Antike Gläser fürs Museum
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einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 Betrachten eine Vitrine mit antiken Gläsern (v.l.) Jan Soldin, Direktor des Museums Otto Schäfer, Sebastian Reme- lé, Oberbürgermeister von Schweinfurt, und Jochen Griesbach-Scriba, Direktor der Antikenabteilung des Martin von Wagner Museums. (Foto: André Mischke / Universität Würzburg) Antike Gläser fürs Museum Bereicherung für das Martin von Wagner Museum der Universität: Das Museum Otto Schäfer (Schweinfurt) stellt ihm eine Sammlung antiker Gläser als Dauerleihgabe zur Verfügung. Die Antikensammlung des Martin von Wagner Museums im Südflügel der Würzburger Resi- denz zeigt eine neue Ausstellung mit antiken Gläsern. Zur feierlichen Eröffnung waren auch Gäste aus Schweinfurt gekommen: Oberbürgermeister Sebastian Remelé und Jan Soldin, Direktor des Museums Otto Schäfer. Das hatte seinen Grund: Im Jahr 2021 wurde entschieden, die Sammlung antiker Gläser, die sich im Besitz der Dr. Otto Schäfer Stiftung der Stadt Schweinfurt befindet und bis dato im Mu- seum Otto Schäfer zu sehen war, als Dauerleihgabe an die Antikensammlung der Universität Würzburg zu geben. Anlass war die Neukonzeption der Dauerausstellung in dem Schweinfur- ter Museum. „Bei uns sind die rund 200 Gläser aus vorrömischer und römischer Zeit höchst willkommen“, freut sich Professor Jochen Griesbach-Scriba, Direktor der Antikenabteilung. „Sie erweitern unsere eigenen Bestände an römischem Glas beträchtlich und er- gänzen sie sehr sinnvoll.“ Die Dauerausstellung des Martin von Wagner Museums hat ihren Schwerpunkt auf figürlich bemaltem Tafelgeschirr aus Griechen- land und Unteritalien. Die ganze Bandbreite antiker Glasproduktion Rippenschale, erstes Jahrhundert vor bis erstes Die neu konzipierte Ausstellung zeigt in vier Jahrhundert nach Christus. (Foto: Peter Necker- großen Vitrinen die ganze Bandbreite der antiken mann / Universität Würzburg) einBLICK vom 7. März 2023 Seite 1
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 Glasproduktion. Sie erklärt die Herstellungsverfah- ren, aber vor allem den Gebrauch der Glasgefäße als augenscheinliche Gegenstände des Luxus. In den Gläsern wurden nicht nur verlockende Speisen und Getränke gereicht, sondern auch teure Salben und Parfums aufbewahrt. „Bezeichnend ist dabei, dass die Glasmacher seit der Erfindung der Glaspfeife um 50 vor Christus sehr schnell vom opaken Farbenspiel zur transparenten Gestaltung übergingen“, erklärt Griesbach-Scriba. Die gut situierte Römerin und ihr Gemahl wollten den Gästen zeigen, was sie hatten. Dabei wurden die Eigenschaften des Glases im Wechselspiel mit Licht konsequent genutzt. Die meisten Gläser waren seinerzeit durchaus erschwinglich: Sie suggerierten durch einfallsreiche Dekore edle Produkte, die aber mit überschaubarem Aufwand zu erreichen waren. Fakten zur Sammlung Die Sammlung antiker Gläser wurde von dem Amphoriskos, Mitte sechstes bis viertes Jahr- Schweinfurter Juristen Dr. Hermann Morell (1929 hundert vor Christus. (Foto: Christina Kiefer / – 1987) und seiner Frau Maria (1923 – 1998) über Universität Würzburg) Jahrzehnte hinweg zusammengetragen. Nach dem Tod von Maria Morell ging die Sammlung in den Besitz der Dr. Otto Schäfer Stiftung über. Bislang wurden die Objekte in einem eigens für diesen Zweck geschaffenen Anbau an das Museum Otto Schäfer präsentiert. Webseite Martin von Wagner Museum: https://www.martinvonwagner-museum.com/ Salbflasche in Form einer Taube, erstes bis zweites Jahrhundert vor Christus. (Foto: Christina Kiefer / Universität Würzburg) einBLICK vom 7. März 2023 Seite 2
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 Neben Computermodellen arbeitet Fabian Moss selbstverständlich auch mit Büchern für seine Forschung. (Foto: Gunnar Bartsch / Universität Würzburg) Harmonie modellieren Fabian Moss kombiniert Musikwissenschaft, Data Science und Digital Humanities. Seit De- zember 2022 hat er die Juniorprofessor für Digitale Musikphilologie und Musiktheorie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg inne. Wer wissen will, womit sich ein Professor für digitale Musikphilologie beschäftigt, kommt um ein paar Zahlen nicht herum. Beispielsweise hat Ludwig van Beethoven 16 Streichquartette mit insgesamt 70 Sätzen komponiert – je nach Interpretation sind das zusammengenommen etwa acht Stunden Musik. In diesen 16 Stücken finden sich rund 30.000 Akkorde, die in fast 2.000 verschiedenen Varianten vorliegen. Diese Akkorde sind nicht zufällig verteilt, sondern bilden bestimmte Abfolgen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als andere Kombinationen. „Die Reihenfolge ist also wichtig. Es ist nicht möglich, die Komposition beispielsweise rück- wärts zu hören“, sagt Fabian C. Moss. Musik und ihre Struktur verstehen Moss ist seit dem 1. Dezember 2022 Juniorprofessor für Digitale Musikphilologie und Musik- theorie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). In seiner Forschung versucht er, konzeptionelle und methodische Ansätze aus den Geistes- und Naturwissenschaften zu kombinieren und Musik und ihre Struktur aus einer interdisziplinären Perspektive heraus zu verstehen. Moss kombiniert dafür Mathematik, Informatik und Musiktheorie. In seiner Forschung will er digitale Methoden und Ansätze in der Musikwissenschaft etablieren, indem er Musik in digi- tale Daten überträgt und diese mit Hilfe spezieller Computermodelle analysiert. Eine typische Forschungsfrage könnte dann lauten: „Lässt sich musikalischer Stil messen? Wenn ja, wie?“ Erkennt also das Programm, ob es klassische Musik, Jazz oder Pop „hört“? Weiß es, dass es mit einer Sonate von Franz Schubert zu tun hat und nicht mit einer von Clara Schumann? Die übergeordnete Frage lautet in diesem Fall: „Worin liegen die Besonderheiten dieser Stücke? Was sind gemeinsame Charakteristika?“, sagt der Musikwissenschaftler. einBLICK vom 7. März 2023 Seite 3
