Aquatische und semiaquatische Coleoptera und Heteroptera im Naturschutzgebiet "Hörbranzer Schmelzwiese" (Vorarlberger Bodenseeufer) - Dornbirn ...
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Buchner, J. (2021): Aquatische und semiaquatische Coleoptera und Heteroptera im Naturschutzgebiet »Hörbranzer Schmelzwiese« (Vorarlberger Bodenseeufer). inatura – Forschung online, 89: 17 S. Aquatische und semiaquatische Coleoptera und Nr. 89 - 2021 Heteroptera im Naturschutzgebiet »Hörbranzer Schmelzwiese« (Vorarlberger Bodenseeufer) Johannes Buchner1 1 Johannes Buchner, MSc Nibelungenstraße 20, 6845 Hohenems E-Mail: JoeBuchner@hotmail.com Abstract In the current study the composition of the species communities of aquatic and semiaquatic Coleoptera and Heteroptera was investigated. The study area was the »Hörbranzer Schmelzwiese«, which belongs to the Natura 2000 site »Leiblach« in Vorarlberg (Austria). Seven different water bodies were sampled eight times during the vegetation period 2020 using a combination of dif- ferent trapping techniques. A total of 4679 individuals that represented 58 species of aquatic beetles and bug could be recorded. The results show that there were significant differences between the sampling locations. The dammed Mühlbach turned out to be poor in species and individuals, the floodplain forest showed the highest diversity in terms of index-values and the large sedge swamp was the location with the most species and individuals. Furthermore, various endangered species could be documented. The species Acilius canaliculatus was recorded for the first time in Vorarlberg. The FFH species Graphoderus bilineatus could not be recorded at any of the sites in contrast to previous investigations. This study shows that the area of the »Hörbranzer Schmelz wiese« consists of a heterogeneous network of different biotopes and underlines the importance of this area for nature und species conservation. Furthermore, it extends the knowledge about the aquatic and semiaquatic Coleoptera and Heteroptera in Vorarlberg. Key words: Coleoptera, Heteroptera, Natura 2000, Bodenseeufer, Faunistik Zusammenfassung arten- und individuenarm heraus, die weitert sie das Wissen über die aquati- periodisch überschwemmte Auwald- schen und semiaquatischen Coleopte- Im Rahmen dieser Arbeit wurde fläche hatte die höchsten Diversitäts- ra und Heteroptera in Vorarlberg. die Zusammensetzung der Arten- werte, und im Großseggenried wurden gemeinschaften aquatischer und die meisten Arten sowie Individuen semiaquatischer Coleoptera und erfasst. Des Weiteren konnten diverse 1 Einleitung Heteroptera untersucht. Das Unter- als gefährdet eingestufte Arten do- suchungsgebiet war die zum Europa- kumentiert werden, darunter die Art Im Zeitalter des Anthropozäns hat die schutzgebiet »Leiblach« gehörende Acilius canaliculatus, welche damit das Menschheit eine prägende Wirkung »Hörbranzer Schmelzwiese«. Im Ver- erste Mal in Vorarlberg nachgewiesen auf den Planeten und dessen Gestal- lauf der Vegetationsperiode 2020 wur- wurde. Die FFH-Art Graphoderus bili- tung (Smil 2013, Zalasiewicz et al. 2019). den sieben verschiedene Wasserkör- neatus konnte im Gegensatz zu vor- Der Einfluss der Menschen hat zu einer per mit einer kombinierten Methodik angegangenen Untersuchungen an starken Reduktion natürlicher Popula- beprobt. Auf diese Weise konnten ins- keinem der Standorte erfasst werden. tionen sowohl in genutzten wie auch gesamt 4679 adulte Individuen aus 58 Diese Studie zeigt, dass im Gebiet der in wenig beeinflussten Lebensräumen verschiedenen Arten erfasst und be- »Hörbranzer Schmelzwiese« ein hete- geführt (Diaz et al. 2019, Schmid & Pröll stimmt werden. Die einzelnen Stand- rogenes Netzwerk unterschiedlichster 2020). So wurde in den letzten Jahren orte unterschieden sich teilweise sig- Biotope vorherrscht, und unterstreicht vermehrt ein starker Rückgang der nifikant voneinander. Der Bereich im die Bedeutung dieses Gebietes für Biomasse diverser Tiergruppen (Hoegh- aufgestauten Mühlbach stellte sich als Natur- und Artenschutz. Daneben er- Guldberg et al. 2007, Kamp et al. 2020) Eingereicht: 16.07.2021; Publiziert: 17.09.2021 1
