Amnesty International und der Apartheid-Vorwurf gegen Israel

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Amnesty International und der Apartheid-Vorwurf gegen Israel
NR. 13 FEBRUAR 2022                       Einleitung

Amnesty International und der
Apartheid-Vorwurf gegen Israel
Politische und rechtliche Relevanz
Muriel Asseburg

Am 1. Februar 2022 präsentierte Amnesty International einen umfassenden Bericht,
in dem es Israel vorwirft, an den Palästinenserinnen und Palästinensern Apartheid
zu verüben und damit ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen. Der Am-
nesty-Bericht reiht sich ein in eine Serie von Publikationen palästinensischer, israe-
lischer und internationaler Menschenrechtsorganisationen, die in Israel bzw. den
palästinensischen Gebieten nunmehr die Schwelle zur Apartheid überschritten sehen.
Dabei gehen die Meinungen in den einzelnen Berichten darüber auseinander, in wel-
chem Gebiet solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen werden. Die
Bundesregierung sollte sich den Apartheid-Vorwurf nicht ohne sorgfältige Prüfung
zu eigen machen, die gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die der Amnesty-
Bericht dokumentiert, aber ernst nehmen. Daraus erwachsen Deutschland allein
schon auf Basis der Genfer Konventionen direkte Rechtspflichten.

Amnesty International (AI) macht Israel den    in der Rassendiskriminierungskonvention
Vorwurf, es habe auf seinem Staatsgebiet       von 1965 erwähnt und später insbesondere
und in den von ihm kontrollierten paläs-       in der Anti-Apartheidkonvention von 1974
tinensischen Gebieten ein Apartheidregime      und in Artikel 7 des Römischen Statuts des
errichtet. Es bezieht in diesen Vorwurf auch   Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH)
Israels Politik gegenüber den palästinen-      von 1998 definiert wird. Die Definition um-
sischen Flüchtlingen ein, denen das völker-    fasst im Wesentlichen drei Punkte:
rechtlich verbriefte Rückkehrrecht aus         ∎ die Absicht einer rassischen Gruppe,
demographischen Gründen systematisch              eine (oder mehrere) andere dauerhaft
verwehrt werde.                                   zu dominieren;
   Dabei geht es AI explizit nicht um einen    ∎ eine systematische Unterdrückung;
Vergleich dieses Regimes mit jenem, das in     ∎ schwerwiegende Verstöße in Form
Südafrika geherrscht hat. Vielmehr bezie-         unmenschlicher Behandlung.
hen sich AI und andere Menschenrechts-            Dabei geht es nach gängiger Lehrmeinung
organisationen auf den völkerrechtlichen       nicht um Rasse oder Rassismus im engeren
Tatbestand der Apartheid, wie er zunächst      Sinne. Rassische Diskriminierung ist viel-
mehr im Licht der Konvention gegen              2021 die Beschwerde an und beschloss
                 Rassendiskriminierung zu verstehen:             die Einrichtung einer Ad-hoc-Vergleichs-
                 als Diskriminierung aufgrund von Rasse,         kommission.
                 Hautfarbe, Abstammung, nationaler oder             Die Berichte und Stellungnahmen lassen
                 ethnischer Identität bzw. Zuschreibung.         sich grob in drei Gruppen einteilen:
                                                                 1. solche, die Israel vorwerfen, es habe ein
                                                                    System der Apartheid in den besetzten
                 Eine Einordnung                                    Gebieten etabliert, insbesondere im
                                                                    Westjordanland inklusive Ost-Jerusalem
                 Neben anderen haben auch israelische Pre-          (vgl. etwa Yesh Din, Human Rights
                 mierminister in der Vergangenheit immer            Watch, Policy Working Group, Staat
                 wieder davor gewarnt, dass die Herrschaft          Palästina);
                 über die Palästinenserinnen und Palästi-        2. solche, die betonen, dass auch in Israel
                 nenser zu Apartheid führen könne – so              eine institutionalisierte Diskriminierung
                 etwa David Ben Gurion 1967, Jitzhak Rabin          besteht, die den Straftatbestand der
                 1976, Ehud Barak 1999 und Ehud Olmert              Apartheid erfülle (vgl. etwa B’Tselem);
                 2007. Während die amtierende israelische        3. der Ansatz von AI, der über ein territo-
                 Regierung den Amnesty-Bericht als »falsch,         riales Verständnis von Apartheid hinaus-
                 einseitig und antisemitisch« zurückgewie-          geht und zusätzlich Israels Verhalten
                 sen hat, ist in seiner Folge gleichwohl eine       gegenüber den palästinensischen Flücht-
                 pluralistische Debatte in Israel entbrannt.        lingen einbezieht.