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 Eine digitale Geschichte der Harmonie Wobei Moss selbst sich weniger auf den Stil einzelner Komponistinnen und Komponisten kon- zentriert. Er interessiert sich schon seit einiger Zeit für das Thema Harmonik und will deshalb auch in den kommenden Jahren an einer, wie er sagt, „digitalen Geschichte der Harmonie“ weiterschreiben, in der es weniger um Analysen einzelner Stücke, sondern vielmehr um weit- gespannte Bögen geht, die sich aus großen Datensätzen herauslesen lassen. Logisch, dass für diese „Big-Data“-Analysen Computer und Algorithmen eine zentrale Rolle spielen. Moss sucht gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen nach Wegen, Harmonie digi- tal zu erfassen und zu repräsentieren – „Wir holen die Informatik mit ins Boot“, sagt er. Die traditionelle Musikwissenschaft und -theorie sei dabei natürlich immer eng eingebunden und bilde ein unverzichtbares Korrektiv. Algorithmen sind auch von zentraler Bedeutung in einem Forschungsgebiet, das er sich aktu- ell neu erarbeitet: die sogenannte „kulturelle Evolution“. Dabei geht es darum, Modelle aus der Evolutionsbiologie auf kulturelle Domänen zu übertragen; im Mittelpunkt steht die Frage, ob und inwieweit sich kulturelle Transmissionsprozesse mit Computermodellen darstellen lassen. „Die Popularität bestimmter Komponisten liegt ja nur zu einem Teil an der Qualität ihrer Wer- ke“, sagt Moss. Für diese Popularität seien auch äußere, etwa kulturelle und soziale Einflüsse mitverantwortlich, nach denen der Musikwissenschaftler sucht. Worum es in diesem Bereich nicht geht: Welche Art von Musik im kommenden Jahrzehnt die Charts dominiert, welcher Song der nächste Hit wird. „In die Zukunft schauen können wir nur begrenzt, und ich finde das auch nicht besonders interessant“, sagt Moss. JMU: Ein guter Ort für digitale Philologie Die JMU sei ein sehr guter Ort für seine Forschung, findet der Musikwissenschaftler. Erstens, weil die Universität bereits seit vielen Jahren ein renommierter Akteur im Bereich der Com- puterphilologie ist. Zweitens, weil am Institut für Musikforschung aktuell zwei große digitale Editionsprojekte laufen. Und drittens, weil Moss in das Zentrum für Philologie und Digitalität „Kallimachos“ (ZPD) eingebunden ist – einer zentralen wissenschaftlichen Einrichtung der JMU, die einen Bogen zwischen den Geisteswissenschaften, der Informatik sowie den Digital Humanities schlägt. I m ZPD-Neubau hat Moss die Möglichkeit, sich mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Informatik und den Geisteswissenschaften ungezwungen – quasi über den Flur hin- weg – auszutauschen und mit ihnen neue Ideen zu entwickeln. „Ich freue mich sehr auf die künftige Zusammenarbeit mit Studierenden und Kolleginnen und Kollegen, auch aus anderen Fachbereichen.“ Andere Formen des Arbeitens in der Lehre „Andere Formen des Arbeitens lernen“: Unter dieser Überschrift könnten Fabian Moss‘ Vor- stellungen für sein Lehrangebot stehen. „Ich habe selbst häufig im Team gearbeitet und dabei viel von Kolleginnen und Kollegen gelernt“, sagt er. Diese Erfahrung will er auch seinen Studierenden ermöglichen – beispielsweise indem diese ihre Hausarbeiten nicht einfach sch- einBLICK vom 7. März 2023 Seite 4
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 reiben, bei ihm abliefern und dann auf die Note warten. Moss schaltet eine Art „Peer-Review- Prozess“ dazwischen. Dabei lesen zunächst andere Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer die Arbeit und geben dann eine Rückmeldung. Der Autor oder die Autorin haben anschließend die Chance, an ihrem Text weiterzuarbeiten und diesen zu verbessern, bevor sie ihn endgültig abgeben. Kann er eigentlich noch in ein Konzert gehen und die Musik genießen? Oder fängt sein Gehirn zwangsläufig mit der Analyse an? Fabian Moss erkennt darin keinen Widerspruch: „Es berei- chert mein Musikerleben, wenn ich verstehe, was passiert“, sagt er. Als Pianist und ehemali- ges Mitglied eines Vokalensembles hat er zwar seine Vorlieben, insgesamt sei sein Musikge- schmack aber breit aufgestellt. Schließlich habe jede Art von Musik etwas Interessantes. Zur Person Fabian Moss (36) hat an der Universität zu Köln Mathematik und Erziehungswissenschaft für das Lehramt studiert. Zusätzlich absolvierte er an der Hochschule für Musik und Tanz Köln ein Studium für das Lehramt im Fach Musik mit dem Schwerpunkt auf Klavier sowie das Studium der Musikwissenschaft mit einem Master als Abschluss. Für seine Promotion, die er im De- zember 2019 abschloss, wechselte er an die Technische Universität Dresden und, zusammen mit seinem Doktorvater, an die École Polytechnique Fédérale de Lausanne. Weitere Stationen seiner akademischen Laufbahn waren die École Polytechnique Fédérale de Lausanne als Postdoc in Digital Musicology und die Universität Amsterdam als Research Fellow in Cultural Analytics. Seit Dezember 2022 ist er Juniorprofessor für Digitale Musikphilo- logie und Musiktheorie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Kontakt Prof. Dr. Fabian Moss, Juniorprofessur für Digitale Musikphilologie und Musiktheorie, T: +49 931 31-83693, fabian.moss@uni-wuerzburg.de, https://fabian-moss.de/ einBLICK vom 7. März 2023 Seite 5
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 Entlang des Tauglbachs verläuft einer der letzten verbliebenen, das Salzachtal querenden Grünkorridore im Salz- burger Tennengau. (Bild: Constantin Meyer) Ökologische Vernetzung in den Alpen Nicht nur die Schaffung und der Erhalt natürlicher Schutzräume spielen für Ökosysteme eine große Rolle. Wichtig ist auch ihre Verbindung untereinander. Die Uni Würzburg ist Teil eines EU-Projekts, das diese sichern will. Schneebedeckte Gipfel, dichte Wälder, grüne Weiden, klare Bergseen: Die Alpen sind für viele ein Sehnsuchtsort. Was für uns Menschen Erholung und Urlaubsvergnügen verspricht, hat für die Natur selbst aber einen noch größeren Wert. Die – gerade im Vergleich zum Flachland – immer noch häufigen unberührten Flächen nehmen etwa eine wichtige Rolle beim Hochwas- serrückhalt ein oder erfüllen Klimafunktionen. Außerdem dienen sie als Habitate für Wildtiere und sichern so die Biodiversität. Gerade in dieser Funktion spielen aber nicht nur Einrichtung und Erhalt solcher Freiräume eine Rolle, auch die Konnektivität zwischen Schutzgebieten ist entscheidend, weiß Constantin Meyer. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Geographie und Regionalforschung an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Gemeinsam mit Lehrstuhlinhaber Hubert Job ist er Teil von PlanToConnect. Das EU-Projekt hat die Sicherung und den Ausbau der Kon- nektivität von Naturräumen im Alpenraum zum Ziel. Freiräume schützen, Vernetzung stärken PlanToConnect ist Teil des Interreg Alpine Space Programmes – wie auch schon das vorausge- hende Projekt OpenSpaceAlps. In diesem wurde vergleichend analysiert, wie die unterschied- lichen Staaten das Thema Freiräume in die Raumplanung einbeziehen: „Die Interreg-Projekte sind sehr praxisnah und bringen Einflüsse aus der Wissenschaft, staatlichen Behörden oder auch NGOs zusammen. Unser Beitrag war vor allem die Erstellung eines Raumplanungshand- buchs mit konkreten Handlungsempfehlungen“, erklärt Constantin Meyer. An PlanToConnect sind nun neben der JMU noch neun weitere Einrichtungen aus den Alpen- ländern beteiligt. Federführend ist das Raumplanungsinstitut der Republik Slowenien. einBLICK vom 7. März 2023 Seite 6
