Außer Betrieb: Ordnungspolitischer Kompass - Wie Wirtschafts- und Finanzpolitik wieder in die Spur finden

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Außer Betrieb: Ordnungspolitischer Kompass - Wie Wirtschafts- und Finanzpolitik wieder in die Spur finden
Außer Betrieb:
Ordnungspolitischer
Kompass
Wie Wirtschafts- und
Finanzpolitik wieder
in die Spur finden

von Stefan Kooths

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Unter dem Deckmantel der Krisenbewältigung
                                                            werden bestehende ordnungspolitische Miss-
                                                            stände verschärft. Laut Ökonom Stefan Kooths
                                                            muss der fehlgeleitete deutsche und europäi-
                                                            sche Interventionismus einer stabilisierenden,
                                                            zukunftsfähigen Ordnungspolitik weichen, um
                                                            unseren Wohlstand zu sichern. Dazu bedürfe
                                                            es – anstelle eines fortgesetzten Aussitzens –
                                                            stringenter Entscheidungen auf EU-Ebene und
                                                            einer klaren (De-)Priorisierung staatlicher Auf-
                                                            gaben in Deutschland.

Die Corona-Krise markiert den schärfsten wirt-              in der sich vorausgegangene Fehlentwicklungen
schaftlichen Einbruch seit Bestehen der Bundesre-           entladen, deren Korrektur mühsam ist). Dies gilt
publik. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft ta-          insbesondere für die während der Shutdowns be-
xiert den Verlust an Wirtschaftsleistung allein für         sonders darbenden kontaktintensiven konsumna-
die beiden Pandemiejahre 2020 und 2021 auf über             hen Branchen wie Tourismus, Gastronomie oder
340 Milliarden Euro. Zugleich sind in der Spitze            Unterhaltung. Der Wirtschaftspolitik kommt in
rund eine Millionen Arbeitsplätze den wirtschaftli-         einer solchen Situation primär die Aufgabe zu, die
chen Folgen der Pandemie zum Opfer gefallen. Das            marktfähigen Unternehmen über die Durststrecke
sind empfindliche Einbußen.                                 des Stillstands zu bringen, um so das gesamtwirt-
                                                            schaftliche Produktionspotenzial zu schützen.

   »Nachhaltiger als die pandemie-                          Ein Bemühen in diese Richtung hat es gegeben, in-
    bedingten Schäden bedrohen                              wiefern die diversen Hilfsprogramme Erfolg haben,
                                                            bleibt abzuwarten. Ihr bürokratisches Design und
   politikbestimmte Defekte hierzu-                         das Ansetzen an falschen Kenngrößen (Pauschal-
         lande den Wohlstand.«                              zuschüsse, Fixkostenkompensation, Umsatzersatz)
                                                            lassen ernsthafte Zweifel aufkommen. Ein geziel-
                                                            ter Ausgleich für die Eigenkapitalerosion der von
Aber, so seltsam es zunächst klingen mag: Der Co-           den Infektionsschutzmaßnahmen betroffenen Un-
rona-Schock ist aus ökonomischer Sicht vergleichs-          ternehmen steht jedenfalls bis heute aus. Zugleich
weise gut verdaulich. Nachhaltiger als die pande-           mehren sich die Anzeichen, dass mit den Hilfen
miebedingten Schäden bedrohen politikbestimmte              vielfach die Falschen gerettet wurden – nämlich die-
Defekte hierzulande den Wohlstand – und zwar                jenigen Unternehmen, die bereits vor der Krise in
nicht erst, seit Sars-Cov2 in der Welt ist. Indem           Schieflage waren, während andere durchs Raster fal-
der Kampf gegen das Virus einen Großteil der Auf-           len. Der Bereitschaft zu unternehmerischer Aktivi-
merksamkeit auf sich gezogen hat, wurde nicht nur           tät am Standort Deutschland kann das nicht guttun.
eine überfällige Kurskorrektur verzögert, sondern           Auch hat das mehrfache Nachsteuern den Unter-
im Kielwasser der Krise der Marsch in den Inter-            nehmen und ihren Kreditgebern das Leben zusätz-
ventionsstaat weiter vorangetrieben. Die damit ver-         lich erschwert statt der grassierenden Unsicherheit
bundenen Kosten machen die Pandemie nachhaltig              stabilitätspolitisch entgegen zu wirken.
noch deutlich teurer.
                                                            Die Wirtschaftspolitik wäre gut beraten gewesen,
        Wumms-Politik für die Falschen?                     ihren Instrumenteneinsatz – wie die administra-
                                                            tive Kapazität – ausgehend von der Krisendiagnose
Im Zuge des Infektionsschutzes wurde wirtschaftli-          gezielt auf den Schutz der marktfähigen unterneh-
che Aktivität massiv unterbrochen, die Produktions-         merischen Substanz auszurichten. Vorschläge dazu
strukturen sind dadurch im Wesentlichen aber nicht          hat es gegeben. Bereits sehr früh war klar, dass die
in Frage gestellt (anders als bei einer Finanzkrise,        privaten Haushalte während der Pandemiezeit in