belegt, darunter auch bei den Insek- biet zusätzlich Strukturen und damit gefährdete Arten zu bewerten und (iii) ten, der artenreichsten Tiergruppe der potentielle Habitate für andere Lebe- um folgende Fragestellungen zu un- Erde (Hallmann et al. 2017, Lister & Gar- wesen geschaffen. tersuchen: cia 2018, Sánchez-Bayo & Wyckhuys 2019, Neben dem Biber als FFH-Art konn- • Gibt es Unterschiede in der Diver- Roth et al. 2020, Rabitsch et al. 2020). ten auch andere FFH-Arten wie die sität und Artenzusammensetzung Ein Beispiel für besonders gefährdete Sibirische Winterlibelle (Sympecma zwischen den einzelnen Standorten Lebensräume sind Feuchtbiotope. So paedisca) oder der Schmalbindige des Gebietes? sind seit 1900 ca. 70 % dieser Bioto- Breitflügel-Tauchkäfer (Graphoderus • Durch welche Arten werden die pe verloren gegangen (Almond et al. bilineatus) nachgewiesen werden verschiedenen Standorte charakte- 2020). Dementsprechend haben auch (Chovanec et al. 2010 bzw. Niederer & risiert und wie sind die jeweiligen die Bewohner dieser Biotope darun- Kopf 2014). Graphoderus bilineatus ist Artengemeinschaften strukturiert? ter gelitten. Dem World Wide Fund for ein seltener Wasserkäfer und praktisch • Wo liegen, in Bezug auf die Diversi- Nature zufolge sind seit den 1970ern in ganz Europa vom Aussterben be- tät, die bedeutendsten Standorte? weltweit etwa 83 % der Populationen droht. Sein einziges stabiles Vorkom- • Wie steht es um die Population von Süßwasserarten zurückgegangen men in Österreich liegt am Bodensee, der FFH-Art Graphoderus bilineatus (Almond et al. 2020). genauer im Rheindelta und in der (Dytiscidae)? Ein teilweise gut erhaltener natur »Hörbranzer Schmelzwiese« (Schied & naher Feuchtlebensraum befindet sich Klarica o. J.). im Nordwesten Vorarlbergs. Das Ge- In Rahmen dieser Arbeit wurden die 2 Material & Methoden biet der »Hörbranzer Schmelzwiese« aquatischen bzw. semiaquatischen beherbergt einen vielfältigen Biotop- Käfer- und Wanzengemeinschaften 2.1 Gebiet komplex bestehend aus Uferlebens- verschiedener Standorte im Natur- räumen mit Röhrichten, Großseggen- schutzgebiet »Schmelzwiese« unter- Als Untersuchungsgebiet diente das sümpfen, Bruchwaldfragmenten und sucht, um (i) Informationen über die Naturschutzgebiet »Schmelzwiese« Elementen der Bach- und Flussauen Zusammensetzung besagter Artenge- (Abb. 1). Dieses befindet sich an (Aschauer & Grabher 2015). Die Aktivitä- meinschaften zu erhalten und einen Österreichs Westgrenze, in Hörbranz ten des Bibers, welcher sich 2013/2014 Aspekt der Biodiversität dieses Gebie- (Vorarlberg). Es liegt auf rund 396 m im Gebiet angesiedelt hat (mündl. tes hervorzuheben, (ii) die Bedeutung Seehöhe und ist 14,06 ha groß. Nord Mitt. Agnes Steininger), haben im Ge- dieses Lebensraums für seltene und östlich grenzt es an die Bahnlinie, Abb. 1: Lage des Arbeitsgebiet . Rot eingerahmt ist das Natura-2000-Gebiet »Schmelzwiese«. Grüne Symbole markieren die einzel- nen Beprobungsstandorte während des Untersuchungszeitraums 2020. Karte verändert nach VoGIS. inatura – Forschung online 89 (2021) 2
Gelände nicht bestimmbare, zu- Abkürzung Kurzbeschreibung Koordinaten meist kleinere Wasserkäfer wurden in MB01 Einstaubereich des Biberdamms am Mühlbach 47,53210 N / 9,73765 E MB02 Vom Biber geschaffener Kanal 47,53191 N / 9,73805 E Ethanol (70 %) fixiert und zu einem MB03 Periodisch überflutete Auwaldfläche 47,53221 N / 9,73759 E späteren Zeitpunkt mit Hilfe eines SW04 Großseggenried mit Verlandungsaspekt 47,53226 N / 9,73696 E SW05 Weidengehölzstreifen am Rand der Schmelzwiese 47,53216 N / 9,73562 E Stereomikroskops identifiziert. Ge- SW06 Ehemaliger Verbindungsgraben zwischen See und Schmelzwiese 47,53226 N / 9,73343 E fangene Coleoptera wurden mithilfe BB07 Schilfröhricht im Bodensee 47,53329 N / 9,72917 E der Bestimmungsschlüssel von Arved Tab. 1: Übersicht über die Beprobungsstandorte in der »Hörbranzer Schmelzwiese«. Lompe (http://www.coleo-net.de) be- stimmt. Ergänzend dazu wurden die südwestlich an den Bodensee, zudem Reusenfallen drei Tage bzw. Nächte Bestimmungsschlüssel von Freude et grenzt es im Norden an das Natura- im Einsatz, wobei sie jeden Morgen al. (1971), Holmgren et al. (2016) und 2000-Gebiet »Leiblach« an, an wel- geleert wurden. Gekeschert bzw. mit Schödl (1993) verwendet. Die Bestim- ches es 2015 angegliedert wurde. Das dem Eimer geschöpft wurde jeweils mung der Heteroptera erfolgte mittels Untersuchungsgebiet befindet sich am ersten bzw. letzten Tag einer Be- Strauss & Niedringhaus (2014). Zusätz- im Einflussbereich des Bodensees, im probungsphase. lich diente eine Vergleichssammlung direkten Überflutungsbereich liegen Die Flaschenfallen folgen den im mit aquatischen Coleoptera von Mag. heute aber nur noch die Uferbereiche. deutschsprachigen Raum anerkann- Timo Kopf als Bestimmungshilfe. Die eigentliche Schmelzwiese wurde in ten Fallentypen (vgl. Hendrich & Balke Von allen gefundenen Arten wurden den 1970ern durch eine Aufschüttung 2000, Koese & Cuppen 2006). Hierfür Beleg exemplare präpariert und auf- vom See getrennt. Dadurch ist der wurden 1,5 l PET-Flaschen verwendet. bewahrt. Die Belege befinden sich in Wasserstand der Schmelzwiese vom Dabei wurde der Boden einer Flasche der Sammlung des Autors sowie Teile See zeitweise entkoppelt und