DICE POLICY BRIEF - Heinrich-Heine-Universität

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DICE POLICY BRIEF - Heinrich-Heine-Universität
Düsseldorfer Institut
                                   für Wettbewerbsökonomie
März 2018 | Ausgabe 12

DICE POLICY BRIEF

   		 IN DIESER AUSGABE

   3    Wettbewerb auf Plattform-Märkten
   5    Arbeitsplatzeffekte der Automatisierung
        Effizienz städtischer Abfallentsorgungsbetriebe
                                                                        Foto: Matthew Richardson / Alamy Stock Foto

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   9    Bestpreisklauseln von Hotelbuchungsportalen
   12   Glücklose Glücksspielregulierung

                                                      www.dice.hhu.de
                                                                                                                      1
DICE POLICY BRIEF - Heinrich-Heine-Universität
EDITORIAL                                                                                                                                                                                                                                   THEMA

    Megatrend
    Digitalisierung
                                                                                                                  Wettbewerb und Kartellrecht
                                                                                                                  auf Plattform-Märkten
    Sehr geehrte Damen und Herren,

    die Digitalisierung ist ein globaler Megatrend, der einen                                                     Diktieren uns die Internet-Giganten bald die Regeln unseres Zusammenlebens? Werden Wett-
    gewaltigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wan-
                                                                                                                  bewerb und Marktwirtschaft durch eine neue Form des Kapitalismus ersetzt, nämlich durch die des
    del bewirkt. Folgerichtig beschäftigen sich auch zahlreiche
    Wissenschaftler am DICE mit den Auswirkungen von Digi-                                                        „Plattform-Kapitalismus“? Droht eine Monopolisierung großer Teile der Wirtschaft? Diese und ähnli-
    talisierung und Automatisierung und dem resultierenden
                                                                                                                  che Befürchtungen treiben derzeit viele Politikerinnen und Politiker um. Das schnelle Wachstum und
    wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf. Einen Teil unserer
    Forschungsergebnisse präsentieren wir Ihnen im vorliegenden                                                   vor allem die enorme Marktkapitalisierung der sog. GAFA-Gruppe (Google, Amazon, Facebook, Apple)
    DICE Policy Brief Nr. 12.
                                                                                                                  ist vielen nicht ganz geheuer. Und in der Tat ist die Frage berechtigt: Ist die Marktkapitalisierung dieser
    Jens Südekum und Nicole Wößner berichten über ihre For-                                                       Unternehmen vielleicht so hoch, weil die Anleger bald mit dauerhaften Monopolrenditen rechnen?
    schung zur Thema Industrieroboter. Wie sie belegen, haben
    Industrieroboter in Deutschland insgesamt betrachtet nicht
    zu einem Verlust an Arbeitsplätzen geführt, wohl aber die
    Lohnspreizung beeinflusst. Seine Forschungsergebnisse
    zum unter Wettbewerbsexperten heiß diskutierten Thema                                                         In der Tat können Plattformen wie Google, Facebook, Ama-                damit irgendwann eine maximale Größe erreicht und auch das
    Bestpreisklauseln bei Hotelbuchungsplattformen wie HRS                                                        zon & Co. erhebliche Marktanteile auf sich vereinen. Google ist         Einzugsgebiet hatte durch Reisezeiten seine natürlichen Gren-
    stellt Mathias Hunold vor. Susanne Thorwarth und ich be-                                                      die dominante Suchmaschine, Facebook das mit Abstand größ-              zen. Beides ist im Internet anders: Physische Kapazitätsgren-
    richten über unsere Studie zur Effektivität der Regulierung                                                   te soziale Netzwerk und Amazon dominiert den Online-Handel              zen sind irrelevant und Reisezeiten gibt es bei Amazon und
    von Glücksspiel und Sportwetten in Deutschland, die ange-                                                     in den USA und Europa. Wie kommt es dazu? Kern einer Platt-             eBay nicht. Wenn nun aber jeder Händler bei Amazon gelistet
    sichts der zahlreichen Möglichkeiten zum Online-Glücksspiel                                                   form sind sogenannte indirekte Netzeffekte. Von Netzeffekten            sein will und dann jeder Kunde weiß, dass er dort alles be-
                                                                      IMPRESSUM
    mittlerweile komplett ins Leere läuft. Zudem finden Sie einen                                                 sprechen Ökonomen, wenn der Nutzen eines Produktes davon                kommt, wird Amazon dann zum einzigen Internet-Kaufhaus?
    Beitrag aus meiner Feder zum kartellrechtlichen Umgang mit        Herausgeber                                 abhängt, wie viele andere Nutzer dasselbe Produkt auch benut-           Nicht zwangsläufig, denn neben den konzentrationsfördernden
    Online-Plattformen.                                               Düsseldorfer Institut für                   zen. Das inzwischen klassische Beispiel ist das Telefon: Je mehr        Netzeffekten ist es im Internet sowohl für Händler als auch für
                                                                      Wettbewerbsökonomie (DICE)                  andere Leute ein Telefon besitzen, desto nutzbringender ist ein         Käufer viel einfacher, sich auf mehreren Plattformen zu tum-
                                                                      Heinriche-Heine-Universität Düsseldorf
    Digitalisierung ist aber nicht alles: Ganz analog erfolgt immer                                               eigener Telefonanschluss. Ähnlich ist es heute bei sozialen Netzen      meln. Ein zweiter und auch dritter Internetshop (etwa bei eBay
                                                                      Universitätsstr. 1, 40225 Düsseldorf
    noch die Müllabfuhr und auch die Müllverbrennung. Mit der         Tel +49 211 81-15009
                                                                                                                  wie Facebook oder Kommunikationsnetzen wie Skype. Je mehr               oder verlinkt durch Google Shopping) ist schnell eröffnet und
    Effizienz kommunaler und privater Anbieter in diesen Berei-       Fax +49 211 81-15499                        Menschen dem Netz angeschlossen sind, desto nutzenstiftender            für Käufer ist ein Vergleich – auch durch Preisvergleichsportale
    chen hat sich Maria Friese empirisch auseinandergesetzt. Ihre     policy.brief@dice.hhu.de                    ist es auch für mich. Neben diesen sehr direkten Netzeffekten           – ohnehin leicht. Ökonomen nennen das neudeutsch „Multiho-
    Forschungsergebnisse geben Anlass zu Warnung vor einem            www.dice.hhu.de                             gibt es auch indirekte Netzeffekte. Ein gutes Beispiel ist eBay.        ming“. Je einfacher dies ist, desto leichter können beide einem
    allzu großen Optimismus bei Rekommunalisierungen in die-                                                      Als Verkäufer profitiere ich zwar nicht direkt, wenn es auch mehr       etwaigen Monopolisten entkommen. Pauschal lässt sich also
                                                                      Direktor
    sem Sektor.                                                                                                   andere Verkäufer gibt – im Gegenteil, ich hätte sogar gern weniger      nicht sagen, wie hoch die Monopolisierungsgefahren sind.
                                                                      Prof. Dr. Justus Haucap
                                                                                                                  Konkurrenten. Indirekt profitiert jeder Verkäufer aber sehr wohl:
    Wie immer wünsche ich viel Spaß beim Lesen und verbleibe          Geschäftsführung                            Denn eine Vielfalt von Verkäufern zieht auch mehr Käufer an. Ein        Deutschland war mit der Kartellrechtsnovelle im letzten
    mit den besten Wünschen,                                          Dr. Michael Coenen                          Marktplatz mit vielen Käufern wiederum zieht auch viele Verkäu-         Jahr international ein Vorreiter, diese Faktoren mit in die ge-
                                                                                                                  fer an. Ein Spiraleffekt entsteht. Dasselbe Prinzip gilt auch für an-   setzlichen Bestimmungen zur Überprüfung von Marktmacht
                                                                      Redaktion
    Ihr                                                                                                           dere Plattformen wie MyTaxi, AirBnB, Youtube, HRS, MyHammer             aufzunehmen. In §18 Abs. 3a des Gesetzes gegen Wett-
                                                                      Prof. Dr. Justus Haucap (verantwortlich),
                                                                      Niklas Fourberg
                                                                                                                  etc. Taxifahrer legen sich eine App zu, wenn diese viele Kunden         bewerbsbeschränkungen heißt es nun: „Insbesondere bei mehr-
                                                                                                                  vermittelt, und Fahrgäste nutzen genau diese App, wenn viele            seitigen Märkten und Netzwerken sind bei der Bewertung der
                                                                      Gestaltung                                  Taxifahrer angeschlossen sind (und die Wartezeiten somit kurz).         Marktstellung eines Unternehmens auch zu berücksichtigen:
                                                                      Kathrin Strahl / Studio Strahl, Berlin                                                                              1. direkte und indirekte Netzwerkeffekte, 2. die parallele Nut-
    Prof. Dr. Justus Haucap                                                                                       Das Phänomen der indirekten Netzeffekte ist keineswegs                  zung mehrerer Dienste und der Wechselaufwand für die Nutzer
                                                                      Druck
    Direktor Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie                                                        neu. Flohmärkte, Einkaufszentren, Börsen, Funkzentralen,                (…)“. Hinzu kommt, dass durch die Europäische Datenschutz-
                                                                      Druckstudio Gruppe, Düsseldorf
                                                                                                                  Zimmervermittlungen uvm. waren immer schon Plattformen.                 grundverordnung Privatpersonen nun ein Recht auf Portierung
                                                                      Stand                                       Gleichwohl gibt es einen bedeutenden Unterschied. In einem              „ihrer“ Daten haben, was das Wechseln von Plattformen und
                                                                      März 2018                                   Einkaufszentrum war sowohl physisch der Platz begrenzt und              das „Multihoming“ tendenziell erleichtern sollte.

