Anforderungen an die Hygiene bei der medizinischen Versorgung von Patienten mit Cystischer Fibrose (Mukoviszidose)
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Anforderungen an die Hygiene bei der medizinischen Versorgung von Patienten mit Cystischer Fibrose (Mukoviszidose) Diese Empfehlungen wurden ehrenamtlich und ohne Einflussnahme kommer- zieller Interessengruppen auf Anregung der Kommission für Krankenhaushygi- ene und Infektionsprävention beim Robert Koch Institut, Berlin, erarbeitet von Herrn Priv.-Doz. Dr. med Arne Simon, Homburg (Koordinator der Arbeitsgruppe). Frau Priv.-Doz. Dr. med. Sabina Schmitt-Grohe, Bonn Frau Ulrike Erdmann, Bonn Herrn Priv.-Doz. Dr. med. Ralf-Peter Vonberg, Hannover Frau Prof. Dr. med. Caroline Herr, Oberschleißheim Frau Dr. rer. nat. Jutta Bend, Bonn, Mukoviszidose e.V. unter Beteiligung der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (Frau Prof. Dr. med. Roswitha Bruns und Herr Prof. Dr. med. Markus A. Rose), der Arbeitsgemeinschaft Mukoviszidose der Gesellschaft für Pädiatrische Pneu- mologie (Herr Prof. Dr. med. Frank-Michael Müller) sowie der Deutschen Gesell- schaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (Herr Dr. med. Ernst Rietschel). Die Arbeitsgruppe dankt außerdem für wichtige zusätzliche Hinweise Frau Susanne Pfeifer-Auler und Herrn Wilhelm Bremer, Frau Prof. Dr. med. Gratia- na Steinkamp, Herrn Priv.-Doz. Dr. med. Matthias Hogardt, Frau Prof. Dr. med. Christiane Höller, Frau Prof. Dr. med. Barbara Kahl, Herrn Dr. Lutz Nährlich. Die Schlussfassung dieser Empfehlung wurde mit der Kommission für Kranken- haushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch Institut, Berlin, abge- stimmt. Kontaktdaten des Arbeitsgruppenleiters Priv. Doz. Dr. med. Arne Simon Klinik für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie Universitätsklinikum des Saarlandes Kirrberger Straße, 66421 Homburg/Saar Tel: 06841/16-28399 Fax: 06841/16-28424 E-Mail: Arne.Simon@uks.eu
Inhalt 4 1. Einleitung und Ziele 4 1.1 Hintergrund und Fragestellung 4 1.2. Definitionen 6 1.3. Zielgruppen und Geltungsbereich 6 1.4. Struktur der Empfehlung und Bezug zu anderen Empfehlungen der KRINKO 6 1.5. Methodische Hinweise 8 2. Risikocharakterisierung 8 2.1. Vorbemerkung 8 2.2. Virale Erreger 8 2.2.1. Respiratory Syncytial Virus 8 2.2.2 Influenza-Virus 9 2.2.3 Humanes Metapneumovirus 9 2.2.4 Rhinovirus 9 2.2.5 Humanes Bocavirus 9 2.3. Bakterielle Erreger 9 2.3.1. Grampositive Infektionserreger: Staphylococcus aureus 13 2.3.2. Grampositive Infektionserreger: Pneumokokken 13 2.3.3. Grampositive Infektionserreger: Streptococcus milleri-Gruppe und Streptococcus agalactiae 13 2.3.4. Grampositive Infektionserreger: Nocardia spp. 13 2.3.5. Gramnegative Infektionserreger: Haemophilus influenzae 14 2.3.6. Gramnegative Infektionserreger: Pseudomonas aeruginosa 16 2.3.7. Gramnegative Infektionserreger: Burkholderia cepacia Komplex 17 2.3.8. Gramnegative Infektionserreger: Burkholderia gladioli 17 2.3.9. Gramnegative Infektionserreger: Burkholderia pseudomallei 17 2.3.10. Gramnegative Infektionserreger: Stenotrophomonas maltophilia 18 2.3.11. Gramnegative Infektionserreger: Pandoraea spp. 18 2.3.12. Gramnegative Infektionserreger: Achromobacter xylosoxidans 18 2.3.13. Gramnegative Infektionserreger: Bordetella spp. 18 2.3.14. Gramnegative Infektionserreger: Ralstonia spp., Inqulinus spp. und Chrysobacterium spp. 19 2.3.15. Multiresistente gramnegative Erreger 19 2.3.16 Opportunistische Anaerobier 19 2.3.17 Nicht-tuberkulöse Mykobakterien (NTM) 20 2.3.18 Clostridium difficile 20 2.4. Pilze 20 2.4.1. Pilzinfektionen durch Aspergillus spp. 20 2.4.2. Pilzinfektionen durch Candida spp. 20 2.4.3. Pilzinfektionen durch Scedosporium spp. und Exophiala dermatitidis 21 2.5. Katheter-assoziierte Blutstrominfektionen 21 2.6. Infektionsrisiken der Inhalationstherapie 22 2.7 Infektionsrisiken der Physiotherapie (PT) 22 2.8. Infektionsrisiken der Lungenfunktionsdiagnostik 22 2.9. Infektionsrisiken der Bronchoskopie 22 2.10. Infektionsrisiken durch Sondenernährung und PEG Anlage 23 2.11. Nicht-invasive Beatmung / Heimbeatmung 23 2.12. Paranasale Sinus Chirurgie 23 2.13. Psychosoziale Aspekte und Kommunikation von Infektionsrisiken 26 3. Prävention 26 3.1. Information und Schulung 26 3.2. Standardhygienemaßnahmen inklusive hygienische Händedesinfektion 26 3.2.1 Händehygiene 27 3.2.2 Mund-Nasen-Schutz, Schutzkittel 27 3.2.3 Umgebungsdesinfektion 27 3.3. Hygienefachpersonal 2 Anforderungen an die Hygiene bei CF (2012)
28 3.4. Baulich-funktionelle und strukturell-organisatorische Voraussetzungen des Konzepts der Segregation und Isolierung 28 3.4.1. P. aeruginosa und B. cepacia-Komplex (Bcc) in der Raumluft 29 3.4.2. Bcc-Kontamination von Antiseptika 29 3.4.3. C. difficile 29 3.5. Prävention Wasser-assoziierter Infektionen 29 3.6. Aufarbeitung von Medizinprodukten insbesondere von Filtern zur Vermeidung einer Kontamination diagnostischer Apparaturen 30 3.7. Empfehlungen zur Physiotherapie 30 3.8. Hinweise zur Sondendernährung und zur PEG Anlage 31 3.9. Prävention viraler Atemwegsinfektionen 31 3.10. Spezielle Hinweise zu MRSA 32 3.11. Spezielle Hinweise zur Infektionsprävention in CF-Ambulanzen 32 3.12. Anforderungen an die Hygiene bei Umbaumaßnahmen und Abrissarbeiten 32 3.13. Infektionsprävention bei der zahnärztlichen Behandlung 33 3.14. Prävention Katheter-assoziierter Infektionen 33 3. 15 Heimbeatmung inklusive intermittierende CPAP-Maskenbeatmung 33 3.16. Immunisierung bei CF Patienten 34 4. Infektionsprävention im Alltag 34 4.1. Einleitung 34 4.2. Basishygienemaßnahmen 34 4.3. Wasser (P. aeruginosa u. a.) 35 4.4. Mund-Nasen-Schutz 35 4.5. Allgemeine Wohnraumhygiene, Gartenarbeit 35 4.6. Haustiere 36 4.7. Reisen 36 4.8. Sport 36 4.9. Berufswahl 37 5. Literatur Abkürzungsverzeichnis ABPA Allergische bronchopulmonale Aspergillose HCW ealthcare worker; Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter h ALT Antibiotika-Block-Technik des medizinischen Behandlungsteams BAL Bronchoalveoläre Lavage ID Inzidenzdichte Bcc Burkholderia cepacia-Komplex KRINKO Kommission für Krankenhaushygiene und Infektions- BMI Body Mass Index [Gewicht kg/(Länge in m2)] prävention beim Robert Koch-Institut (RKI), Berlin BSI Blutstrominfektion MLST Multilocus-Sequenztypisierung (Bakteriämie, Candidämie, Sepsis) MNS Mund-Nasen-Schutz CDC Centers for Disease Control and Prevention MRSA Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (Atlanta) PEG Perkutane endoskopische Gastrostomie CF Cystische Fibrose, Mukoviszidose PT Physiotherapie CFU Colony forming units (= KBE; Kolonie-bildende Einhei- RKI Robert Koch-Institut, Berlin ten) SCV Small colony variant CoNS Koagulase-negative Staphylokokken STIKO Ständige Impfkommission beim Robert Koch-Institut CVAD Dauerhaft implantierter zentralvenöser Zugang TPN (Total- oder Teil-)parenterale Ernährung (central venous access device) VRE Vancomycin-resistente Enterokokken DIOS Distales intestinales Obstruktionssyndrom ZVK Zentraler Venenkatheter (nicht getunnelt, ohne Cuff) ESBL Extended Spectrum Beta-Laktamase Anforderungen an die Hygiene bei CF 3