liegt weggeschnitten und das vordere Drit- davon in der Sammlung der inatura in meist höher als der des Bodensees tel einer weiteren Flasche wurde, mit Dornbirn. Nach Absprache mit Herrn (Aschauer & Grabher 2015). Zusätzlich der schmalen Öffnung voran, in die Dr. Manfred Jäch (Naturhistorisches liegt der Wasserstand des Mühlbachs erste Flasche geklebt. Die Kübelfallen Museum Wien) wurden aufgrund mor- und der angrenzenden Auflächen sind nach dem gleichen Schema auf- phologischer Ähnlichkeiten einige aufgrund des Biberdammes zeitweise gebaut (vgl. Schelling 2010). Um die Individuen der Gattung Helophorus rund 1,6 m über dem des Bodensees Fängigkeit zu erhöhen, wurden so- zusammengefasst und als Helophorus (Aschauer & Grabher 2015). Neben dem wohl Kübel- als auch Flaschenfallen gr. flavipes/obscurus beschrieben. Indi- Mühlbach gibt es noch die Leiblach mit Katzenfutter und Knicklichtern viduen, welche nicht bis auf Artniveau und den Ruggbach (welche beide bis ausgestattet. Da ein Lebendfang das bestimmt werden konnten, wurden auf ihre Mündungsbereiche durch Ziel war, wurde darauf geachtet, dass in der statistischen Bearbeitung nicht Dämme verbaut sind) und einen Kanal ein ausreichender Luftvorrat in den berücksichtigt. Die Nomenklatur östlich des Ruggbachs, welcher groß- Fallen vorhanden war. Pro Standort der Coleoptera folgt Spitzenberg et al. teils unterirdisch ausgeleitet wird. wurden jeweils zwei Flaschen- und (2016), die der Heteroptera Strauss & Innerhalb des Gebietes wurden sie- eine Kübelfalle ausgelegt und an ver- Niedringhaus (2014). ben verschiedene Standorte beprobt schiedenen Mikrohabitaten platziert (Tab. 1). (Offenes Wasser, Gewässergrund und 2.3 Auswertung Gewässerrand). Ergänzend wurde 2.2 Erfassungsmethodik noch mittels Teichkescher (Durchmes- Die erfassten Arten wurden entspre- ser 32 cm, Maschenweite 1 mm, Griff chend ihren relativen Häufigkeiten Die Erhebung der aquatischen und länge 60 cm) beprobt. Ein Kescher- angeordnet und Dominanzklassen zu- semiaquatischen Käfer und Wanzen schlag war ~0,5 m lang und dauerte geteilt. Die Einteilung erfolgte gemäß erfolgte von 28. April bis 24. Septem- ~5 Sekunden (vgl. Bloechl et al. 2009, einer von Biesiadka (1980) für aquati- ber 2020. In diesem Zeitraum wur- Turić et al. 2017). Zur weiteren Unter- sche Insekten vorgeschlagenen Klassi- de jeder Standort achtmal beprobt, suchung diente die Entnahme von fizierung in vier Dominanzklassen. wobei zwischen den Beprobungs- Standardschöpfeinheiten nach Behr Die α-Diveristät wurde mittles Shan- terminen ein Abstand von rund drei (1988) (Niederer 1998) mit einem Kübel non-Wiener-Index (H), dem Gini-Simp Wochen lag. Die Beprobung erfolgte (Volumen 5 L). son-Index (1-D) und der Evenness (J) mit einer kombinierten Methodik aus Gefangene Fische oder Amphibien, bewertet. Dies sind gebräuchliche Flaschen- und Kübelfallen sowie er- wie auch alle im Feld bestimmba- Indices in der Biodiversitätsforschung, gänzend mit Kescher und Eimerschöp- ren Individuen wurden nach jedem welche jeweils leicht unterschiedliche fen. Pro Beprobungsphase waren die Nachtfang wieder freigesetzt. Im Aspekte der Diversität (z. B.: Unter- inatura – Forschung online 89 (2021) 3
en (~47 %) wurde hier gefangen. Der Standort MB01 MB02 MB03 SW04 SW05 SW06 BB07 Gesamt Einstaubereich (MB01) war der indivi- Arten 11 18 21 42 28 18 9 58 Arten (exklusiv) 2 0 1 6 3 2 5 duenärmste Standort, nur rund 0,6 % Individuen 27 126 143 2189 1012 976 203 4679 aller Individuen konnten dort erfasst Tab. 2: Arten- und Individuenzahlen der einzelnen Standorte (vgl. Tab. 1) im Natur- werden. In den permanent wasserfüh- schutzgebiet »Schmelzwiese« während des Untersuchungszeitraums 28.04. bis renden Standorten (MB01 und BB07) 24.09.2020. Arten (exklusiv) = Anzahl an Arten nur an bestimmtem Standort gefunden. stellten Vertreter der Heteroptera je- weils die dominantesten Arten. Am Individuen pro Standort Standort im Bodensee (BB07) war dies mit ~76 % Sigara striata (Corixidae). Am Standort im Mühlbach (MB01) dominierte Gerris lacustris (Gerridae) Mühlbach mit ~48 %. Die Coleoptera-Arten Hy- Biberkanal drochara caraboides und Hydaticus 20,90% 21,70% Auwaldfläche seminiger nahmen in den periodisch 4,30% 3,10% Großseggenried trockenfallenden Standorten (MB02, 0,60% MB03, SW04, SW05 und SW06) eine 46,80% Weidengehölzstreifen 2,70% jeweils eudominante oder dominante Verbindungsgraben Stellung ein. Eine Art (Rhantus latitans) Bodenseebucht konnte an allen sieben Standorten Abb. 2: Individuen pro Standort. Während des Untersuchungszeitraums 28.04. bis erfasst werden. Die Arten Hydaticus 24.09.2020 im Naturschutzgebiet »Schmelzwiese« erfasste Individuen, aufgetrennt seminiger, Hydrometra stagnorum und auf ihre jeweiligen Fundorte. MB01 = Einstaubereich Mühlbach, MB02 = Biberkanal, Noterus crassicornis waren an 6 von 7 MB03 = Auwaldfläche, SW04 = Großseggenried, SW05 = Weidengehölzstreifen, SW06 = Standorten zu finden. 