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erheblichem Maße Kaufkraft aufstauen würden,                        Stabilisierungspolitik und Struktur-
weil ein erheblicher Teil ihrer gewohnten Ausga-                       politik sind zwei Paar Schuhe
ben in Shutdown-Zeiten blockiert sind, während
das Abgaben- und Transfersystem die Einkommen                Stabilisierungspolitik ist naturgemäß kurzfristig
weitgehend stabilisiert. Mittlerweile dürfte sich            angelegt und zielt darauf ab, die bestehenden Ka-
diese Zusatzersparnis auf über 200 Mrd. Euro belau-          pazitäten während einer Krisenphase zu stützen.
fen. Mangelnde Kaufkraft ist damit erkennbar kein            Strukturpolitik kann immer nur längerfristig er-
Engpass für den Erholungsprozess nach der Pande-             folgreich sein und operiert idealerweise nicht mit
mie. Konjunkturprogramme wie eine Mehrwert-                  diskretionären Interventionen, sondern mit einer
steuersenkung im Umfang von 18 Milliarden Euro               Anpassung des Ordnungsrahmens, innerhalb dessen
gingen von Anfang an am Kern der Krise vorbei;               sich die ökonomischen Akteure – vermittelt über
denn nicht die Auslastung vorhandener Kapazitäten            Preissignale – anpassen.
durch mangelnde Nachfrage war das Problem, son-
dern ihr Shutdown-bedingtes Brachliegen. Im Er-
gebnis kam dieser Teil der Wumms-Politik in erster                »Strukturpolitik kann immer
Linie denjenigen zugute, deren Geschäft in Pande-                 nur längerfristig erfolgreich
miezeiten sich eher noch belebte (zum Beispiel dem               sein und operiert idealerweise
Versandhandel).
                                                                    mit einer Anpassung des
Das grassierende Viel-hilft-viel-Denken trieb                         Ordnungsrahmens.«
weitere Blüten mit schädlichen Folgen über die
Pandemiezeit hinaus. Es ist polit-ökonomisch
ein bekanntes Muster, dass in Phasen schwerer                So ist das europäische Handelssystem für CO2-Emis-
Wirtschaftskrisen Projekte auf (Wieder-)Vorlage              sionszertifikate ein gelungenes Beispiel für einen
kommen, die in normalen Zeiten niemals Mehr-                 solchen Politikansatz. Indem sich entsprechende
heiten finden, weil sie zu teuer sind. Ihre Kostspie-        Marktpreise bilden, gehen CO2-Emissionen in die
ligkeit verkehrt sich in der akuten Krise gemäß der          Wirtschaftsrechnung von Produzenten und Kon-
Wumms-Logik in einen Vorteil – bieten sich so doch           sumenten ein, die dann ihrerseits nach Lösungen
willkommene Kanäle für staatliche Mehrausgaben.              suchen können, diese Kosten zu senken, während
Mit dem zusätzlichen Anti-Krisen-Etikett werden              die Gesamtemissionsmenge gedeckelt ist. Darüber-
dann aus zweifelhaften Projekten Maßnahmen mit               hinausgehende Klimaschutz-Subventionen, wie sie
vermeintlichem makroökonomischem Mehrwert.                   in den Anti-Krisen-Programmen enthalten sind,
                                                             laufen mit Blick auf das Gesamtemissionsziel ins
                                                             Leere, weil sie nur die Preise für CO2-Zertifikate
     »Mit dem zusätzlichen Anti-                             beeinflussen. Im Ergebnis werden damit nur Renten
  Krisen-Etikett werden aus zweifel-                         zwischen den verschiedenen Akteuren umverteilt.