Anforderungen an die Hygiene bei der medizinischen Versorgung von Patienten mit Cystischer Fibrose (Mukoviszidose) zialambulanzen vor. In diesem Rahmen und grund in Zusammenarbeit mit pädiatri- 1. Einleitung und Ziele zusätzlich bei stationär behandelten Exazer- schen Fachgesellschaften und dem Verein bationen erfolgt eine gezielte Erregerdiag- Mukoviszidose e. V. diese Empfehlung zur 1.1 Hintergrund und Fragestellung nostik, z. B. aus dem Sputum oder Rachen- Infektionsprävention bei Mukoviszidose Die Mukoviszidose ist die häufigste auto- abstrich [15, 16]. Im Laufe ihres Lebens er- (Cystischer Fibrose) erarbeitet. somal-rezessiv vererbte monogene Erkran- werben die meisten Patienten eine Besied- kung mit letalem Ausgang. Die Sekrete der lung oder Infektion der Atemwege mit be- 1.2. Definitionen Betroffenen (mucos: Sekret) weisen auf- stimmten ‚Leitkeimen’, wie etwa Haemophi- Patienten mit Cystischer Fibrose (Muko- grund eines genetisch bedingten gestörten lus influenzae, Staphylococcus aureus, später viszidose, CF) sind hier definiert als Men- transmembranösen Transports von Elek- auch Pseudomonas aeruginosa und andere). schen jeden Lebensalters, bei denen mit trolyten eine erhöhte Viskosität auf, durch Bei weitem nicht alle in diesem Kontext geeigneten Methoden (siehe AWMF-Leit- die alle exokrin aktiven Organe des Körpers relevanten Erreger werden nosokomial oder linie ‚Diagnose der Mukoviszidose‘) eine in Mitleidenschaft gezogen werden können durch ambulante Kontakte von Patient zu CF als genetische Veranlagung gesichert [1–4]. Die morphologischen Manifestatio- Patient übertragen, bei einigen ist dies je- ist und die aufgrund einer CF spezieller me- nen im Pankreas waren namensgebend für doch möglich oder unter ungünstigen Rah- dizinischer Behandlung bedürfen. die Erkrankung im englischen Sprachge- menbedingungen sogar wahrscheinlich. Der im Kontext der Behandlung von Pa- brauch: „cystic fibrosis“ (CF). Die meisten Eine solche Übertragung kann mitunter gra- tienten mit CF häufig verwendete Begriff Patienten versterben an chronischen Lun- vierende Konsequenzen haben. der Exazerbation beschreibt eine akute genmanifestationen und Komplikationen Infektionen sind bei Patienten mit CF (über wenige Tage) oder sich langsam (über der CF, die schrittweise zur Zerstörung des verantwortlich für akute, behandlungsbe- einige Wochen) entwickelnde Verschlech- Lungengewebes mit nachfolgender Atem- dürftige Exazerbationen (Atemwege) und terung der Lungenfunktion des Patienten, insuffizienz führen [5]. Komplikationen. Die Infektion mit bestimm- die neben weiteren Maßnahmen eine intra- In Deutschland wird pro Jahr bei etwa ten Erregern beeinflusst zudem langfristig venöse Antibiotikatherapie erforderlich 150–250 Menschen eine CF diagnostiziert den nachfolgenden Krankheitsschweregrad macht (Einzelheiten zu den mindestens 4 [6–8]; zurzeit werden in Deutschland 7000– und somit die Langzeitprognose. Daher ist von 12 erforderlichen klinischen Zeichen 8000 Patienten mit CF behandelt und bis zu ein gut aufgestelltes Konzept der Infekti- bei Fuchs et al. [17]). Der Begriff der noso- 70 versterben pro Jahr [6] an akuten Kom- onsprävention in Praxen, Spezialambulan- komialen Infektion (NI) wird in dieser plikationen oder an den mittelbaren Folgen zen und stationären Einrichtungen des Ge- Empfehlung im Sinne der Legaldefinition ihrer Erkrankung [9–11]. Durch die enge sundheitssystems, die Patienten mit CF be- nach IfSG § 2 Nr. 8 nicht nur auf im Kran- Anbindung der Patienten an spezialisierte handeln, von erheblicher Bedeutung. Un- kenhaus erworbene Infektionen bezogen, CF-Zentren, verbesserte Strategien der an- abhängig von der Frage, ob bestimmte Er- sondern auf alle Infektionen, die im zeitli- tibakteriellen Therapie [12, 13] und viele reger primär nosokomial erworben wurden, chen Zusammenhang mit einer medizini- andere Komponenten des komplexen Be- spielen solche mit speziellen Resistenzen schen Maßnahme bei der Versorgung der handlungskonzeptes liegt für einen heute und Multiresistenzen gegen antibakterielle Patienten auftreten und die nicht schon vor- geborenen Säugling mit CF die prognosti- Chemotherapeutika (Antibiotika) eine wich- her bestanden hat [18]. zierte Lebenserwartung im Mittel bei etwa tige Rolle in der Diagnostik und Therapie 50 Jahren [14]. Demzufolge steigt die Zahl bei Patienten mit CF. Übertragung eines Infektionserregers der Patienten mit CF, die ambulant und sta- Eine Arbeitsgruppe der Kommission meint die direkte oder indirekte Weiterver- tionär behandelt werden, kontinuierlich an. für Krankenhaushygiene und Infektions- breitung des Erregers von Patient zu Pati- Die Mehrzahl der Patienten mit CF stellt prävention beim Robert Koch-Institut ent. Während die direkte Übertragung – mit sich regelmäßig (z. B. alle 3 Monate) in Spe- (KRINKO), Berlin, hat vor diesem Hinter- Ausnahme der aerogen über Aerosole über- 4 Anforderungen an die Hygiene bei CF (2012)
1. Einleitung und Ziele | tragbaren Erreger – einen relativ engen Segregation meint die in stationären Ge- se-Bakteriologie [27] wurde für „multire- räumlichen Kontakt zwischen 2 Patienten sundheitseinrichtungen und Spezialambu- sistente P. aeruginosa-Isolate bei Patienten voraussetzt, kann die indirekte Übertra- lanzen durchgeführte räumliche und orga- mit CF für Stämme vorgeschlagen, „die nur gung zum Beispiel über die Hände des Be- nisatorische Trennung von Patienten, die noch gegenüber einem oder keinem der An- handlungsteams und über kontaminierte mit bestimmten Infektionserregern besie- tibiotika Ceftazidim, Ciprofloxacin oder Gegenstände (Medizinprodukte, Oberflä- delt oder infiziert sind. Sie dient der Ver- Meropenem empfindlich sind. Da Tobramy- chen) stattfinden. meidung von direkten oder indirekten cin nur mäßig lungengängig ist und deshalb Übertragungen auf andere Patienten. bei intravenöser Therapie nur als Kombina- Infektionsausbruch bedeutet, dass 2 oder tionspartner eingesetzt wird, ist Tobramycin mehr Patienten in zeitlichem und räumli- Obligat-pathogene Erreger: Erreger, die in dieser Definition nicht eingeschlossen“ chem Zusammenhang an einer Infektion bei fehlender spezifischer Immunität bei [27]. Bakterielle Infektionserreger mit ex- durch den gleichen Erreger erkranken. Ge- gesunden Menschen eine Infektion auslö- tensiver Resistenz (extensively drug-resis- mäß § 6 Abs. 3 IfSG ist ein Ausbruch defi- sen. tant; XDR) erfüllen in-vitro-Resistenzkrite- niert als das gehäufte Auftreten nosokomi- rien in standardisierten und international aler Infektionen, bei denen ein epidemi- Fakultativ-pathogene Erreger: Erreger, konsentierten Testverfahren [24, 25] gegen scher Zusammenhang wahrscheinlich ist die zur Auslösung einer Infektion spezielle alle verfügbaren Standardantibiotika und oder vermutet wird [19]. Die Identifikation Voraussetzungen auf Seiten des Patienten sind lediglich durch