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 Viele der bestehenden Naturräume profitieren davon, dass sie sich in höheren und dadurch nur schwierig nutzbaren Lagen befinden: Es bestehen weniger Nutzungskonflikte zwischen Mensch und Natur. Durch die bandartige Besiedlung der Täler sind sie aber oft voneinander isoliert. Im Zuge von PlanToConnect sollen Konzepte erstellt werden, wie der Biotopverbund bei der Nutzung des Alpenraums durch Industrie, Landwirtschaft oder Besiedlung mitgedacht werden kann. Neben dem Erhalt von Freiflächen können auch bestimmte bauliche Maßnahmen solche Grünkorridore sichern: „Ein bekanntes Beispiel sind etwa Wildtierbrücken über Straßen und Autobahnen, welche noch viel zu selten zum Einsatz kommen“, so Meyer. Zielkonflikte zwischen Energiewende und Naturschutz Eine besondere Herausforderung liegt darin, Flächennutzung zur Gewinnung erneuerbarer Energien mit der Sicherung der Biodiversität in Einklang zu bringen: „Grundsätzlich sind Klimaschutz und Naturschutz ja Anliegen, die zusammen gedacht werden müssen. Konflikte gibt es hier aber trotzdem. Photovoltaikanlagen, Windparks oder Wasserkraftwerke werden zukünftig deutlich mehr Raum in Anspruch nehmen müssen. Dafür gilt es, vorausschauende Planungen zu entwickeln, die auch den ökologischen Verbund berücksichtigen und beide Belange gleichermaßen voranbringen“, gibt Constantin Meyer zu bedenken. Um solche Aufgaben bestmöglich zu bewältigen, soll im Rahmen von PlanToConnect an der JMU unter anderem ein Trainingssystem entwickelt werden, das zur Fort- und Weiterbildung in der Raumplanung genutzt werden kann. Zur langfristigen Verbesserung nimmt der Würzburger Lehrstuhl auch eine führende Rolle beim Aufbau eines alpenweiten Raumplanungsnetzwerks ein: „Das geschieht im Rahmen der Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft (ARL). Hier wollen wir abseits zeitlich begrenzter Projekte einen kontinuierlichen Austausch zwischen Wissenschaft und Planungspraxis im Alpenraum etablieren“, so Job, der im Ehrenamt als ordentliches Mitglied der ARL tätig ist. Förderung europaweiter Projekte PlanToConnect – in der Langversion „Mainstreaming ecological connectivity in spatial plan- ning systems in the Alpine Space”, also „Einbindung des ökologischen Verbunds in Raumpla- nungssysteme im Alpenraum“ – ist Teil des Interreg Alpine Space Programmes. Dieses wird aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) der EU gefördert. Die Projekte sollen vor allem die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa in unterschiedlichsten Bereichen stärken. Kontakt Constantin Meyer, M. Sc., Lehrstuhl für Geographie und Regionalforschung, T: +49 931 31-89360, E-Mail: constantin.meyer@uni-wuerzburg.de einBLICK vom 7. März 2023 Seite 7
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 Das Team von COSI Germany (v.l.) Professor Uwe Oberlack (Mainz), Dr. Hiroki Yoneda (JMU), Saurabh Mittal (JMU), Dr. Thomas Siegert (JMU), Dr. Savitri Gallego (Mainz), Professor Karl Mannheim (JMU) und Jan Lommler (Mainz). (Foto: Uwe Oberlack) Die COSI-Mission der Astrophysik Die Universitäten Mainz und Würzburg bereiten die deutsche Beteiligung am neuen NASA- Weltraumteleskop COSI vor. Bei einem Kick-off Meeting in Mainz steckten sie den Rahmen für das Forschungsprogramm ab. Mit einem zweitägigen Workshop, zugleich ein Kick-off Meeting, haben die Universitäten Mainz und Würzburg die deutsche Beteiligung am NASA-Satelliten COSI vorbereitet. Aus Mainz ist die Gruppe von Professor Uwe Oberlack vom Exzellenzcluster PRISMA+ beteiligt, aus Würzburg die Gruppe um den Astrophysiker Dr. Thomas Siegert. Das Gammastrahlenteleskop mit dem Namen Compton Spectrometer and Imager (COSI) wird die jüngste Geschichte der Sternentstehung, von Sternexplosionen und der Bildung chemi- scher Elemente in der Milchstraße untersuchen, die für die Entstehung der Erde selbst ent- scheidend waren. Es wird vom Space Sciences Laboratory der University of California Berkeley geleitet und soll 2027 als neueste „kleine Astrophysik-Mission“ (Small Explorer) der NASA starten. Im Oktober 2021 hatte die NASA COSI aus 18 eingereichten Vorschlägen als neues Weltraumteleskop ausgewählt. COSI wird die Gammastrahlung radioaktiver Atome untersuchen, die bei der Explosion mas- sereicher Sterne entstehen, um zu kartieren, wo in der Milchstraße chemische Elemente entstanden sind. Die Mission wird auch den mysteriösen Ursprung der Positronen in unserer Galaxie erforschen, die auch als Antielektronen bekannt sind – subatomare Teilchen, die die gleiche Masse wie Elektronen, aber eine positive Ladung haben. Ein weiteres wichtiges Ziel ist die Suche nach Strahlung, die von Teilchen der Dunklen Materie erzeugt wird. Förderung kommt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt Die deutsche Beteiligung an COSI ist eine Kooperation des Lehrstuhls für Astronomie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und des Mainzer Exzellenzclusters PRISMA+ und wird durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gefördert. einBLICK vom 7. März 2023 Seite 8
