Ansätze für die Reform der Altersvorsorge - Finanzierungsansätze und Lebensarbeitszeitmodell in der Wahrnehmung der Stimmbevölkerung - Centre Patronal

Die Seite wird erstellt Ansgar-Maximilian Eckert
 
WEITER LESEN
Ansätze für die Reform der
                        Altersvorsorge
Finanzierungsansätze und Lebensarbeitszeitmodell
     in der Wahrnehmung der Stimmbevölkerung
Auftraggeberin

Centre Patronal
Kapellenstrasse 14
3001 Bern

Auftragnehmerin

Forschungsstelle sotomo
Dolderstrasse 24
8032 Zurich

Autor/innen (alphabetisch)

Michael Hermann
David Krähenbühl
Gordon Bühler

Zürich, April 2020
INHALTSVERZEICHNIS

Inhaltsverzeichnis
1   Zu dieser Studie                                                           4
    1.1 Ziele und Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    4
    1.2 Ergebnisse in Kürze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    4

2   Pessimistische Rentenerwartung                                             6

3   Finanzierung der AHV                                                       8
    3.1 Mehrwertsteuererhöhung statt Lohnprozente . . . . . . . . . .          8
    3.2 Akzeptanz einer Mehrwertsteuererhöhung . . . . . . . . . . . .        10

4   Finanzierung des BVG                                                      13
    4.1 Zustimmung für frühere Beitragszahlungen . . . . . . . . . . .        13
    4.2 Mehrheit für Verzicht auf Koordinationsabzug . . . . . . . . . .      14

5   Lebensarbeitszeitmodell                                                   17
    5.1 Positive Grundstimmung zum Lebensarbeitsmodell . . . . . . .          17
    5.2 Lebensarbeitszeit im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . .    19
    5.3 Potenzieller Stimmentscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     22

6   Datenerhebung und Methode                                                 25

3
1   ZU DIESER STUDIE

1     Zu dieser Studie
1.1    Ziele und Inhalte
Obwohl in der Schweizer Bevölkerung das Bewusstsein für den Reformbedarf bei
der Altersvorsorge weit verbreitet ist, zeigt die Erfahrungen, dass es ausgesprochen
schwierig ist, politische Mehrheiten für entsprechende Vorlagen zu erzielen. Aus
Sicht der Arbeitgeberorganisation Centre Patronal (cP) braucht es deshalb neue
und ungewohnte Ansätze. Mit neuen Perspektiven und Ansätzen sollen Wege
gefunden werden, den aktuellen Knoten bei der Reform Altersvorsorge zu lösen.
Im Zentrum dieser Vorschläge steht der Wechsel von einem fixen Rentenalter zu
einem System, das auf der Zahl der Beitragsjahre basiert. Das Centre Patronal
setzt auf eine koordinierte Reform der ersten und der zweiten Säule. Bei der
zweiten Säule wird neben den bestehenden bundesrätlichen Vorschlägen vor allem
auf einen früheren Eintritt ins BVG-System gesetzt.
Für die vorliegende Studie im Auftrag des Centre Patronal hat sotomo 1221
Personen befragt. Die Befragung wurde im Frühjahr 2020 durchgeführt. Ihre
Ergebnisse sind repräsentativ für die stimmberechtigte Bevölkerung in der Schweiz.
Im Rahmen dieser Studie wurden, die Ansätze des Centre Patronal auf ihre
Akzeptanz in der Bevölkerung geprüft.

1.2    Ergebnisse in Kürze
Die stimmberechtigte Bevölkerung geht aufgrund des demographischen Wandels
von tendenziell sinkenden Renten aus. Diese Einschätzung bezieht sich auf die
erste Säule (AHV) und mehr noch auf die zweite Säule (BVG) des obligato-
rischen Vorsorgesystems. Zugleich ist die Senkung der Renten als Ansatz zur
Schliessung der Finanzierungslücke im Rentensystem unpopulär. Die vorliegende
Befragung zeigt, dass es Mehrheiten für Massnahmen auf der Einnahmenseite
gibt (Mehrwertsteuererhöhung, früherer BVG-Einstieg) und zugleich bestehen
auch Mehrheiten für eine punktuelle Erweiterung der Lebensarbeitszeit durch den
Übergang von einem fixen Rentenalter zu einem System, das auf der tatsächlichen
Dauer der Erwerbstätigkeit beruht.

Mehreinnahmen zur Schliessung der Finanzierungslücke

Geht es um die Schliessung der Finanzierungslücke bei der AHV, so priorisieren
die Stimmberechtigten ganz klar eine Erhöhung der Mehrwertsteuer im Vergleich
zur Erhöhung der Abgaben auf den Löhnen und zwar im Verhältnis von 52 zu 16
Prozent. Eine überwiegende Mehrheit von 75 Prozent unterstützt dabei konkret
eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,7 Prozent, wie sie vom Bundesrat
vorgeschlagen wird (Anteil «ja» und «eher ja» zusammengezählt). Immerhin 58
Prozent der Befragten sprechen sich für eine noch weitergehende Erhöhung der

4
1   ZU DIESER STUDIE

Mehrwertsteuer zugunsten der AHV aus. Es fällt auf, dass in der Deutschschweiz
die Unterstützung für eine Erhöhung im Sinn des Bundesrats mehr Zustimmung
erfährt als in der Romandie. In der Romandie ist jedoch die Zustimmung für
eine weitergehende Erhöhung grösser als in der Deutschschweiz. Die Haltung in
der französischsprachigen Schweiz ist eher eine grundsätzliche, während in der
deutschsprachigen Schweiz vermehrt auf den Betrag geachtet wird.
Geht es um die Sanierung der zweite Säule, so besteht bei den Stimmberechtigten
eine grosse Mehrheit (84 %), die sich für einen früheren Beginn des obligato-
rischen Alterssparens im Rahmen des BVG aussprechen. Bevorzugt wird dabei
ein Beginn zwischen 18 und 20 Jahren statt wie heute erst mit dem 25. Lebens-
jahr. Immerhin 77 Prozent der Befragten sprechen sich für die Abschaffung des
Koordinationsabzugs aus.