2                                                                                                                                                                                                                                                            3
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THEMA                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  THEMA

      Reinhard-und-Emmi-Heynen-Preis für Jens Südekum                                                                                                                   Die Roboter kommen –
                                                                                  Im Rahmen der Jahresveranstaltung der Gesellschaft von
                                                                                  Freunden und Förderern der Heinrich-Heine-Universität
                                                                                                                                                                        Effekte der Automatisierung
                                                                                                                                                                        im deutschen Arbeitsmarkt
                                                                                  Düsseldorf am 16 November 20017 wurde traditionsgemäß
                                                                                  der Reinhard-und-Emmi-Heynen-Preis verliehen. Der mit
                                                                                  12.500 Euro dotierte Wissenschaftspreis wurde zu gleichen
                                                                                  Teilen an Professor Dr. Stefan Süß sowie Professor Dr. Jens
                                                                                  Südekum vergeben. Der Reinhard-und-Emmi-Heynen-Preis
                                                                                  zeichnet Professor Jens Südekums hervorragende Arbeiten
      Eduard H. Dörrenberg, Präsident der Gesellschaft von Freunden und           in seinem Forschungsfeld International Economics aus.                                 Unter den Schlagworten Industrie 4.0 und Künstliche Intelligenz grassieren zurzeit allerlei düstere
      Förderern der HHU (l.) und Anja Steinbeck, Rektorin der HHU (r.), mit den
      Preisträgern (v.l.): Günter Niegisch, Jens Südekum, Yvonne Stahl, Stefan
                                                                                                                                                                        Vorhersagen, wonach mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze demnächst durch Maschinen ersetzt
      Süß und Andreas Menzel.                                                                                                                                           wird. Führt die zunehmende Automatisierung tatsächlich zu einer Welle von technologischer
                                                                                                                                                                        Arbeitslosigkeit? In einer aktuellen Studie analysieren Forscher des DICE erstmals die Arbeits-
    Die Kartellrechtsnovelle aus dem letzten Jahr hat zudem zwei                  lich das vielerorts vorhandene Monopol der Taxi-Funkzentralen                         markteffekte von Industrierobotern in Deutschland zwischen 1994 und 2014.
    weitere Defizite behoben. Zum einen findet das Kartellrecht nun               aufgebrochen worden, die oftmals gerade kleine Taxiunterneh-
    auch auf Märkte Anwendung, bei denen nicht mit Geld bezahlt                   men benachteiligen. Und durch Amazon, eBay, Zalando und
    wird, wie etwa bei Facebook oder Google. Zum anderen findet                   Preisvergleichsportale wie idealo.de hat sich der Wettbewerb
    die Fusionskontrolle nun schon Anwendung, wenn Unternehmen                    im Handel nochmals intensiviert. Ein übermäßiges Ausbrem-
    zwar noch keine oder nur geringe Umsätze erwirtschaften, aber                 sen der Internet-Plattformen könnte somit auch unbeabsich-                            Die Angst vor einer bevorstehenden Welle der technologi-              Abbildung 1 zeigt deutlich, dass Industrieroboter in Deutschland
    dennoch bereits einen Wert besitzen – nämlich von über 400 Mil-               tigt den Wettbewerb in den betroffenen Wirtschaftszweigen                             schen Arbeitslosigkeit ist eine der beherrschenden ökonomi-           viel stärker verbreitet sind als in den USA oder in anderen indus-
    lionen Euro. Bisher war es dem Kartellamt nicht möglich, solche               bremsen, dies gilt es natürlich zu vermeiden.                                         schen Themen unserer Zeit. Eine gängige und weit verbrei-             trialisierten Ländern. Im Jahr 1994 waren in Deutschland rund
    Übernahmen zu überprüfen. Gleichwohl dürfte der Schwellenwert                                                                                                       tete These lautet, dass Produktionsprozesse, insbesondere             zwei Industrieroboter pro tausend Beschäftigten installiert. Das
    von 400 Millionen Euro viel zu hoch sein – in den USA etwa greift             In manchen Bereichen haben wir zudem heute schon eher eine                            im Verarbeitenden Gewerbe, mit der Digitalisierung und dem            waren fast doppelt so viele wie im europäischen Durchschnitt
    die Fusionskontrolle schon bei einem Transaktionswert von 80                  zu strikte Kartellrechtsanwendung. So sind etwa viele Herstel-                        Voranschreiten künstlicher Intelligenz immer stärker automa-          und rund viermal so viele wie in den USA. Die Installations-
    Millionen US-Dollar, also deutlich früher als in Deutschland.                 ler namhafter Produkte inzwischen durchaus bereit, dem sta-                           tisiert werden. In vielen Bereichen wird demnach menschli-            zahlen haben sich in Deutschland über die Zeit beinahe ver-
                                                                                  tionären Handel preislich entgegenzukommen, um besser in                              che Arbeitskraft durch intelligente Maschinen – zum Beispiel          vierfacht, so dass heute 7,6 Roboter auf tausend Beschäftigte
    Der Koalitionsvertrag sieht nun eine erneute Überprüfung des                  der Konkurrenz mit Internet-Händlern bestehen zu können. Die                          Roboter – ersetzt. Ob dies jedoch tatsächlich geschieht, ist          kommen. Trotz dieser enormen Verbreitung ist Deutschland
    Kartellrechts vor. „Wir brauchen eine Modernisierung des Kar-                 Hersteller wiederum sind zu diesen Extra-Rabatten gegenüber                           keine technische, sondern eine ökonomische Entscheidung,              aber immer noch eine der bedeutendsten Industrienationen der
    tellrechts in Bezug auf die Digitalisierung und Globalisierung                dem stationären Handel bereit, weil auch Hersteller oftmals                           die im Hinblick auf vorherrschende Preis- und Lohnniveaus             Welt mit einem außergewöhnlich hohen Beschäftigungsanteil
    der Wirtschaftswelt. Wir wollen das Wettbewerbsrecht für di-                  ein Interesse an der Präsenz des stationären Handels haben.                           getroffen wird. Die allgemeinen Gleichgewichtseffekte von             im Verarbeitenden Gewerbe (25 Prozent in 2014).
    gitale Geschäftsmodelle ergänzen,“ so heißt es dort. Konkret                  Das Bundeskartellamt untersagt diese Praxis der Sonderrabatte                         Robotern sind nicht eindeutig. Zwar können sie bei konstan-
    sollen Verfahren beschleunigt werden und insbesondere soll                    bisher jedoch regelmäßig und verlangt – unabhängig von einer                          ten Preisen und Löhnen menschliche Arbeit unmittelbar er-
    ein vorläufiges Einschreiten schon vor Verfahrensabschluss                    etwaigen Marktbeherrschung – von den Herstellern, dass sie                            setzen. Aber die daraus resultierenden Kosteneinsparungen

                                                                                                                                                                                                                                           Roboter pro tausend Beschäftigte
    erleichtert werden, „damit irreparable Schäden für den Wett-                  Online-Händlern prinzipiell dieselben Rabatte einräumen wie                           und Preissenkungen führen wiederum zu einem Anstieg der                                               8
    bewerb wirksam verhindert werden.“ Vor allem soll die kartell-                dem stationären Handel. So besteht die Gefahr, dass das Ver-                          Güternachfrage und somit zu zusätzlichem Arbeitskräftebe-
    rechtliche Aufsicht „im Hinblick auf Missbräuche von Plattfor-                schwinden des stationären Handels durch die recht enge Kar-                           darf. Außerdem können neue Tätigkeiten und Berufsfelder                                               6
    munternehmen“ weiterentwickelt werden.                                        tellrechtsauslegung des Amtes noch einmal befeuert wird und                           für die Menschen entstehen, die in der Industrieproduktion
                                                                                  letztlich – sollten immer weniger stationäre Händler überleben                        möglicherweise nicht mehr benötigt werden. Diese Spezia-                                              4
    Eine spannende Aufgabe ist es nun, Kriterien dafür zu finden,                 – der Wettbewerb sogar geschwächt wird.__ Prof. Dr. Justus Haucap                     lisierung auf neue und komplementäre Tätigkeiten hat auch
    in welchen Fällen ein solches „frühes Eingreifen“ sinnvoll ist.                                                                                                     in der Vergangenheit das Entstehen einer technologischen                                              2