    haften Projekten Maßnahmen                               Vor der Corona-Krise hatte man das offenbar klarer
    mit vermeintlichem makroöko-                             gesehen, sonst hätte man diese Programme vorher
       nomischem Mehrwert.«                                  schon längst beschließen können, was man aber aus
                                                             gutem Grund unterlassen hatte. Die Pandemie lie-
                                                             fert indes keinerlei ökonomische Gründe für ein sol-
Weite Teile des im vergangenen Jahr verabschie-              ches Umsteuern. Gegen die Krise helfen diese Maß-
deten „Zukunftspakets“ und des sogenannten                   nahmen nicht, weil die von Shutdowns betroffenen
EU-Wiederaufbauprogramms („Next Generation                   Branchen gerade nicht diejenigen sind, die von den
EU“, NGEU) fallen in diese Kategorie. Die darin              Klimasubventionen (oder anderen technologiepoli-
enthaltenen Maßnahmen tragen zur Krisenabwehr                tischen Programmen) profitieren. Weil alle Länder
nichts bei. Es sind im Wesentlichen industrie- und           aus der Krise ökonomisch geschwächt hervorgehen,
technologiepolitische     Transformationsprojekte,           haben sich auch die strukturellen staatlichen Aus-
die erst zum Tragen kommen, wenn die Pandemie                gabespielräume nicht erweitert, sondern eher deut-
längst ausgestanden ist. Im Windschatten der Kri-            lich verengt. Das Außerkraftsetzen des fiskalischen
senbewältigung nimmt so der industriepolitische              Regelwerkes (Schuldenbremse in Deutschland
Interventionsgrad weiter zu.                                 bzw. Europäischer Fiskalpakt auf EU-Ebene) gilt