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 Computergrafik des COSI Weltraumteleskops. (Bild: COSI Team) Besonders interessant an der Mission ist die neue Thematik der „Megaelektronenvolt (MeV)- Gammaastronomie“, denn sie erlaubt die Beobachtung des Himmels in einem Bereich der elektromagnetischen Strahlung, der noch weitgehend unerforscht ist. Frühere Missionen unter führender deutscher Beteiligung, wie das erste Compton-Teleskop COMPTEL auf dem Compton Gamma-ray Observatory der NASA in den 90er-Jahren und das europäische Teleskop INTEG- RAL in den letzten 20 Jahren, haben im Hinblick auf die Empfindlichkeit der Himmelsdurch- musterung nur die hellsten Quellen sehen können. COSI wird hier deutlich empfindlicher. Dieser Energiebereich ist aber nicht nur wenig erforscht, er ist auch besonders interessant, weil er den Bereich der Energieniveaus in Atomkernen darstellt, die Ruheenergie der Posi- tronen umfasst sowie die Suche nach Dunkler Materie in einem bisher nicht zugänglichen Bereich ermöglicht. Kürzliche Hinweise auf astrophysikalische Neutrinos könnten auf Quellen hindeuten, die im MeV-Energiebereich sichtbar sein könnten. „COSI wird dutzende Quellen innerhalb und außerhalb der Milchstraße detektieren und dadurch den Weg frei machen für noch größere Weltraumteleskope”, sagt Thomas Siegert. Neues Beobachtungsfenster für die Suche nach Dunkler Materie „Die COSI Mission hat vielfältige Anknüpfungspunkte zum Forschungsprogramm von PRIS- MA+“, erläutert der Mainzer Experimentalphysiker Professor Uwe Oberlack. „Einer von ihnen ist das Forschungsfeld der Antimaterie – mit Blick auf die Suche nach galaktischen Positro- nen, ein anderer die Suche nach Dunkler Materie. Das ist deshalb spannend, da als Alternati- ve zu schwereren hypothetischen Teilchen der Dunklen Materie, sogenannten WIMPs, zuneh- mend auch Teilchen bei leichten Massen im MeV-Bereich als Kandidaten für diese exotische Materieform diskutiert werden. Hier wird COSI ein neues Beobachtungsfenster für die Suche nach Dunkler Materie mit Gammastrahlen öffnen. Auch die Multimessenger-Astronomie im Hinblick auf die Suche nach kosmischen Neutrinos, die wir bei PRISMA+ mit dem IceCube Experiment betreiben, könnte von der neuen Mission profitieren.“ Untersuchung der Jets von Mikroquasaren Dr. Thomas Siegert ergänzt: „Der Würzburger Lehrstuhl für Astronomie ist mit seinen vielfälti- gen Arbeitsgruppen passgenau für dieses Vorhaben aufgestellt. Mit COSI können wir die Jets einBLICK vom 7. März 2023 Seite 9
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 von Mikroquasaren untersuchen, also Doppelsterne mit einem Neutronenstern oder einem schwarzen Loch. So stellen wir fest, ob diese Quellen auch große Mengen an Positronen erzeugen. In Würzburg arbeiten wir gemeinsam an Jet-Modellen auf allen Größenskalen — von kleinsten schwarzen Löchern bis hin zu aktiven Galaxienkernen. Des Weiteren interessieren wir uns für die Bildung chemischer Elemente in Sternen und durch Supernovae. Diese kann mittels COSI besonders detailliert untersucht werden, da die radioaktiven Elemente cha- rakteristische Gammastrahlen aussenden, die sich dank COSIs hoher spektraler Auflösung voneinander unterscheiden lassen. So lernen wir, warum die Verteilung der Elemente in der Milchstraße so ist, wie sie ist.“ Guter Start für das COSI-Team Deutschland Beim Workshop in Mainz Ende Februar 2023 wurden zunächst die COSI-Kollaboration und der Status der Vorbereitungen zum Beispiel im Hinblick auf die Datenanalyse vorgestellt. An- schließend diskutierten die Teilnehmer die geplanten Arbeitspakete, aktuelle Forschungsfra- gen und den momentanen Stand der Vorbereitung. Im Ergebnis war es ein sehr guter Start, um das COSI-Team in Deutschland zu formen und die nächsten Schritte abzusprechen. Eines ist jetzt schon klar: Der Start der Mission wird von allen Beteiligten mit großer Spannung erwar- tet. Weblinks AG Uwe Oberlack: https://www.etap.physik.uni-mainz.de/groups-and-members-etap/ AG Thomas Siegert: https://www.physik.uni-wuerzburg.de/astro/mitarbeiter/ag-siegert/ NASA Pressemitteilung: https://www.nasa.gov/press-release/nasa-selects-gamma-ray-tele- scope-to-chart-milky-way-evolution Infos zu COSI: https://cosi.ssl.berkeley.edu/ einBLICK vom 7. März 2023 Seite 10
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 Alexandra und Wolfgang Lenhard haben gemeinsam ein Testverfahren entwickelt, das die Genauigkeit bei ADHS- Diagnosen deutlich verbessern soll. (Bild: Lutz Ziegler / Uni Würzburg) Verbesserte ADHS-Diagnostik Der Einsatz einer neuen Software soll zukünftig dabei helfen, ADHS-Störungen bei Kindern genauer zu diagnostizieren. Entwickelt wurde sie vom Würzburger Psychologenpaar Alexand- ra und Wolfgang Lenhard. Schwierigkeiten mit mangelnder Aufmerksamkeit sind der Medizin schon seit mehr als 200 Jahren bekannt. Einen regelrechten Boom erlebten Diagnosen der sogenannten Aufmerksam- keitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) in den 1990er-Jahren. Problematisch ist dabei, dass die Feststellung bis heute hauptsächlich auf subjektiven Eindrücken von Eltern oder Lehrkräften basiert. Professor Wolfgang Lenhard und seine Frau, die Unternehmerin Dr. Alexandra Lenhard, wollen das ändern. Beide haben in Psychologie promoviert, Wolfgang Lenhard ist Akademischer Direktor am Lehrstuhl für Psychologie IV der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Gemeinsam haben sie eine Diagnosesoftware entwickelt und nun auf den Markt gebracht: den ADHS-Test 6-12. Verbindung von drei Komponenten Neben Fragebögen, die von Eltern und Lehrkräften potenziell betroffener Kinder ausgefüllt werden, nutzt das Programm auch die Ergebnisse aus computerbasierten Reaktionsaufga- ben. Wolfgang Lenhard erklärt: „Bereits vor mehreren Jahren hatten wir festgestellt, dass das Antwortverhalten bezüglich solcher Aufgaben bei Kindern mit ADHS extrem von dem nicht betroffener Kinder abweicht.“ Die Software fügt die Ergebnisse der Computertestung mit den Eltern- und Lehrkrafturteilen zusammen, wertet sie aus und setzt sie ins Verhältnis. Weicht eine der drei Komponenten drastisch von den anderen beiden ab, markiert die Software das Ergebnis als inkonsistent und empfiehlt eine genauere Überprüfung. Erweist sich eine der Komponenten als nicht ver- lässlich genug, kann ein Gesamtergebnis auch aus nur zwei Komponenten ermittelt werden. einBLICK vom 7. März 2023 Seite 11
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 Beiden ist wichtig zu betonen, dass das Testverfahren keineswegs die diagnostische Freiheit von Psychiate- rinnen und Psychiatern beschränken soll: „Wir wollen eine verbesserte Diagnostik. Fehldiagnosen weisen bei ADHS aktuell eine Rate von etwa 15 Prozent auf. Wir glauben, dass wir diese Rate durch unser Verfahren deutlich verringern können“, erläu- tert Alexandra Lenhard und fährt fort: „ADHS-Medikamente sollten nur dort zum Einsatz kommen, wo sie wirk- lich gebraucht werden. Fehlerhafte Diagnosen gehen leider in der Regel damit einher, dass die wahren Ursachen für eine Verhaltensauf- Auf dem Bildschirm ist die Go/NoGo-Aufgabe zu sehen, die nur bei fälligkeit im Dunkeln bleiben und Jungen zum Einsatz kommt. (Bild: Lutz Ziegler / Uni Würzburg) damit auch nicht adäquat adres- siert werden können.