Lebensarbeitszeitmodell

61 Prozent der Stimmberechtigten sprechen sich heute für den Wechsel von einem
System mit einem festen Rentenalter zu einem Lebensarbeitszeitmodell auf Basis
der Zahl der Beitragsjahre aus. Ein Lebensarbeitszeitmodell wird dabei von der
Stimmbevölkerung klar einer generellen Erhöhung des Rentenalters vorgezogen.
Aus Sicht einer grossen Mehrheit der Befragten kann es Personen mit einer
langen Ausbildungszeit zugemutet werden, bis zu ihrer Pensionierung länger zu
arbeiten als heute (76 %). Zugleich sind die meisten der Ansicht, dass Personen
mit einer harten körperlichen Betätigung, früher in Rente gehen sollten (82 %).
Die Skepsis gegen das Lebensarbeitszeitmodell ist bei den jüngeren Befragten
grösser als bei den älteren. Ausserdem hängt die Haltung zum Lebensarbeitszeit-
modell relativ stark vom Bildungsabschluss ab. Personen, die spätestens nach der
Berufslehre ins Arbeitsleben eingestiegen sind, bewerten das Modell besonders
positiv, während Personen mit einem Hochschulabschluss besonders skeptisch
sind. Dies erstaunt nicht, da ein Lebensarbeitszeitmodell insbesondere Personen
mit einem tertiären Bildungsabschluss betreffen würde. Weil es sich dabei nur
um eine Minderheit der Stimmberechtigten handelt, könnte genau hier die Basis
für die Mehrheitsfähigkeit des Lebensarbeitsmodell liegen.
Die wichtigsten Argumente für das Lebensarbeitszeitmodell sind der Beitrag
zur Schliessung der Finanzierungslücken und die Tatsache, dass dieses den
Unterschieden zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen gerecht wird. Das
wichtigste Argument dagegen ist, dass dieses ausgetrickst werden könne. Häufig
genannt wird ausserdem, dass dieses zu kompliziert sei. Diese Argumente sind
klare Hinweise für einen möglichen Abstimmungskampf: Ein Modellwechsel hat
nur dann eine Chance, wenn das vorgeschlagene Lebensarbeitszeitmodell einfach
und klar ist und nicht mit taktischem Verhalten ausgespielt werden kann.

5
2        PESSIMISTISCHE RENTENERWARTUNG

2      Pessimistische Rentenerwartung
Ein grosser Teil der Bevölkerung geht heute von einer negativen Entwicklung
der AHV-Rentenentwicklung aus (61 %). Die Einschätzung unterscheidet sich
zwischen den soziodemographischen Gruppen: Frauen gehen häufiger von sin-
kenden AHV-Renten aus als Männer und Jüngere mehr als Ältere. Auffällig ist
ein verstärkter Pessimismus bei Personen mit tiefen Einkommen, deren Renten
besonders stark von der ersten Säule abhängt.

Abbildung 1: Einschätzung zukünftige Entwicklung AHV-Renten - Soziodemografie

                                                       Gesamt
                                                            17                          44                            31              6

                                                       Nach Geschlecht
                                               Frau              22                          44                        29             5

                                               Mann        12                      45                            34               8

                                                       Nach Altersgruppen
                                              18-25                    35                              37              15        12

                                              26-45              24                                54                       17        4

                                              46-65        10                     44                             39                   6

                                                > 65                   31                                   59                    6

                                                       Nach Einkommenskategorien
                                          Unter 4000                  30                          36                   27             6

                                       4000 bis 6000            18                          47                         27         6

                                      6000 bis 10000        14                     41                            38                   6

                                         Über 10 000       12                          48                         32                  7

                                                   0%                       25%                   50%            75%                  100%

                                                                                             Deutlich sinken
                                                                                             Eher sinken
                                                                                             Stabil bleiben
                                                                                             Eher steigen
                                                                                             Deutlich steigen

«Was ist Ihre Einschätzung: Wie wird sich das Niveau der AHV-Renten künftig entwickeln?»

Noch pessimistischer als bei der ersten ist die Einschätzung in Bezug auf die
zweite Säule. Insgesamt gehen fast drei Viertel (74 %) von sinkenden BVG-
Renten aus. Auffällig ist hier allerdings, dass sich die Einschätzungen nur wenig
zwischen den demographischen Gruppen unterscheiden. In Bezug auf die BVG-
Renten teilen Personen im Rentenalter den Pessimismus der nachfolgenden
Generationen auch zeigen sich kaum Einschätzungsunterschiede zwischen den

6
2        PESSIMISTISCHE RENTENERWARTUNG

Geschlechtern. Während die Einschätzung der Zukunft der AHV-Renten innerhalb
der Gesellschaft variiert, ist der Pessimismus in Bezug auf die Pensionskasse breit
und gleichförmig vorhanden.

Abbildung 2: Einschätzung zukünftige Entwicklung BVG-Renten - Soziodemografie

                                                       Gesamt
                                                               15                   59                        21             4

                                                       Nach Geschlecht
                                                Frau           16                    58                       21             5

                                               Mann            15                   59                        22             4

                                                       Nach Altersgruppen
                                               18-25            20             34                     32                13

                                               26-45           17                        62                        18

                                               46-65           16                        63                        17            3

                                                > 65       7                   62                            27              3

                                                       Nach Einkommenskategorien
                                          Unter 4000                24                   46                  23              7

                                       4000 bis 6000       12                       62                            22         3

                                      6000 bis 10000           14                    63                           20             3

                                         Über 10 000           16                   58                        21             4

                                                   0%                    25%             50%           75%               100%

                                                                                    Deutlich sinken
                                                                                    Eher sinken
                                                                                    Stabil bleiben
                                                                                    Eher steigen
                                                                                    Deutlich steigen

«Was ist Ihre Einschätzung: Wie wird sich das Niveau der Pensionskassen-Renten (BVG) künftig entwickeln?»

7
3    FINANZIERUNG DER AHV

3      Finanzierung der AHV
Die Schweizer Bevölkerung altert, einerseits weil die Menschen im Schnitt immer
älter werden und andererseits, weil im Vergleich zu früheren Generationen Frauen
weniger Kinder haben. Durch Zuwanderung wird ein Teil der demographischen Al-
terung verzögert. Dennoch verschiebt sich das Verhältnis von Erwerbsbevölkerung
und Pensionierten zu Ungunsten ersterem. Die Lage verschärft sich zusätzlich
dadurch, dass die geburtenstarken Jahrgänge der sogenannten «Babyboomer»-
Generation zunehmend das Rentenalter erreichen. Sollen ein wachsender Schul-
denberg und/oder radikale Rentenkürzungen verhindert werden, müssen die
finanziellen Zuflüsse ins Rentensystem erhöht werden. Der folgende Teil dieser
Studie untersucht die Haltung der Bevölkerung zu verschiedenen Optionen bei der
Generierung von Mehreinnahmen für das schweizerische Rentensystem. Die be-
schriebene demografische Entwicklung bringt insbesondere die umlagefinanzierte
erste Säule des Schweizer Altersvorsorgesystem in eine finanzielle Schieflage.