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ausdrücklich nur für die akute Krisenphase, nicht               Kreditwürdigkeit selbst in den hochverschuldeten
für die Zeit danach. Im Ergebnis wird so in einem               Mitgliedsländern stabil. Insgesamt gerät die Geld-
Anti-Krisen-Reflex eine Politik betrieben, die weder            politik so immer stärker in den Schwitzkasten der
stabilisiert noch strukturpolitisch sinnvolle Instru-           fiskalischen Dominanz. Je höher einzelne Mitglieds-
mente einsetzt. Beides schadet dem Produktionspo-               länder verschuldet sind, desto anfälliger werden sie
tenzial und macht in der Konsequenz die Menschen                für höhere Zinsen, sei es im Zuge einer allgemeinen
über die Folgen der Pandemie hinaus ärmer.                      Zinswende (etwa im Zuge des demografischen Wan-
                                                                dels), sei es durch anziehende Risikoprämien. Die
    EU: Neuen Ordnungsrahmen schaffen oder                      Notenbank hat dann die Wahl zwischen fortgesetz-
     zurück zur geltenden Stabilitätsordnung                    ter Staatsfinanzierung über die Notenpresse (auch
                                                                bei gegebenenfalls höheren Inflationsraten) oder
Auf der Ebene der EU bzw. des Euroraums sind die                erheblichen Verwerfungen auf den Finanzmärkten.
politischen Folgeschäden der Krisenreaktion noch                Das Regelwerk, das davor einst schützen sollte, ist
gravierender, weil der Ordnungsrahmen weiter de-                mittlerweile so durchlöchert, dass die Risiken für
formiert wurde. Nachdem schon in der europäischen               die Währungsstabilität immer größer werden.
Schuldenkrise die Nichtbeistandsklausel über Bord
ging, fiel in der Corona-Krise das Verschuldungsver-
bot für den EU-Haushalt. Das Argument, es handele                    »Wenn man einen anderen
sich dabei um eine einmalige Ausnahme, dürfte sich                 Ordnungsrahmen will, sollte man
als flüchtig erweisen, allein schon deshalb, weil das
Instrument für die Krisenbekämpfung untauglich                      darüber eine breite öffentliche
ist. Es kaschiert nur, dass einige Mitgliedsländer fis-                   Debatte führen.«
kalisch so gestresst sind, dass sie bereits vor der Pan-
demie den uneingeschränkten Zugang zum Kapital-
markt verloren hatten. In Italien ist im Streit über            Die verschiedenen Instrumente der Haftungsverge-
die Verwendung der EU-Gelder bereits eine Regie-                meinschaftung (Gemeinschaftsschulden, monetäre
rung zerbrochen, was symptomatisch für die eigent-              Staatsfinanzierung) erhöhen zwar die Schulden-
lichen Schwierigkeiten in den Problemländern ist.               tragfähigkeit im Aggregat über alle Länder. Damit
Für Länder wie die Niederlande oder Deutschland                 zögern sie den Prozess der offen zu Tage tretenden
bedeutet das NGEU-Programm, dass sie Gelder, für                Überschuldung aber nur hinaus. Statt umzukehren,
die sie selbst bürgen (und die sie jederzeit am Ka-             ging man im Zuge der Corona-Krise abermals große
pitalmarkt aufnehmen könnten), nun zuvor bei der                Schritte in die falsche Richtung. So wie einst aus
EU-Kommission beantragen und von dort prüfen                    der temporären EFSF mit dem ESM eine Dauerin-
lassen müssen, bevor sie sie verausgaben können.                stitution wurde, droht mit den als Ausnahme dekla-
Damit wird eine unnötige, dem Subsidiaritätsprin-               rierten neuen EU-Schulden der Einstieg in ein an-
zip zuwiderlaufende Fiskalebene eingezogen.                     deres Fiskalregime. Neben den davon ausgehenden
                                                                Fehlanreizen nimmt dabei auch das Vertrauen in
                                                                die Rechtsstaatlichkeit innerhalb der EU Schaden,
          »Insgesamt gerät die                                  wenn zentrale Stabilitätspfeiler ohne Vertragsände-
       Geldpolitik immer stärker in                             rungen wiederholt mit Ad-hoc-Maßnahmen in Zei-
                                                                ten der Krise geschliffen werden.
       den Schwitzkasten der fis-
         kalischen Dominanz.«                                   Ein Ordnungsrahmen soll in erster Linie den Akteu-
                                                                ren helfen, Erwartungen zu bilden. Er muss daher
                                                                gerade in Krisenzeiten verlässlich sein. Wenn man
Das Problem der überschuldeten Mitgliedsländer                  einen anderen Ordnungsrahmen will, so sollte man
wird dadurch nicht gelöst, sondern nur hinaus-                  darüber eine breite öffentliche Debatte führen und
gezögert. In gleicher Weise wirkt die monetäre                  je nach ihrem Ausgang entweder die EU-Verträge än-
Staatsfinanzierung durch das Eurosystem, das im                 dern oder die Altschuldenproblematik angehen und
Pandemiejahr 2020 mehr staatliche Wertpapiere                   so den Weg zurück in die ursprünglich angedachte
aufgekauft hat als die Euro-Mitgliedsländer für ihre            Stabilitätsordnung bahnen. Beides sind politische
Nettoneuverschuldung emittiert hatten. Nur des-                 Kraftakte. Sie immer weiter vor sich herzuschieben
halb blieb die von den Rating-Agenturen attestierte             mag kurzfristig die einfachste (politisch billigste)