Reservesubstanzen einer gemeinsamen Infektionsquelle ist kei- benötigen, wie im Falle der CF die hochvis- therapierbar (z. B. Tigecyclin, intravenöses neswegs Voraussetzung für die Definition kösen Sekrete und die Störung der muko- Colistin, Ceftobripol). eines Ausbruchs. Handelt es sich bei die- ziliären Clearance in den Atemwegen oder sem Infektionsgeschehen unterschiedli- das Eröffnen des Zugangs zu normalerwei- Eine für die klinische Praxis zielführende cher Patienten um phänotypisch sehr ähn- se sterilen Körperbereichen, z. B. durch in- Definition von multiresistenten gramnega- liche Erreger, die sich mit sensitiven Typi- travenöse Verweilkatheter. Diese Erreger tiven Infektionserregern wurde kürzlich sierungsmethoden als unterschiedliche Iso- werden auch als ‚opportunistische Erreger’ von einer Arbeitsgruppe der KRINKO un- late der gleichen Spezies charakterisieren bezeichnet. ter der Leitung von Frau Prof. C. Wendt und lassen, liegt ein Pseudoausbruch vor. Frau Prof. H. von Baum im Epidemiologi- In Bezug auf die in-vitro-Resistenzeigen- schen Bulletin des Robert Koch-Instituts Standardhygienemaßnahmen sind Maß- schaften von gramnegativen Infektionser- publiziert [28]. Dabei wurde vor allem der nahmen, die in Arztpraxen, Spezialambu- regern sind die auch aus infektionspräven- Gesichtspunkt der klinischen Relevanz der lanzen und stationären Einrichtungen des tiver Perspektive sehr wichtigen Begriffe Resistenz zu Grunde gelegt, d. h. es wurde Gesundheitssystems im Kontakt zu allen Multi-(Antibiotika) Resistenz [multidrug- die Resistenz gegenüber den Antibiotika Patienten durchgeführt werden, um eine resistant; MDR], extensive (Antibiotika) betrachtet, die als bakterizide Therapeuti- Übertragung von Infektionserregern auf Resistenz [extensive drug resistance; XDR] ka bei schweren Infektionen primär einge- den Patienten und das Personal zu verhin- und Pan-(Antibiotika) Resistenz (pandrug- setzt werden (Acylureidopenicilline, Ce- dern und das Risiko einer nosokomialen resistant; PDR) in der internationalen Fach- phalosporine der 3. und 4. Generation, Car- Weiterverbreitung von Krankheitserregern literatur nicht einheitlich definiert. In einem bapeneme und Fluorchinolone). Andere zu reduzieren. Hierzu gehört vor allem die 2006 veröffentlichten systematischen Re- Antibiotika wurden nicht berücksichtigt, hygienische Händedesinfektion, aber auch view fanden Fallagas et al. [23] über 50 ver- da sie in der Regel nicht als Monothera- der situationsbedingte Einsatz von spezi- schiedene Definitionen dieser Fachbegrif- peutika eingesetzt werden (z. B. Aminogly- ellen Hygienemaßnahmen wie: fe in bis dato publizierten Studien zu P. ae- coside) oder als Reserveantibiotika (z. B. – Gebrauch von Schutzhandschuhen bei ruginosa und Acinetobacter baumannii. Glycylcycline) gelten. Im Unterschied zu der Möglichkeit der Kontamination der anderen Definitionen ist hier nicht der Me- Hände mit Blut, Atemwegssekreten oder Bakterielle Infektionserreger mit Multire- chanismus der Resistenz, sondern der Phä- anderen Ausscheidungen des Patienten; sistenz (MDR) erfüllen in-vitro-Resistenz- notyp des Isolats zielführend. Solche Defi- – Schutzkleidung (patientenbezogene kriterien in standardisierten und internati- nitionen erleichtern den in der klinischen Schürzen oder Kittel) bei besonders kon- onal konsentierten Testverfahren [24, 25] Praxis tätigen Ärzten die Zuordnung des taminationsträchtigen Arbeiten (z. B. Pfle- gegen mindestens 2 intravenös applizier- Erregers zu bestimmten zusätzlichen Prä- ge eines Patienten mit Diarrhö oder Er- bare Antibiotikaklassen, die zu den Stan- ventions- und Barrieremaßnahmen wäh- brechen) [20]; dardantibiotika in der Behandlung von In- rend der stationären Behandlung. – Mund-Nasen-Schutz (z. B. bei engem fektionen, verursacht durch diese Erreger- Kontakt zu jedem Patienten mit Atem- spezies, gehören (z. B. Breitspektrum-Pe- Von einer erfolgreichen langfristigen Era- wegsinfektion). nicilline, Cephalosporine der Gruppe III, dikation von Methicillin-resistenten Sta- Aminoglycoside, Fluorchinolone, Carbape- phylococcus aureus (MRSA) bei Patienten Zu den Standardhygienemaßnahmen ge- neme, Cotrimoxazol) [26]. Bei MDR Infek- mit CF ist auszugehen, wenn an 3 Tagen hören auch die desinfizierende Reinigung tionserregern besteht jedoch noch mindes- nach Beendigung der gegen MRSA gerich- kontaminierter Oberflächen und Gegen- tens eine Behandlungsoption aus dem teten medikamentösen und nicht-medika- stände [21] und die sachgerechte Aufbe- Standardrepertoire der verfügbaren Sub- mentösen Dekolonisationsmaßnahmen reitung von Medizinprodukten [22] nach stanzklassen. In einer aktuellen Publikation kein MRSA mehr nachweisbar ist [im Na- einem schriftlich festgelegten Hygieneplan. der Konsiliarlaboratorien für Mukoviszido- senabstrich, im Rachenabstrich, im Spu- Anforderungen an die Hygiene bei CF (2012) 5
| 1. Einleitung und Ziele tum, im Analabstrich (+ Perineum) und ggf. – die Reduktion vermeidbarer Übertragun- – Anforderungen an Gestaltung, Eigen- an anderen vormals kolonisierten Orten gen von Infektionserregern auf das me- schaften und Betrieb von dezentralen (z. B. Wunden)] und sich dieses negative dizinische Personal im Umgang mit Pati- Desinfektionsmittel-Dosiergeräten [43], Untersuchungsergebnis nach 4 Wochen enten mit CF. – Prävention und Kontrolle von Methicillin- sowie nach 3, 6 und 12 Monaten bestätigt. resistenten Staphylococcus aureus-Stäm- men (MRSA) in Krankenhäusern und an- 1.4. Struktur der Empfehlung deren medizinischen Einrichtungen [44], 1.3 Zielgruppen und und Bezug zu anderen – Ausbruchsmanagement und strukturier- Geltungsbereich Empfehlungen der KRINKO tes Vorgehen bei gehäuftem Auftreten Zu den Zielgruppen dieser Empfehlung ge- Diese Empfehlung soll für die oben ge- nosokomialer Infektionen [19], hören alle Berufsgruppen, die an der me- nannten Zielgruppen – Anforderung an die Hygiene bei der Rei- dizinischen Versorgung von Patienten mit – Hilfen zur Entscheidungsfindung in Be- nigung und Desinfektion von Flächen [21], CF direkt beteiligt sind, v. a. Ärztinnen und zug auf wichtige Aspekte der Infektions- – Infektionsprävention in der Zahnheilkun- Ärzte, Pflegepersonal, Fachpersonal für prävention geben; de [45], Krankenhaushygiene [29], Physiotherapeu- – die Versorgungsqualität durch eine effi- – Infektionsprävention bei immunsuppri- ten, Angestellte der Krankenhausverwal- ziente Ausnutzung der vorhandenen Res- mierten Patienten [30], tung, Mitarbeiter des öffentlichen Gesund- sourcen verbessern (keine zeitraubenden – Personelle und organisatorische Voraus- heitsdienstes, Ärztinnen und Ärzte des me- Diskussionen über das richtige Vorgehen, setzungen zur Prävention nosokomialer dizinischen Dienstes der Krankenkassen eindeutige Festlegung von Arbeitsabläu- Infektionen [29], sowie Auszubildende (Medizinstudenten, fen und anderen betrieblich-organisato- – Injektionen und Punktionen [46]. Auszubildende in der Gesundheits- und rischen Voraussetzungen