3.1      Mehrwertsteuererhöhung statt Lohnprozente

Abbildung 3: Präferenz Mehrwertsteuer vs. Lohnprozente bei der AHV-Finanzierung

                                                     Gesamt
                                                     4    12             32                34             18

                                                     Nach Geschlecht
                                              Frau        9           37                       36          15

                                             Mann 5           16           28              32             20

                                                     Nach Altersgruppen
                                             18-25        13             32                    38          13

                                             26-45 3      13             33                33             18

                                             46-65 4      11         30                   36              20

                                              > 65    6       13              36                30         15

                                                  0%               25%              50%             75%         100%

                                                                     Klar «Erhöhung Lohnabgaben»
                                                                     Eher «Erhöhung Lohnabgaben»
                                                                     Beide gleich
                                                                     Eher «Erhöhung Mehrwertsteuer»
                                                                     Klar «Erhöhung Mehrwertsteuer»

«Wenn es um zusätzliche Finanzierungsquellen für die AHV geht, stehen aktuell vor allem höhere
Mehrwertsteuerbeiträge sowie höhere Abgaben auf den Löhnen zur Debatte. Wenn Sie wählen müssen, welchen
Ansatz bevorzugen Sie?» - Soziodemografie

8
3   FINANZIERUNG DER AHV

Es bestehen verschiedene Möglichkeiten zur Gewinnung von Mehreinnahmen für
die AHV. Zur Diskussion stehen vor allem zwei Ansätze. Zum einen die Erhöhung
der Abgaben auf dem versicherungspflichtigen Lohn zum anderen die Erhöhung
des Mehrwertsteuersatzes. Die Befragung der stimmberechtigten Bevölkerung
zeigt dabei eine klare Präferenz. Werden die beiden Ansätze gegenübergestellt
bevorzugen 52 Prozent eine Erhöhung der Mehrwertsteuer (Abb. 3) und nur 16
Prozent höhere Lohnabgaben. Weitere 32 Prozent möchten die Finanzierungs-
lücke mit Mehreinnahmen aus beiden Quellen gleichermassen schliessen. Dies
zeigt, dass aus Sicht der Bevölkerungsmehrheit eine finanzielle Sanierung der
AHV nicht zu einer Verteuerung des Produktionsfaktors Arbeit führen soll. Statt
nur die Lohn Empfängerinnen und -empfänger bzw. die Arbeitgeberinnen und
Arbeitgeber sollen die finanziellen Lasten auf alle, die Konsumausgaben haben,
verteilt werden. Diese Haltung zeigt sich dabei über alle soziodemografischen
Gruppen hinweg (Abb. 3). Interessant ist, dass zwischen den Altersgruppen nur
geringe Unterschiede bestehen. Zwar ziehen bei den über 65-Jährigen nur 45
Prozent eine hauptsächliche Finanzierung durch die Mehrwertsteuer vor. Für eine
hauptsächliche Finanzierung durch Lohnabgaben sprechen sich auch in dieser
Altersgruppe nur 19 Prozent aus, obwohl die meisten über 65-Jährigen selber
keine Lohnabgaben mehr zahlen. Am grössten ist die Skepsis gegenüber der
Erhöhung der Lohnabgaben bei den 46- bis 65-Jährigen. Es ist die Altersgruppe,
die bereits überdurchschnittlich hohe Beiträge auf dem Erwerbseinkommen zahlen
muss.
Ein vergleichsweiser deutlicher Unterschied zeigt sich nach Sprachregion: 42 Pro-
zent der französischsprachigen Bevölkerung sprechen sich für die Doppelstrategie
zur Finanzierung der AHV aus jedoch nur 29 Prozent der Deutschschweizer
Bevölkerung. Demgegenüber hängt die Einstellung zu den beiden Finanzierungs-
arten erstaunlich wenig von der politischen Orientierung ab. Etwas stärker als
der Durchschnitt tendiert die Wählerbasis von CVP und FDP zu einer primären
Mehrwertsteuerfinanzierung (Abb. 4).

9
3   FINANZIERUNG DER AHV

Abbildung 4: Vorliebe zusätzliche Finanzierungsquelle AHV – nach politischen Variablen

                                                      Gesamt
                                                      4         12               32                         34              18

                                                      Nach Parteiwählerschaft
                                             Grüne          11                   39                             31          17

                                                SP     6        11              29                     32                  22

                                              GLP 4         8                   35                          37                  15

                                              CVP          13             21                     41                        24

                                              FDP          10              30                         37                   22

                                              SVP      6             16              25                    37                   16

                                                      Nach Sprachregion
                                    Deutschschweiz 4            13              29                         35               19

                               Französische Schweiz   3     11                       42                          30             14

                                                  0%                      25%              50%                       75%             100%

                                                                               Klar «Erhöhung Lohnabgaben»
                                                                               Eher «Erhöhung Lohnabgaben»
                                                                               Beide gleich
                                                                               Eher «Erhöhung Mehrwertsteuer»
                                                                               Klar «Erhöhung Mehrwertsteuer»

«Wenn es um zusätzliche Finanzierungsquellen für die AHV geht, stehen aktuell vor allem höhere
Mehrwertsteuerbeiträge sowie höhere Abgaben auf den Löhnen zur Debatte. Wenn Sie wählen müssen, welchen
Ansatz bevorzugen Sie?» - Parteiwählerschaft

3.2      Akzeptanz einer Mehrwertsteuererhöhung
Wie gezeigt, zieht die Bevölkerung die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes einer
Erhöhung der Lohnabgaben klar vor. Geht es um die Haltung zu einer konkre-
ten Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Deckung der Finanzierungslücke in der
AHV zeigt sich eine differenzierte Sicht. Eine sehr grosse Akzeptanz findet eine
Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,7 Prozentpunkte, wie dies vom Bundesrat
vorgeschlagen wird. 75 Prozent der Stimmberechtigten sprechen sich dafür aus.
Umstrittener ist dagegen eine weitergehende Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes
über die 0,7 Prozent hinaus. Doch auch hier sprechen sich immerhin 58 Prozent
dafür aus. Dies zeigt, dass via Mehrwertsteuer gerade im Vergleich zur Erhöhung
der Lohnprozente, durchaus ein Potenzial für eine mehrheitsfähige Generierung
von Mehreinnahmen besteht. Insgesamt ist die Bereitschaft für Mehrwertsteuer-
erhöhungen zugunsten der AHV bei den Frauen etwas grösser als bei Männern.
Die Skepsis ist bei den 26- bis 45-Jährigen am grössten. Dies gilt insbesondere
für eine weitergehende Erhöhung des Satzes (Abb. 6).

10
3    FINANZIERUNG DER AHV

Abbildung 5: Unterstützung einer Mehrwertsteuererhöhung um 0,7 Prozentpunkte oder mehr
– nach Geschlecht und Alter

                        Erhöhung Mehrwertsteuer um 0,7 Pkte.                            Weitere Erhöhung Mehrwertsteuer

                       Total

                        12      13              44                    31                 14            28          40         18

                       Nach Geschlecht

                Frau    8      11              52                      29               10        29               44         16

               Mann      15          15         38                    33                 19             26          36       19

                       Nach Alterskategorien

               18-25     12     11                   59                     18          10        27               47         16

               26-45     12         16               47                    24            15             34              33    17

               46-65    11      11             44                     34                 16            24          44         16

                > 65    11      12        32                     46                     13        22          42             23

                                                          Nein              Eher Nein         Eher Ja        Ja

«Unterstützen Sie die vom Bundesrat vorgeschlagene Erhöhung der Mehrwertsteuer (heute 7.7 Prozent)
zugunsten der AHV um 0.7 Prozentpunkte?» / «Erachten Sie in Zukunft eine weitere Erhöhung der
Mehrwertsteuer zur Sicherung der AHV-Renten für angebracht?»