                 Dabei kommen entlang des gesamten Mei-
                 nungsspektrums Verfechterinnen und
                 Verfechter unterschiedlicher Positionen zu      Vorwürfe des AI-Berichts
                 Wort. Der Apartheid-Begriff wird von vielen
                 jüdischen Israelis (selbst solchen, die nicht   Seit der Gründung Israels im Jahr 1948, so
                 der post-zionistischen Minderheit angehö-       AI, seien dessen Politik, Gesetzgebung und
                 ren!) keineswegs durchgängig abgelehnt.         Praxis von dem übergeordneten Ziel be-
                 In einer repräsentativen Umfrage unter der      stimmt, eine jüdische Bevölkerungsmehr-
                 jüdischen Wahlbevölkerung in den USA            heit herbeizuführen und aufrechtzuerhal-
                 stimmten 2021 25 Prozent der Befragten der      ten und die jüdisch-israelische Kontrolle
                 Aussage zu, Israel sei ein Apartheid-Staat.     über das Land zu maximieren. Dazu hätten
                    In den letzten Jahren ist bereits eine       die aufeinanderfolgenden israelischen
                 ganze Reihe von Berichten und Stellung-         Regierungen bewusst ein System der Unter-
                 nahmen erschienen, die den Apartheid-           drückung und Beherrschung der Palästinen-
                 Vorwurf erheben. Darunter fällt ein Bericht     serinnen und Palästinenser eingeführt.
                 der VN-Wirtschafts- und Sozialkommission           Dabei beschreibt der Bericht im Detail
                 für Westasien (ESCWA), der später auf Druck     ein ausdifferenziertes System unterschied-
                 des VN-Generalsekretärs zurückgezogen           licher Arten von Diskriminierung und Ein-
                 wurde, und weitere von palästinensischen,       schränkung von Rechten. Dazu gehöre etwa
                 israelischen und internationalen Men-           die Segregation im Westjordanland, die unter
                 schenrechtsorganisationen. Darüber hinaus       anderem durch zwei separate Rechts- und
                 legte 2018 der Staat Palästina gemäß Artikel    Verwaltungssysteme geprägt sei, die jeweils
                 11 der Rassendiskriminierungskonvention         für die palästinensische Bevölkerung und
                 eine Staatenbeschwerde gegen Israel ein,        für die jüdisch-israelische Siedlerbevölke-
                 wegen dessen rassistischer Diskriminierung      rung gelten. Darunter falle auch die Ein-
                 der palästinensischen Bevölkerung in den        schränkung des Zugangs zu landwirtschaft-
                 besetzten Gebieten, inklusive Ost-Jeru-         lichen Flächen im Gazastreifen und zu den
                 salems. Der Ausschuss gegen rassistische        Fischereigebieten in dessen Küstengewäs-
                 Diskriminierung nahm nach Prüfung von           sern, die die sozioökonomischen Aus-
                 Zuständigkeit und Zulässigkeit im April         wirkungen der völkerrechtswidrigen israe-

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lischen Blockade noch verschärften. Und             ten nicht zu rechtfertigen, so etwa wenn
dazu zählten schließlich die drastischen            schwerstkranken Palästinenserinnen und
Einschränkungen der Bewegungsfreiheit               Palästinensern aus dem Gazastreifen eine
der palästinensischen Bevölkerung von               Behandlung in Israel oder selbst im West-
Westjordanland und Gazastreifen.                    jordanland verwehrt wird.