der Infektions- Krankenpflege). Außerdem richtet sich die- prävention) [36]; Zum Teil werden Aussagen von grundle- se Empfehlung – analog zur KRINKO-Emp- – die Patienten und ihre Angehörigen als gender Bedeutung nochmals wiedergege- fehlung für immunsupprimierte Patienten informierte und geschulte Partner in das ben, um hier eine für die tägliche Praxis [30] – an die Patienten selbst sowie an de- Gesamtkonzept der Infektionsprävention selbstständig verwendbare Empfehlung zu ren Angehörige. Patienten mit CF sind auch aufnehmen; geben. außerhalb des Krankenhauses besonderen – Hinweise zur baulich-funktionellen Aus- Infektionsrisiken ausgesetzt. Daher wird stattung von klinischen Behandlungsein- versucht, dem Patienten selbst, den nach- heiten und Spezialambulanzen für die 1.5. Methodische Hinweise betreuenden Ärzten und den Angehörigen Behandlung von Patienten mit CF zur Ver- In der Projektplanung und der Primärkon- im häuslichen Umfeld orientierende Hin- fügung stellen; zeption der Empfehlung wurden die Krite- weise zu geben, wie sie während ambulan- – langfristig die Entwicklung zentrums- rien des Deutschen Instruments zur metho- ter Behandlungsphasen vor Infektionen übergreifender Indikatoren für die Qua- dischen Leitlinien-Bewertung berücksich- geschützt werden können. Alle hier vorge- litätssicherung im Bereich der Infektions- tigt. Ausgehend von einer Zusammenstel- legten Empfehlungen sollen an die jewei- prävention fördern; lung von Schlüsselfragen, die sich in die- lige Behandlungssituation des individuel- – Dem öffentlichen Gesundheitsdienst sem Kontext ergeben, wurden Listen von len Patienten angepasst werden. Spezielle grundlegende Informationen zur Verfü- Suchbegriffen erstellt und mit freundlicher Aspekte der Infektionsprävention bei Pati- gung stellen, die bei der Begehung ent- Unterstützung von Frau Dr. Bend und Frau enten während oder nach einer Organtrans- sprechender Einrichtungen von Nutzen Dr. Hafkemeyer (Mukoviszidose e. V., plantation [31–35] sind der KRINKO-Emp- sein können. Bonn) sowie parallel vom Leiter der Ar- fehlung ‚Infektionsprävention bei Immun- beitsgruppe systematische Literaturrecher- supprimierten‘ [30] thematisiert und nicht In der hier vorliegenden Empfehlung erge- chen durchgeführt. Die Literaturverzeich- Gegenstand dieser Empfehlung. ben sich zahlreiche Überschneidungen mit nisse von publizierten Übersichtsarbeiten anderen Empfehlungen der KRINKO: [47–54] und angloamerikanischer Leitlini- Wichtigste Präventionsziele dieser Emp- – Surveillance (Erfassung und Bewertung) en zu diesem Thema [55–58] wurden eben- fehlung sind von nosokomialen Infektionen (Umset- so einbezogen wie zielführende Referenzen – die Reduktion vermeidbarer nosokomia- zung § 23 IfSG) [37, 38], der primär ausgewählten Artikel. Die Lite- ler Infektionen aus der belebten und un- – Händehygiene [39], raturrecherche bezog sich auf Artikel in belebten Umgebung auf Patienten mit CF, – Prävention Gefäßkatheter-assoziierter englischer und deutscher Sprache, die ab insbesondere in Bezug auf Infektionser- Infektionen [40], 1990 in einer Zeitschrift mit Peer Review reger, die sich bei Kolonisation oder In- – Prävention der nosokomialen Pneumonie Verfahren erschienen sind. fektion langfristig ungünstig auf die Mor- [41], bidität und das Überleben von Menschen – Anforderungen der Hygiene bei Operati- Allgemeine Strategien und Detailfragen mit CF auswirken; onen und anderen invasiven Eingriffen der nicht-medikamentösen Infektionsprä- – die Reduktion vermeidbarer Übertragun- [42], vention sind bisher bei Patienten mit CF gen von Infektionserregern von koloni- – Anforderungen der Krankenhaushygiene nicht in prospektiv-randomisierten, kont- sierten oder infizierten Patienten mit CF und des Arbeitsschutzes an die Hygiene- rollierten Studien untersucht worden. auf andere Patienten im Krankenhaus und bekleidung und persönliche Schutzaus- Insofern kann diese Empfehlung defini- in Spezialambulanzen; rüstung [20], tionsgemäß [59] keinen hohen Anteil von 6 Anforderungen an die Hygiene bei CF (2012)
1. Einleitung und Ziele | Tabelle 1: Kategorien in der Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (2010, zitiert nach [59]). Kategorie IA Diese Empfehlung basiert auf gut konzipierten systematischen Reviews oder einzel- nen hochwertigen randomisierten kontrollierten Studien. Kategorie IB Diese Empfehlung basiert auf klinischen oder hochwertigen epidemiologischen Studi- en und strengen, plausiblen und nachvollziehbaren theoretischen Ableitungen. Kategorie II Diese Empfehlung basiert auf hinweisenden Studien/Untersuchungen und strengen, plausiblen und nachvollziehbaren theoretischen Ableitungen. Kategorie III Maßnahmen, über deren Wirksamkeit nur unzureichende oder widersprüchliche Hin- weise vorliegen, deshalb ist eine Empfehlung nicht möglich. Kategorie IV Anforderungen, Maßnahmen und Verfahrensweisen, die durch allgemein geltende Rechtsvorschriften zu beachten sind. Empfehlungen der Kategorie IA enthalten, ganisiert sind. Patientenvertreter wurden die als wissenschaftlich gesicherte Empfeh- über den gemeinnützigen Verein Mukovis- lungen generell umgesetzt werden müssen1. zidose e. V. in die Diskussion der Empfeh- Da die Patienten im Falle einer nosoko- lung mit einbezogen. Wir bitten um aktive mialen Übertragung von bestimmten Infek- Mitarbeit bei der Weiterentwicklung dieser tionserregern lebensbedrohlich erkranken Empfehlung durch möglichst konkrete und können und sich die Infektion mit bestimm- situationsbezogene Rückmeldungen aus ten Erregern erwiesenermaßen ungünstig der Praxis. auf die Prognose der Patienten auswirken Die Kategorisierung der Empfehlungen kann, wäre es nach dem Vorsorgeprinzip erfolgt nach den üblichen Kategorien der des Risikomanagements unverantwortlich, KRINKO in der 2010 aktualisierten Version auf die zukünftige Publikation solcher Stu- (Tabelle 1) [59]. dien zu warten oder erst dann präventive Maßnahmen umzusetzen, wenn eine Über- tragung bereits stattgefunden hat (z. B. bei Ausbrüchen [19]). Es geht hier somit dar- um, alle Informationen aus allgemein zu- gänglichen wissenschaftlichen Studien und Berichten so aufzuarbeiten, dass infolge ei- ner transparenten und nachvollziehbaren Argumentationskette (siehe Kapitel Risiko- kategorisierung) gut begründete, vernünf- tig ausgewogene und durchführbare Ver- haltensregeln für die Praxis abgeleitet wer- den können. Bereits in der Vorbereitung des in der Kommission diskutierten Entwurfs hat eine Abstimmung mit Vertretern medizinischen Fachgesellschaften stattgefunden, die in der Arbeitsgruppe Mukoviszidose der Ar- beitsgemeinschaft wissenschaftlich-medi- zinischer Fachgesellschaften (AWMF) or- 1 on den Vorgaben der Richtlinie kann grundsätzlich dann abgewichen werden, wenn nach V Prüfung alternativer Maßnahmen diese nicht zu einem niedrigeren Schutzniveau für Patienten und Personal führen. Die entsprechenden Maßnahmen müssen im Fall der Abweichung von der Richtlinie fachlich begründet werden. Anforderungen an die Hygiene bei CF (2012) 7