19 Arten konn- ehemaliger Verbindungsgraben, BB07 = Bodenseebucht. n = 4679. ten jeweils nur an einem bestimmten Standort nachgewiesen werden. In schiedliche Gewichtung der Abun- Die statistische Auswertung der erho- der Bodenseebucht wurden die we- danzen) hervorstreichen (Morris et al. benen Daten erfolgte mit MS Office nigsten Arten erfasst, jedoch waren 2014). Zur Ermittlung der β-Diversität 365 – Excel, PAST Statistics v.4.03 (Ham- über 50 % dieser Arten nur an diesem zwischen den Untersuchungsstand- mer et al. 2001) und Estimate S v.9.1.0 Standort zu finden. orten wurde paarweise der Sørensen- (Colwell 2013). Das Großseggenried und der Weiden Index sowie der Bray-Curtis-Index gehölzstreifen waren signifikant in- berechnet. Um die Ähnlichkeiten der 3 Ergebnisse dividuenreicher als der Mühlbach Artgemeinschaften in den verschiede- (p < 0,028 bzw. p < 0,05). Weiters nen Standorten zu erfassen, wurde für Im Verlauf der Untersuchungen konn- waren sie auch signifikant artenrei- die gerade genannten Indices Cluster- ten 4679 Individuen (4397 Coleoptera cher als der Mühlbach (p < 0,023 bzw. analyse durchgeführt. Das Clustering und 282 Heteroptera) erfasst und auf p < 0,05). Zusätzlich zeigten diese bei- erfolgte nach dem »Single linkage Artniveau bestimmt werden (Tab. 2). den Standorte auch signifikant mehr clustering« mit stratigraphischer An- Insgesamt wurden 58 Arten aus 17 Arten als der Standort im Bodensee ordnung. Familien nachgewiesen (Tab. A3). Hyd- (p < 0,02 bzw. p < 0,05). Waren die Voraussetzungen für para rochara caraboides war dabei mit 1345 Zur Quantifizierung der Artendiver- metrische Verfahren erfüllt, wurde Individuen die am häufigsten gefun- sität der einzelnen Untersuchungs zum Vergleich der Standorte die ein- dene Art. Zusammen mit Hydaticus standorte wurden verschiedene Mess- faktorielle Varianzanalyse (ANOVA) mit seminiger (1182 Individuen) und Gra- werte verwendet, diese sind in Tab. 3 Tukey-Kramer-Test durchgeführt. Wur- phoderus cinereus (843 Individuen) wa- dargestellt. den diese nicht erfüllt, so wurde der ren 72 % aller bestimmten Tiere diesen Die Diversität der verschiedenen Kruskal-Wallis-Test mit Mann-Whitney- drei Arten zuzuordnen. Von den 58 er- Standorte variiert gemäß Shannon- Test herangezogen. Mittels Bonferroni- fassten Arten nahmen 51 zusammen Index zwischen H‘ = 0,872 für den Bo- Korrektur wurde das Signifikanzniveau knapp 10 % der Individuenmasse ein. denseestandort (BB07) und H‘ = 2,484 gesenkt, um die Gefahr falsch positiver Der Standort im Großseggenried in der überschwemmten Auwaldflä- Ergebnisse zu minimieren (Otto 2004). (SW04) war der in absoluten Zahlen ar- che (MB03). MB03 hat gemäß beiden Das α-Signifikanzniveau wurde bei ten- und individuenreichste Standort Indices (H‘ und 1-D) die höchsten Werte 5 % festgelegt. (Abb. 2). Fast die Hälfte aller Individu- des Untersuchungsgebietes. Prinzipiell inatura – Forschung online 89 (2021) 4
wurde hiermit zum ersten Mal im Bun- MB01 MB02 MB03 SW04 SW05 SW06 BB07 desland Vorarlberg nachgewiesen. Simpson 1-D 0,735 0,653 0,884 0,737 0,767 0,452 0,397 Shannon H´ 1,836 1,731 2,484 1,76 1,861 1,093 0,872 In der vorliegenden Studie konnten Evenness J 0,766 0,599 0,816 0,471 0,559 0,378 0,397 auch 15 Arten dokumentiert werden, Tab. 3 Diversitätsindices der einzelnen Untersuchungsstandorte im Naturschutzgebiet welche in den zum Vergleich heran- »Schmelzwiese«. Gini-Simpson-Index = 1-D, Shannon-Wiener–Index = H, Evenness/ gezogenen Listen einen Gefährdungs- Equitability = J. status aufweisen (Tab. A4), wie zum Beispiel der in Bayern als »stark ge- fährdet« eingestufte Käfer Hydroporus rufifrons. Zwölf dieser Arten wurden im Großseggenried gefunden. Der Weidengehölzstreifen beherbergte neun, die überschwemmte Auwald- fläche sieben, der ehemalige Verbin- dungsgraben sechs und der vom Biber gegrabene Kanal vier gelistete Arten. Im Zuge der Probennahmen wurden die Amphibien als Beifang erfasst. Un- ter den 82 adulten Schwanzlurchen (Urodela) (Tab. A5) befand sich auch Abb. 3: Clusterdiagramme für die Standorte des Untersuchungsgebietes »Schmelzwie- die FFH-Art Triturus cristatus. se« (Single-Linkage-Clustering, Stratigraphische Anordnung). Links: Clusterdiagramm des Sørensen-Index. Rechts: Clusterdiagramm des Bray-Curtis-Index. 