   Teil des Systems sei außerdem ein privi-
legierter Nationalitätsstatus der jüdischen         Inwiefern treffen die Vorwürfe zu?
Bürgerinnen und Bürger Israels, der sich
von der Staatsbürgerschaft unterscheide             Amnestys Bewertung ist durchaus kritisch
und die Grundlage für eine ungleiche                zu sehen. Nicht zuletzt vermittelt ihre
Behandlung bilde. Die institutionalisierte          Ex-post-Analyse den Eindruck, als seien
Diskriminierung in Israel schließe Maßnah-          alle Maßnahmen zur Institutionalisierung
men ein wie insbesondere die Beschlag-              des beschriebenen Systems von der Staats-
nahmung von palästinensischem Land und              gründung an zielgerichtet und mit Vorsatz
Eigentum im großen Umfang (vor allem im             getroffen worden. Damit werden die Kon-
Jahr 1948 und den Folgejahren), eine fort-          fliktdynamiken weitgehend ausgeblendet,
dauernde Diskriminierung bei der Land-              die immer wieder zur Verschärfung der
nutzung sowie eine Politik der gezielten            Situation beigetragen und eine alternative
Ansiedlung jüdischer Israelis im Negev              Entwicklung (mit) verhindert haben. Weder
und in Galiläa, also in Gegenden mit einer          die Auseinandersetzungen in der jüdisch-
ursprünglich palästinensischen Bevölke-             israelischen Mehrheitsgesellschaft und der
rungsmehrheit.                                      politischen Klasse über eine Teilung des
   Dabei bewirke Israels Bevölkerungs-              Landes noch die innerpalästinensische Spal-
politik letztlich diesseits und jenseits der Grü-   tung finden ausreichend Beachtung. Hinzu
nen Linie, dass die palästinensische Bevölke-       kommt eine Verengung auf diejenigen
rung aus bestimmten Gegenden im Negev,              Rechtsverletzungen, die dem Apartheid-
in Ost-Jerusalem und in den C-Gebieten des          Tatbestand zuzurechnen sind. Damit gera-
Westjordanlands verdrängt werde. Zudem              ten wichtige andere Rechte aus dem Blick-
würden die Palästinenserinnen und Paläs-            feld, allen voran das Recht auf Selbstbestim-
tinenser als demographische Bedrohung               mung, das beiden Völkern zukommt.
angesehen, weshalb palästinensischen                    Dennoch ist nicht von der Hand zu
Flüchtlingen das international verbriefte           weisen, dass sich im ehemaligen britischen
Recht auf Rückkehr verwehrt und Familien-           Mandatsgebiet Palästina mittlerweile eine
zusammenführungen palästinensischer                 Einstaatenrealität herausgebildet hat, mit
Ehegatten israelischer Staatsangehöriger,           folgenden Hauptcharakteristika:
die in Israel leben, verweigert würden.             ∎ die übergeordnete Kontrolle Israels über
   AI setzt damit keineswegs die Situation              Territorium, Land- und Seegrenzen (mit
in Israel und jene in den besetzten paläs-              Ausnahme der Grenze zwischen Gaza-
tinensischen Gebieten gleich, wie immer                 streifen und Ägypten), Küstengewässer,
wieder behauptet wird. Es sieht sie aber                Luftraum, elektromagnetische Sphäre
als Teil eines umfassenden Systems und als              und Ressourcen;
Ergebnis des Bestrebens, den jüdischen              ∎ eine in ihrer Zuständigkeit auf innere
Charakter des Staates Israel durch Bildung              Ordnung und Selbstverwaltung in den
einer jüdischen Bevölkerungsmehrheit                    A- und B-Gebieten des Westjordanlands
ebenso sicherzustellen wie die jüdische                 beschränkte und von israelischen Geneh-
Kontrolle über das Land. AI betont auch,                migungen und Transferleistungen abhän-
dass Maßnahmen Israels, die der Sicherheit              gige Palästinensische Autonomiebehörde;
seiner Bürgerinnen und Bürger dienen,               ∎ die Zersplitterung des palästinensischen
legitim seien. Diese müssten aber verhält-              Territoriums in voneinander isolierte
nismäßig sein. Viele der diskriminierenden              Enklaven, inklusive der Abriegelung des
Maßnahmen seien mit Sicherheitsargumen-                 Gazastreifens und der Abtrennung Ost-