Interessant sind die Unterschiede zwischen den beiden grossen Sprachregionen.
So ist die Zustimmung für eine Erhöhung um 0,7 Prozentpunkte in der Deutsch-
schweiz grösser als in der Romandie. Geht es jedoch um eine weitergehende
Erhöhung sinkt die Zustimmung in der Deutschschweiz viel stärker. Und zwar
so stark, dass für eine weiterführende Erhöhung in der Romandie mehr Rück-
halt besteht. Dies zeigt, dass die Haltung zu einer Mehrwertsteuererhöhung
in der Deutschschweiz besonders elastisch reagiert. Eine durch den Bundesrat
abgestützte Erhöhung in kleinen Schritten findet hier besonders viel, eine weiter-
gehende jedoch relativ wenig Unterstützung. In der Romandie scheint es dagegen
eher um einen Grundsatzentscheid zu geben, der nur wenig von der konkreten
Ausgestaltung abhängt.
Die Unterstützung der einer Mehrwertsteuererhöhung zugunsten der AHV hängt
durchaus von der parteipolitischen Orientierung ab, die politische Polarisierung
ist jedoch eher schwach ausgeprägt. Eine mehrheitliche Opposition besteht nur
bei der SVP-Basis und auch dort nur für eine weitergehende Erhöhung der
Mehrwersteuer.

11
3         FINANZIERUNG DER AHV

Abbildung 6: Unterstützung einer Mehrwertsteuererhöhung um 0,7 Prozentpunkte oder mehr
– nach Politik und Sprachregion

                            Erhöhung Mehrwertsteuer um 0,7 Pkte.                                   Weitere Erhöhung Mehrwertsteuer

                            Total

                             12        13                  44                     31                   14               28               40             18

                            Nach Parteiwählerschaft

                   Grüne     12        7                   55                      26                  13           23                  47              16

                      SP     8      11               35                      46                    11              22              39              28

                    GLP 5 8                           55                          32               7         17                    58                   18

                    CVP 4 8                          50                       38                   5              31                    47              17

                    FDP      10        15                  42                     33               11                   33               40             15

                    SVP           19            20                   38                23                   23                36              24        17

                            Nach Sprachregion

          Deutschschweiz     11        12                  43                     33                   14                31              38             17

     Französische Schweiz     13           15                   48                 24                  16           18              46              20

                                                                      Nein             Eher Nein                 Eher Ja           Ja

«Unterstützen Sie die vom Bundesrat vorgeschlagene Erhöhung der Mehrwertsteuer (heute 7.7 Prozent)
zugunsten der AHV um 0.7 Prozentpunkte?» / «Erachten Sie in Zukunft eine weitere Erhöhung der
Mehrwertsteuer zur Sicherung der AHV-Renten für angebracht?»

12
4         FINANZIERUNG DES BVG

4      Finanzierung des BVG
Mit der höheren Lebenserwartung steigt die Rentenbezugsdauer. Das wirkt sich
nicht nur auf die umlagefinanzierte erste Säule, sondern auch auf die zweite Säule
aus, die auf dem Kapitaldeckungsverfahren beruht. Das in der zweiten Säule
angesparte Alterskapital muss auf mehr Jahre verteilt werden. Soll es nicht zu
einer markanten Senkung der BVG-Renten führen, müssen auch für die zweite
Säule zusätzliche Einnahmequellen erschlossen werden.

4.1      Zustimmung für frühere Beitragszahlungen
Gegenwärtig beginnt die Beitragspflicht in die zweite Säule erst ab dem 25.
Lebensjahr eines Versicherungsnehmers an. Durch einen früheren Beginn der
Beitragszahlung liesse sich bis zum Eintritt in den Ruhestand mehr Kapital
ansparen. Allgemein stösst eine Senkung des Mindestalters in der Bevölkerung
auf eine sehr grosse Akzeptanz. 84 Prozent befürworten einen früheren Beginn
des Alterssparprozesses als dies gegenwärtig Artikel 7 des BVG vorsieht. Die
unter 45-Jährigen sind dabei etwas skeptischer als die älteren Stimmberechtigten.
Dennoch besteht auch bei den Jüngeren eine klare Zustimmung. Praktisch
keinen Zusammenhang besteht mit der parteipolitischen Orientierung und der
sprachregionalen Herkunft.

Abbildung 7: BVG: früherer Eintritt?

                                                       Gesamt
                                                       5        11               36                               48

                                                       Nach Geschlecht
                                                Frau 4              16                39                           41

                                               Mann     6       7           32                               55

                                                       Nach Altersgruppen
                                               18-25    7            14                     47                              32

                                               26-45    7            15                37                              40

                                               46-65        7              33                                58

                                                > 65        9              31                                57

                                                    0%                    25%                50%              75%                100%

                                                                                                 Nein
                                                                                                 Eher Nein
                                                                                                 Eher Ja
                                                                                                 Ja

«Heute beginnt das Alterssparen im BVG erst im Alter von 25 Jahren. Unterstützen Sie einen früheren Beginn
des Alterssparens, damit insgesamt ein höheres Sparkapital erzielt werden kann?» - Soziodemografie

13
4        FINANZIERUNG DES BVG

Eine überwiegende Mehrheit spricht sich für eine Senkung des Beginns der BVG-
Beitragszahlungen aus. Aus Sicht einer deutlichen Mehrheit sollen es dabei eine
Senkung um mindestens fünf Jahre vom 25. auf das 20. Lebensjahr sein. Nur eine
Minderheit wünscht sich jedoch eine Senkung auf das 17. Lebensjahr, welches
dem Start der Beitragspflicht für die AHV entspricht. Die direktbetroffenen 18-
bis 25-Jährigen sind etwas zurückhaltender als die älteren Altersgruppen. Doch
auch hier spricht sich rund die Hälfte derer, die eine Senkung des Beitragsbeginn
grundsätzlich gutheissen, für eine Senkung bis zumindest zum 20. Lebensjahr aus
(Abb. 8).

Abbildung 8: Früherer Eintritt in BVG: ab welchem Alter?