“ Einfache Tests, erstaunliche Ergebnisse Die Konzeption der verwendeten Reaktionsaufgaben ist simpel: Bei der ersten werden auf dem Computerbildschirm jeweils sechs Pfeile eingeblendet, die alle in eine Richtung zeigen. Anschließend erscheint im Zentrum ein siebter Pfeil. Zeigt dieser nach links, muss möglichst schnell eine linke, zeigt er nach rechts, eine rechte Taste gedrückt werden. Die Aufgabe müs- sen die Kinder 100 Mal absolvieren. Diese sogenannte Flanker-Aufgabe kommt bei Mädchen und Jungen zum Einsatz. Letztere absolvieren zusätzlich 100 Mal eine Go/NoGo-Aufgabe – hier muss immer so schnell wie möglich gedrückt werden, sobald ein beliebiges Symbol auf dem Bildschirm erscheint, nur bei zwei bestimmten Symbolen darf nicht gedrückt werden. Dass die Aufgaben auch optisch möglichst schlicht gehalten sind, hat einen Grund: Kinder mit ADHS lassen sich bei reizarmen Aufgaben besonders stark ablenken. Die Unterschiede in den Ergebnissen sind entsprechend deutlich. Allerdings kommt es dabei auch darauf an, dass adäquate Kennwerte aus den individuellen Reaktionszeitverteilungen herangezogen werden, berichtet Wolfgang Lenhard: „Bei den jeweils schnellsten Reaktionszeiten schneiden betrof- fene und nicht betroffene Kinder gar nicht besonders unterschiedlich ab. Kinder mit ADHS ha- ben aber im Gegensatz zu anderen Kindern zwischendurch auch immer wieder extrem lange Reaktionszeiten von mehreren Sekunden oder sogar komplette Aussetzer.“ An vielen Stellschrauben gedreht Ein Problem bei der Diagnose psychischer Störungen ist die häufig geringe psychometrische Güte der Testverfahren. Um diese im vorliegenden Fall zu steigern, floss viel Arbeit in die Optimierung des ADHS-Test 6-12: „Erstmal ist es gerade bei ADHS wichtig, nicht nur einen einBLICK vom 7. März 2023 Seite 12
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 Kennwert, sondern viele Kennwerte zu erfassen. Außerdem müssen diese möglichst präzise gemessen und optimal kombiniert werden. Auch die Normierung spielt eine große Rolle“, weiß Alexandra Lenhard. Es musste also erst einmal festgestellt werden, welche Ergebnisse in einer großen repräsentativen Stichprobe an Kindern erzielt werden, um auffällige Ergebnisse identifizieren zu können. Das angewandte Normierungsverfahren stammt ebenfalls aus dem Hause Lenhard. Da die mentale Entwicklung im Kindesalter äußerst schnell voranschreitet, muss das genaue Alter der Kinder bei der Ergebnisermittlung berücksichtigt werden. Schon ein Unterschied von drei Monaten mache in Bezug auf die Aufmerksamkeit einen deutlichen Effekt aus: „Hier wird die Schwierigkeit für Lehrkräfte deutlich. Im Klassenverbund kommen Altersunterschiede von einem Jahr und mehr vor. Die Aufmerksamkeitsleistung der Kinder kann also gar nicht unmit- telbar miteinander verglichen werden“, so Alexandra Lenhard. Die Software ist nun auf dem Markt Seit wenigen Tagen ist die Software zum Kauf verfügbar. An ihrer Entwicklung waren auch zahlreiche Studierende, das Dettelbacher Unternehmen Psychometrica, Praxen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Schulen in der gesamten Bundesrepublik entscheidend beteiligt. Das Programm ist beim psychologischen Fachverlag Hogrefe erschienen. Bedeutende Unterstützung erhielt das Projekt durch die IHK Würzburg-Schweinfurt. Sie hatte die Arbeiten an der Software bereits 2017 mit dem Universitäts-Förderpreis ausgezeichnet: „Solche Forschung wäre ohne externe Unterstützung, wie wir sie von der IHK erhalten haben, nicht möglich“, würdigt Wolfgang Lenhard deren Engagement. Auch bei den beteiligten Stu- dierenden möchte er sich noch einmal explizit bedanken. Kontakt Prof. Dr. Wolfgang Lenhard, Lehrstuhl für Psychologie IV, Tel: +49 931 31-89791, E-Mail: wolfgang.lenhard@uni-wurzburg.de einBLICK vom 7. März 2023 Seite 13
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 André Illmer (Vorstandsmitglied Ruchti-Stiftung), Dr. Uwe Klug (Mitglied im Beirat), Gertrud Schrödl (Vorstandsmit- glied), Prince Ravat (Preisträger), Professor Ignazio Czeguhn (Vorstandsvorsitzender), Uwe Thomas (Mitglied im Beirat), Sven Speek (Research Advancement Centre der Universität) (Foto: privat) Ruchti-Preis für Prince Ravat Der Nachwuchsgruppenleiter am Institut für Organische Chemie erhält den mit 5.000 Euro dotierten Preis des Jahres 2022 für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen. Dr. Prince Ravat forscht seit 2018 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), von Anfang an gefördert durch das Excellent Ideas-Programm. Als unabhängiger Emil-Fischer Fellow der Fakultät für Chemie und Pharmazie leitet er eine Nachwuchsgruppe mit derzeit fünf Promovierenden. Im Rahmen eines ERC Starting Grants wird Ravant seit dem Jahr 2022 zusätzlich von der EU mit Forschungsmitteln in Höhe von 1,5 Millionen Euro gefördert. Ziel ist die Entwicklung einer neuen Klasse chiraler organischer Halbleiter für Anwendungen der nächsten Generation der organischen Elektronik. Der Wilhelm H. Ruchti-Preis Benannt wurde der Preis nach Wilhelm H. Ruchti, Gründer der gleichnamigen Stiftung. Die Stiftung vergibt den Preis auch. Ruchti war ein Würzburger Unternehmer, der seiner Stadt und besonders auch ihrer Universität zeitlebens sehr verbunden war. Der Preis ist für die Förde- rung promovierter Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler vorgesehen und wur- de seit Gründung der Stiftung im Jahr 2005 viermal vergeben. Prince Ravat ist nun der fünfte Preisträger. Zukünftig wird der Preis thematisch alternierend an Forschende der Natur- und Lebenswissen- schaften sowie den Sozial- und Geisteswissenschaften verliehen. Letztere sind in diesem Jahr an der Reihe. einBLICK vom 7. März 2023 Seite 14
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 Weblinks Arbeitsgruppe Ravat an der JMU: https://www.chemie.uni-wuerzburg.de/oc/dr-p-ravat/startseite/ Wilhelm H. Ruchti-Stiftung: http://www.ruchti-stiftung.de/home.htm Kontakt Dr. Prince Ravat, Institut für Organische Chemie, Universität Würzburg, T: +49 931 31 81583, princekumar.ravat@uni-wuerzburg.de Stanislaus Kruschinski aus der englischen Sprachwissenschaft ist einer der zwei Studenten, die für ihre KI-Ab- schlussarbeiten ausgezeichnet wurden. (Foto: Robert Emmerich / Universität Würzburg) Ausgezeichnete KI-Arbeiten Die Studenten Simon Hentschel (Informatik) und Stanislaus Kruschinski (Anglistik) sind für ihre Abschlussarbeiten ausgezeichnet worden. Beide haben sich mit Künstlicher Intelligenz befasst. Neueste Übersetzungsprogramme, die mit Künstlicher Intelligenz arbeiten, könnten bei bestimmten Sprachfeinheiten deutlich besser sein. Das zeigt Stanislaus Kruschinski in seiner Masterarbeit. Angefertigt hat er sie in der englischen Sprachwissenschaft der Julius-Maximili- ans-Universität (JMU) Würzburg. Für die Arbeit wurde der junge Wissenschaftler mit einem Preis ausgezeichnet, den die Vogel Stiftung Dr. Eckernkamp (Würzburg) jedes Jahr vergibt. Die Auszeichnung geht an herausra- gende studentische Abschlussarbeiten, die sich mit den Themen Künstliche Intelligenz und Digitalisierung befassen. Preiswürdige Arbeiten werden der Stiftung vom JMU Center for Artifi- cial Intelligence and Data Science (CAIDAS) vorgeschlagen. einBLICK vom 7. März 2023 Seite 15