                                                                                                    SWP-Aktuell 13
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Jerusalems vom Westjordanland, sowie         worden: Segregation, Verdrängung aus
                    gravierende Einschränkungen der Bewe-        strategischen Gebieten, Administrativhaft,
                    gungsfreiheit der palästinensischen Ein-     Folter, unverhältnismäßiger Gewalteinsatz
                    wohnerinnen und Einwohner der besetz-        und die Verweigerung elementarer Rechte
                    ten Gebiete;                                 und Freiheiten durch die Besatzungsmacht,
                 ∎ ein System, in dem Bewohnerinnen und          insbesondere politischer Rechte (Meinungs-,
                    Bewohnern je nach ihrer Staatsangehö-        Vereinigungsfreiheit, politische Teilhabe
                    rigkeit, ihrer religiös-ethnischen Zugehö-   etc.) und ökonomischer Rechte (darunter
                    rigkeit (jüdisch vs. arabisch) und ihrem     der Zugriff auf Land und Ressourcen).
                    Wohnort (Israel, West-/Ost-Jerusalem, A-,       Prima facie begeht Israel damit in den
                    B-, C-Gebiete des Westjordanlands oder       besetzten Gebieten das Verbrechen der Apart-
                    Gazastreifen) unterschiedliche Rechte        heid, das als Verbrechen gegen die Mensch-
                    zuerkannt oder verwehrt werden.              lichkeit eingestuft ist. Eine endgültige völ-
                    Dabei kann die Besatzung von 1967 auch       kerrechtliche Beurteilung, ob der Tatbestand
                 über die formelle Annexion Ost-Jerusalems       der Apartheid erfüllt ist, kann seriös weder
                 hinaus nach 55 Jahren kaum noch als vor-        hier noch in den Meinungsspalten der Presse
                 übergehend eingestuft werden – zumal            oder von der Bundesregierung vorgenom-
                 die amtierende israelische Regierung unter      men werden. Sie bleibt vielmehr den zu-
                 Naftali Bennett keinerlei Willen erkennen       ständigen Organen vorbehalten, etwa der
                 lässt, sie zu beenden, und eine Umsetzung       Ad-hoc-Vergleichskommission und dem
                 des palästinensischen Selbstbestimmungs-        Internationalen Strafgerichtshof.
                 rechts in einem souveränen Staat explizit
                 ablehnt. Auch haben israelische Regierun-
                 gen kontinuierlich Infrastrukturprojekte        Schlussfolgerungen und
                 durchgeführt und -planungen vorgelegt,          Empfehlungen
                 die ihre Absicht offenbaren, an der israe-
                 lischen Kontrolle über das Westjordanland       Der AI-Bericht wird vermutlich dazu beitra-
                 einschließlich Ost-Jerusalems dauerhaft         gen, den Apartheid-Vorwurf in gesellschaft-
                 festzuhalten. Alle israelischen Regierungen     lichen Debatten global zu verfestigen. Gleich-
                 seit 1967 haben zudem die Ansiedlung            zeitig bestehen aufgrund des gewählten
                 israelischer Staatsangehöriger in den           Framings kaum Aussichten, dass er die
                 besetzten palästinensischen Gebieten durch      beabsichtigte Verhaltensänderung in Israel
                 Anreize gefördert und die dortigen natür-       herbeiführen oder Israels Verbündete ver-
                 lichen Ressourcen zuungunsten der palästi-      anlassen wird, entsprechenden Druck auf-
                 nensischen Bevölkerung ausgebeutet.             zubauen. Denn auch wenn der Bericht Israel
                    Tatsächlich lässt sich kaum abstreiten,      das Existenzrecht nicht explizit abspricht,
                 dass es in dem gesamten von Israel kon-         stellt er doch in der Konsequenz Israels
                 trollierten Gebiet ein institutionalisiertes    Selbstverständnis als jüdischer Staat in
                 und auf Dauer angelegtes System der Dis-        Frage.