    Wie kann eine drohende Monopolisierung eines Marktes er-                              DICE Publikation                                                              Arbeitslosigkeit stets verhindert. Ob Roboter also tatsächlich
                                                                                                                                                                                                                                                                              0
    kannt werden, bevor ein Unternehmen überhaupt eine markt-                                                                                                           Jobs vernichten, ist letztlich eine empirische Frage.                                                     1995            2000       2005   2010     2015
    beherrschende Stellung innehat, die in Deutschland ja schon ab                        Justus Haucap & Ulrich Heimeshoff (2018), „Ordnungspolitik in der
    einem Marktanteil von 40 Prozent vermutet wird? Zugleich ist                          digitalen Welt“, S. 79 – 132 in: J. Thieme & J. Haucap (Hrsg.), Wirtschaft-   Eine aktuelle DICE Studie untersucht den Einfluss von Industrie-                                            Deutschland          Europa     USA

    zu berücksichtigen, dass viele Plattformen auch gerade Treiber                        spolitik im Wandel: Ordnungsdefizite und Lösungsansätze, Schriften            robotern auf Löhne und Beschäftigung im deutschen Arbeits-
                                                                                          zu Ordnungsfragen der Wirtschaft 105, De Gruyter Oldenbourg: Berlin                                                                                 Abb. 1: Anzahl von Industrierobotern pro tausend Beschäftigten 1994 – 2014:
    des Wettbewerbs sind. Die bessere Vergleichbarkeit von Hotel-                                                                                                       markt zwischen 1994 und 2014. Grundlage der Analyse bildet ein
                                                                                                                                                                                                                                              Europa = Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Finnland, Schweden,
    preisen bei HRS, booking.com & Co. dürften den Wettbewerb                             Lisa Hamelmann & Justus Haucap (2016), „Wettbewerb und Kartell-
                                                                                                                                                                        Datensatz der International Federation of Robotics (IFR). Diese       Norwegen, Großbritannien. Eigene Berechnungen basierend auf Daten der
    in der Hotellerie ebenso befeuern wie neue Angebotsformen                             recht auf Online-Plattformmärkten“, ORDO: Jahrbuch für die Ordnung            Daten basieren auf Befragungen führender Roboterhersteller            International Federation of Robotics (IFR), des Instituts für Arbeitsmarkt und
    über Plattformen wie AirBnB. Durch Apps wie MyTaxi ist end-                           von Wirtschaft und Gesellschaft 67, 269 – 298.                                und decken mehr als 90 Prozent des Weltmarktes ab.                    Berufsforschung (IAB), EUKLEMS und des Bureau of Labor Statistics (BLS).

4                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   5
DICE POLICY BRIEF - Heinrich-Heine-Universität
THEMA                                                                                                                                                                                                                                                                   THEMA

                                                                                                                                                  Alles Müll? Die Produktivität
                                                                                                                                                  städtischer Entsorgungsbetriebe
    Im ersten Schritt wurde der Gesamteffekt von Robotern auf         Die Lohn- und Einkommenseffekte von Robotern unterscheiden                  Die Rekommunalisierung vieler Dienstleistungen ist im Trend, und so wird auch für die Abfallwirt-
    das lokale Beschäftigungswachstum untersucht. Im Gegen-           sich auf der individuellen Ebene stark nach dem Berufs- und Qua-            schaft inzwischen kontrovers diskutiert, inwieweit die Einbindung privater Akteure wünschens-
    satz zu einer vergleichbaren, von Acemoglu und Restrepo           lifikationsprofil der einzelnen Beschäftigten. Der steigende Ro-
    2016 publizierten Studie für die USA finden die Forscher des      botereinsatz führt zu beträchtlichen Einkommensgewinnen bei                 wert ist. Zugleich wird aber auch Kritik an der Dominanz kommunaler Entsorger – gerade bei
    DICE keine empirische Evidenz für die These, dass Roboter         hochqualifizierten Beschäftigten mit Universitätsabschluss, vor             der Hausmüllentsorgung – geübt, vor allem für städtische Gebiete. Mehr Wettbewerb kann hier
    in Deutschland die Gesamtzahl der Arbeitsplätze reduziert         allem in Forschungs- und Managementpositionen. Bei Arbeit-
    haben. Stark negative Effekte zeigen sich indes auf die Be-       nehmern mit mittlerem Qualifikationsprofil lassen sich jedoch               durch die Einbindung privater Unternehmen entstehen. Eine aktuelle Studie des DICE untersucht
    schäftigung im Verarbeitenden Gewerbe. Die Berechnungen           deutlich negative Auswirkungen von Robotern auf Löhne und                   nun die Beziehung zwischen Eigentumsstruktur und Produktivität für die Entsorgungsbetriebe
    ergeben, dass ein zusätzlicher Roboter durchschnittlich gut       Erwerbseinkommen diagnostizieren. Außerdem erhöhen Robo-
    zwei Jobs in der Industrie substituiert. Diese Verluste wurden    ter zwar die durchschnittliche Arbeitsproduktivität, aber nicht             kreisfreier Städte in Deutschland. Es zeigt sich: Pauschalurteile sind fehl am Platz, vielmehr
    jedoch durch Arbeitsplatzgewinne außerhalb des Verar-             die Durchschnittslöhne der Beschäftigten. Sie tragen somit zum              sind die Effekte in Bezug auf den privaten Besitzanteil der Unternehmen durchaus heterogen.
    beitenden Gewerbes, vor allem im Bereich der wirtschafts-         tendenziellen Rückgang der Lohnquote am Gesamteinkommen
    nahen Dienstleistungen, vollständig ausgeglichen. Mit anderen     bei, der in vielen industrialisierten Ländern in den letzten Jahren
    Worten: Roboter haben die Gesamtanzahl der Arbeitsplätze          zu beobachten war. Die vornehmlichen Erträge aus dieser neuen
    in Deutschland keineswegs reduziert. Sie haben jedoch die         Technologie fallen also beim Faktor Kapital oder bei den Unter-
    Art der Beschäftigung in Deutschland stark verändert und          nehmensgewinnen, aber nicht beim Faktor Arbeit an. Innerhalb                Öffentlich, teilprivatisiert oder ganz privat: die Müllabfuhr als   Evidenz zum Einfluss von Faktoren wie Eigentumsstruktur
    den Strukturwandel hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft       der Gruppe der Beschäftigten profitieren zwar einige am oberen              wichtige öffentliche Dienstleistung ist deutschlandweit sehr        auf wirtschaftliche Kennzahlen wie Produktivität oder Kosten.
    merklich beschleunigt.                                            Rand der Lohnverteilung. Aber für das Gros der Industriebeschäf-            unterschiedlich organisiert. Auch bei rein öffentlichem Eigen-
                                                                      tigten haben die Roboter zu negativen Lohn- und Einkommens-                 tum können die Gemeinden verschiedene Rechtsformen für              Eine Untersuchung des DICE liefert hier einen wichtigen Bei-
    Diese aggregierten empirischen Befunde werfen die Frage           effekten geführt und dadurch die Lohnungleichheit gesteigert.               ihre Entsorgungsunternehmen auswählen.In den letzten 20             trag zur aktuellen Debatte. Die empirische Arbeit untersucht,
    auf, durch welche Kanäle sich der Einsatz von Robotern auf                                                                                    Jahren hat sich die Müllentsorgung weg von der Ausführung           welcher Zusammenhang zwischen der Produktivität städti-
    einzelne Arbeiter auswirkt. Um diese Fragestellung zu ana-        Zusammengefasst können wir also festhalten, dass die Hor-                   durch ein klassisches Amt entwickelt und andere Organisati-         scher Entsorgungsbetriebe und deren Eigentumsstruktur be-
    lysieren, werden mit Daten des Instituts für Arbeitsmarkt-        rorszenarien einer unmittelbar bevorstehenden technologi-                   onsformen angenommen. Deutschlandweite Veränderungen                steht. Die verwendeten Kategorien von Eigentumsanteilen,
    und Berufsforschung (IAB) etwa eine Million Beschäftigte im       schen Arbeitslosigkeit übertrieben sind und einer soliden em-               gab es auch bezüglich der Gestaltung des Service, vor allem in      deren Einfluss untersucht wird, sind dabei öffentlich, öffent-
    Verarbeitenden Gewerbe über die Zeit verfolgt, die je nach        pirischen Grundlage entbehren. Das bedeutet aber nicht, dass                der Frage, ob private oder öffentliche Unternehmen die Müll-        lich-privat, und privat. Weiterhin wird untersucht, ob es Pro-
    Branchenzugehörigkeit unterschiedlich von einer Roboterisie-      man einfach in Ruhe abwarten kann. Die neuen Technologien                   entsorgung ausführen. Während um die Jahrtausendwende               duktivitätsunterschiede zwischen verschiedenen kommunalen
    rung betroffen waren. Die Studie führt zu einem überraschen-      führen zu merklichen Verteilungseffekten. Sie steigern die Pro-             Tendenzen zur Vollprivatisierung zu beobachten waren, ent-          Unternehmenstypen gibt: Unterschieden werden die Rechts-
    den Ergebnis: Roboter stellten keine Gefahr für existierende      duktivität und den gesamten Wohlstand der Volkswirtschaft,                  scheiden sich in den letzten Jahren einige Gemeinden wieder         formen des Eigenbetriebs, der Anstalt oder Körperschaft des
    Industriearbeitsplätze dar! Im Gegenteil: Arbeitnehmer aus        aber die Zugewinne kommen nicht automatisch bei allen an.                   dafür, die Müllabfuhr zu rekommunalisieren und damit erneut         öffentlichen Rechts, und die GmbH.
    roboterintensiveren Wirtschaftszweigen wiesen sogar eine          Für viele Beschäftigte ist das reale Einkommen durch Roboter                durch die öffentliche Hand ausführen zu lassen.
    höhere Wahrscheinlichkeit auf, ihren ursprünglichen Arbeits-      gesunken. Bislang waren diese Größenordnungen der gemes-                                                                                        Die Analyse wurde dabei auf Basis eines selbst gebildeten Da-
    platz behalten zu können. Zwar verändern sich in manchen          senen Effekte noch überschaubar. Aber wenn die Digitalisierung              Im Hinblick auf diese Entwicklung gibt es eine aktive Diskus-       tensatzes durchgeführt, welcher aus einer Vielzahl von Quellen
    Fällen die Tätigkeiten, die die Menschen fortan bei ihrem Ar-     weiter voranschreitet, was sie nach allen Prognosen tun wird,               sion darüber, wie die Gemeinden ihre Entsorgung organisieren        zusammengestellt wurde. Der Vorteil hiervon ist, dass die Daten
    beitgeber verrichten. Aber Roboter führen auch in der Indus-      dann werden sie sich aller Voraussicht nach verschärfen. Die                sollten, um die Leistung effizient anzubieten und darüber           über einen relativ langen Zeitraum reichen und dass es durch
    trie nicht zu Entlassungen.                                       Gesellschaft sollte also besser heute als morgen damit begin-               hinaus die Gebühren niedrig zu halten. Ein häufig genannter         Auswertung veröffentlichter Beteiligungsberichte sehr de-
                                                                      nen, wirtschaftspolitische Konzepte zum Umgang mit dieser                   Einflussfaktor der Wirtschaftlichkeit ist dabei, ob und inwie-      taillierte Informationen auch über kommunale Unternehmen
    Der negative Gleichgewichtseffekt von Robotern auf die aggre-     Problematik zu entwickeln.__ Prof. Dr. Jens Südekum & Nicole Wößner         weit private Akteure an der Ausführung der Leistung beteiligt       gibt, die sonst nicht in dieser Tiefe vorliegen. Der geografi-
    gierte Beschäftigung im Verarbeitenden Gewerbe kommt viel-                                                                                    sind. Die Frage, ob öffentliche Aufgaben vom Staat oder durch       sche sowie zeitliche Fokus liegt auf der Betrachtung der für
    mehr dadurch zustande, dass geringere Arbeitsmarkteintritte               DICE Publikation                                                    private Unternehmen ausgeführt werden sollten, hat auch in          die Restmüllentsorgung zuständigen Firmen der kreisfreien
    von jungen Berufsanfängern in stärker roboterisierten Wirt-                                                                                   der ökonomischen Literatur zu einer Vielzahl theoretischer und      Städte für den Zeitraum von 2000 bis einschließlich 2012.
    schaftszweigen zu verzeichnen sind. Anders ausgedrückt zer-               Wolfgang Dauth, Sebastian Findeisen, Jens Südekum & Nicole          empirischer Analysen geführt. Allerdings gibt es wenige Studi-
    stören Roboter keine bestehenden Jobs in der Industrie, sondern           Wößner (2017), German Robots – the Impact of Industrial Robots      en, die sich dabei explizit auf die Müllentsorgung fokussieren,     Die Beobachtung auf Städteebene ist aus zwei Gründen vor-
    veranlassen Unternehmen dazu, weniger neue Arbeitsplätze für              on Workers, online abrufbar unter: https://ideas.repec.org/p/iab/   während für andere Sektoren, beispielsweise den Energie-            teilhaft. Zum einen wird – unter anderem von der Monopol-
    junge Menschen zu schaffen. Die Beschäftigten in der Industrie            iabdpa/201730.html                                                  bereich oder Krankenhäuser eine größere Anzahl an Forschungs-       kommission – oft die Dominanz der historisch gewachse-
    werden im Zeitablauf also vergleichsweise immer älter.                                                                                        arbeiten existieren. Gerade für Deutschland fehlt empirische        nen kommunalen Entsorgungsunternehmen kritisiert und