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 Geisteswissenschaften tragen zu KI-Forschung bei Über den mit 1.000 Euro dotierten Preis freut sich Stanislaus Kruschinski sehr. „Ich hof- fe, dass meine Arbeit langfristig dazu beitragen kann, Übersetzungsalgorithmen weiter zu verbessern“, sagt er. An dieser Thematik will der gebürtige Bad Kissinger weiterforschen: Er strebt eine Doktorarbeit an der JMU an. Stolz sind auch Dr. Ninja Schulz und Professorin Carolin Biewer, die Erst- und die Zweitbetreu- erin der preisgekrönten Masterarbeit. „Uns aus dem Fachbereich Anglistik/Amerikanistik hat die Auszeichnung besonders gefreut, weil sie zeigt, dass die Geisteswissenschaften etwas zur KI-Forschung beitragen können und dass unser Masterstudiengang English Speaking Cultures eine solche interdisziplinäre Forschung ermöglicht.“ Worum es in der Masterarbeit ging Diskursmarker: So heißen die Sprachfeinheiten, bei denen KI-basierte Übersetzungsprogram- me noch besser werden könnten. Stanislaus Kruschinski erklärt: „Wenn man sich einen Satz wie eine Straße vorstellt und einen Text wie ein Straßennetz, dann sind Diskursmarker wie Schilder, die den richtigen Weg weisen.“ Im Deutschen sei zum Beispiel das Wort „aber“ ein Diskursmarker: Zwischen zwei Sätzen gesprochen, kündigt es den Zuhörenden eine Einschränkung oder einen Gegensatz zum vorher Gesagten an. Es zeigt gewissermaßen an, in welche Richtung sich der Text weiter- entwickelt. Kruschinski hat untersucht, wie die auf neuronalen Netzen basierenden Programme von Google und DeepL mit fünf englischen Diskursmarkern umgehen: but, so, well, you know und I mean. Dazu verwendete er einen Textkorpus von mehr als 700 Debatten von US-amerikani- schen Präsidentschaftskandidaten der späten 1990er-Jahre bis 2016. Aus den Reden wählte er 155 beispielhafte Sequenzen aus und ließ sie ins Deutsche übersetzen. Seine Analyse zeigt: „Auch neuere Algorithmen haben Probleme, Diskursmarker adäquat zu übersetzen“, erklärt der Sprachwissenschaftler. „Oberflächlich gelesen, klingen die Ergebnis- se zwar wie gutes Deutsch. Aber beim genaueren Hinsehen findet man Fehler.“ Beispielswei- se beim Diskursmarker „you know“. Der werde immer richtig übersetzt, wenn er am Anfang eines Satzes steht. Findet er sich aber am Satzende oder an einer ungewöhnlichen Position in der Satzmitte, hapert es mit der Übersetzung. Es kommt auch vor, dass Diskursmarker gar nicht übersetzt werden. Der Sinn eines Textes gehe dadurch in der Regel zwar nicht verloren, erklärt Kruschinski. Aber in der Übersetzung fehle dann eine wichtige textliche Interpretationsebene – besonders wenn man davon aus- geht, dass Diskursmarker in Reden oder Texten sehr bewusst gesetzt werden. Stanislaus Kruschinski hat seine Masterarbeit mit dem Titel „A Study on the Ability of Neural- Based Machine Translation Systems to Handle Discourse Markers“ im August 2022 abge- schlossen. Den CAIDAS-Preis bekam er Ende 2022 bei einer Feier am Institut für Informatik verliehen. einBLICK vom 7. März 2023 Seite 16
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 Neuronales Netz CLIP bewertet Bildästhetik Zusammen mit Stanislaus Kruschinski wurde JMU-Student Simon Hentschel geehrt. Er erhielt den ebenfalls mit 1.000 Euro dotierten CAIDAS-Preis für die beste Bachelorarbeit des Jahres. Sein Thema: „Image Aesthetics Assessment using Contrastive Language-Image Pre-training“. Betreuer der Arbeit am Institut für Informatik waren Konstantin Kobs und Professor Andreas Hotho. Simon Hentschel hat sich mit dem neuronalen Netz CLIP befasst, das von OpenAI entwickelt und veröffentlicht wurde, dem Unternehmen hinter ChatGPT. CLIP wurde mit einer großen Menge von Bildern und dazugehörigen Beschreibungstexten trainiert, sodass passende Bilder und Texte einen höheren „Kompatibilitätsscore“ haben als Bild-Text-Paare, die nicht zusam- menpassen. So kann CLIP die Inhalte von Bildern klassifizieren: Es schätzt ein Hundebild zum Text „Ein Bild eines Hundes“ kompatibler ein als zum Text „Ein Bild einer Katze“. Kann CLIP auch für die Einschätzung der Bildästhetik verwendet werden? Das hat Simon Hentschel untersucht. Ist ein Bild schön? Ist ein Bild schöner als ein anderes? Diese Aufgabe zielt nicht nur auf den Inhalt ab, sondern auch auf den Stil, das Licht und die Komposition von Bildern. Dazu stellte der JMU-Student verschiedene, teils selbst entwickelte Methoden gegenüber. Er zeigte, dass CLIP auch ohne Extra-Training für diese Aufgabe geeignet ist. Eine erweiterte Version seiner Bachelorarbeit wurde im Journal „Frontiers in Artificial Intelligence“ veröffentlicht. Motivation der Vogel Stiftung Die Vogel Stiftung Dr. Eckernkamp (Würzburg) vergibt jedes Jahr zwei CAIDAS-Preise an die JMU – jeweils für die beste Bachelor- und für die beste Masterarbeit, die sich mit Themen der Künstlichen Intelligenz und Digitalisierung befassen. „Wir möchten damit exzellente Nachwuchsforscherinnen und Nachwuchsforscher zu wei- teren Arbeiten auf diesen Gebieten motivieren“, sagt Stiftungsvorstand Dr. Gunter Schunk. Außerdem will die Stiftung die Etablierung des CAIDAS unterstützen. Die JMU baut dieses Forschungszentrum seit 2019 auf; finanziell gefördert wird es in der Hightech Agenda des Freistaats Bayern. Webseite CAIDAS: https://www.uni-wuerzburg.de/caidas/home/ einBLICK vom 7. März 2023 Seite 17