| 2. Risikocharakterisierung 2. Risikocharakterisierung Patienten, die aus anderen Gründen statio- und möglicherweise zu einem kleineren när behandelt werden müssen oder sich in Anteil auch durch Aerosole übertragen Spezialambulanzen vorstellen, sollen nicht [100–104]. 2.1. Vorbemerkung zusätzlich durch eine vermeidbare, nosoko- Säuglinge und Kleinkinder mit Influen- Im Kapitel Risikocharakterisierung sollen mial erworbene Infektion belastet werden. za scheiden das Virus im Mittel länger aus die Bedeutung bestimmter Infektionserre- (14 Tage und mehr) als immunkompetente ger bei Patienten mit CF und Hinweise zur 2.2.1. Respiratory Syncytial Virus Erwachsene (ca. 7 Tage). Übertragung dargestellt werden. Nahezu jedes Kind macht bis zum 2. Le- Ob Patienten mit CF von einer Influen- Weder die komplexe Pathophysiologie bensjahr mindestens eine Infektion mit za-Impfung (jährlich mit dem von der WHO [60], noch Methoden der mikrobiologi- dem Respiratory Syncytial Virus (RSV) empfohlenen aktuellen Impfstoff) profitie- schen Diagnostik [15, 16, 61–64] und Ge- durch [85]. Mukoviszidose-Patienten mit ren, wurde bisher nicht ausreichend in pro- notypisierung [65], noch die Therapie [13, RSV-Infektion haben in der akuten Phase spektiv randomisierten kontrollierten Stu- 66–72] der in diesem Kontext relevanten der Infektion ein erhöhtes Risiko für einen dien untersucht [105–107]. Als Kinder, Ju- Infektionen sind Gegenstand dieser Emp- komplizierten Verlauf [78, 86, 87] und zei- gendliche und Erwachsene mit erhöhter ge- fehlung. gen in den Folgemonaten häufig schlech- sundheitlicher Gefährdung aufgrund eines tere Lungenfunktionsparameter im Ver- Grundleidens (Untergruppe chronische gleich mit Patienten ohne eine RSV-Infek- Krankheiten der Atmungsorgane) ist die 2.2. Virale Erreger tion [76, 88–90]. Experimentelle in-vitro- Schutzimpfung für diese Patienten mit pul- Virale Erreger von Atemwegsinfektionen Daten mit epithelialen Zellkulturen deuten monaler Manifestation jedoch empfohlen. spielen insbesondere bei Säuglingen und darauf hin, dass die gleichzeitige Inkubati- Sinnvoll erscheint darüber hinaus auch die Kleinkindern [73], prinzipiell jedoch in je- on mit RSV die Bindung von P. aeruginosa Impfung enger Kontaktpersonen zur Her- dem Lebensalter [74, 75], eine wichtige an Epithelzellen begünstigt [91]. stellung einer Herdenimmunität [107]. Zur Rolle bei akuten Exazerbationen der CF In den Monaten September bis Mai Reduktion des Risikos nosokomialer Influ- [76–78]. In den Wintermonaten werden bis werden im kinderärztlichen Notdienst, in enza-Ausbrüche [102] und zum Schutz des zu 50 % aller akuten Exazerbationen bei den Spezialambulanzen und im stationä- Personals wird die jährliche Influenza-Imp- Patienten mit CF durch respiratorische vi- ren Versorgungsbereich parallel zum Ver- fung auch für medizinisches Personal nach- rale Erreger verursacht oder zumindest lauf der RSV-Epidemie zahlreiche Patien- drücklich empfohlen. Dass Mitarbeiterinnen gebahnt [79]. Moderne Methoden der Di- ten mit akuter RSV-Infektion vorstellig und Mitarbeiter des Behandlungsteams das agnostik aus respiratorischen Sekreten mit bzw. stationär behandelt [80]. Daher ist eigene Risiko einer eigenen Influenza-In- Hilfe von (rt)PCR-Verfahren erhöhen die insbesondere während der Monate Sep- fektion gering einschätzen [108] und dar- Rate von positiven Erregernachweisen bei tember bis Mai die Prävention der noso- aufhin die Notwendigkeit einer Impfung be- Atemwegsinfektionen im Kindesalter von komialen RSV-Übertragung ein wichtiges zweifeln, ist zum einen sachlich falsch [109] unter 40 % (Antigennachweise) auf bis zu Thema von gezielten Mitarbeiterschulun- und beruht zum anderen auf einer unvoll- 75 % [80, 81]. Hieraus resultiert in der Re- gen und internen Festlegungen für die Di- ständigen Wahrnehmung der Indikationen, gel (Ausnahme: Influenza) bei Patienten agnostik, Therapie und Kontrolle. In eini- die vor allem auch den indirekten Schutz der mit CF keine antivirale Therapie, aber die gen Ländern erhalten Säuglinge mit gesi- Patienten einbeziehen [102, 110–112]. Möglichkeit einer Erreger-spezifischen cherter CF in Erweiterung der Standard- Daten von 518 CF-Patienten aus 12 fran- Isolierung der Patienten [82]. indikationen [92, 93] eine passive Immun- zösischen Behandlungszentren (Saison prophylaxe gegen das RSV, deren Nutzen 2005–2006; Lebensalter über 6 Monate; Kin- Die meisten, der hier in Frage kommenden jedoch aufgrund der bis heute vorliegen- der 65 %) ergaben eine Impfrate von 80 % Viren sind über direkte und indirekte Kon- den Daten nicht abschließend beurteilt (Kinder 86 %, Erwachsene 69 %) [113]. Die takt- sowie über Tröpfcheninfektionen von werden kann [94–96]. im gleichen Projekt durchgeführte Befra- Mensch zu Mensch übertragbar [83, 84]. gung von 128 Mitarbeiterinnen und Mitar- Hinweise zu allgemeinen Präventionsmaß- 2.2.2 Influenza-Virus beitern des Behandlungsteams (healthcare nahmen gegen die Übertragung viraler Die Infektion mit Influenza-Virus erhöht workers, HCWs) ergab eine Impfrate von Infektionserreger finden sich unter http:// das Risiko einer stationären Aufnahme mit 59 % (Ärzte 81 % bis Sozialarbeiter 17 %). www.wir-gegen-viren.de/ und http://www. akuter Exazerbation der CF und ein rele- Unter den HCWs, die nicht geimpft waren, hygiene-tipps-fuer-kids.de/. Da viele virale vanter Anteil der parallel zur Influenza- war das häufigste Argument gegen die Imp- Krankheitserreger auch von asymptoma- Saison wegen pulmonaler Verschlechte- fung, dass es sich bei der Influenza um eine tischen Kontaktpersonen ausgeschieden rung hospitalisierten Patienten mit CF hat ‚harmlose Erkrankung’ handle [114]. Tat- werden und in der unbelebten Umgebung eine Influenza-Infektion [97–99]. Auch die sächlich liegt eine Impfrate von fast 60 % infektiös bleiben, ist es vor allem in ambu- durch das Influenzavirus ausgelöste Ent- bei den HCWs [114] deutlich über dem lanten Betreuungsphasen nicht möglich, zündungsreaktion in den Atemwegen von Durchschnitt anderer Studien [115, 116], in das Auftreten von Virusinfektionen der Patienten mit CF kann die nachfolgende denen ähnlich hohe Impfraten erst nach ge- Atemwege oder des Gastrointestinaltrakts Kolonisation und Infektion mit bakteriellen zielten und aufwändigen Kampagnen er- vollständig zu verhindern. Hingegen ist Infektionserregern begünstigen; dies gilt reicht wurden. die Reduktion der nosokomialen Übertra- wahrscheinlich auch für die Erstbesiedlung Eine US-amerikanische Studie fand gung viraler Infektionserreger ein wichti- mit P. aeruginosa [79, 99]. Die Influenza ähnliche Impfraten bei CF-Patienten und ges Ziel. wird vorwiegend durch Kontakt, Tröpfchen wies darauf hin, dass der Anteil der geimpf- 8 Anforderungen an die Hygiene bei CF (2012)
