich ein und zwei Stockwerke hoch; einer, thun. auch zwei Söller umgeben die Hauptseite des Hauses; oben auf dem Dachfirste erhebt sich ein [...] Auf den Gasteinergebirgen, von wel- kleines Thürmchen mit einer Glocke, womit die chen ein großer Theil bis über alle Höhen und Hausmutter dem auf den Feldern und Wiesen Jöcher mit grünen Matten bedeckt ist, befinden entfernt arbeitenden Gesinde das Zeichen zum sich die vortrefflichsten Alpen, ausgezeichnet Mittagessen, oder zum Jausenbrote gibt. Mahle- durch ihre herrliche Lage sowohl, als durch die risch ist manch größeres Bauerngehöfte in Mitte Ueppigkeit des Graswuchses und der nährend- seiner Stallungen und Scheuern, mit schön aus- ten Weiden. Diese von der Fülle aromatischer geschnitzten Verzierungen oben am Giebel des Kräuter duftenden Bergkahre, Vor- und Hoch- überall unter demselben Winkel vom Firste sich alpen sind der eigentliche Reichthum des Thales herabneigenden Daches, am Thürmchen und an und die Hauptgrundlage einer lohnenden Vieh- den Söllerplanken, - auf den fastgrünen Mat- zucht und Alpenwirthschaft der wohlhabende- ten gelegen. Die sehr flachen Dächer aus breiten ren Gasteiner Landwirthe. Der Auftrieb auf die Schindeln sind mit langen Balken, und diese mit niederen oder Voralpen geschieht gewöhnlich im großen Steinen belegt, wider das Spiel der stür- Juni, jener auf die Hochalpen hat selten vor der mischen Winde, und um die große Schneemasse Hälfte Juli oder vor Jacobi Statt, und man ver- leichter zu halten und zu tragen, die bei ihrem weilt mit den Viehherden daselbst bis zur Hälfte jähen Absturze auch das Dach mitreißen würde. Septembers oder bis Michaeli. Mit wenigen Ausnahmen werden die Wohnun- gen der Landleute von Innen und Außen immer- Die Wirthschaftsgebäude auf den Gas- fort reinlich gehalten. teiner Voralpen sind gewöhnlich ganz aus Holz 48
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