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 Bita Massih ist mit ihrem Beitrag nun für das europäische Finale in Köln nominiert. Mit ihr im Bild sind Stephan Schröder-Köhne (li.) und Matthias Bode, Vizepräsident für Innovation und Wissenstransfer an der JMU. (Bild: There- sa König / Uni Würzburg) Drei Minuten Neurobiologie Im Wettbewerb „3 Minute Thesis“ (3MT) stellen Promovierende ihre Doktorarbeit im Kurzfor- mat vor. An der Universität Würzburg tat das Bita Massih aus der Klinischen Neurobiologie besonders erfolgreich. „Es gehört zu den Kernkompetenzen von Forschenden, ihre Arbeit auch Nicht-Spezialisten und der Öffentlichkeit in kompakter Form erklären zu können“, sagt Stephan Schröder-Köhne. An der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) leitet das Büro der Graduiertenschulen und organisiert den lokalen 3MT-Entscheid. Nach Corona-bedingter Pause fand dieser am 24. Februar wieder im Gebäude der Graduier- tenschulen am Campus Hubland Nord statt. Siegerin forscht zu humanen Zellkulturen Motoneuronen sind die Nervenzellen, die die Kommunikation zwischen Gehirn und Rücken- mark und der Muskulatur im Körper bewerkstelligen. Ohne Motoneurone kein Gehen, kein Stehen und auch kein Atmen. In ihrer Doktorarbeit entwickelte Bita Massih ein Zellkulturmo- dell, bei dem sie menschliche Stammzellen in einer Zellkulturschale dazu brachte, sowohl Motoneuronen als auch Muskelgewebe auszubilden, und zwar so – und das ist das entschei- dende – dass diese Zellen funktionale Verbindungen miteinander eingingen. Solche Systeme aus menschlichen Zellen sind notwendig, wenn man Erkrankungen von Motoneuronen besser verstehen möchte. Eine solche Krankheit ist Amyotrophe Lateralsklero- se (ALS). Bita Massih gelang es, Motoneuronen von ALS-Patienten zu kultivieren. In Zukunft sollen solche Systeme auch als Testsystem zur Erforschung neuer Medikamente dienen. einBLICK vom 7. März 2023 Seite 18
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 Die sechs Teilnehmerinnen gemeinsam mit Esther Knemeyer (3.v.l.), Pressesprecherin der JMU, daneben Stephan Schröder-Köhne und Professor Matthias Bode. (Bild: Theresa König / Uni Würzburg) Fünf von sechs Beiträgen aus den Lebenswissenschaften Neben Bita Massih nahmen noch fünf weitere Doktorandinnen teil. Die Tatsache, dass fünf der sechs Beiträge aus den Lebenswissenschaften kamen, spiegle den Trend aller teilneh- menden Universitäten wider, so Schröder-Köhne. Andere Forschungsbereiche seien aber herzlich eingeladen, sich ebenfalls zu beteiligen. Er betont außerdem, dass sich das Angebot nicht auf die Graduiertenschulen beschränke, sondern die Teilnahme allen Promovierenden der JMU offenstehe. Die Teilnehmerinnen • Bita Massih, Klinische Neurobiologie: “Move on: A human neuro-muscular co-culture” • Sanjana Matthew-Schmitt, TERM: “Can the blood-brain barrier be replicated in-vitro?“ • Pia van gen Hassend, RVZ; Struktur und Funktion von Proteinen: “What does a protein look like? - Meet Armc8β!“ • Paula Weber, Exp. Physik II: “What does a magnet look like on the surface?” • Yuanjie Wei, HIRI: “The hidden hand: How host factor promotes viral synthesis” • Paula Castañeda, Biozentrum; Zell- und Entwicklungsbiologie: “Mind your cap!” Zum Wettbewerb 3MT Universitäten in 85 Ländern weltweit beteiligen sich jährlich am Wettbewerb „3 Minute Thesis” (3MT). An der Uni Würzburg läuft 3MT dabei im Rahmen eines europäischen Wett- bewerbs, der von der Coimbra-Gruppe organisiert wird – dahinter steht ein Netzwerk aus 41 Universitäten, dem auch die JMU angehört. einBLICK vom 7. März 2023 Seite 19
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 Der Beitrag der Siegerin ist nun für das europäische Finale von 3MT an der Universität Köln nominiert. Die Auswahl der drei Finalbeiträge liegt in den Händen der Coimbra-Gruppe. Kontakt Dr. Stephan Schröder-Köhne, University of Würzburg Graduate School, schroeder-koehne@uni-wuerzburg.de, T: +49 931 31 86068 Geht Wissenschaft in 280 Zeichen? „Wege aus dem Elfenbeinturm. Geschichtswissenschaft in den Sozialen Medien“: Unter die- ser Überschrift steht eine Tagung, die vom 23. bis 25. März an der Uni Würzburg stattfindet. Zur Teilnahme eingeladen sind alle Interessierten. „Wissensvermittlung auf Social Media. In 90 Sekunden Hundertausende erreichen“ – „Geschichte(n) auf Twit- ter. Historische Akkuratesse in 280 Zeichen?“ – „Klick für Grips. Warum digitale Bildungsformate immer be- liebter werden.“ So lauten die Titel dreier Vorträge aus dem Programm der Tagung „Wege aus dem Elfenbein- turm“ an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Diese stellt für die Geschichtswissenschaft die Frage, wie eine gelungene Wissenschaftskommunikati- on in den Sozialen Medien aussehen könnte. Tatsächlich sieht es in der Geschichtswissenschaft bisweilen so aus, als prallten in diesem Fall zwei Welten aufeinander: Auf der einen Seite eine Wissenschaftskultur, die Wert auf Differenzierung und historische Kontextualisierung legt. Auf der anderen Seite eine öffentliche Geschichtskultur, die in erster Linie auf Aufmerksamkeit und Anwendbarkeit setzt. Jugendliche sind von Sozialen Medien geprägt Klar ist allerdings, dass die Vorstellungs- und Wissenswelten heutiger Heranwachsender von Massenmedien – insbesondere von den Sozialen Medien – geprägt sind. Womit sich die Frage stellt, ob es nicht auch für die Geschichtswissenschaft eine wichtige und lohnende Aufgabe wäre, ihre Forschungsergebnisse und Forschungsmethoden über diese Medien zu verbreiten. Kanäle wie Instagram und TikTok neigen zwar zur Simplifizierung, doch ist dies per se ein Kriterium, das gute Wissenschaftskommunikation ausschließt? Immerhin bieten Soziale Medien die Chance, wissenschaftliche Forschung und öffentliche Ge- schichtskultur einander wieder näher zu bringen und damit vielleicht zu einem wissenschafts- affineren Geschichtsverständnis beizutragen. einBLICK vom 7. März 2023 Seite 20
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 Expertinnen und Experten aus der Geschichtsdidaktik sowie praktische Geschichtsvermittler auf Social Media wollen diese und viele weitere Fragen im Rahmen der Tagung „Wege aus dem Elfenbeinturm“ erläutern und mit den Teilnehmern diskutieren. Anmeldung erforderlich Die Tagung findet vom 23. bis 25. März 2023 im Zentralen Hörsaal- und Seminargebäude (ZHSG) der Universität Würzburg auf dem Campus Hubland Süd statt. Die Teilnahme ist kos- tenlos, eine Anmeldung bis spätestens 15. März 2023 ist erforderlich: elfenbeinturm@uni-wuerzburg.de Organisiert wird die Tagung vom Lehrstuhl für Neueste Geschichte der JMU unter der Leitung von Dr. Dr. Benjamin Hasselhorn. Sie ist Teil des Projekts „Wege aus dem Elfenbeinturm. Ge- schichtswissenschaft in den Sozialen Medien“, das von der Stiftung Innovation in der Hoch- schullehre gefördert wird. Das Projektteam ist selbst gerade mit eigenen Kanälen zur Wissenschaftskommunikation an den Start gegangen: Auf Instagram, YouTube, Twitter, Facebook und TikTok werden Ge- schichtsirrtümer aufgeklärt, Unerwartetes und Kontroverses aus der Forschung vorgestellt – und praktische Tipps für ein gelungenes Geschichtsstudium gegeben. Mehr Informationen zur Tagung und zu dem Projekt gibt es hier: https://www.geschichte.uni-wuerzburg.de/institut/neueste-geschichte/wegis-projekt/ Die Projektkanäle sind unter https://direct.me/exitelfenbeinturm zu finden. Kontakt Dr. Dr. Benjamin Hasselhorn, Lehrstuhl für Neueste Geschichte, T: +49 931 31-80922, elfenbeinturm@uni-wuerzburg.de einBLICK vom 7. März 2023 Seite 21