6                                                                                                                                                                                                                                                                                       7
DICE POLICY BRIEF - Heinrich-Heine-Universität
THEMA                                                                                                                                                                                                                                                                          THEMA

    gleichzeitig mehr Wettbewerb in Form von Ausschreibungen
    an private Unternehmen gefordert. Eine derartige Kritik ist
                                                                                Ein Hauptergebnis der Studie ist, dass Entsorgungsunterneh-
                                                                                men mit dominantem privatem Besitzanteil über die gesamte
                                                                                                                                                           Die Wirkungen der
                                                                                                                                                           Bestpreisklauseln von
    allerdings nur berechtigt, wenn private Akteure die Leistung                Stichprobe hinweg am produktivsten sind. Dies steht generell
    tatsächlich produktiver und besser durchführen können als                   im Einklang mit Studien für andere Länder, die größtenteils
    öffentliche Unternehmen. Zum anderen können wir in die-                     auch niedrigere Kosten bei privater Auftragserfüllung finden.

                                                                                                                                                           Hotelbuchungsportalen
    sem Bereich auch häufig die spezielle Form der Öffentlich-                  Gleichzeitig stützt unser Befund die Forderung nach einer Ver-
    Privaten Partnerschaft (ÖPP) beobachten, bei der öffentlicher               gabe der Müllentsorgung an private Unternehmen.
    und privater Sektor beide Anteile an der Firma halten, wobei
    der kommunale Anteil hier jeweils leicht überwiegt. Diese                   Betrachtet man nun allerdings die Auftragserfüllung in einer
    Eigentumsstruktur wird oft als ideale Form propagiert, um                   gemischten Eigentumsform, der Öffentlich-Privaten Part-
    Know-How privater Partner und kommunale Kontrolle mitei-                    nerschaft, kommt man zu einer anderen Schlussfolgerung.
    nander zu verbinden. Diese Diskussion ist hierbei keineswegs                Interessanterweise ist diese Eigentumsform höchstens mit                   Haben Sie bereits ein Hotelzimmer über Booking.com, Expedia oder HRS gebucht? Vermut-
    auf den Entsorgungssektor beschränkt, sondern erstreckt sich                gleicher Produktivität wie rein öffentliche Entsorgungsun-                 lich, denn Hotelbuchungsportale sind zu einem wichtigen Vertriebskanal geworden – Tendenz
    auf die Debatte zur Organisationsstruktur bei einer Vielzahl                ternehmen assoziiert. Dies lässt auf einen möglichen nicht-
    öffentlicher Dienstleistungen. Ein zusätzlich benannter Vor-                linearen Effekt des privaten Eigentumsanteils schließen.                   steigend. Mit Bestpreisklauseln haben diese Hotelbuchungsportale den Hotels teilweise vorge-
    teil dieser Rechtsform ist, dass bereits bestehende Vertriebs-                                                                                         schrieben, auf anderen Vertriebskanälen ihre Angebote nicht zu niedrigeren Preisen anzubie-
    kanäle, beispielsweise die Repräsentanz des privaten Partners               Als weiteres Ergebnis beobachten wir auch Produktivitäts-
    in anderen Städten, ausgenutzt werden können. Daher ist es                  unterschiede innerhalb öffentlicher Unternehmen: Anstalten                 ten. Verschiedene Wettbewerbsbehörden haben über diese Bestpreisklauseln unterschiedlich
    interessant zu sehen, ob sich die genannten positiven Aspekte               bzw. Körperschaften des öffentlichen Rechts sind weniger                   entschieden. Mittlerweile gibt es erste empirische Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen
    tatsächlich in höherer Produktivität niederschlagen.                        produktiv als kommunale GmbHs oder Eigenbetriebe. Unsere
                                                                                Studie liefert also erste Erkenntnisse über die Verbindung zwi-            der Bestpreisklauseln auf das Marktgeschehen.
    Um die beschriebenen Fragen zu adressieren, haben wir mit Hilfe             schen Eigentumsstruktur und Produktivität für Müllentsor-
    der gesammelten Daten eine statistisch-ökonometrische Ana-                  gungsunternehmen in Deutschland. Ein wichtiger herausgear-
    lyse durchgeführt, in der Produktivität und Eigentumsstruktur               beiteter Aspekt ist dabei, dass die Einbindung privater Partner
    miteinander in Verbindung gesetzt werden. Dabei wird zunächst               nicht zwangsläufig zu den gewünschten positiven Effekten
    eine Kennzahl für Produktivität hergeleitet. Das Produktivi-                führt, sondern dass die genaue Organisationsstruktur des                   Die Rahmenbedingungen für die Verwendung von Best-                 rer Preise an die Endkunden auf dem nun günstigeren Portal
    tätsmaß bildet ab, wie gut ein Unternehmen die verwendeten                  Unternehmens berücksichtigt werden sollte.__ Dr. Maria Friese              preisklauseln durch Hotelbuchungsportale unterscheiden             weitergeben, da sie auf Grund der „weiten“ Bestpreisklausel der
    Inputs einsetzt um ein bestimmtes Produktions- bzw. Versor-                                                                                            sich mittlerweile von Land zu Land. Das Bundeskartellamt           anderen Portale keinen niedrigeren Preis als auf deren Websei-
    gungsniveau zu erreichen. Für unsere Analyse verwenden wir                          DICE Publikation                                                   untersagte HRS bereits im Dezember 2013 und Booking.com            ten verlangen dürfen. Folglich kann ein Hotel, ausgehend von
    als Inputs die Anzahl der Mitarbeiter und verwendetes Kapital                                                                                          dann im Dezember 2015 die Verwendung jeglicher Bestpreis-          gleichen Endkundenpreisen, seine Preise lediglich in allen von
    wie z.B. Maschinen und technische Anlagen. Unternehmen mit                          Maria Friese, Ulrich Heimeshoff & Gordon Klein (2018), Property    klauseln in Verträgen mit Hotels in Deutschland. Im April          Bestpreisklauseln abgedeckten Vertriebskanälen gleicherma-
    höherer Produktivität produzieren dabei effizienter; sie können                     Rights and Transaction Costs – he Role of Ownership and Organi-    2015 akzeptierten die Wettbewerbsbehörden in Frankreich,           ßen verringern. Somit entsteht, der Theorie nach, dem Portal
                                                                                        zation in German Public Service Provision, DICE Discussion Paper
    mit weniger Materialeinsatz mehr Wertschöpfung im Vergleich                                                                                            Italien und Schweden Verpflichtungszusagen von Booking.            in Folge einer Provisionsverringerung kein Wettbewerbsvorteil
                                                                                        No. 282, online verfügbar unter: https://ideas.repec.org/p/zbw/
    zu anderen Unternehmen erreichen. Gleichzeitig ist die Pro-                         dicedp/282.html
                                                                                                                                                           com, die Bestpreisklauseln zu verengen. Auch Expedia hat           in Form kompetitiverer Endkundenpreise auf seiner Webseite
    duktivität auch ein Maß für die Kosten: je höher die geschätzte                                                                                        kurz darauf seine Bestpreisklauseln in Europa entsprechend         und der deswegen zu erwartenden Nachfragesteigerung. Die
    Produktivität, desto geringer sind die Ausgaben für den Betrieb.                                                                                       angepasst. Mittlerweile wurden in Frankreich und Österreich        Anreize der Portale, um attraktive Provisionen zu konkurrieren,
                                                                                                                                                           Bestpreisklauseln von Hotelbuchungsportalen per Gesetz             werden durch die Bestpreisklauseln folglich eingeschränkt.
                                                                                                                                                           verboten. In vielen außereuropäischen Ländern hingegen
                                                                                                                                                           sind die Bestpreisklauseln der Hotelportale bislang nicht          So war diese Theorie in einer erweiterten Variante etwa für