                                                       Gesamt
                                                           22                        47                31

                                                       Nach Geschlecht
                                                Frau      17                    48                    34

                                               Mann            26                         46               27

                                                       Nach Altersgruppen
                                               18-25      18              34                     48

                                               26-45       21                        47               29

                                               46-65           24                         52                24

                                                > 65       21                    45                   34

                                                    0%              25%               50%      75%               100%

                                                                    Mit 17 Jahren (dem AHV-Eintrittsalter)
                                                                    Zwischen 18-20 Jahren
                                                                    Zwischen 21-23 Jahren
                                                                    Keine Meinung

«Wann soll der frühere Beginn des Alterssparens im BVG angesetzt werden?» - Nur Befragte, die für einen
früheren Eintritt sind, nach Soziodemografie

4.2      Mehrheit für Verzicht auf Koordinationsabzug
Aus der Grundidee heraus, dass die zweite Säule der Altersvorsorge die erste
bloss ergänzen soll, wird der Teil des Lohnes, der durch die AHV abgedeckt ist
nicht durch das BVG versichert. Gegenwärtig (2020) werden CHF 24 885 des
AHV-pflichtigen Jahreslohns nicht durch das BVG abgedeckt. Dieser Teil wird
als Koordinationsabzug bezeichnet. Der Koordinationsabzug hat zur Folge, dass
Personen, die Teilzeit arbeiten und Personen mit tiefen Einkommen in der zweiten
Säule unterversichert sind. Betroffen davon sind insbesondere Frauen.
Mehr als drei Viertel der Stimmbevölkerungbevölkerung befürwortet einen Verzicht
auf den Koordinationsabzug (77 %, Abb. 9). Die Zustimmung bei den Männern

14
4     FINANZIERUNG DES BVG

ist dabei interessanterweise noch etwas grösser als bei den Frauen, ob wohl die
heutige Unterversicherung vor allem Frauen betrifft. Etwas grösser ist die Skepsis
bei den jüngeren Befragten, die sich ebenfalls etwas weniger stark für ein tieferes
BVG-Eintrittsalter aussprichen. Dies zeigt, dass für die Jüngeren die Last der
Beiträge tendenziell etwas mehr ins Gewicht fällt als für die Älteren, für welche
die erwarteten Renten stärker in den Fokus rücken.

Abbildung 9: BVG: Verzicht auf Koordinationsabzug?

                                                       Gesamt
                                                         8            14               33                          44

                                                       Nach Geschlecht
                                                Frau     8            16                    38                      38

                                               Mann      9            12              29                       50

                                                       Nach Altersgruppen
                                               18-25    6              22                         42                         30

                                               26-45        11              20                   32                     37

                                               46-65    7        8                36                           50

                                                > 65    6        10              28                           56

                                                    0%                      25%                  50%          75%                 100%

                                                                                                  Nein
                                                                                                  Eher Nein
                                                                                                  Eher Ja
                                                                                                  Ja

«Der sogenannte Koordinationsabzug hat zur Folge, dass heute Löhne unter rund 25 000 Franken nicht
BVG-versichert sind. Unterstützen Sie den Verzicht auf den Koordinationsabzug und damit die Möglichkeit,
dass auch kleinere Löhne versichert werden?» - Soziodemografie

Solide Mehrheiten für die Abschaffung des Koordinationsabzugs finden sich glei-
chermassen in der deutsch- und französischsprachigen Schweiz. Die Haltung
zum Koordinationsabzug unterscheidet sich zwar teilweise deutlich zwischen den
Anhängerschaften der Parteien. Bei allen gibt es jedoch eine Mehrheit für die Ab-
schaffung. Interessant ist jedoch, dass sich kein eigentliches Links-rechts-Muster
ausmachen lässt. Die Skepsis gegen die Abschaffung des Koordinationsabzug
ist bei der Anhängerschaft der SVP und der Grünen am grössten. Am meisten
Unterstützung findet diese bei der Basis von SP, CVP und FDP (Abb. 10).

15
4        FINANZIERUNG DES BVG

Abbildung 10: BVG: Verzicht auf Koordinationsabzug?

                                                       Gesamt
                                                         8        14                        33                          44

                                                       Nach Parteiwählerschaft
                                               Grüne         13        9                     40                          38

                                                  SP         10              26                               62

                                                GLP      9             19                   25                      47

                                                CVP 5                             46                                47

                                                FDP 5             18                   24                          53

                                                SVP      8              22                        38                         32

                                                       Nach Sprachregion
                                      Deutschschweiz     9         14                       33                          45

                                Französische Schweiz    6         15                        36                          43

                                                    0%                       25%                  50%              75%            100%

                                                                                                  Nein
                                                                                                  Eher Nein
                                                                                                  Eher Ja
                                                                                                  Ja

«Der sogenannte Koordinationsabzug hat zur Folge, dass heute Löhne unter rund 25 000 Franken nicht
BVG-versichert sind. Unterstützen Sie den Verzicht auf den Koordinationsabzug und damit die Möglichkeit,
dass auch kleinere Löhne versichert werden?» - Parteiwählerschaft

16
5     LEBENSARBEITSZEITMODELL

5      Lebensarbeitszeitmodell
Ein zentraler Baustein des Reformvorschlags des Centre Patronals ist der Wechsel
von einem fixen Rentenalter zu einem System, das auf der Zahl der Beitragsjahre
basiert. In den folgenden Abschnitten geht es um die Akzeptanz dieses alter-
nativen Modells zur Festlegung des Zeitpunkts des ordentlichen Übergangs ins
Rentenalter.

5.1      Positive Grundstimmung zum Lebensarbeitsmodell
Wenn aufgrund der Finanzierungslücke in der Altersvorsorge bis zur Pensionierung
tendenziell länger gearbeitet werden soll, dann kann dies aus Sicht der Befragten
einzelnen Personengruppen vermehrt zugemutet werden. Im Vordergrund stehen
dabei insbesondere Personen, die eine lange Ausbildungsdauer hatten und ent-
sprechend spät ins Erwerbsleben eingestiegen sind. 76 Prozent der Befragten sind
der Ansicht, dass es Personen mit langen Ausbildungszeiten zugemutet werden
kann, später in Pension zu gehen als heute.

Abbildung 11: Länger arbeiten als bis zum heutigen Rentenalter bzw. früher in Pension –
Personengruppen

                                                       Spätere Pensionierung zumutbar
                              Personen mit Bürojobs         14             22                       46                    18

                 Personen mit langer Ausbildungszeit        12        12                 42                          34

                                                       Sollten früher in Pension gehen dürfen
            Personen mit körperlich belastenden Jobs    6        12                 43                             39

       Personen mit frühem Einstieg ins Erwerbsleben             23                29                     29              18

                                                   0%                      25%                50%              75%              100%

                                                                 Nein            Eher Nein               Eher Ja           Ja

«Welchen Personengruppen kann am ehesten zugemutet werden, länger als bis zum heutigen Rentenalter zu
arbeiten?» / «Ganz grundsätzlich: welche Faktoren sollten Ihrer Meinung nach einen Einfluss darauf haben, in
welchem Alter jemand pensioniert wird bzw. in Rente gehen kann?»