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Lösung sein, langfristig ist es mit Sicherheit die                 Prioritäten neu zu ordnen. Rückt eine Aufgabe in
ökonomisch teuerste. Die Politik des Aussitzens ist                der Zielhierarchie nach oben, muss es für andere
keine Lösung, sondern die eigentliche Ursache eines                zwangsläufig abwärts gehen. Auch die Debatte um
mittlerweile massiven Governance-Problems.                         eine vermeintlich zu restriktive Wirkung der Schul-
                                                                   denbremse krankt daran, denn die Schuldenbremse
  Deutschland: Notwendigkeit der Priorisierung                     verringert nicht die Finanzierungsspielräume für
     in der Wirtschafts- und Finanzpolitik                         die wichtigsten Staatsausgaben, sondern für die
                                                                   unwichtigsten. Insbesondere verhindert sie keine
Nicht nur auf EU- und Euroraum-Ebene, sondern                      öffentlichen Investitionen. So war die staatliche
auch in der deutschen Wirtschafts- und Finanzpo-                   Investitionsquote (wenn man sich schon an dieser
litik ist ein „Weiter so“ keine kluge Devise. Seit der             Größe orientieren will) im Jahr 2019 so hoch wie
Jahrtausendwende nimmt der Zugriff des Staates                     seit Mitte der 1990er Jahre nicht mehr.
auf die Wirtschaftsleistung im Trend zu. Im letz-
ten Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie er-                      Das ordnungspolitische Grundproblem der Politik
reichte die Staatseinnahmenquote mit 46,7 Prozent                  lässt sich als Gulliver-Syndrom beschreiben. Gulli-
einen gesamtdeutschen Rekordwert. Die Steuerlast                   ver wurde nicht von einem einzigen Faden am Bo-
dehnt sich dabei seit längerem besonders dynamisch                 den gehalten, sondern von einem ganzen Geflecht.
aus, die jüngste Reform ändert an der hohen Steu-                  Ähnlich verhält es sich mit dem Einfluss des Staates
erquote nur wenig. Seit einigen Jahren steigen zu-                 auf das Wirtschaftsgeschehen – sowohl mit Blick
dem die Sozialversicherungsbeiträge kräftiger als                  auf die Regulierungsdichte wie auf die Staatsaus-
die Einkommen. Dabei kommen die gravierenden                       gaben. Es ist nie eine einzelne Regulierung oder
Folgen des demografischen Wandels erst in den                      ein einzelnes Ausgabenvorhaben, wodurch die
kommenden Jahren richtig in den Staatsfinanzen                     wirtschaftliche Dynamik leidet, sondern es ist die
an; eine Entwicklung, die die Rentenpolitik längst                 Summe solcher Maßnahmen, deren schiere Quan-
hätte entschärfen müssen.                                          tität die Qualität der Wirtschaftsordnung angreift.

Umso größer werden nun die Verteilungskonflikte                    So mag ein neues Großvorhaben, das zwei Prozent
in den 2020er Jahren. Auch deshalb, weil die Nied-                 der Wirtschaftsleistung in Anspruch nimmt, für sich
rigzinsphase in Verbindung mit der ultralockeren                   genommen attraktiv erscheinen. Gäbe es 50 solcher
Geldpolitik den Finanzministern seit der Finanz-                   Vorhaben, bliebe von der Marktwirtschaft auch the-
krise das Leben allzu leicht gemacht hat. So sind die              oretisch nichts mehr übrig. Die praktischen Grenzen
Zinsausgaben des Staates in Relation um Bruttoin-                  werden freilich schon viel früher akut. Anstatt diese
landsprodukt seitdem um fast zwei Prozentpunkte                    Grenze permanent auszutesten, braucht es eine Po-
gesunken. Diesen mühelosen Konsolidierungsbei-                     litik, die wieder einen Sicherheitsabstand einzieht.
trag wird es in Zukunft nicht mehr geben.                          Das geht nur mit den Marktkräften und nicht ge-
                                                                   gen sie. Dazu braucht es einen ordnungspolitischen
Die Politik hat sich derweil zu sehr an einen Mo-                  Kompass – auch und gerade in Krisenzeiten. An-
dus gewöhnt, in dem neuen Aufgaben im Wesentli-                    dersfalls entfernt man sich mit jeder Krise weiter von
chen durch Mehrausgaben entsprochen wird, statt                    dem Ziel, das man ursprünglich einmal angepeilt hat.

Prof Dr. Stefan Kooths

ist Direktor des Forschungszentrums Konjunktur und
Wachstum am Institut für Weltwirtschaft in Kiel, Professor
für Volkswirtschaftslehre an der BSP Business School Berlin
und Vorsitzender der Friedrich A. von Hayek Gesellschaft.

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