                 kriminierung gibt. In den besetzten Gebieten,       Gleichwohl dürfte es Bemühungen geben,
                 einschließlich Ost-Jerusalems, ist dies mit     in denjenigen Staaten, in denen dies grund-
                 einer systematischen Unterdrückung der          sätzlich möglich ist, Verfahren nach dem
                 Palästinenserinnen und Palästinenser sowie      Weltrechtsprinzip anzustrengen. Im Sinne
                 unmenschlichen Handlungen verbunden.            dieses Prinzips können etwa in Deutschland
                 In den oben erwähnten Konventionen              nach dem Völkerstrafgesetzbuch von 2002
                 wurden sie benannt und beschrieben; in          Völkermord, Kriegsverbrechen und Ver-
                 einem umfangreichen Korpus von Berich-          brechen gegen die Menschlichkeit, darunter
                 ten der UN-Menschenrechtsrapporteure            das Apartheid-Verbrechen, strafrechtlich
                 sowie israelischer, palästinensischer und       verfolgt werden, unabhängig davon, wo
                 internationaler Menschenrechtsorganisa-         und von wem sie begangen wurden. Auch
                 tionen sind sie umfassend dokumentiert          ist davon auszugehen, dass die palästinen-

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sische Führung und ihre internationalen                           nalen Strafgerichtshof politisch und –
Unterstützer versuchen werden, den Inter-                         sollte es zu konkreten Verfahren kom-
nationalen Strafgerichtshof dazu zu bewe-                         men – in Erfüllung der Verpflichtungen
gen, im Rahmen seiner territorialen Zu-                           aus dem Römischen Statut durch Rechts-
ständigkeit für Verbrechen in den palästi-                        hilfe unterstützen sowie in diesem Zu-
nensischen Gebieten auch zu prüfen, ob                            sammenhang auch die Untersuchung
der Vorwurf des Apartheid-Verbrechens                             des Apartheid-Vorwurfs befürworten;
zu Recht erhoben wird.                                        ∎   Untersuchungskommissionen mit Fokus
   Die Bundesregierung sollte sich den                            auf Menschenrechtsverletzungen in den
Apartheid-Vorwurf vor einer sorgfältigen                          von Israel kontrollierten Gebieten (etwa
Prüfung durch die zuständigen Organe                              die vom VN-Menschenrechtsrat im Mai         © Stiftung Wissenschaft
weder zu eigen machen noch ihn abtun.                             2021 eingesetzte Kommission) politisch      und Politik, 2022
Sie sollte den AI-Bericht aber als Weckruf                        ebenso unterstützen wie die Ad-hoc-Ver-     Alle Rechte vorbehalten
verstehen, gravierende Menschenrechts-                            gleichskommission, die nach dem Ras-
                                                                                                              Das Aktuell gibt die Auf-
verletzungen nicht länger als eine Normali-                       sendiskriminierungsübereinkommen im
                                                                                                              fassung der Autorin wieder.