      IHK-Examenspreise in VWL                                                  Im Rahmen der akademischen Examensfeier am 24. Novem-
                                                                                ber 2017 wurden die IHK-Preise für die besten Abschlussarbei-
                                                                                                                                                           eingeschränkt worden.                                              das Bundeskartellamt Grundlage dafür, auch die engen Best-
                                                                                                                                                                                                                              preisklauseln zu verbieten. Der Hauptpunkt dieser erweiter-
                                                                                ten in VWL verliehen. Marion Hörsken, Geschäftsführerin für                „Weite“ Bestpreisklauseln von Hotelbuchungsportalen ver-           ten Theorie ist, dass eine Preisdifferenzierung zwischen ver-
                                                                                Industrie, Innovation und Umweltschutz der IHK Düsseldorf,                 bieten es Hotels, auf anderen Vertriebswegen Zimmer mit            schiedenen Hotelportalen deshalb nicht zu Stande kommt,
                                                                                überreichte die zwei Examenspreise. Ausgezeichnet wurde                    günstigeren Konditionen oder Preisen anzubieten. „Enge“            weil das Hotel bei unterschiedlichen Portalpreisen seinen Di-
                                                                                Meike Simone Ziesmer für die beste Bachelorarbeit im Studien-              Bestpreisklauseln hingegen verbieten den Hotels nur günsti-        rektvertriebspreis wegen der engen Bestpreisklausel auf dem
                                                                                jahr 2017 in VWL (dotiert mit 1.000 Euro). Die mit 1,3 bewertete           gere Preise und Konditionen in seinem Online-Direktvertrieb        Niveau des höchsten Portalpreises halten muss. Dies würden
                                                                                Arbeit trägt den Titel: „Das Bruttoinlandsprodukt als Maß für              zu verlangen, andere Buchungsportale sind dagegen von der          Hotels typischerweise nicht akzeptieren, weil dadurch der
                                                                                die wirtschaftliche Leistung einer Volkswirtschaft – Eine kriti-           Klausel ausgenommen.                                               kostengünstige Online-Direktvertrieb kannibalisiert würde.
                                                                                sche Würdigung“. Der Preis für die beste Masterarbeit in Volks-                                                                               Viele Kunden würden nicht mehr direkt über das Hotel buchen,
                                                                                wirtschaftslehre (dotiert mit 2.000 Euro) ging an Olivia Alexandra         Die primäre Schadenstheorie zu den weiten Bestpreisklauseln        sondern bei dem preisgünstigeren Buchungsportal.
                                                                                Bodnar. In ihrer mit 1,0 benoteten Arbeit forscht Frau Bodnar zum          lässt sich wie folgt beschreiben: Wenn ein Portal von den Hotels
      Marion Hörsken (IHK), Preisträgerin Meike Simone Ziesmer, Preisträgerin   Thema „Marktmachtmaße im Energiegroßhandelssektor –                        eine niedrigere Provision verlangt als andere Portale, so können   Auf Grund der Schadenstheorien könnte man vermuten, dass
      Olivia Alexandra Bodnar sowie Prodekan Prof. Dr. Christian Schwens.       Endogenität im Return on Withholding Capacity Index?“.                     die Hotels diese Kostenersparnis nicht gezielt mittels niedrige-   sich in Folge der Verbote oder Verengungen der Bestpreis-

8                                                                                                                                                                                                                                                                                               9
DICE POLICY BRIEF - Heinrich-Heine-Universität
THEMA                                                                                                                                                                                                                                                                        THEMA

     klauseln die Provisionen in den betroffenen Ländern verrin-             Insbesondere haben wir analysiert, wie sich das Verhalten der    Im Gegensatz hierzu liegt der Direktvertriebspreis am häu-       sind die Provisionen der großen Hotelbuchungsportale je-
     gert haben. Laut Befragungen von Hotels durch den Euro-                 Hotels in Deutschland nach dem Verbot der engen Bestpreis-       figsten unter dem von Booking.com in Ländern, in denen das       doch schlichtweg zu hoch.
     päischen Hotelverband sowie verschiedenen europäischen                  klausel von Booking.com im Februar 2016 verändert hat. Für       Portal keine Bestpreisklausel verwenden darf.
     Wettbewerbsbehörden haben sich die Basisprovisionen                     die Studie wurden Hotels in Deutschland mit Hotels aus an-                                                                        Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass sowohl
     der Buchungsportale in Europa seitdem aber nicht deut-                  deren Ländern verglichen, die in dem Zeitraum nicht von einer    Zudem beobachten wir, dass Hotelketten in Deutschland auf        die weite als auch enge Bestpreisklausel von Booking.com
     lich verringert.                                                        Änderung der Rahmenbedingungen für die Bestpreisklauseln         ihrer eigenen Webseite seit dem Verbot der Bestpreisklau-        die Preissetzung der Hotels einschränkte als auch ihre Ent-
                                                                             betroffen waren. Es zeigt sich, dass Hotels in Deutschland       sel vermehrt zu einem niedrigeren Preis als auf den Hotel-       scheidung darüber beeinflusste, wo sie Angebote im Internet
     Es stellt sich daher die Frage, ob Bestpreisklauseln, bezie-            seit dem Verbot vermehrt bei Booking.com ihre Zimmeran-          buchungsportalen anbieten. Diese Beobachtungen deuten            vertrieben. Der beobachtete Zuwachs an Hotellistungen auf
     hungsweise deren Verbote, überhaupt Auswirkungen auf                    gebote einstellen. Dies gilt sowohl für Hotelketten als auch     darauf hin, dass zumindest ein Teil der Hotels durch die Best-   Booking.com nach Wegfall der Bestpreisklausel deutet hin-
     das Marktgeschehen haben. Um dieser Frage nachzugehen,                  für unabhängige Hotels. Zudem sind Direktvertriebsangebo-        preisklauseln effektiv in seiner Preisdifferenzierung über die   gegen an, dass auch Buchungsportale von einer Aufweichung
     haben Forscher des DICE zusammen mit Wissenschaftlern                   te von unabhängigen Hotels in Deutschland nach dem Weg-          Vertriebskanäle hinweg beschränkt wurde.                         solcher Klauseln profitieren können. __ Prof. Dr. Justus Haucap
     des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW)                 fall der Bestpreisklausel häufiger auf Kayak.de sichtbar. Das
     in Mannheim die Auswirkungen von Bestpreisklauseln auf                  Direktvertriebsangebot von Kettenhotels war bereits vor dem      Das Muster der vermehrt niedrigeren Online-Direktvertriebs-              DICE Publikation
     die Nutzung verschiedener Vertriebskanäle und auf Preisset-             Wegfall der Klausel häufiger bei Kayak.de zu finden als das      preise legt nahe, dass Hotels eine Buchung ihrer Zimmer
     zungsentscheidungen der Hotels untersucht.                              unabhängiger Hotels. Da es für die Hotels kostspielig ist ihr    über ihre eigene Webseite bevorzugen. Ein Grund hierfür                  Matthias Hunold, Ulrich Laitenberger, Frank Schlütter & Reinhold Kes-
                                                                                                                                                                                                                       ler (2016), „Evaluation of Best Price Clauses in Online Hotel Booking“,
                                                                             Direktvertriebsangebot auf Kayak.de zu listen, deutet dies da-   sind die tendenziell deutlich geringeren variablen Kosten
                                                                                                                                                                                                                       ZEW Diskussionspapier Nr. 16-066
     In der Studie wurden Daten zum Listungs- und Preissetzungs-             rauf hin, dass auch unabhängige Hotels nun stärker geneigt       einer Buchung. Bei Zimmerbuchungen über die hoteleigene
     verhalten auf Online-Vertriebskanälen von mehreren tausend              sind, den Online-Direktvertrieb offensiv zu vermarkten.          Webseite sparen die Hotels die Provisionsgebühren an Ver-                Mette Alfter & Matthias Hunold (2016), „Weit, eng oder gar nicht? Unter-
     Hotels aus verschiedenen Ländern im Zeitraum Januar 2016                                                                                 mittlungsplattformen. Hotelbuchungsportale sprechen in                   schiedliche Entscheidungen zu den Bestpreisklauseln von Hotelportalen“,
     bis Januar 2017 ausgewertet. Die gesammelten Informationen              Im Querschnittsvergleich zwischen den verschiedenen Län-         diesem Zusammenhang von Trittbrettfahren. Hotelkunden                    Wirtschaft und Wettbewerb, 66, 525-531.
     stammen von der Metasuchseite Kayak.de, die Angebote von                dern zeigt sich, dass dort, wo Booking.com eine weite Best-      und Hotels würden das Hotelportal nutzen, um einander zu
     verschiedenen Hotelbuchungsportalen sowie der hoteleigenen              preisklausel verwendet, der Online-Direktvertriebspreis der      finden, aber dann woanders buchen und das Hotel somit
     Webseite vergleicht.                                                    Hotels am seltensten unter dem Preis von Booking.com liegt.      der Buchungsprovision entgeht. Aus Sicht mancher Hotels