Ebenfalls eine Mehrheit, wenn auch eine relativ kleine (54 %), ist der Ansicht, dass
es Personen in Bürojobs ohne spezielle körperliche Belastung zugemutet werden
kann, länger zu arbeiten als heute. Hier erfolgt die Differenzierung vermehrt nach
unten statt nach oben. So ist eine klare Mehrheit der Ansicht, dass Personen, die
harte körperliche Arbeit leisten, früher in Rente gehen können sollen als Personen
mit einem Bürojob (82 %). Für eine frühzeitige Verrentung von Personen, die
nach einer Lehre ins Erwerbsleben eingestiegen sind, sprechen sich dagegen nur
47 Prozent aus. Aus Sicht der Bevölkerung sollen somit Personen, die harte

17
5     LEBENSARBEITSZEITMODELL

körperliche Arbeit leisten, frühzeitig in Rente gehen können. Gleichzeitig sollen
aus Sicht der Stimmberechtigten jedoch vor allem Personen mit einer langen
Ausbildung zur Schliessung der Finanzierungslücke in der Altersvorsorge bis zu
ihrer Pensionierung länger arbeiten.
Entsprechend dieser Grundeinstellungen in der Bevölkerung wird ein Wechsel von
einem fixen Rentenalter zu einem Lebensarbeitszeitmodell, welches die Zahl der
Beitragsjahre berücksichtigt, positiv beurteilt. 17 Prozent haben eine sehr positive
Einstellung dazu. Weitere 55 Prozent eine eher positive. Die Unterstützung für
das Modell ist dabei bei den Männern etwas grösser als bei den Frauen, ausserdem
wird das Modell von älteren Stimmberechtigten positiver eingeschätzt als von
jüngeren.

Abbildung 12: Beurteilung Lebensarbeitszeitmodell – nach Geschlecht und Alter

                                                        Gesamt
                                                        5             23                        55                17

                                                        Nach Geschlecht
                                                 Frau 5                   27                          57               11

                                                Mann 5               18                    54                    23

                                                        Nach Altersgruppen
                                                18-25       9                  27                    42          21

                                                26-45 5                   27                         54               13

                                                46-65 4              19                         61                    15

                                                 > 65           17                       57                      24

                                                    0%                         25%       50%               75%             100%

                                                                                         Sehr negativ
                                                                                         Eher negativ
                                                                                         Eher positiv
                                                                                         Sehr positiv

«Wie beurteilen Sie grundsätzlich die Stossrichtung eines Wechsels zum Lebensarbeitszeitmodell?»

Es fällt auf, dass Personen mit einer tertiären Ausbildung und dabei insbesondere
mit einem Hochschulabschluss skeptischer sind als Personen mit maximal einer
Berufslehre. Es sind typischerweise Personen mit einer langen Ausbildung und
einem entsprechend späten Berufseinstieg, die durch ein Lebensarbeitszeitmodell
später in Rente gehen könnten. Skeptisch sind ausserdem Personen mit sehr
tiefem Haushaltseinkommen (unter CHF 4000 netto pro Monat). Es handelt sich
dabei vor allem um Personen, die Teilzeit arbeiten.

18
5         LEBENSARBEITSZEITMODELL

Abbildung 13: Beurteilung Lebensarbeitszeitmodell – nach Ausbildung und Einkommen

                                                      Gesamt
                                                       5                 23                          55                 17

                                                      Nach Bildungsgruppen
                           Oblig. Schule/Berufslehre 3              17                         61                       18

                          Matura/Höhere Berufsbild. 3                     30                          50                17

                         Universität/Fachhochschule            14                    33                     41              12

                                                      Nach Einkommenskategorien
                                  Weniger als 4'000        8                   35                           50               8

                                    4'001 bis 6'000    4            16                         60                      20

                                   6'001 bis 10'000    5                 21                     54                     20

                                  10'001 bis 16'000    5                  27                          52                17

                                       Über 16'000     4                 22                     51                     23

                                                      0%                       25%            50%                75%         100%

                                                                                             Sehr negativ
                                                                                             Eher negativ
                                                                                             Eher positiv
                                                                                             Sehr positiv

«Wie beurteilen Sie grundsätzlich die Stossrichtung eines Wechsels zum Lebensarbeitszeitmodell?»

5.2      Lebensarbeitszeit im Vergleich
Das Lebensarbeitszeitmodell ist für eine Mehrheit eine bevorzugte Alternative zu
einer generellen Erhöhung des Rentenalters. 53 Prozent ziehen dieses Modell vor,
während nur 26 Prozent einer generellen Rentenaltererhöhung den Vorzug geben.
Der Rest kann sich nicht entscheiden. Unter den wichtigsten demographischen
Gruppen bevorzugen einzig die 18- bis 25-Jährigen eine generelle Erhöhung.
Dasselbe gilt für Personen mit Hochschulbildung.

19
5         LEBENSARBEITSZEITMODELL

Abbildung 14: Lebensarbeitszeit vs. generelle Erhöhung Rentenalter

                                                        Gesamt
                                                                 26                  20                   53

                                                        Nach Geschlecht
                                                 Frau        24                      28                    48

                                                Mann             28              13                  59

                                                        Nach Altersgruppen
                                                18-25                 48                        20              32

                                                26-45        24                      25                   50

                                                46-65       18             19                        62

                                                 > 65            26             12                   62

                                                     0%               25%                 50%             75%        100%

                                                                            Generelle Erhöhung besser
                                                                            Weiss nicht
                                                                            Lebensarbeitszeitmodell besser

«Wie beurteilen Sie das Lebensarbeitszeitmodell im Vergleich zu einer generellen Erhöhung des Rentenalters?»

Nicht nur im Vergleich zu einer generellen Erhöhung des Rentenalters wird
die Einführung eines Lebensarbeitszeitmodells bevorzugt. Der Ansatz erhält
auch im Vergleich zu anderen Massnahmen zur Reform der Altersvorsorge viel
Unterstützung. Dies zeigt die Gewichtung verschiedener Reformansätze durch die
Befragten. Diese wurden gebeten, fünf Punkte auf fünf verschiedene Ansätze zur
Schliessung der Finanzierungslücke bei der obligatorischen Altersvorsorge (AHV
und BVG) zu verteilen. Dabei erhält die Einführung eines Lebensarbeitszeitmodells
neben der Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes am meisten Punkte – nämlich je
1,4 von insgesamt 5. Weniger populär ist dagegen die Erhöhung der Abgaben
auf den Löhnen, die generelle Erhöhung des Rentenalters sowie die Senkung
der Ausgaben (bzw. der Renten). Diese erhalten zwischen 0,7 und 0,8 Punkte.
Frauen setzen dabei etwas mehr auf eine Mehrwertsteuererhöhung, während
Männer dem Lebensarbeitszeitmodell, aber auch der generellen Erhöhung des
Rentenalters mehr Gewicht geben.