2. Risikocharakterisierung | ten Patienten signifikant höher war, wenn gung und Pathogenität als Erreger von In- fektiv [147], so dass bei möglichem Kontakt die Patienten im 4. Quartal einen Routine- fektionen der Atemwege vergleichbar mit mit respiratorischen Sekreten eines HBoV- Vorstellungstermin hatten. Dies deutet da- dem RSV [88]. infizierten Patienten oder zu kontaminier- rauf hin, dass es sinnvoll ist, alle Patienten Insofern ist es angemessen, bei Patien- ten Gegenständen und Oberflächen in sei- der eigenen Spezialambulanz jährlich vor ten mit hMPV-Nachweis die gleichen Maß- ner Umgebung konsequent Einmalhand- der Influenza-Saison aktiv zu kontaktieren nahmen zur Eindämmung einer nosokomi- schuhe zusätzlich zur hygienischen Hän- und auf die Impfung hinzuweisen [117]. alen Übertragung durchzuführen, wie bei dedesinfektion getragen werden sollten. Mit einem solchen Vorgehen konnten bei RSV-infizierten Patienten. Dies gilt auch für Patienten mit CF-Impfraten bis 96 % er- Infektionen durch Parainfluenza-Viren und reicht werden [99]. humane Corona-Viren [83, 126–129]. 2.3. Bakterielle Erreger Auf aktuelle Leitlinien und Publikationen Auch der Erreger der ‚Neuen pandemi- 2.2.4 Rhinovirus zur Diagnostik [16, 148] sowie zur speziel- schen Influenza’ (Influenza A H1N1/Cali- Rhinoviren (RV) wurden früher als ‚harm- len Pathogenese bakterieller Infektionen fornia/2009) wurde inzwischen als Auslöser lose Erkältungsviren’ eingestuft. Verbes- bei Patienten mit CF [149, 150] auch im einer pulmonalen Exazerbation bei Patien- serte Nachweismethoden und systemati- Unterschied zu erwachsenen Patienten mit ten mit CF beschrieben [118], bei den meis- sche Untersuchungen von Patienten mit chronisch obstruktiver pulmonaler Erkran- ten bislang dokumentierten Patienten mit verschiedenen Manifestationsformen aku- kung (COPD) [151] wird an dieser Stelle CF verlief die Infektion insgesamt blande ter Atemwegserkrankungen haben in den verwiesen. [119]. Whitacker et al. wiesen mittels rtP- letzten Jahren zu einer Neubeurteilung die- CR-basierter Diagnostik das Neue Influen- ser hoch kontagiösen Picorna-Viren (Kon- 2.3.1. Grampositive Infektionserreger: za-Virus 2 und 4 Wochen nach Erstdiagno- takt und Tröpfchen) geführt [130]. RV-In- Staphylococcus aureus se in den Atemwegen von 2 Patienten mit fektionen sind ab dem Schulalter häufige Bestimmte grampositive Bakterien sind häu- CF nach, von denen allerdings der eine Auslöser von Asthma-Exazerbationen [131, fige Auslöser nosokomialer Infektionen und nach Lungentransplantation iatrogen im- 132] und können durchaus Infektionen der Staphylococcus aureus gehört dabei insge- munsupprimiert war [120]. Esposito et al. tiefen Atemwege verursachen [133–135]. samt zu den am häufigsten nachgewiesenen beschrieben die Infektion eines 8-jährigen In-vitro-Daten deuten darauf hin, dass die Erregern [152]. Die nosokomiale Übertra- Knaben mit CF und P. aeruginosa-Koloni- Kolonisation mit mukoiden P. aeruginosa- gung von Methicillin-sensiblen S. aureus auf sation der Atemwege durch ein Oseltami- Isolaten die Interferon-Antwort des Atem- Patienten mit CF kommt jedoch insgesamt vir-resistentes Influenza A H1N1/09-Virus- wegsepithels bei Patienten mit CF auf eine nur selten vor, insbesondere, wenn Stan- Isolat (H275Y Mutation); der kritische kli- Rhinovirus-Infektion unterdrückt [136]. dardhygienemaßnahmen konsequent um- nische Zustand des Kindes besserte sich Smyth et al. fanden bei der Untersuchung gesetzt werden. nach Umstellung von Oseltamivir auf eine von 157 akuten Exazerbationen (76 Patien- Die Übertragung kann durch direkten Zanamivir-Inhalation [121]. Viviani et al. ten mit CF) in 16 % Rhinoviren. Bei der und indirekten Kontakt erfolgen (über kon- [122] analysierten multinationale retros- multivariaten Analyse der Patienten mit taminierte Gegenstände und Oberflächen pektive Daten aus 25 CF-Behandlungszen- Rhinovirus-Infektion fand sich ein signifi- [153], auch Lebensmittel) sowie durch tren. Aus einem Gesamtkollektiv von 4.698 kant längerer Einsatz intravenöser Antibio- Tröpfchen, wenn eine S. aureus-Kolonisa- Patienten mit CF erkrankten 110 Patienten tika aber keine Verschlechterung des klini- tion oder -Infektion der Atemwege vorliegt. (2,3 %) an einer Influenza A H1N1/ schen Schweregrads der CF nach der Re- Seltener ist eine Übertragung durch Exkre- California/2009-Infektion (medianes Alter konvaleszenz [137]. Die Frage, ob in die- te (Stuhl/Urin). 13 Jahre, 1–39 Jahre). Die Prävalenz in den sem Kontext der Nachweis eines viralen Die unmittelbare Umgebung von Pati- teilnehmenden Zentren lag zwischen 0 % (Ko-) Pathogens bei akuter Exazerbation enten mit pulmonaler Exazerbation einer und 9,4 %. Nur 8,8 % der Patienten waren eine Verkürzung der i.v. Antibiotikathera- CF, die in den Atemwegen mit S. aureus ko- gegen die pandemische Influenza geimpft. pie nach sich ziehen sollte, kann bislang lonisiert oder infiziert ist, kann in erhebli- Die häufigsten Symptome waren Fieber nicht Evidenz-basiert beantwortet werden chem Ausmaß mit S. aureus kontaminiert und pulmonale Exazerbation, 53 % der Pa- [70, 72, 84]. werden [154, 155], insbesondere, wenn tienten erhielten systemische Antibiotika, der Patient keinen Mund-Nasen-Schutz 48 % wurden für einen mittleren Zeitraum 2.2.5 Humanes Bocavirus tragen kann oder sich die Hände nicht des- von 12,9 Tagen stationär aufgenommen Für das humane Bocavirus (HBoV), das 2. infiziert hat [156, 157]. Dies gilt neben den (range 2–56 Tage), 31 % benötigten eine (möglicherweise) humanpathogene Parvo- Patientenzimmern auch für Wartebereiche Sauerstoffgabe. Während die Mehrzahl der virus, ist ein erst 2005 [138] erstbeschrie- und Untersuchungs-/ Behandlungsräume Patienten sich innerhalb eines Monats voll- bener viraler Krankheitserreger, der Atem- in denen sich Patienten mit CF aufhalten ständig erholten, mussten 6 Patienten auf wegsinfektionen und wahrscheinlich auch [58, 158], sowie alle patientennah einge- die Intensivstation verlegt werden. Von die- eine Gastroenteritis verursachen kann setzten Medizinprodukte, wie z. B. Stetho- sen erhielten 5 eine invasive Beatmung und [139–145]. Infektionen bei Patienten mit skope [158, 159] und Inhalationszubehör 3 verstarben an akutem Lungenversagen. CF [146] und auch nosokomiale Übertra- (siehe unten). gungen sind beschrieben [139]. Wahr- Bei heftiger Hustensymptomatik oder 2.2.3 Humanes Metapneumovirus scheinlich sind bei diesem Parvo-Virus die bei der Sputuminduktion (durch die Inha- Das humane Metapneumovirus (hMPV) üblichen Händedesinfektionsmittel (analog lation hochprozentiger Kochsalzlösung) [123–125] ist in Bezug auf seine Übertra- zum humanen Parvo-Virus B19) nicht ef- können auch an sehr kleine Partikel gebun- Anforderungen an die Hygiene bei CF (2012) 9