       Rolf Schwarz-Schütte Förderpreis für                                                                                                     AKTUELLES & PERSONELLES
       Annika Herr und Ismael Martínez-Martínez                                                                                                 Professor Dr. Alexander Rasch ist seit Juni 2017 Research      Auswirkungen haben globale Ungleichgewichte und der
                                                                                                                                                Associate des Zentrums für Europäische Wirtschafts-            deutsche Exportüberschuss? Organisation und Konzeption
                                                                                                                                                forschung (ZEW). Er kooperiert besonders eng mit der           des Workshops lagen bei Professor Dr. Jens Südekum. Mehr
       Der Rolf Schwarz-Schütte Förderpreis, die Auszeichnung                Dr. Ismael Martínez-Martínez erhielt die Auszeichnung für          Forschungsgruppe „Marktdesign“.                                Infos hier: http://bit.ly/2HWZxKd
       für die beste Publikationsleistung am DICE, wurde für                 seine spieltheoretischen Forschungsbeiträge, die in renom-
       das Jahr 2016 im Rahmen der Preisverleihung am 25. Okto-              mierten Fachzeitschriften wie dem Journal of Economic              Der Deutsche Hanfverband (DHV) hat die DICE Consult mit        Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)
       ber 2017 gemeinsam an Jun.-Prof. Dr. Annika Herr und                  Theory oder Scientific Reports veröffentlicht wurden. In           einer Studie zu den fiskalischen Effekten einer Cannabis-      hat das IW Köln und die DICE Consult gemeinsam mit einer
       Dr. Ismael Martínez-Martínez vergeben. Der Preis zeichnet             seiner Forschung kombiniert Dr. Martínez-Martínez the-             Legalisierung beauftragt. Die Studie soll im Herbst abge-      Studie zum Stellenwert der Sharing Economy in Deutsch-
       beide Nachwuchswissenschaftler für ihre herausragenden                oretische und experimentelle Methoden um individuelles             schlossen und der Öffentlichkeit präsentiert werden.           land, insbesondere im Übernachtungsgewerbe, beauftragt.
       Publikationserfolge im Jahr 2016 aus.                                 und strategisches Verhalten zu analysieren. Seine Haupt-                                                                          Die Studie soll im Sommer abgeschlossen und der Öffent-
                                                                             forschungsgebiete sind dynamische Aspekte strategischer            Gemeinsam mit dem Brüsseler Think Tank Bruegel hat das         lichkeit präsentiert werden.
                                                                             Interaktionen von Gruppen ökonomischer Agenten.                    DICE im November zwei Workshops in Brüssel organisiert:
                                                                                                                                                Im ersten Workshop ging es um „Antitrust in Digital Mar-       Professorin Dr. Hannah-Schildberg Hörisch, Professorin
                                                                             Die Forschungsschwerpunkte von Jun.-Prof. Dr. Annika Herr          kets“. Mehr Infos hier: http://bruegel.org/events/antitrust-   für angewandte Mikroökonomie am DICE, hat das Blei-
                                                                             liegen auf Wettbewerbsfragen auf Gesundheits- und Ar-              concerns-in-digital-markets. Der zweite Workshop beschäf-      beangebot der Heinrich-Heine-Universität angenommen
                                                                             beitsmärkten. In ihren Beiträgen, die u.a. im Journal of Eco-      tigte sich mit dem Thema „Mergers and Innovation“. Mehr In-    und zwei Rufe an die Universität Regensburg und die
                                                                             nomic Behavior and Organization und Health Economics               fos hier: http://bruegel.org/events/mergers-and-innovation     Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg abgelehnt.
                                                                             publiziert wurden, untersucht sie vor allem empirisch wie                                                                         Das DICE freut sich auf eine weiter erfolgreiche Zusam-
                                                                             Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen wie Kranken-              Am 9. Januar 2018 hat das DICE in Zusammenarbeit mit           menabeit.
                                                                             häuser, Pflegeheime oder Arzneimittelhersteller auf Regu-          dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)
                                                                             lierungsanreize reagieren und evaluiert Politikmaßnahmen           einen Workshop zum Thema „Deutschlands Rolle in der            PD Dr. Ulrich Heimeshoff wurde am 30. Januar 2018 von
                                                                             in deutschen Gesundheitsmärkten.                                   Globalisierung“ in Berlin ausgerichtet. Führende Experten      der Rektorin der Heinrich-Heine Universität, Professsorin
                                                                                                                                                aus Forschung, Politik und Gesellschaft diskutierte Fra-       Dr. Anja Steinbeck, zum außerplanmäßigen Professor er-
       v.l.n.r.: Prof. Dr. Justus Haucap, Jun.-Prof. Dr. Annika Herr,                                                                           gen wie: Welcher Zusammenhang besteht zwischen Glo-            nannt. Das DICE gratuliert Professor Dr. Heimeshoff herzlich
       Jun.-Prof. Dr. Ismail Martinez-Martinez,Prof. Dr. Hans-Theo Normann                                                                      balisierung und populistischen Strömungen? Oder welche         zu seiner Ernennung.

10                                                                                                                                                                                                                                                                                                11
THEMA                                                                                                                                                                                                                                                                                    THEMA

     Glücklose Regulierung                                                                                                                 ziert, die aus Deutschland zu erreichen sind und bei denen sich
                                                                                                                                           deutsche Spielteilnehmer registrieren können. Auch existieren
                                                                                                                                                                                                                                  100 %                                                       95 %

     im Glücksspiel
                                                                                                                                                                                                                                                                                       90 %
                                                                                                                                           noch eine ganze Reihe Anbieter – vorwiegend aus dem asiati-                             80 %
                                                                                                                                                                                                                                                                                75 %
                                                                                                                                           schen Raum oder aus der Karibik – die über keine Lizenz eines
                                                                                                                                           EU-Mitgliedstaates verfügen und somit illegal anbieten. Gerade                          60 %                                  60 %
                                                                                                                                           der nicht-regulierte Markt unterliegt – im Gegensatz zum re-

                                                                                                                                                                                                             Kanalisierungsrate
                                                                                                                                           gulierten Glücksspielangebot – einem steten Wachstum: Für                               40 %

                                                                                                                                           Online-Casino betrug dies im Jahr 2015 im Vergleich zum Vorjahr                                                  30 %
     Die Bekämpfung von Glücksspielsucht und Wettsucht ist – neben dem Jugend- und Verbraucher-                                            fast 60 Prozent. Die Verbraucher entscheiden sich demnach zu-
                                                                                                                                                                                                                                   20 %