4 Diskussion sind gemäß Shannon-Index höhere MB03 (66,7 %) sowie SW04 und SW05 Artenzahlen nicht gleichzusetzen mit (71,5 %) hohe Ähnlichkeiten im Ar- 4.1 Einflussfaktoren höheren Indexwerten. So zeigt sich an teninventar zeigen. Die Ähnlichkeiten Standort SW04, trotz deutlich höherer der untersuchten Artengemeinschaf- Die Unterschiede in den Arten- und In- Artenzahlen (vgl. Tab. 3), ein geringe- ten zwischen einzelnen Standorten dividuenzahlen sowie daraus resultie- rer Shannon-Wert (H‘ = 1,76) im Ver- wurden mit Hilfe einer Clusteranalyse rend in den Diversitätswerten können gleich mit MB03 (H‘ = 2,484) und MB01 verbildlicht (Abb. 3). nicht auf einen einzigen Faktor zurück- (H‘ = 1,836). Bei Betrachtung der Even- Im Rahmen der Untersuchungen wur- geführt werden (Bloechl et al. 2009, ness wird sichtbar, dass die Arten in de am 11. August ein männliches In- Rolke et al. 2018), vielmehr wird das SW04 ungleich verteilt sind (J = 0,471), dividuum der Art Acilius canaliculatus Auftreten von unterschiedlichen Arten also wenige Arten dominieren. Auch mittels Flaschenreuse im Großseggen- von verschiedenen Parametern beein- in den Standorten SW06 und BB07 zei- ried (SW04) erfasst (Abb. 4). Diese Art flusst. Die jeweilige Ausprägung dieser gen niedrige Evenness-Werte (0,378 bzw. 0,397) eine Ungleichverteilung der Arten an. Der Gini-Simpson-Index, welcher mehr Gewicht auf dominan- te Arten legt (Krebs 1999), gibt für die Standorte SW04 (1-D = 0,737) und MB01 (1-D = 0,735) fast gleiche Werte vor. Die Ähnlichkeiten der Arteninventare lagen im paarweisen Vergleich der Be- probungsstandorte zwischen 7,5 und 71,4 gemäß Sørensen-Index (Präsenz- Absenz) (Tab. A1). Für den Jaccard- Index (Abundanzen) lagen die Werte zwischen 0,2 und 61,3 (Tab. A2). Durch den Vergleich der Standorte mittels Sørensen-Index wird sichtbar, dass nur Abb. 4: Acilius canaliculatus (Nicolai, 1822) ♂, dorsal. Erstfund für das Bundesland Vor- jeweils die Standortpaare MB02 und arlberg. (Foto: Josef Buchner 08.12.2020). inatura – Forschung online 89 (2021) 5
Faktoren sowie deren Zusammenspiel abgesehen, stellen die Makrophyten nente Gewässer angeschlossenen und trägt dazu bei, dass im Untersuchungs- wichtige Versteckmöglichkeiten gera- zusätzlich trockenfallenden Standor- gebiet ein heterogenes Netzwerk de in Gewässertypen mit Prädatoren, ten keine Fischpopulationen beobach- verschiedenster Biotope vorherrscht. wie zum Beispiel Fischen, dar (Gong et tet werden. Aschauer & Grabher (2015) Die Heterogenität kann dabei durch al. 2000, Bloechl et al. 2009). bestätigen, dass die Schmelzwiese seit verschiedenste Faktoren beeinflusst Die Dauerhaftigkeit von Feuchtgebie- den 1970er Jahren nicht mehr als Le- werden. So kann die Besiedelung der ten bildet einen zentralen Faktor in der bensraum für Fische geeignet ist. einzelnen Standorte trotz der geogra- Strukturierung aquatischer Artenge- Auch Parameter wie pH-Wert, Wasser- phischen Nähe nicht uneingeschränkt meinschaften (Eyre et al. 1990, Lundkvist leitfähigkeit oder gelöster Sauerstoff erfolgen. Eine Verbreitung mittels Be- et al. 2001, Whiles & Goldowitz 2005). So dürften einen mehr oder weniger wegung im Wasser kann nur teilweise hat z. B. das periodische Austrocknen großen Einfluss auf die Artengemein- angenommen werden, da die Stand- dieser Standorte auf der einen Seite ei- schaften haben. Allerdings wird über orte nicht alle aneinander angebun- nen negativen Einfluss auf die Wasser- die Bedeutung der einzelnen Para- den sind und teilweise trockenfallen, käfergemeinschaft, da dies die Anzahl meter kontrovers berichtet. So sehen was logischerweise ein Ausweichen und Arten der Habitate reduziert (Kho- einige Studien kaum einen Einfluss auf eine nicht im Wasser stattfindende lin & Nilsson 1998). Auf der anderen (Nilsson & Söderberg 1996, Pérez-Bilbao Fortbewegung nötig machen würde. Seite kann eine durch Austrocknung et al. 2014, Kaboré et al. 2016, Rolke et Die effektivste Art der Ausbreitung bedingte Absenz von Prädatoren wie al. 2018), während andere Studien für aquatische Coleoptera und Hete- Fischen einen positiven Einfluss ha- sehr wohl einen Einfluss sehen (Eyre et roptera, die Flugfähigkeit (Bilton et al. ben (Collinson et al. 1995). So nehmen al. 1986, Bloechl et al. 2009). 