20
5     LEBENSARBEITSZEITMODELL

Abbildung 15: Relative Gewichtung von Reformansätzen – nach Geschlecht

                                                                                       0.6
                                    Senkung der Ausgaben
                                                                                             0.7

                                                                                                                                            1.4
                                    Lebensarbeitszeitmodell
                                                                                                                                    1.3

                                                                                                         0.8
                                       Höheres Rentenalter
                                                                                               0.7

                                                                                                                                1.3
                                               Höhere MWST
                                                                                                                                              1.5

                                                                                                          0.9
                                Höhere Abgaben auf Löhnen
                                                                                                   0.8

                                                                0.0                    0.5                           1.0                            1.5

                                                                                               Mann                  Frau

«Wie gezeigt, bestehen verschiedene Ansätze zur Schliessung der Finanzierunglücke bei der obligatorischen
Altersvorsorge (AHV und BVG). Geben Sie zum Schluss nochmals Ihre Prioritäten an. Verteilen Sie hierzu 5
Punkte auf die folgenden Ansätze. (Sie können alle Punkte auf einen Ansatz setzen oder sie beliebig verteilen).»

Besonders stark auf die Gewichtung der Reform- bzw. Finanzierungsansätze wirkt
sich der Bildungsabschluss der Befragten aus. Je länger die Ausbildung desto
stärker verliert das Lebensarbeitszeitmodell im Vergleich zu einer generellen Er-
höhung des Rentenalters an Bedeutung. Dies zeigt, dass die eigene Betroffenheit
ein wichtiger Faktor in der Beurteilung ist. Auffällig ist zudem, dass Personen mit
einer tertiären Ausbildung der Einnahmesteigerung über Mehrwertsteuerprozente
etwas weniger und den Lohnabzügen etwas mehr Gewicht geben als Personen
mit maximal einem Berufsschulabschluss.

Abbildung 16: Relative Gewichtung von Reformansätzen – nach Bildungsabschluss

           Lebensarbeitszeit-                                 Höhere Abgaben auf                                                Senkung der
                                        Höhere MWST                                    Höheres Rentenalter
                modell                                             Löhnen                                                        Ausgaben
     2.0

     1.5    1.5
                    1.4                1.4    1.4
                                                       1.2
                                                                                                               1.1
     1.0                    1                                          0.9
                                                                              1
                                                                                                   0.8
                                                               0.7                       0.7                                0.7               0.7
     0.5                                                                                                                              0.5

     0.0
           ef

                    el

                            h

                                      ef

                                              el

                                                       h

                                                              ef

                                                                        el

                                                                              h

                                                                                        ef

                                                                                                   el

                                                                                                             h

                                                                                                                               ef

                                                                                                                               el

                                                                                                                                              h
                          oc

                                                    oc

                                                                             oc

                                                                                                         oc

                                                                                                                                            oc
                  itt

                                             itt

                                                                     itt

                                                                                               itt

                                                                                                                            itt
           Ti

                                     Ti

                                                             Ti

                                                                                       Ti

                                                                                                                           Ti
                M

                                          M

                                                                  M

                                                                                             M

                                                                                                                                M
                        H

                                                   H

                                                                         H

                                                                                                         H

                                                                                                                                          H

«Wie gezeigt, bestehen verschiedene Ansätze zur Schliessung der Finanzierunglücke bei der obligatorischen
Altersvorsorge (AHV und BVG). Geben Sie zum Schluss nochmals Ihre Prioritäten an. Verteilen Sie hierzu 5
Punkte auf die folgenden Ansätze. (Sie können alle Punkte auf einen Ansatz setzen oder sie beliebig verteilen).»

21
5   LEBENSARBEITSZEITMODELL

Das Alter der Befragten wirkt sich insbesondere auf den Aspekt der Ausga-
bensenkung aus. Je älter die Befragten, desto geringer ist das Gewicht, das
auf die Begrenzung der Ausgaben im Rentensystem gesetzt wird. Das Lebens-
arbeitszeitmodell ist bei den 46- bis 65-Jährigen besonders populär, während
die generelle Erhöhung des Rentenalters in dieser Altersgruppe am wenigsten
Rückhalt findet. Dies alles zeigt, dass die persönliche Betroffenheit eine wichtige
Rolle in der Einschätzung verschiedener Reformansätze für die Schliessung der
Finanzierungslücke in der obligatorischen Altersvorsorge spielt.

Abbildung 17: Relative Gewichtung von Reformansätzen – nach Alter

                             Lebensarbeitszeit-                                     Senkung der             Höhere Abgaben auf
           Höhere MWST                                 Höheres Rentenalter
                                  modell                                             Ausgaben                    Löhnen
     2.0

     1.5           1.4
                                           1.5
                                                 1.4
           1.4 1.4     1.3           1.4

                               1.1
     1.0                                                  1
                                                                                                                              0.9
                                                                          0.9                                           0.8
                                                              0.8                   0.8                       0.8 0.8
                                                                                          0.7
                                                                    0.6                         0.6
     0.5                                                                                              0.4

     0.0
      26 5
      46 5
          5
         65

                             26 5
                             46 5
                                 5
                                65

                                                       26 5
                                                       46 5
                                                           5
                                                          65

                                                                                26 5
                                                                                46 5
                                                                                    5
                                                                                   65

                                                                                                            26 5
                                                                                                            46 5
                                                                                                                 5
                                                                                                                65
        -2
        -4
        -6

                               -2
                               -4
                               -6

                                                         -2
                                                         -4
                                                         -6

                                                                                  -2
                                                                                  -4
                                                                                  -6

                                                                                                              -2
                                                                                                               -4
                                                                                                              -6
       >

                              >

                                                        >

                                                                                 >

                                                                                                             >
      18

                             18

                                                       18

                                                                                18

                                                                                                            18

«Wie gezeigt, bestehen verschiedene Ansätze zur Schliessung der Finanzierunglücke bei der obligatorischen
Altersvorsorge (AHV und BVG). Geben Sie zum Schluss nochmals Ihre Prioritäten an. Verteilen Sie hierzu 5
Punkte auf die folgenden Ansätze. (Sie können alle Punkte auf einen Ansatz setzen oder sie beliebig verteilen).»

5.3         Potenzieller Stimmentscheid
Die positive Grundhaltung der Stimmberechtigten in der Schweiz wirkt sich auf
die Einschätzung des eigenen Stimmentscheids bei einer potenziellen Abstimmung
zur Einführung eines Lebensarbeitszeitmodells aus. Insgesamt geben 61 Prozent
der Befragten an, Ja oder eher Ja stimmen zu würden. Der weitaus grössere
Teil (43 %) sagt dabei allerdings bloss «eher Ja». Dies macht deutlich, dass
die Zustimmungsbereitschaft keine bedingungslose ist. Wie gezeigt, spielt die
persönliche Betroffenheit eine wichtige Rolle für die Haltung zu Reformansätzen
in der Altersvorsorge. Das Ausmass der Betroffenheit hängt dabei stärk von
der konkreten Ausgestaltung eines Lebensarbeitszeitmodells ab. Grundsätzlich
lässt sich jedoch feststellen, dass ein Lebensarbeitszeitmodell, das vor allem für
Personen mit einer langen tertiären Ausbildung zu einem späteren, regulären
Eintritt ins Rentenalter führt, gerade deshalb Erfolgschancen hat. Anders als eine
generelle Erhöhung des Rentenalters zielt es bloss auf Minderheit der Stimmbe-
völkerung. Der grössere Teil der Stimmberechtigten, weiss mit Sicherheit, davon
nicht betroffen zu sein.