tät hinzunehmen, und die andauernde Be-                           Rahmen der Staatenbeschwerde Paläs-
satzung nicht als einen Zustand zu betrach-                       tinas eingerichtet wurde;                   In der Online-Version dieser
ten, der losgelöst von einem »demokrati-                      ∎   auf Israel einwirken, mit der Hohen Ver-    Publikation sind Verweise
schen Israel« existierte. Ohnehin ergibt sich                     treterin für Menschenrechte und den         auf SWP-Schriften und
                                                                                                              wichtige Quellen anklickbar.
schon aus den unzweifelhaften Verletzun-                          VN-Menschenrechtsberichterstattern zu
gen der Genfer Konventionen eine unmit-                           kooperieren;                                SWP-Aktuells werden intern
telbare völkerrechtliche Pflicht für die                      ∎   Menschenrechtsverteidigerinnen und -ver-    einem Begutachtungsverfah-
Vertragsparteien, eben auch für Deutsch-                          teidiger nicht nur finanziell unterstüt-    ren, einem Faktencheck und
land, deren Einhaltung durchzusetzen. Dass                        zen, sondern ihnen auch politisch zur       einem Lektorat unterzogen.
Völkerrechtsbrüche und Menschenrechts-                            Seite stehen, wenn sie von Delegitimie-     Weitere Informationen
                                                                                                              zur Qualitätssicherung der
verletzungen, die Israel, die Palästinen-                         rungskampagnen betroffen sind (dies gilt
                                                                                                              SWP finden Sie auf der SWP-
sische Autonomiebehörde und die Hamas                             insbesondere für die sechs palästinen-      Website unter https://www.
begehen, nicht sanktioniert und mutmaß-                           sischen Menschenrechts- und Zivilgesell-    swp-berlin.org/ueber-uns/
liche Kriegsverbrecher nicht verfolgt wer-                        schaftsorganisationen, die im Oktober       qualitaetssicherung/
den, lädt die Konfliktparteien zum fort-                          2021 von Israel als terroristisch ein-
                                                                                                              SWP
gesetzten Rechtsbruch ein. Als Folge ver-                         gestuft worden sind);
                                                                                                              Stiftung Wissenschaft und
tiefen sich auch die zwischen- und inner-                     ∎   die militärische Zusammenarbeit mit         Politik
gesellschaftlichen Gräben; die Basis für eine                     Israel einer Überprüfung unterziehen        Deutsches Institut für
friedliche Koexistenz lässt sich auf diese                        (neben Exporten von Gütern, die zur         Internationale Politik und
Weise nicht legen. Die Durchsetzung von                           Verschärfung der Menschenrechtslage         Sicherheit
Menschenrechten steht einer Konfliktrege-                         führen könnten, sollten dabei vor allem
                                                                                                              Ludwigkirchplatz 3–4
lung nicht entgegen, vielmehr ist sie eine                        solche Kooperationen auf den Prüfstand,
                                                                                                              10719 Berlin
Voraussetzung für deren Tragfähigkeit.                            bei denen Deutschland von Erfahrungen       Telefon +49 30 880 07-0
   In diesem Sinne lassen sich aus dem                            Israels im Besatzungskontext profitiert).   Fax +49 30 880 07-100
Amnesty-Bericht konkrete Empfehlungen                                                                         www.swp-berlin.org
für eine Bundesregierung ableiten, die                                                                        swp@swp-berlin.org
Menschenrechte zum Kompass ihres Han-
                                                                                                              ISSN (Print) 1611-6364
delns und eine restriktive Rüstungsexport-                                                                    ISSN (Online) 2747-5018
politik zu einem ihrer Ziele erklärt hat.                                                                     doi: 10.18449/2022A13
Hier sollte sie sich deutlich von ihrer Vor-
gängerin unterscheiden und insbesondere:
∎ die Untersuchung mutmaßlicher Völker-
   rechtsverbrechen in den palästinen-
   sischen Gebieten durch den Internatio-

Dr. Muriel Asseburg ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten.

                                                                                                                     SWP-Aktuell 13
                                                                                                                      Februar 2022

                                                                                                                                  5
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