2001, Arribas et al. 2011), kann von Art die Gesamtindividuendichte und die Ein Aspekt, welcher bisher noch nicht zu Art und sogar innerhalb der Arten Biomasse der Invertebraten entlang behandelt wurde, ist der Biber. Die variieren (Kehl & Dettner 2007, Boda & eines Gradienten von temporären bis Aktivitäten des Bibers bewirken eine Csabai 2012, Iversen et al. 2017). So sind permanenten Wasserkörpern zu, wäh- Erhöhung der Habitatheterogeni- im Untersuchungsgebiet sowohl flug- rend die Artenvielfalt in Feuchtgebie- tät in Bächen und Auen (Naiman et al. unfähige Arten wie Hyphydrus ovatus ten, welche eine kurze Trockenphase 1999). Diese Heterogenität führt zu und Noterus crassicornis (Jackson 1973) durchmachen, am höchsten ist (Whiles einer erhöhten Diversität (Brazier et als auch flugfähige Arten wie Rhantus & Gordowitz 2005). al. 2020) und Produktivität (Rolauffs latitans, Hydaticus seminiger (Nilsson Das Austrocknen von Gewässern so- et al. 2001) von Makroinvertebraten & Holmen 1995) oder Ilybius ater (Behr wie die Anbindung an permanente in den beeinflussten Gebieten. Die 1990) erfasst worden. Die Art des Ha- Gewässer limitiert daher die Eignung α-Diversität von Makroinvertebraten bitats, sprich der Gewässertyp, kann als Fischhabitat. Die Anwesenheit von kann an einzelnen veränderten Habi- die Artengemeinschaft beeinflussen. Fischen kann einen starken Einfluss taten auch geringer als an unverän- So kommen an instabilen oder tempo- auf die Dichten, den Artenreichtum derten Habitaten sein (Law et al. 2016, rären Gewässern eher und mehr flug- und die Artenzusammensetzung von Brazier et al. 2020). Auf einer räumlich freudige und flugfähige Arten vor als aquatischen Invertebraten und spezi- weiteren Skala ist jedoch ein erhöhter an stabilen Habitaten wie Fließgewäs- ell Käfern haben (Fairchild et al. 2000, Artenreichtum im Vergleich zu Gebie- ser und Moore (Kehl & Dettner 2007). Werth et al. 2005). So fanden Fairchild ten ohne Biber zu finden (Law et al. Eine wichtige Rolle in der Zusammen- et al. (2000) in ihrer Studie heraus, 2016). Brazier et al. (2020) berichten setzung von aquatischen Käferzöno- dass in Teichen mit wenigen oder gar ebenfalls von einer Erhöhung der ta- sen stellt die submerse Vegetation keinen Fischen die Biomasse der Käfer xonomischen, trophischen und/oder dar, da sie die Heterogenität der Um- rund dreifach höher war als in Teichen β-Diversität von Gemeinschaften von welt erhöht (Nilsson & Söderberg 1996, mit hohem Fischvorkommen. aquatischen Invertebraten gegenüber Hinojosa-Garro et al. 2010, Whatley et An der »Schmelzwiese« wurden nur in Gebieten ohne Bibereinfluss. Die Ak- al. 2015). So bietet ein starker Makro den permanent wasserführenden so- tivitäten des Bibers, wie das Errichten phytenbewuchs Lebensraum und wie in den direkt an den Mühlbach an- eines Dammes, können beispielswei- Nahrung für zahlreiche Wirbellose grenzenden Standorten Fische doku- se die laterale Konnektivität erhöhen, (Werth et al. 2005). Viele Arten be- mentiert. An den anderen Standorten, indem sie Wasser seitlich in angren- nötigen aquatische Vegetation für an welchen keine Fische nachgewie- zende Uferbereiche drückt, Auen und die Eiablage oder als Nahrung, und sen wurden, könnte die Abwesenheit angrenzende Gebiete überschwemmt manche karnivoren Arten nutzen sie von potentiellen Prädatoren ein As- und vielfältige Feuchtgebiete schafft zur erfolgreichen Umsetzung ihrer pekt für die hohen Individuendichten (Macfarlane et al. 2015). Zusätzlich zu Jagdstrategien. Daraus ergeben sich sein. Zum Zeitpunkt der Erhebungen diesen großräumigen hydrologischen besondere Habitatansprüche. Davon konnten an den nicht direkt an perma- Veränderungen tragen sie zur Boden- inatura – Forschung online 89 (2021) 6
und Grundwasseranreicherung bei führen. Eine Ursache für die geringe Auftreten der aquatischen und semi- (Westbrook et al. 2006). So war der Individuenzahl kann die Anwesenheit aquatischen Coleoptera und Hetero- Mühlbach vor der Aufstauung durch von Fischen als Prädatoren und der da- ptera durch eine Kombination ver- den Biber nur ein Rinnsal und die raus resultierende Fraßdruck gewesen schiedener Faktoren beeinflusst und angrenzenden Flächen waren nicht sein (z. B. Fairchild et al. 2000). Die Län- kann nicht auf einen einzelnen Faktor überschwemmt (mündl. Mitteilung W. ge der Hydroperiode und die Tatsache, reduziert werden. Bei der Zusammen- Niederer). Im November 2015 lag der dass dieser Standort nicht permanent setzung von Makroinvertebraten-Ge- Wasserstand des Mühlbachs und der an den Mühlbach angebunden ist, ver- meinschaften spielen so neben räum- angrenzenden Auflächen durch den hindern allerdings, dass sich während lichen Effekten wie Konnektivität und Rückstau des Biberdamms etwa 1,6 m der ganzen Vegetationsperiode Fische Nähe zu anderen Wasserkörpern auch über jenem des Bodensees (Aschauer & an diesem Standort aufhalten. Denn physikalische, chemische und biolo- Grabher 2015). nach einem Austrocknungsereignis gische Faktoren eine Rolle (Hill et al. kann es erst bei Anbindung an den 2016). 4.2 Untersuchungsstandorte Mühlbach zu einer Wiederbesiedelung durch Fische kommen. 