                                                                                                                                                                                                                                                  1,8 %
     schutz – eines der wichtigsten Ziele der Glücksspielregulierung. Die Grundlage für die Regulierung                                    nehmend gegen das regulierte Glücksspielangebot und greifen                              0%                                                        Indexwert
                                                                                                                                           stattdessen auf Anbieter des nicht-regulierten Markts zurück.                              40            80             120            160
     des Glücksspiels in Deutschland ist der Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV), der als wesentliches Ziel
                                                                                                                                                                                                               Abb. 1: Zusammenhang von DICE-Kanalisierungsindex und Kanalisierungsrate
     die Bekämpfung von illegalem Glücksspiel und die Kanalisierung des „natürlichen Spieltriebs“ hin                                      Angesichts des im GlüStV festgelegten Komplettverbots so-           Quelle: DICE Consult
                                                                                                                                           wohl von Online-Poker als auch von Online-Casino und einer
     zu legalen Glücksspieltätigkeiten nennt. Denn nur, wenn Glücksspiel legal stattfindet, kann der                                       damit einhergehenden Kanalisierungsquote von null in diesem
     Staat auch seine anderen Ziele erreichen: Verbraucher schützen, Spielsucht bekämpfen und Ma-                                          Segment, reduziert sich die gesamte Kanalisierungsquote noch-
                                                                                                                                           mals deutlich auf lediglich etwa 1,8 Prozent. Diese Entwicklung     Kanalisierungsraten in unserer Studie. Dies ist im Wesent-
     nipulationen im Sport verhindern. Eine unter Mitwirkung des DICE entstandene, interdisziplinäre                                       erscheint gerade vor dem Hintergrund der starken Zunahme            lichen auf die schlechten Rahmenbedingungen im Glücksspiel-
     Studie zeigt nun – auch mit Blick auf ausgewählte EU-Mitgliedstaaten –, dass die Zielerreichung                                       der Nachfrage nach Online-Casino bedenklich. Wird das Ziel der      markt zurückzuführen: Regelungen wie Verbote sowohl für
                                                                                                                                           Kanalisierung derart konsequent verfehlt, so können Verbrau-        Online-Poker als auch für Online-Casino, eine Spieleinsatz-
     insbesondere durch die Schaffung eines wettbewerbsfähigen legalen Angebots gefördert wird.                                            cher- und Jugendschutz, Suchtprävention sowie Betrugs- und          steuer (anstelle einer Bruttoertragssteuer), das Fehlen einer
     Nur wenn ein attraktives lizenziertes Angebot besteht, finden beide Marktseiten im Rahmen des                                         Kriminalitätsbekämpfung nicht effektiv verfolgt werden.             unabhängigen Regulierungsbehörde für Glücksspielbelange
                                                                                                                                                                                                               sowie weitreichende Werbebeschränkungen schaffen Markt-
     regulierten Marktes zusammen. Deutlich wird auch, dass gerade im Hinblick auf die Kanalisierung                                       Glücksspielregulierung kann jedoch auch erfolgreich zu hohen        bedingungen, die weder auf Anbieter- noch auf Nachfrager-
     die Ausgestaltung der Regularien des deutschen Glücksspielstaatsvertrags derzeit völlig verfehlt                                      Kanalisierungsraten führen. In Dänemark und Großbritannien          seite Anreize generieren, im lizensierten Markt aktiv zu wer-
                                                                                                                                           etwa finden die Glücksspielaktivitäten fast ausschließlich          den. Die vorgesehenen Regularien verhindern vielmehr ein
     und dringend überarbeitungsbedürftig sind.                                                                                            im lizensierten, regulierten Markt statt. Unsere Analyse der        attraktives Angebot, dass für Kunden eine ernsthafte Alter-
                                                                                                                                           Glücksspielmärkte ausgewählter EU-Mitgliedstaaten kommt             native zu Anbietern des Grau- bzw. Schwarzmarkts darstellt.
                                                                                                                                           zu dem Ergebnis, dass besonders die Begrenzung der Anzahl der
                                                                                                                                           Lizenzen, das Verbot von Online-Casino und Online-Poker, die        Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass im Hinblick auf
                                                                                                                                           Einschränkung des Wettprogramms sowie die momentane Aus-            das Kanalisierungsziel vor allem die Schaffung eines wettbe-
     Die Regulierung des Glücks- und Gewinnspielmarktes befindet      Dies mag auf den ersten Blick verwirren, schießen doch gera-         gestaltung der Glücksspielsteuern dem Kanalisierungsziel des        werbsfähigen lizensierten Angebots im Vordergrund stehen
     sich in Deutschland nach wie vor in einem rechtlichen Schwe-     de in größeren Städten Wettbüros von Anbietern, wie Tipico,          Glücksspielstaatsvertrags entgegenwirken. In Dänemark, Frank-       sollte. Nur auf diese Weise werden sich beide Marktseiten für
     bezustand. Der bisherige Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV)       Bwin, bet3000, wie Pilze aus dem Boden. Auch Online-Glücks-          reich und Spanien hat sich gezeigt, dass im Zuge der Liberali-      das regulierte Glücksspielsegment entscheiden. Einerseits
     ist europarechtswidrig, doch haben sich die Bundesländer, in     spiele sind vor allem in Form von Sportwetten omnipräsent            sierung bzw. der Lizenzerteilung an Anbieter von Online-Casino      muss die Wettbewerbsfähigkeit der Anbieter gewährleistet
     deren Kompetenz die Regulierung des Glücksspiel fällt, auch      und werden nicht nur von bekannten Persönlichkeiten, wie             und Online-Poker eine Verlagerung der Glücksspielaktivitäten        sein, um im Markt gegen unlizenzierte Glücksspielbetreiber
     bisher nicht auf einen neuen Staatsvertrag einigen können,       dem ehemaligen Nationaltorhüter Oliver Kahn, beworben,               vom nicht-lizensierten in den lizensierten Markt stattgefunden      bestehen zu können, andererseits das Angebot attraktiv ge-
     sodass gewissermaßen ein rechtloser Zustand besteht. Ak-         sondern erobern auch auf dem Sponsorenmarkt die Bun-                 und sich die Kanalisierungsrate dementsprechend erhöht hat.         nug sein, um ebenfalls die Nachfrage zu kanalisieren. Auf diese
     tuell kann der deutsche Markt für Glücks- und Gewinnspiele in    desliga. Sämtliche Vereine der ersten und zweiten Fußball-                                                                               Weise ist auch eine Verbesserung des Jugend- und Verbrau-
     einen regulierten und einen nicht-regulierten Markt unterteilt   bundesliga haben heute Sponsorenverträge mit einem Sport-            Der von uns entwickelte DICE Kanalisierungsindex gewichtet          cherschutzes möglich, da Spieler nur durch ein breites legales
     werden, wobei unter den regulierten Markt Glücksspielange-       wettenanbieter.                                                      die einzelnen Regulierungsmaßnahmen hinsichtlich ihrer kana-        Glücksspielangebot vor unlizenzierten Anbietern geschützt
     bote fallen, welche nach deutschem Recht regulär angeboten                                                                            lisierenden Wirkung im Hinblick auf die Glücksspielaktivitäten.     werden, die keine Verbraucherstandards befolgen. Die deut-
     werden dürfen. Diese beschränken sich – bedingt durch den        Das Gesamteinsatzvolumen des deutschen Sportwettenmark-              Je höher der Indexwert, desto zielführender ist das Maßnahmen-      sche Glücksspielregulierung bedarf daher einer grundsätz-
     anhaltenden Schwebezustand der Glücksspielregulierung –          tes lag im Jahr 2015 bei etwa 6,85 Milliarden Euro. Auf den lizen-   bündel im Hinblick auf eine hohe Kanalisierungsrate. Abbildung      lichen Neuordnung.__ Prof. Dr. Justus Haucap & Dr. Susanne Thorwarth
     lediglich auf die Toto- und Oddset-Wetten des Deutschen          sierten Markt – im Wesentlichen der staatliche Anbieter oddset       1 zeigt einen eindeutig positiven Zusammenhang zwischen In-
     Lotto- und Totoblocks (DLTB). Andere Sportwettenanbieter         – entfielen etwa 316 Millionen Euro, was einer Kanalisierungs-       dexwert und Kanalisierungsrate: die Länder mit einem niedrigen                            DICE Publikation
     wie z.B. Tipico, Bwin etc. bewegen sich in einer rechtlichen     quote von 4,6 Prozent entspricht. Das gesamte Marktvolumen           Indexwert weisen auch die niedrigsten Kanalisierungsquoten auf.
     Grauzone: Sie verfügen zwar über Lizenzen für Poker-, Casino-    lässt sich recht exakt bestimmen, weil zahlreiche Anbieter von                                                                                                 Justus Haucap, Martin Nolte & Heino Stöver (Hrsg.) (2017), Fakten-
     und Sportwettenangebote aus anderen EU-Mitgliedsländern,         Sportwetten zwar nicht in Deutschland lizensiert sind, aber          Verglichen mit den Marktbedingungen und -ergebnissen der                                  basierte Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrags, Kölner Studien
     jedoch nicht über eine deutsche Lizenz. Online-Casino und On-    doch die deutsche Sportwettensteuer in Höhe von 5 Prozent            dargestellten Vergleichsländer weist Deutschland noch am                                  zum Sportrecht – Band 8, gefördert durch den Deutschen Sportwet-
                                                                                                                                                                                                                                     tenverband (DSWV) und den Deutschen Online- und Casinoverband,
     line-Poker sind momentan nach geltendem deutschem Recht          auf den Spieleinsatz entrichten – im Grunde eine paradoxe Si-        meisten Ähnlichkeit mit Polen auf, obwohl selbst Polen ein
                                                                                                                                                                                                                                     abrufbar unter: www.dshs-koeln.de/fileadmin/redaktion/Institute/
     uneingeschränkt verboten.                                        tuation. Der Deutsche Sportwettenverband (DSWV) hat im Jahr          deutlich liberaleres Regime für den Glücksspielmarkt hat als                              Sportrecht/Dokumente/Faktenbasierte_Evaluierung_des_GlueStV.pdf
                                                                      2015 mindestens 500 Internetportale zu Sportwetten identifi-         Deutschland. Gleichwohl besitzen beide Länder die niedrigsten