| 2. Risikocharakterisierung dene S. aureus freigesetzt werden und über ten. Die immunsuppressive Behandlung ohne CF vor allem bei chronischen Infek- einen längeren Zeitraum in der Raumluft der allergischen bronchopulmonalen As- tionen (z. B. Osteomyelitiden) und Fremd- schweben. Ob dies mit einem Infektionsri- pergillose (ABPA) mit hoch dosierten Kor- körper-assoziierten Infektionen isoliert. siko über eine Distanz von mehr als 1,5 m tikosteroiden erhöht möglicherweise das Bei Patienten mit CF scheint die chronisch hinweg (Tröpfcheninfektion) verbunden ist, Risiko von durch MSSA hervorgerufenen destruierende Entzündung in den tiefen ist nicht vollständig geklärt. Einige Unter- Infektionen [174]. Atemwegen und die häufige Exposition suchungen weisen jedoch auf diese Mög- Patienten mit CF, deren Atemwege mit gegenüber Antibiotika die Ausbildung von lichkeit hin [158, 160–163]. S. aureus und P. aeruginosa kolonisiert sind SCVs zu begünstigen. Besier et al. führten Eine molekulargenetische Untersu- und die eine Langzeittherapie mit Azithro- bei 252 Patienten mit CF in 12 Monaten ein chung der S. aureus-Isolate bei Patienten mycin erhalten [175, 176], können zu einem prospektives Screening auf SCVs in Spu- mit CF über einen prospektiven Beobach- ‚Reservoir’ für die nosokomiale Übertragung tumproben durch. Die Prävalenz von SCV tungszeitraum von 6 Jahren ergab, dass in Makrolid- und Clindamycin-resistenter S. unter den mit S. aureus kolonisierten Pati- den Atemwegen der Patienten klonal iden- aureus sowie Makrolid-resistenter Haemo- enten mit CF lag bei 17 % (CI95 10 bis tische S. aureus-Isolate über Monate bis philus spp. werden (MLSB-Resistenz) [177, 25 %). S. aureus-Isolate mit dem SCV-Phä- Jahre nachweisbar waren. Wahrscheinlich 178]. Hingegen ist nach Tramper-Stranders notyp waren in vitro signifikant weniger induzierte die kontinuierliche langfristige et al. das Risiko einer Übertragung Makro- sensibel gegenüber den getesteten Anti- Behandlung mit Antibiotika (v. a. Cotrimo- lid-resistenter MSSA von Patienten mit CF biotika. Patienten mit Nachweis von SCVs xazol) den Nachweis von Small colony va- auf gesunde Personen, die im gleichen waren signifikant älter, hatten einen nied- riants (siehe eigener Abschnitt). Bei 9 Pa- Haushalt leben, gegenüber der Normalbe- rigeren Body Mass Index (BMI), waren tienten, die mit Isolaten der gleichen klo- völkerung nicht signifikant erhöht [179]. häufiger mit P. aeruginosa kolonisiert und nalen Linie besiedelt waren, konnte mit den Ein wichtiger Pathogenitätsfaktor von S. zeigten insgesamt einen höheren klini- Methoden dieser Studie eine nosokomia- aureus bei rezidivierenden eitrigen Haut- schen Schweregrad der CF. len Übertragung weder nachgewiesen, und Weichteilinfektionen, der auch mit letal Die Vorbehandlung mit Cotrimoxazol noch vollständig ausgeschlossen werden verlaufenden nekrotisierenden Pneumoni- wurde als unabhängiger Risikofaktor für [164]. Die Übertragung von MSSA unter en in Verbindung gebracht wurde, ist die die Entstehung von S. aureus-SCVs identi- Patienten mit CF in einem gemeinsamen Expression des Panton-Valentin-Leukoci- fiziert [188]. Die Ausbildung von SCVs ist Feriencamp wurde beschrieben [55, 56]. dins durch sogenannte ‚PVL-positive’ MSSA kein ausschließliches Charakteristikum von Bei Patienten mit CF werden oft schon Isolate [180–183]. Patienten mit CF, die mit S. aureus. Schneider et al. fanden in einer im frühen Lebensalter (bis zu 60 % bereits einem PVL-positiven MSSA kolonisiert oder 3-monatigen prospektiven Untersuchung im 1. Lebensjahr) die tiefen Atemwege mit infiziert sind, sollten daher besonders strikt SCV-Phänotypen von S. aureus und von P. ambulant erworbenen S. aureus kolonisiert von anderen Patienten abgeschirmt werden. aeruginosa im Sputum von 8 % bzw. 9 % [55], wobei es sich initial meist um Methi- In der Regel wird neben der ggf. notwendi- der 98 untersuchten Patienten mit CF, be- cillin-sensible S. aureus handelt (MSSA). In gen chirurgischen und gezielten antibakte- sonders bei Patienten mit weit fortgeschrit- einer epidemiologischen Studie aus Belgi- riellen Therapie eine Dekolonisationsbe- tener Lungenerkrankung und langer und en waren 20–70 % der in den einzelnen CF- handlung analog zur MRSA-Sanierung häufiger Exposition gegenüber Antibioti- Zentren betreuten Patienten mit S. aureus durchgeführt, um Rezidive zu verhindern ka [189]. Ob SCVs von S. aureus von Pati- kolonisiert [165]. Rezidivierende S. aureus- und Übertragungsketten zu unterbrechen. ent zu Patient übertragen werden und ob Infektionen der Atemwege tragen signifi- sich aus dem Nachweis von SCVs speziel- kant zu einer kontinuierlichen Verschlech- Small colony variants (SCVs) von S. aure- le krankenhaushygienische Konsequenzen terung des klinischen Schweregrads der us sind gegenüber Umwelteinflüssen und ergeben, ist nicht bekannt. CF bei [166, 167]. Eine gegen S. aureus ge- dem Immunsystem des Patienten beson- richtete antibakterielle Chemoprophylaxe ders widerstandsfähige Erscheinungsfor- Der Anteil Methicillin-resistenter S. au- bis zum 6. Lebensjahr kann den Zeitpunkt men (Phänotypen), die eine andere Mor- reus (MRSA) [190] an allen S. aureus-Iso- der chronischen MSSA-Kolonisation bei phologie in der Kultur, ein verändertes laten scheint bei Patienten mit CF in den Patienten mit CF verzögern, der klinische Wachstumsverhalten sowie eine höhere letzten Jahren zuzunehmen [168], wobei Nutzen dieser Prophylaxe in Bezug auf den Resistenz gegenüber Antibiotika aufweisen sich Studien aus den USA vor dem Hinter- langfristigen Verlauf der CF ist jedoch un- und auch intrazellulär (z. B. in Makropha- grund einer (im Vergleich zu Deutschland) klar [168]. Wahrscheinlich wird durch die gen) überleben können. grundsätzlich unterschiedlichen epidemio- Dauerprophylaxe mit einem oral verab- SCVs von S. aureus sind häufig resistent logischen Situation vor allem auf Infektio- reichten Cephalosporin die Kolonisation gegen Methicillin und andere gegen MSSA nen mit und Übertragungen von sogenann- mit P. aeruginosa begünstigt [169–171]. eingesetzte Antibiotika, bei einigen dieser ten community acquired MRSA (caMRSA) Dem klinischen Spektrum von S. aureus- Isolate wurde kein mecA-Gen (charakteris- beziehen [191–196]. Molekulargenetische Infektionen entsprechend [172], können tisch für Methicillin-resistente S. aureus; Untersuchungen haben die Übertragung bei MSSA-kolonisierten Patienten mit CF MRSA) nachgewiesen [184, 185]. von MRSA zwischen Patienten mit CF [197] Sinusitiden [173], Haut- und Weichteilin- Die entsprechenden Isolate sind oft klo- und auch zwischen den Patienten und ih- fektionen (selten), postoperative Wundin- nal identisch mit den morphologisch typi- ren Haushaltsmitgliedern bestätigt [191]. fektionen sowie (sehr selten) auch primäre schen S. aureus-Isolaten des Patienten und In einer epidemiologischen Studie aus und sekundäre Septikämien mit oder ohne in vitro Thymidin-abhängig [186, 187]. Belgien waren in vitro 14 % aller bei CF-Pa- Assoziation zu einem Gefäßkatheter auftre- SCVs von S. aureus wurden bei Patienten tienten nachgewiesenen S. aureus-Isolate 10 Anforderungen an die Hygiene bei CF (2012)