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 „Kein Tag ist wie der andere – das ist manchmal stressig, aber fast immer spannend“: Das ist es, was Frank Müller an seinem Job beim BR so gefällt. (Foto: BR/Lisa Hinder) Von Würzburg in die Welt Alumnus Frank Müller hat an der Universität Würzburg Germanistik und Amerikanistik studiert. Heute leitet er die Regionalredaktion Mainfranken des Bayerischen Rundfunks und managt den Wandel, dem sich die Medien unterziehen. Was arbeiten Absolventinnen und Absolventen der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU)? Um Studierenden verschiedene Perspektiven vorzustellen, hat Michaela Thiel, Ge- schäftsführerin des zentralen Alumni-Netzwerks, ausgewählte Ehemalige befragt. Diesmal ist Frank Müller an der Reihe. „In Oberfranken geboren, über Mittelfranken und die Oberpfalz nach Unterfranken direkt ins BR-Studio Würzburg, als Redakteur und u.a. Moderator der regionalZeit auf Bayern 2 für Franken und die Oberpfalz“, beschreibt Müller auf der Homepage des BR seinen Lebensweg, um dann einzuschränken: „Nein, ganz so schnell ging‘s dann doch nicht.“ Heute ist er Redak- tionsleiter von BR Mainfranken im BR-Studio Würzburg. Herr Müller, wie würden Sie einem Laien Ihren Job beschreiben? Als Leiter einer Regionalre- daktion im Bayerischen Rundfunk ist man vieles: Journalist, Personalplaner, Changemanager, Repräsentant und an einigen Tagen auch Hausmeister der Redaktion. Was kennzeichnet Ihre Redaktion maßgeblich? Als Regionalredaktion sind wir innerhalb des Bayerischen Rundfunks zuständig für die Berichterstattung aus Unterfranken – das heißt, wir sind nah dran an den Menschen in der Region und ihren Themen. Entsprechend breit ist das Spektrum von der Hochkultur, wie etwa dem Kissinger Sommer oder dem Würzburger Mozart- fest, über Umweltthemen, wie etwa die Trockenheit und sinkende Grundwasserspiegel, bis zur Unterhaltung, wie etwa unserer quotenstärksten Sendung im BR Fernsehen – der Fastnacht in Franken. einBLICK vom 7. März 2023 Seite 22
einBLICK Online-Magazin der Universität Würzburg Ausgabe 9 – 7. März 2023 Die Redaktion macht also nicht nur Radio? Nein, wir berichten auf allen Ausspielwegen, also sowohl linear in Fernsehen und Hörfunk als auch digital, beispielsweise auf BR24 Mainfran- ken. Dementsprechend ist ein großer Teil meines Arbeitsalltag von redaktionellen Prozessen und journalistischen Entscheidungen bestimmt. Gleichzeitig befindet sich der Bayerische Rundfunk wie die gesamte Medienwelt in einem massiven Wandel. Das sieht man auch in unserem Arbeitsalltag: sowohl was die Technik und Ausspielplattformen betrifft als auch mit Blick auf die Berufsbilder und Redaktionsrollen. Das gilt für unsere Reporterinnen und Repor- ter genauso wie für mich als Redaktionsleiter. Inwiefern beeinflusst dies ihren Arbeitsalltag? Während wir früher entweder fürs Fernsehen, den Hörfunk oder – im damals noch kleinen – Onlinebereich gearbeitet haben, sind wir jetzt multimedial und contentzentriert ausgerichtet. Entsprechend ist ein wichtiger Aspekt meiner Arbeit das Change-Management, das sowohl die Redaktionsstruktur als auch die Redakti- onskultur betrifft. Für Behörden und Institutionen in Mainfranken sind wir darüber hinaus die regionalen Ansprechpartner des Bayerischen Rundfunks. Was lieben Sie besonders an Ihrer Arbeit? Definitiv die Vielschichtigkeit in unserem Job – auch wenn sie je nach Rolle unterschiedlich ausgeprägt ist. Als Reporter fand ich es schon immer aufregend, über meinen Beruf ganz unterschiedliche Themen und Menschen kennen- zulernen. Das konnten am einen Tag Breaking News, wie etwa das Axtattentat im Regionalex- press zwischen Ochsenfurt und Würzburg sein, und am nächsten Tag das Stundenfeature über Einkaufszentren in Deutschland und ihre Auswirkungen auf Innenstädte. Kein Tag ist wie der andere – das ist manchmal stressig, aber fast immer spannend. Denn hinter jedem Thema stecken interessante Menschen. Als Reporter sind Sie heute vermutlich nicht mehr viel unterwegs? Nein, als Redaktionsleiter ist dieser direkte Kontakt mit Ausnahme der Wochen, die ich auf Bayern 2 moderiere, weniger geworden. Dennoch sind die Aufgaben jeden Tag anders: Wie entwickeln wir die Redaktion weiter? Welche Fähigkeiten benötigen unsere Journalistinnen und Journalisten jetzt und in den kommenden Jahren? Wie vernetzen wir Themen zwischen der Region und der Zentrale in München? Das sind nur einige der vielen unterschiedlichen Fragen. In der letzten Zeit wird das Thema „Medien als vierte Gewalt“ stärker beleuchtet. Wie ist Ihre Meinung hierzu? Mit dem Begriff der „Vierten Gewalt“ tue ich mich eher schwer – es gibt die drei Gewalten in einer Demokratie und das ist gut so. Was es aber sicher braucht, ist eine von äußeren, politischen und wirtschaftlichen Zwängen unabhängige Medienlandschaft. Aktuell ist das gesellschaftliche Arbeitsumfeld für Journalistinnen und Journalisten deutlich schwieriger als in der Vergangenheit. Nicht zuletzt durch die sozialen Netzwerke sind immer mehr Menschen in eigenen Filterblasen unterwegs – die Polarisierung der Gesellschaft steigt. Das hat sich bereits vor der Pandemie abgezeichnet und ist durch sie nochmal beschleunigt worden. Als Folge wird es immer schwerer mit einigen Gruppen ins Gespräch zu kommen, das Misstrauen gegenüber dem vermeintlichen „Staatsfunk“ und der „Lügenpresse“ ist hoch. Was können die Medien dagegen tun? Aus meiner Sicht ist es deshalb wichtig, seriös zu be- richten und nicht Meinung zu machen. Das bedeutet nicht, dass kritischer Journalismus keine Haltung haben sollte. Als öffentlich-rechtlicher Sender sind unser Auftrag und unsere Aufga- ben im Gesetz klar verankert und wir sichern mit unseren vielen, unterschiedlichen Inhalten eine freie Meinungsbildung – unabhängig von wirtschaftlichen oder politischen Machtverhält- einBLICK vom 7. März 2023 Seite 23
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