12                                                                                                                                                                                                                                                                                                        13
AUSGEWÄHLTE PUBLIKATIONEN

     Publikationen im Erscheinen                                    Experienced vs. Inexperienced Participants in the Lab:       Fuel Prices and Station Heterogeneity                            Capital Requirements for Government Bonds –
                                                                    Do They Behave Differently?                                  on Retail Gasoline Markets.                                      Implications for Bank Behaviour and Financial Stability.
     Acquisitions, Markups, Efficiency, and Product Quality:        Volker Benndorf, Claudia Möllers & Hans-Theo Normann         Justus Haucap, Ulrich Heimeshoff & Manuel Siekmann               Ulrike Neyer & André Sterzel
     Evidence from India                                            Journal of the Economic Science Association,                 The Energy Journal, 38 (2017), 81 – 103.
     Joel Stiebale & Dev Vencappa                                   3 (2017), 12 – 25.                                                                                                            Socio-Economic Status and Inequalities in
     Erscheint in: Journal of International Economics.                                                                           Manufacturer Collusion:                                          Children’s IQ and Economic Preferences.
                                                                    Depth of Reasoning and Information Revelation:               Strategic Implications of the Channel Structure.                 Thomas Deckers, Armin Falk, Fabian Kosse,
     Focusing and Framing of Risky Alternatives.                    An Experiment on the Distribution of k-Levels.               Markus Reisinger & Tim Thomes                                    Pia Pinger & Hannah Schildberg-Hörisch
     Markus Dertwinkel-Kalt & Tobias Wenzel                         Volker Benndorf, Dorothea Kübler & Hans-Theo Normann         Journal of Economics & Management Strategy, 26 (2017),
     Erscheint in: Journal of Economic Behavior and Organization.   International Game Theory Review, 49 (2017), 1 – 18.         923 – 954.                                                       Supplier Search and Re-matching in Global Sourcing –
                                                                                                                                                                                                  Theory and Evidence from China.
     Liberalisierung und Regulierung des Postmarktes:               Does Self-Control Depletion Affect Risk Attitudes?           Tiered Co-Payments, Pricing, and Demand in                       Fabrice Defever, Christian Fischer & Jens Suedekum
     Gestern, heute und morgen                                      Holger Gerhardt, Hannah Schildberg-Hörisch & Jana Willrodt   Reference Price Markets for Pharmaceuticals.
     Justus Haucap                                                  European Economic Review 100 (2017), 463 – 487.              Annika Herr & Moritz Suppliet                                    Negative Consumer Value and Loss Leading.
     Erscheint in B. Holznagel (Hrsg.), 20 Jahre Verantwortung                                                                   Journal of Health Economics, 56 (2017), 19 – 29.                 Stéphane Caprice & Shiva Shekhar
     für Netze: Bestandsaufnahme und Perspektiven, Festschrift      Tariff Diversity and Competition Policy:
     Bundesnetzagentur, Verlag C.H. Beck: München.                  Drivers for Broadband Adoption in the European Union.        The Rule of Law and the Emergence of Market Exchange:            What Past U.S. Agency Actions Say About
                                                                    Mirjam R. J. Lange                                           A New Institutional Economic Perspective.                        Complexity in Merger Remedies, With an Application
                                                                    Journal of Regulatory Economics, 52 (2017), 285 – 312.       Justus Haucap                                                    to Generic Drug Divestitures.
     Publikationsauswahl                                                                                                         In: von Alemann, U., D. Briesen & L. Q. Khanh (Hrsg.),           Eric Emch, Thomas D. Jeitschko & Arthur Zhou
                                                                    Financial Constraints and Moral Hazard:                      The State of Law: Comparative Perspectives on the Rule of
     Gender Differences in Willingness to Compete and               The Case of Franchising.                                     Law, Düsseldorf University Press: Düsseldorf 2017, 143 – 172.    Reliable Estimation of Random Coefficient Logit
     Answering Multiple-Choice Questions – The Role of Age.         Ying Fan, Kai-Uwe Kühn & Francine Lafontaine                                                                                  Demand Models.
     Gerhard Riener & Valentin Wagner                               Journal of Political Economy, 125 (2017), 2082 – 2125.       Weckruf für die deutsche Wirtschaftspolitik                      Daniel Brunner, Florian Heiss, André Romahn &
     Economics Letters, 164 (2018), 86 – 89.                                                                                     Lars P. Feld, Clemens Fuest, Justus Haucap, Heike Schweitzer,    Constantin Weiser
                                                                    Merger Effects on Innovation:                                Volker Wieland & Berthold U. Wigger
     Predicting Norm Enforcement: The Individual and Joint          A Rationale for Stricter Merger Control?                     Stiftung Marktwirtschaft, Kronberger Kreis-Studien Nr. 64.       The Formation of Prosociality: Causal Evidence
     Predictive Power of Economic Preferences, Personality,         Justus Haucap                                                                                                                 on the Role of Social Environment.
     and Self-control.                                              Concurrences: Competition Law Review, 4-2017, 16 – 21.               www.dice.hhu.de/forschung-dice/dice-publikationen.html   Fabian Kosse, Thomas Deckers,
     Tim Friehe & Hannah Schildberg-Hörisch                                                                                                                                                       Hannah Schildberg-Hörisch & Armin Falk
     European Journal of Law and Economics, 45 (2018), 127 – 146.   Microeconomic Mechanisms Behind Export Spillovers
                                                                    from FDI: Evidence from Bulgaria.                            Discussion Papers                                                        http://ideas.repec.org/s/zbw/dicedp.html
     Flexibility in Wage Setting Under the Threat of Relocation.    Andrea Ciani & Michele Imbruno
     Anna Goeddeke, Justus Haucap, Annika Herr & Christian Wey      Review of World Economics, 153 (2017), 704 – 734.            Property Rights and Transaction Costs –
     Labour: Review of Labour Economics and Industrial                                                                           The Role of Ownership and Organization in                        Ordnungspolitische Perspektiven
     Relations, 32 (2018), 1 – 22.                                  Salient Compromises in the Newsvendor Game.                  German Public Service Provision.
                                                                    Markus Dertwinkel-Kalt & Mats Köster                         Maria Friese, Ulrich Heimeshoff & Gordon Klein                   Welchen Ordnungsrahmen braucht die Sharing Economy?
     Ordnungspolitik in der digitalen Welt                          Journal of Economic Behavior & Organization, 141 (2017),                                                                      Justus Haucap & Christiane Kehder
     Justus Haucap & Ulrich Heimeshoff                              301 – 315.                                                   Supply Chain Innovations and Partial Ownership.                  Erscheint in: J. Dörr, N. Goldschmidt & F. Schorkopf (Hrsg.),
     In: J. Thieme & J. Haucap (Hrsg.), Wirtschaftspolitik im                                                                    Matthias Hunold & Shiva Shekhar                                  Share Economy: Institutionelle Grundlagen und
     Wandel: Ordnungsdefizite und Lösungsansätze, Schriften         Privacy Is Precious: On the Attempt of Lifting Anonymity                                                                      gesellschaftspolitische Rahmenbedingen, Mohr Siebeck:
     zu Ordnungsfragen der Wirtschaft 105, De Gruyter Olden-        on the Internet to Increase Revenue.                         Local Market Structure and Consumer Prices:                      Tübingen 2018.
     bourg: Berlin 2018, 79 – 132.                                  Tobias Regner & Gerhard Riener                               Evidence from a Retail Merger.
                                                                    Journal of Economics and Management Strategy, 26             Dennis Rickert, Jan Philip Schain & Joel Stiebale                Wettbewerbssituation auf dem Markt für
     Do Media Data Help to Predict German                           (2017), 318 – 336.                                                                                                            Wetterdienstleistungen.
     Industrial Production?                                                                                                      Evaluation of Best Price Clauses in Online Hotel Booking.        Justus Haucap & Ina Loebert
     Konstantin A. Kholodilin, Tobias Thomas & Dirk Ulbricht        Naivete-Based Discrimination.                                Matthias Hunold, Reinhold Kesler, Ulrich Laitenberger &
     Journal of Forecasting, 36 (2017), 483 – 496.                  Paul Heidhues & Botond Köszegi                               Frank Schlütter                                                          http://ideas.repec.org/s/zbw/diceop.html
                                                                    Quarterly Journal of Economics, 132 (2017), 1019 – 1054.
     Reluctant to Reform? A Note on Risk Loving of                                                                               Publication Performance vs. Influence:
     Politicians and Bureaucrats.                                   Pre-Auction or Post-Auction Certification?                   On the Questionable Value of Quality Weighted
     Tobias Thomas, Moritz Heß & Gert G. Wagner                     Philippe Gillen, Vitali Gretschko & Alexander Rasch          Publication Rankings.
     Review of Economics, 68 (2017), 167 – 179.                     Economic Theory Bulletin, 5 (2017), 139 – 150.               Justus Haucap, Tobias Thomas & Klaus Wohlrabe

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