4.3 Gefährdete, neue und Der Aufstaubereich des Biberdamms Eine Erklärung für die hohen Abun- fehlende Arten war durch eine äußerst niedrige Indi- danzen im ehemaligen Verbindungs- viduendichte charakterisiert. Die ver- graben könnte darauf zurückzuführen Die im Untersuchungsgebiet nachge- gleichsweise hohen Diversitätswerte sein, dass fast drei Viertel der dort er- wiesenen Arten mit Gefährdungssta- entstanden dadurch, dass fast jedes fassten Individuen einer einzigen Art, tus konnten allesamt an Standorten dritte Individuum einer anderen Art namentlich Hydrochara caraboides, mit periodischer Austrocknung ge- zuzuschreiben war. Bis auf zwei waren angehören. Mit Hydrochara carabo- funden werden. Bemerkenswert sind alle dort dokumentierten Arten auch ides hat sich dort eine paläarktisch hier die hohen Individuendichten der an den anderen Standorten zu finden. weitverbreitete, euryöke Art (Boukal in Bayern in Kategorie 3 (»gefährdet«) Die erfassten Individuen könnten so et al. 2008) eingefunden. Laut Boyce geführten Arten Graphoderus cinereus durch Ausbreitung aus angrenzen- (2004) zählen unter anderem stehen- und Hydrochara caraboides. Ferner den, produktiveren Standorten in den des Wasser, flache, oft saisonal über- wurden auch regelmäßig Individuen Mühlbach gelangt sein. Die niedrige schwemmte Gewässer und belaubte von Hydroporus rufifrons erfasst. Diese Anzahl an Taxa sowie Individuen war oder detritusreiche Substrate zu den Art wird in den Roten Listen Deutsch- wahrscheinlich Resultat einer hohen Habitatanforderungen dieser Art. An- lands (gesamt) und Bayerns als »stark Prädationsrate durch Fische im Zu- dere Arten wie z. B. Hydaticus semini- gefährdet« sowie Österreichs und der sammenspiel mit einem Mangel an ger oder Graphoderus cinereus, welche Schweiz als »gefährdet« eingestuft Versteckmöglichkeiten. Diese wurden im Untersuchungsgebiet zu den häu- (Brancucci 1994, Jäch 1994, Hebauer et erst gegen Herbst hin durch die Ma- figsten erfassten Arten zählen, bevor- al. 2003, Spitzenberg et al. 2016). Hend- krophytenstruktur geboten. Ersterer zugen hingegen Habitate mit reicher rich et al. (2014) erwähnen dazu, dass Aspekt wird im Bodensee deutlich, so bzw. dichter Vegetation (Boukal et al. diese Art in den letzten Jahrzehnten bieten Schilfgürtel strukturell gesehen 2008), welche beispielsweise im Groß- überall in Deutschland sehr selten umfangreiche und komplexe Lebens- seggenried gegeben ist. geworden ist. Zu ihren bevorzugten räume für Jungfische (Whitfield 2016). Für den aufgezeigten besiedlungsbe- Habitaten zählen ephemere bis semi- Da die zum Mühlbach angrenzenden einflussenden Effekt der Parameter permanente, flache, meso- bis eutro- Flächen durch dessen Aufstauung bei Habitatstruktur, Hydroperiode und phe und vegetationsreiche stehende hohem Wasserstand überschwemmt Prädation spricht, dass in den Stand- Gewässer, welche meistens in Auen werden, schafft die Anwesenheit des orten der Schmelzwiese (SW04 und mit Überschwemmungen oder Verlan- Bibers hier zusätzliche Habitate für SW05) die höchsten Arten- sowie In- dungsmooren vorkommen (Hendrich aquatische Coleoptera und Hetero dividuenzahlen gefunden wurden. et al. 2014). Die Tatsache, dass diese ptera. Die durch den Pflanzenbewuchs Für das ganze Untersuchungsgebiet Art als flugunfähig gilt (Foster 2000), entstehende Strukturierung der Ha- gesehen, stellt das Großseggenried ei- dürfte für ihre zukünftige Verbreitung bitate sowie die Länge der Hydro nen zentralen Faktor der Artenvielfalt kein Vorteil sein. Deswegen sollten periode, können sich auch hier, wie die dar. So konnte dieser Standort einer der Erhalt momentaner Besiedlungs oben erwähnten Beispiele zeigen, po- Vielzahl an Individuen verschiedenster standorte und gegebenenfalls eine er- sitiv auf die Diversität auswirken. Die Arten einen Lebensraum bieten. höhte Konnektivität mit potentiellen hohen Diversitätswerte dieses Stand- Wie vorherige Studien zeigten (u. a. Habitaten gewährleistet sein, um den orts sind auf die gleichmäßige Vertei- Nilsson & Söderberg 1996, Bloechl et Bestand dieser Art zu sichern. lung der Artenabundanzen zurückzu- al. 2009, Rolke et al. 2018), wird das inatura – Forschung online 89 (2021) 7
Auch Acilius canaliculatus wurde in der Umweltansprüche hat (Boukal et al. genried und im Weidengehölzstreifen Schweiz und Bayern als »gefährdet« 2008). Knoblauch et al. (2019) stellen der Schmelzwiese gefunden, welche sowie in Österreich als »potentiell ge- die Hypothese auf, dass sich die öko- dadurch eine weitere Bedeutung im fährdet« eingestuft (Brancucci 1994, logischen Nischen dieser beiden Arten Schutz einer gefährdeten Art erhält. Hebauer et al. 2003, Jäch 1994). Dieser überlagern, wobei Graphoderus cine- Käfer wurde im Zuge der Beprobun- reus einfach konkurrenzstärker ist und gen zum ersten Mal in Vorarlberg darüber hinaus auch mit veränderten 5 Fazit nachgewiesen. Boukal et al. (2008) Lebensraumbedingungen besser klar- beschreiben ihn als acidophile Art, kommen