22
5    LEBENSARBEITSZEITMODELL

In der potenziellen Zustimmungsbereitschaft für ein Lebensarbeitszeitmodell zeigt
sich ein Links-rechts-Gegensatz. Die Wählerbasis der SVP spricht sich am ehesten
und Basis der Grünen am wenigsten dafür aus. Die Zustimmung in den beiden
grossen Sprachregionen ist aktuell ähnlich gross, wobei es in der Deutschschweiz
eine etwas grössere Opposition dagegen gibt.

Abbildung 18: Fiktiver Stimmentscheid

                                                      Gesamt
                                                       8             16            15                       43                     18

                                                      Nach Parteiwählerschaft
                                             Grüne         11              24                16                    34              15

                                                SP     8              21                13                    44                    14

                                               GLP     6            20              16                        42                   16

                                               CVP 5             19                18                            46                 12

                                               FDP     6        14            15                         48                        18

                                               SVP     8        9         8                       46                          29

                                                      Nach Sprachregion
                                     Deutschschweiz        9         16            14                       43                     18

                               Französische Schweiz    5        17                 17                       42                     18

                                                  0%                       25%                    50%                   75%              100%

                                                                                                  Nein
                                                                                                  Eher Nein
                                                                                                  Weiss nicht
                                                                                                  Eher Ja
                                                                                                  Ja

«Was denken Sie: Wie würden Sie stimmen, wenn es zu einer Volksabstimmung über die Einführung eines
entsprechenden Lebensarbeitsmodell kommt?» - Parteiwählerschaft

Die Chancen eines Lebensarbeitszeitmodells an der Urne hängen nicht nur von der
konkreten Ausgestaltung des Modells, sondern auch von den Argumenten und der
Dynamik im Abstimmungskampf ab. Hinweise über die Konfliktlinien in einen po-
tenziellen Abstimmungskampf liefern bereits heute die Urteile über die Argumente
für und gegen dieses Modell. Am meisten für das Lebensarbeitszeitmodell spricht
aus Sicht der Befragten, dass dieses den Unterschieden zwischen verschiedenen
Personengruppen gerecht wird (40 %) und, dass es dazu beiträgt, die Finanzie-
rungslücke in der Altersvorsorge zu schliessen (38 %). Das Gegenargument, das
am meisten Zustimmung findet, ist die Befürchtung, dass das System ausgetrickst
werden könnte (39 %). Dies zeigt deutlich, dass ein Lebensarbeitszeitmodell, das
an der Urne Erfolg haben soll, so ausgestaltet werden muss, dass es keine Anreize
zu taktischem Verhalten setzt. Etwa indem Personen eine Arbeitstätigkeit zum

23
5    LEBENSARBEITSZEITMODELL

Schein aufnehmen, damit ihr Rentenanspruch früher erfüllt ist. Am zweithäu-
figsten gewählt wird das Gegenargument, das Modell sei zu kompliziert (31 %).
Ähnlich wie das erste Argument weist dies darauf hin, dass die potenzielle Kritik
weniger auf die Grundidee zielt als auf die konkrete Umsetzung, die klar, einfach
und stabil sein muss, um in einem potenziellen Abstimmungskampf bestehen
zu können. Immerhin geben fast gleich viel Befragte (30 %) an, das Modell
sei einfach und klar. Das zeigt, dass bei geeigneter Ausgestaltung auch, dieses
positive Argument bei der Stimmbevölkerung ziehen kann. Ähnlich offen ist die
Frage, ob das Lebensarbeitszeitmodell als fair wahrgenommen wird. Gegenwärtig
wird dies nur ein wenig häufiger (31 %) als Argument dafür denn als Argument
dagegen (28 %) angesehen.

Abbildung 19: Argumente, die für Lebensarbeitszeit sprechen

                     Wird den Unterschieden zwischen                                           40
                            Personengruppen gerecht
             Hilft, die Finanzierungslücke zu schliessen                                      39

                                                   Ist fair                        31

                                    Ist einfach und klar                           30

                                 Es spricht nichts dafür              16

                                                          0%        10%    20%          30%         40%        50%

«Welche Faktoren sprechen aus Ihrer Sicht für die Einführung des genannten Lebensarbeitszeitmodell? (Mehrere
Antworten möglich)»

Abbildung 20: Argumente, die gegen Lebensarbeitszeit sprechen

                         Kann ausgetrickst werden                                                   39

                                     Ist kompliziert                                    31

                                          Ist unfair                              28

                                      Bringt nichts            11

                         Es spricht nichts dagegen                           25

                                                   0%           10%        20%           30%             40%         50%

«Welche Faktoren sprechen aus Ihrer Sicht gegen die Einführung des genannten Lebensarbeitszeitmodell?
(Mehrere Antworten möglich)»

24
6   DATENERHEBUNG UND METHODE

6    Datenerhebung und Methode
Datenerhebung und Stichprobe

Die Datenerhebung zur vorliegenden Befragung fand vom 19. Februar bis am 12.
März 2020 statt. Die Befragung erfolgte online. Die Rekrutierung der Befragten
fand einerseits über das Online-Panel von sotomo, andererseits via Online-Panel
von Intervista statt. Das Sample beinhaltet 1 221 Personen, von denen 918 in
der Deutschschweiz und 303 in der Romandie wohnhaft sind.

Repräsentative Gewichtung

Da sich die Teilnehmenden der Umfrage selber rekrutieren (opt-in), ist die Zu-
sammensetzung der Stichprobe nicht repräsentativ für die Grundgesamtheit. So
nehmen typischerweise mehr Männer als Frauen an politischen Umfragen teil. Den
Verzerrungen in der Stichprobe wird mittels statistischer Gewichtungsverfahren
entgegengewirkt. Die Gewichtung erfolgt dabei mittels IPF-Verfahren (Iterative
Proportional Fitting). Neben räumlichen (Wohnort) und soziodemographischen
(Alter, Geschlecht, Bildung) Gewichtungskriterien werden dabei auch politische
Gewichtungskriterien beigezogen (Stimm- und Wahlverhalten, regionale Parteien-
struktur usw.). Durch die Gewichtung wird eine hohe Repräsentativität für die
aktive Stimmbevölkerung erzielt.

25
Sie können auch lesen