2. Risikocharakterisierung | Methicillin-resistent, von diesen waren je- Miall et al. untersuchten retrospektiv alle die MRSA-Kolonisation und -Infektion be- doch lediglich 79 % ‚echte’ MRSA (Nach- Patienten mit CF und MRSA-Nachweis über einflusst wird. weis das mecA-Gens) und 19 % SCVs von einen Zeitraum von 7 Jahren (1992–1998). Im Gegensatz dazu kam eine retrospek- S. aureus. Die mittlere MRSA-Kolonisations- In dieser Studie zeigten die Patienten mit tive Kohortenstudie des Cystic Fibrosis rate betrug 5 % (0 % bis 17 % je nach CF- MRSA ein geringeres Größenwachstum, Foundation Registers über 10 Jahre (1996- Zentrum). Mittels Pulsfeld-Gelelektropho- wurden signifikant häufiger mit Antibiotika 2005) zu dem Ergebnis, dass sich bei rese konnten 67 % aller CF-assoziierten behandelt und hatten radiologisch eine 8–21-jährigen Patienten mit CF die persis- MRSA-Isolate 5 epidemischen Klonen zu- weiter fortgeschrittene Lungenerkrankung. tierende Kolonisation und Infektion mit geordnet werden, die in belgischen Kran- Die MRSA-Kolonisation/Infektion hatte kei- MRSA (mehr als 3 konsekutive MRSA- kenhäusern weit verbreitet sind [165]. Die- nen signifikanten unabhängigen Einfluss Nachweise, mittlere Beobachtungszeit 3,5 ser Befund weist auf eine nosokomiale Über- auf die Prognose der Kinder [202]. Jahre) negativ auf den Verlauf des FEV1 als tragung hin [198]. In einer australische Stu- Ebenfalls retrospektiv analysierten Tho- Marker der Lungenfunktion auswirkt [206] die war die Hälfte der 21 MRSA-positiven mas et al. die Verläufe von 26 Patienten mit und auch auf das Gesamtüberleben aus- Patienten mit CF mit 2 lokal endemischen CF, die an einem CF-Zentrum in London zwi- wirkt. In einer weiteren Studie dieser Ar- MRSA-Isolaten infiziert. Bei den Patienten schen 1965 und 1997 behandelt wurden. beitsgruppe [207], die bei 19.833 Patienten mit chronischer MRSA-Kolonisation war in Das mediane Lebensalter zum Zeitpunkt des mit einem Lebensalter zwischen 6 und 45 24 Monaten stets derselbe klonal identische Erstnachweises betrug 23,4 Jahre (11,8– Jahren durchgeführt wurde (1996–2006; MRSA-Stamm nachweisbar [199]. Dies 43,3 Jahre) und gemessen an der medianen n=5759 Patienten mit MRSA) fand sich in zeigt, dass eine MRSA-Kolonisation bei Pa- FEV1 (sog. Einsekundenkapazität) hatten der univariaten Analyse ein um 34,0 % tienten mit CF sehr lange persistieren kann. diese Patienten eine weit fortgeschrittene (CI95 26,7 %–40,4 %) höheres Sterberisi- Eine Arbeitsgruppe aus Marseille be- Lungenerkrankung. Die Prävalenz von ko bei den MRSA-kolonisierten Patienten. schrieb vor kurzem ein spezielles Problem MRSA nahm an diesem Zentrum in den 90er Dieses erhöhte Risiko bestätigte sich auch der Multiresistenz und nosokomialen Über- Jahren stetig zu. Die meisten Patienten wa- in einer multivariaten Analyse der Daten tragung bei MRSA-positiven Patienten mit ren vor allem in den tiefen Atemwegen ko- unter Berücksichtigung des Krankheits- CF. Durch einen speziellen Bakteriophagen lonisiert (Sputum; 96 %); seltener im Na- schweregrads zum Zeitpunkt des ersten kam es zur Übertragung eines Plasmids mit senvorhof (23 %) oder auf der Haut (15 %). MRSA-Nachweises (Odds Ratio: 1,27; CI95: Resistenzgenen gegen Tobramycin, Cipro- Bei 35 % waren MRSA nur vorübergehend 1,11–1,45). Diese Daten geben einen sehr floxacin, Cotrimoxazol und Imipenem auf nachweisbar. Die klinische Bedeutung der hochwertigen epidemiologischen Hinweis verschiedene MRSA-Isolate, die sich unter MRSA-Kolonisation für den Verlauf der Lun- darauf, dass es sich bei der MRSA-Koloni- den Patienten des regionalen CF-Zentrums generkrankung wurde auch von diesen Au- sation von Patienten mit CF um einen po- ausbreiteten [200]. Eine englische Arbeits- toren als gering eingeschätzt [203]. Diese tenziell beeinflussbaren Risikofaktor han- gruppe untersuchte Risikofaktoren für die Studie weist darauf hin, dass im Nasenvor- delt, der das Gesamtüberleben der Patien- MRSA-Kolonisation bei Patienten eines re- hof MRSA-negative Patienten in den tiefen ten bestimmt [207, 208]. gionalen CF-Zentrums in einer retrospek- Atemwegen MRSA-kolonisiert sein können, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des tiven Fallkontroll-Studie (15 MRSA-positi- weshalb zum MRSA-Screening bei Patien- Behandlungsteams, die Patienten mit CF ve und 30 MRSA-negative Patienten mit CF ten mit CF immer auch ein induziertes Spu- und MRSA-Kolonisation/Infektion betreu- als Kontrolle). Im Jahr vor dem 1. MRSA- tum untersucht werden sollte. en, müssen vor einer Übertragung ge- Nachweis wurden die später MRSA-posi- Im Rahmen eines großen nordamerika- schützt werden, da sie (selten) selbst er- tiven Patienten länger im Krankenhaus be- nischen Registers für Patienten mit CF (Epi- kranken (< 5 %) und zum Vektor einer no- handelt (im Mittel 19,8 vs. 5,5 Tage; demiologic Study of Cystic Fibrosis) wur- sokomialen Transmissionskette werden p=0,0003), erhielten über reinen längeren den in 12 Monaten (2001) Daten von 20.451 können [209]. Besonders komplex ist die Zeitraum Ciprofloxacin per os (43,5 vs. 13,9 Patienten analysiert, von denen 7,5 % mit Situation, wenn ein Mitarbeiter des Be- Tage; p=0,03), hatten mehr Behandlungs- MRSA kolonisiert waren. Im Vergleich mit handlungs-teams ein CF-Patient ist und tage mit oral oder i.v. verabreichten Cepha- MSSA-kolonisierten Patienten hatten die selbst MRSA-kolonisiert wird. Downey et losporinen (42,7 vs. 15,4 Tage; p=0,04) und 6–7 Jahre alten MRSA-positiven Patienten al. beobachteten mehrere Reinfektionen waren zu einem höheren Anteil in den eine signifikant schlechtere Lungenfunkti- eines solchen Mitarbeiters mit CF durch Atemwegen chronisch mit Aspergillus fu- on (gemessen am FEV1) und wurden sig- unterschiedliche im Krankenhaus erwor- migatus kolonisiert (40 % vs.10 %, p=0,04). nifikant häufiger im Krankenhaus mit An- bene MRSA-Isolate und deren erfolgreiche Ob der zuletzt beschriebene Unterschied tibiotika behandelt [204]. Allerdings kam Eradikation [210]. in der MRSA-Gruppe zu einem vermehrten es auch hier im Verlauf nicht zu einer sig- Einsatz von (immunsuppressiv wirksamen) nifikanten Verschlechterung der klinischen Die bislang verfügbaren Daten zur MRSA- Kortikosteroiden führte, wurde nicht unter- Befunde infolge der MRSA-Kolonisation Dekolonisation bei Patienten mit CF sind sucht [201]. [205]. Zusammenfassend sprechen diese sehr heterogen und beruhen vorwiegend auf Daten dafür, dass MRSA vor allem bei älte- kleinen Fallserien. Sie unterscheiden sich Die Frage, ob die Methicillin-Resistenz von ren Patienten auftritt, die eine weiter fort- vor allem auch in der Dauer der Nachbeob- S. aureus-Isolaten bei Patienten mit CF einen geschrittene Lungenerkrankung haben und achtung nach ‚erfolgreicher’ Eradikation. signifikanten Effekt auf den klinischen Ver- im weiteren Verlauf dann häufiger mit An- Solis et al. (Liverpool Children’s Hospi- lauf der pulmonalen CF Manifestation hat, tibiotika stationär behandelt werden müs- tal, MRSA-Prävalenz bei Patienten mit CF wird in der Literatur kontrovers diskutiert. sen ohne dass das Gesamtüberleben durch 6,5 %) erprobten ein MRSA-Eradikations- Anforderungen an die Hygiene bei CF (2012) 11
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