könnte. Diese Studie zeigt, dass im Natura- die verschiedenste Typen stehender Ob Graphoderus bilineatus wirklich im 2000-Gebiet »Leiblach« im Teilgebiet Gewässer, welche zumindest teilwei- Untersuchungsgebiet verschwunden Schmelzwiese ein heterogenes Netz- se Pflanzenbewuchs aufweisen, be- ist, sollte in den nächsten Jahren durch werk unterschiedlichster Biotope vor- siedelt. Er ist gut flugfähig und fliegt wiederholtes Beproben der potentiel- herrscht. Die kleinräumige Verteilung während der gesamten Vegetations- len Standorte festgestellt werden. Um verschiedenster Habitate und deren periode (Iversen et al. 2017). Es wäre den Erhalt dieser Art zu gewährleisten, Eigenschaften sorgen für ein Gebiet, möglich, dass diese Art von Bayern her könnten größere (fischfreie) Flachge- welches für den Natur- und Arten- an diesen Standort migriert ist. Burm- wässer geschaffen werden und zu- schutz von besonderer Bedeutung ist. eister & Burmeister (2011) beschrieben in sätzlich – wie von Aschauer & Grabher Speziell hervorzuheben sind dabei das Bayern eine Erweiterung des Besied- (2015) vorgeschlagen – durch eine Großseggenried, der Weidengehölz- lungsareals dieses Käfers in Richtung abschnittsweise Mahd der Schilfröh- streifen und die überschwemmte Au- Süden. richte eine Nährstoffakkumulation der waldfläche. Eine Art konnte im Rahmen dieser Gewässer verhindert werden. Gerade in Zeiten des Rückgangs von Studie nicht nachgewiesen werden – Feuchtgebieten und ihrer Diversität Graphoderus bilineatus ist praktisch in 4.4 Beifang (siehe z. B. Hu et al. 2017, Roth et al. ganz Europa vom Aussterben bedroht. 2020), in denen Landschaften übernutzt Für Deutschland berichten Spitzenberg Im Zuge der Untersuchung wur- und leergeräumt werden und in denen et al. (2016) von einem starken Rück- den aufgrund der gewählten Fallen der Nutzungsdruck durch den Men- gang seiner Populationen. Die letzten methodik auch Amphibien erfasst. schen immer weiter steigt, ist es wich- Funde in der Hörbranzer Schmelzwie- Erwähnenswert sind hier die Nachwei- tig natürliche Systeme zu erhalten und se gehen auf Niederer & Kopf (2014) zu- se der in den Anhängen II und IV der zu schützen. Um diese Lebensräume rück. Bei diesen Erhebungen im Jahr FFH-Richtlinie gelisteten Art Triturus ausreichend schützen zu können, ist 2014 fanden sie jedoch andere hydro cristatus. In den Roten Listen der Am- eine umfassende Dokumentation der logische Bedingungen vor (mündl. phibien Vorarlbergs (Aschauer & Grab- Schutzgüter unerlässlich. Mitteilung W. Niederer). So waren in her 2021) sowie Österreichs (Gollmann der Schmelzwiese damals nur weni- 2007) wird der Kammmolch als »stark ge Tümpel zu finden, was die Chan- gefährdet « angeführt. Diese Art konn- 6 Dank ce, Individuen dieser Art zu fangen, te insgesamt 35mal vermerkt werden erhöht haben könnte. Im Gegensatz (14 männliche, 16 weibliche sowie 5 Besonderer Dank gebührt Barbara und dazu waren im Jahr 2020 große Teile Individuen, bei denen das Geschlecht Kurt Buchner, welche mich seit Tag 1 der Schmelzwiese wasserführend, was nicht bestimmt werden konnte). Zu unterstützt haben. Für die Betreuung das potentielle Habitat von Grapho- ihren Lebensräumen zählen unter an- und Übernahme meiner Arbeit möch- derus bilineatus vergrößert und damit derem Flussauen und Feuchtwiesen. te ich mich bei ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. eine Erfassung dieser seltenen Art er- Als ideale Laichgewässer kommen Harald Krenn (Universität Wien) und schwert haben könnte. größere Teiche, die teilweise besonnt Mag. Walter Niederer (Regionsmana- Eine weitere Erklärung für das Fehlen sind und Pflanzenbewuchs aufwei- ger der Europaschutzgebiete Boden- dieser Art besteht in der Anwesenheit sen, infrage (Günther 1996, Cabela et al. see und Leiblach) bedanken. Mag. von Graphoderus cinereus. Knoblauch 2001). Da Fische zu den Hauptfeinden Timo Kopf und Dr. Norbert Milasowszky et al. (2019) vermuten, dass Grapho- von Amphibien gehören, vor allem waren bei Fragen jederzeit zur Stelle. derus bilineatus und Graphoderus ci- für den Laich und die Larven bzw. Für die Unterstützung bei der Feldar- nereus ähnliche Bedürfnisse in Bezug Kaulquappen, bevorzugen Molche beit sowie viele großartige Fotos des auf Habitattyp und -struktur haben. Gewässer, die periodisch austrocknen Gebietes und der erfassten Individuen Graphoderus bilineatus hat eine enge und somit für Fische weniger geeignet sei Herrn Lauritz Birkel, Kurt und Jo- ökologische Amplitude, wohinge- sind (Schelling 2010). So wurden alle seph „Joschi“ Buchner gedankt. gen Graphoderus cinereus geringere Individuen ausschließlich im Großseg- inatura – Forschung online 89 (2021) 8
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